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Die Mannschaft der „Hansa" auf den treibenden Eisschollen. Ur. Gustav C. Laube, Professor am deutschen polytech nischen Landesinstitute in Prag, der als Geolog die zweite deutsche Nordpolarexpedition begleitete, hat in einem Merkchen: „Reise der Hansa in's nördliche Eismeer", Reisebriefe und Er- innerungsblätter (Prag 1871, I. G. Calve'sche Buchhandlung) die in der „Neuen Freien Presse" bereits früher veröffentlich ten Reiseberichte und einiges aus seinem Tagebuche — von der Zeit au, wo kein Spitzbergenfahrer mehr die Briefe der Mannschaft der „Hansa" nach der Heimat befördern konnte — zu einem nicht umfangreichen, aber durch frische Darstellungs weise und durch die in der That im Seemannsleben einzig da stehenden Erlebnisse der Hansafahrer höchst anziehenden Buche zusammengestellt. Wir entnehmen demselben, außer dem bei gefügten Bilde, die Schilderung des Lebens auf dem Eise, von dem 90. Oktober 1869 au, dem Tage, wo die „Hausa" sank und die Mannschaft die auf dem Eis erbaute Steinkohlenhütte bezog, indem wir in Bezug auf alle übrigen Erlebnisse der Hansafahrer auf den in unserer Zeitschrift Jahrgang 11. S. 76 bis 79 gegebenen Bericht über jene Fahrt verweisen. wir das Brennholz zusammen, und die gerettete große Stenge richteten wir auf, um die „Hansa"-Flagge Sonntags von ihr wehen zu lassen. So verlief die Zeit, und wie das menschliche Gemüth sich an alles gewöhnt, so war auch bald hier mehr Ruhe eingetreten. Freilich gar ost nahm der Fuß den Weg nach"der ehemaligen Stelle der „Hausa", so wie man bei uns das Grab eines geschiedenen Lieben besucht, und über die weite Eiswüste gleitete der Blick fragend: Wie wird das enden? Aber einer half dem anderen über eine peinliche Stimmung hinweg. Wenn alles gut ging, wenn die Scholle bei ihrer Trift nach Süden heil blieb oder nicht vor der Zeit ins Brechen kam, so konnten wir ja auf Rettung hoffen. „Das gleichmäßige Leben auf der Scholle, das sich kaum von dem auf dem Schiffe oder auf dem Lande unterschied, ließ uns in unserem neuen Aufenthaltsorte bald heimisch sein. Das Eisfeld hatte einen Umfang von vier Wegstunden, es gab Ge legenheit genug zu weiten Spaziergängen, zu Jagdzügen, die freilich immer beutelos blieben; denn Freund Petz kam gerade immer zur Zeit, wo ihn niemand erwartete. Es scheint übrigens, Sic Mmmschstt der „Hansa" ans dem Lisfrl-c. „Es gab viel zu thun", schreibt Ur. Laube in Bezug auf jene« Anfang der Fahrt auf der Eisscholle, „und das war gut: so hatte keiner Zeit in finsterem Brüten seinem Geschick zu grollen. Auf Schlitten schleppten wir das geborgene Gut zum Hause. Andere machten dieses wohnlich, denn bis jetzt, können Sie sich denken, war der Aufenthalt in den Kohlenziegelwäudcn ein furchtbarer, und da vom Heizen der Schnee auf dem Dach segel schmolz, leckte es fortwährend herein und nahm uns die Ruhe der Nacht. Eine Woche verging, und schon war es anders geworden. Die Resignation mußte die Ucberhaud ge winnen, und wer hat denn je seine Hoffnung aufgegeben, ehe der kalte Tod ihn in seine Arme schloß? Unser Haus war wohnlich geworden, die schwarzen Kohlenwände waren mit Segeltuch verkleidet, ein dichtes Plankendach und Dachfilzdeckung lagen darüber, der Schiffsofeu hauchte behagliche Wärme aus, und ringsum auf Pritsche» hatten wir unsere Bettsäcke liegen, darauf wir bequem schlafen konnten; auf einem Brete standen unsere Bücher, unter der Decke hingen unsere Waffen, Pelze und Stiefel, und zwei Petroleumlampen machten den Raum hell genug. Außeuher ums Haus stauten wir den Proviant ! auf unter Segeldach, eine vom Schiffe gerettete Treppeukappe ! und ein Schneegang davor wehrte den unfeinen Gästen, Wind j und Schnee, den Eingang ins Haus. Auf Schrägen häuften Aus allen Welttheileu. II. Iahrg. daