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3.80 folgte Nr. 1000. Eines großen Ruhmes erfreuen sich ferner die mechanische Weberei in Linden, die Fabrik von Druckerfarben von Jänicke und Schneemann, die Bube'sche Maßstabfabrik, die Geschäftsbücherfabrik von König und Ebhard u. s. f.; Hannover verdankt ihnen einen hohen Ruf in der industriellen Welt. Der Wichtigkeit der Industrie entsprechend ist die Zahl der in den fabrikmäßigen Betrieben der Stadt beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen eine ziemlich bedeutende; im Jahre 1872 betrug sie 4460 in Hannover, 6358 in Linden, zusammen also 10,818, d. i. fast 10°/» der damaligen Gesamtbevölkerung. Daneben wird in mehreren um die Stadt zerstreuten Orten, die man sehr passend Vordörfer genannt hat, ebenfalls eine nicht unbedeutende Arbeiterzahl beschäftigt, so daß in dem Jn- dustrieort Hannover, dem wir diese nahen Vordörfer in dieser Hinsicht füglich einverleiben können, die Totalsumme der Fabrik bevölkerung auf 13,000 veranschlagt ist. Unter den beson ders blühenden Gewerbszweigen ist hier auch die Bierbrauerei anzuführen; noch i. I. 1845 schrieb Hoppe: „Es ist den Bier brauern der Stadt noch immer nicht gelungen, die goldene Aera ihres Gewerbes zurückzuführen." Nun, heute dürfte diese mit leidsvolle Behauptung mit einem Fragezeichen versehen werden müssen; die städtische Brauerei lieferte im Geschäftsjahre 1872/73 circa 15,171 Hektoliter Broyhan, ca. 39,421 Hektoliter Lager bier und ca. 3593 Hektoliter Braunbier, daneben bestehen zwei große Aktienbrauereien mit einer jährlichen Produktionskraft von 100,000 Hektolitern. Eigentümlich sind die rechtlichen Verhältnisse der Brauergilde, welche hier, ähnlich wie in Hildes heim, auf 317 Häusern der Altstadt ruht. — Es möge uns erlaubt sein, über Handel und Verkehr der Stadt noch einige Ziffern anzufügen, die das Aufblühen Hannovers interessant illustriren. Wir entnehmen dieselben dein vorzüglichen Büchlein: Hannover und Umgegend, (einer Festschrift zur 25. Versamm lung des Vereins deutscher Ingenieure, Hannover 1874) dem wir überhaupt einen großen Theil unserer Zahlenangaben ver danken. Nach Auskunft des amtlichen Handelsregisters existirten Ende 1873: 1383 Firmen in der Stadt, gegen 951 des Jahres 1867. Die Anzahl der jetzt in Hannover-Linden mit Eisenbahn täglich ankommenden und abgehenden Personen wird auf rund 3000 taxirt, übersteigt also weit eine Million im Jahre, die täglich ankommende Gütersumme auf 45,000 bis 50,000 Ztr.; dagegen treten die abgesandten Güter der Masse nach zurück, da unter den ankommenden Steinkohlen und Kokes eine große Rolle spielen. Die abgehenden Güter betrugen auf den Staatsbahnen 1870—72 täglich durchschnittlich etwas über 8000 Ztr., auf der Altenbekener Bahn 1873 täglich etwas über 1100 Ztr. Hin- sichtlich des Postverkehres sei bemerkt, daß im Jahre 1873 in Hannover ankamen 4,457,484 Briefe und Kreuzbandsendungen, 325,692 Pallete ohne Werthangabe, 169,200 Briefe und Pallete mit Werthangabe im Werthe von 90,598,968 Thlr., während zugleich in Linden aukamen 315,576 Briefe und Kreuzband sendungen, 15,732 Packete ohne Werthangabe, 12,312 Briefe und Packete mit Werthangabe im Werthe von 3,178,584 Thlr. Im I. 1873 wurden in Hannover-Linden aufgegeben 103,060 Depeschen, kamen an 110,586. — Neben der materiellen Ent wickelung der Stadt nahm selbstverständlich auch die Förderung der höheren Interessen einen kräftigen Aufschwung. Hierin ist denn besonders die Rückkehr des Fürstenhauses in die Heimat von dem tiefgreifendsten Einfluß gewesen; vor allen fanden die Musik und die Architektur hier die liebevollste Pflege. Museen und andere wissenschaftliche und künstlerische Institute entstanden. Besondere Sorgfalt wandte die Regierung auch den Schulen zu, welche daher Hannover seit langem „eine hervorragende Stellung unter Städten^ gleichen, ja größern Umfanges gesichert haben, und welche weithin große Anziehungskraft ausüben." Auf die Entwicklung der Architektur und die mit ihr Hand in Hand gehende für Hannover so charakteristische hohe Ausbildung der Bauschlosferei werden wir nachher noch einen Blick werfen müssen. Schließlich sei hier noch einer Erscheinung gedacht, in welcher sich das Aufblühen der Stadt ebenfalls deutlich mani- festirt, des Vereins- und Zeitungswesens; Hannover zählt neun Vereine für Gewerbe und Landwirthschaft, (darunter einen bienen- wirthschaftlichen, einen Verein für Geflügel- nnd Singvögelzucht und einen Kaninchenzüchterverein), 21 Vereine zu milden und frommen Zwecken, 14 für Kunst und Wissenschaft, 15 für Mu ¬ sik rc. rc. Ju der Stadt erscheinen dreißig regelmäßige pe riodische Schriften, 7 politische, 16 Blätter für Kunst und Wissen- chaft, für Gewerbe, Handel und Landwirthschaft. Werfen wir jetzt einen Blick auf die Bewegung der Ein wohnerzahl in der Stadt. Das Steigen und Fallen der Be völkerung ist ja ein getreues Bild der größern oder geringer« Ansnutzung jener Vortheile, die die geographische Lage einer Stadt bieten kann. Die nus vorliegenden Zahlen, welche un gefähr mit der Mitte des vorigen Jahrhunderts anheben, illu striren auch sehr gut das Ende der vorletzten Entwickelungs periode Hannovers, ihr allmähliches Himiberleiten zu der letzten und namentlich diesen letzten, glanzvollen Abschnitt. Die Uebersiedelung des Hofes nach England war natürlich einem schneller« Wachsthume nicht günstig gewesen; die Ein wohnerzahl der Stadt stieg nur langsam, von 1735 bis 1815 hat sie sich nur von 13,920 auf 21,341 gehoben. Eine raschere Bewegung trat ein, nachdem durch die Verfassung von 1819 die bislang nnr locker verbundenen wölfischen Lande in einen Gesamtstaat verschmolzen wurden und die Hauptstadt somit ein wirkliches Centrum ward. Charakteristisch ist eine Bemerkung, die der erwähnte Geograph Sonne im Jahre 1834 über diesen Beginn eines schneller« Anwachsens machte; nachdem er des Zudranges der Fremden seit 1813 gedacht, fährt er fort: „Die Erkerstübchen sind gesuchter und theurer geworden; man kann mit Wahrscheinlichkeit annehmen, daß die Einwohnerzahl auch noch in den folgenden 8 —10 Jahren, jedoch in abneh menden Verhältnissen, sich vermehren werde." Könnte der gute Sonne das heutige Hannover sehen! Wir wollen einmal seine vorsichtige Prophezeihung mit dem Gange, den die Bewe gung der Einwohnerzahl in Wirklichkeit genommen, vergleichen. -- Die folgende Tabelle zeigt das Wachsthum der Bevölkerung der Gesamtstadt Hannover (Altstadt, Neustadt, inkorporirte Vor städte, Schloß- und Gartenbezirk und Vorort Linden); zuvor chei bemerkt, daß die Stadt aus drei administrativ bisher noch gesonderten Abtheilungen besteht, der Residenzstadt Hannover, dem Königl. Schloß- und Gartenbezirk Hannover und dem Vor orte Linden; diese Theile bilden aber geographisch nur Einen Ort, „über ihre enge Zusammengehörigkeit kann kein Zweifel sein" (Behm und Wagner). Die Stadt zählte im Jahre 1735:13,920 Einw.,! im Jahre 1842 : 38,781 Einw., „ „ 1755:14,732 „ „ „ 1845 : : 42,488 „ „ „ 1766:15,488 „ „ „ 1848 : : 43,826 „ „ „ 1790:16,500 „ „ „ 1852 : 49,909 „ „ „ 1812:17,572 „ „ „ 1855 : 55,653 „ „ „ 1813:17,698 „ „ „ 1858 : 61,852 „ „ „ 1815:21,341 „ „ „ 1861 : 71,170 „ „ „ 1818:23,500 „ „ „ 1864 : 79,649 „ „ „ 1823:27,517 „ „ „ 1867 : 87,014 „ „ „ 1833:32,177 „ „ „ 1871 : 105,027 „ Nach einer auf Grund der Adreßbücher von 1868, 1872, 1873 angestellten Berechnung zählte Hannover im Dezember 1872 : 116,466 Bewohner; nach einer andern auf der Anzahl der Geburten, Trauungen und Sterbefälle basirten Berechnung schätzte man die Bevölkerung der Gesamtstadt für den 1. Ja nuar 1874 auf 130,260 Seelen. Es wurde mehrfach ange nommen, daß bei der nächsten Zählung, Dezember 1875, Han nover die Zahl 150,000 überschritten haben würde; das wird jedoch aller Wahrscheinlichkeit nicht der Fall sein, da die Folgen des „Krachs", die Arbeiterentlassungen u. s. w. bei einer solchen Annahme wohl nicht genügend berücksichtigt sind. Die obige Tabelle zeigt uns, daß das Wachsthum der Be völkerung in den 55 Jahren von 1735—1790 nur 2570 Seelen betrug, d. i. etwas über Prozent im Jahre. Von 1790 bis 1818 betrug das Wachsthum ungefähr 1?/s Prozent im Jahre. Bon 1818—1842, also in der Periode von der Verfassungs änderung bis etwa znr Rückkehr des Herrscherhauses, erreichte die Einwvhnervermehrung eine jährliche Durchschnittszahl von etwas über 2^/s Prozent der Bevölkerung. In der folgenden Periode, von der Thronbesteigung des eignen Königs bis zur Annexion, für welche Periode wir der Tabelle die Ziffern von 1842 und 1867 entnehmen können, stieg das Wachsthum ganz euvrm; es betrug iu diese» 25 Jahren über 5 Prozent im Jahre; schon nach 22 Jahren, also 1864 hatte sich die Stadt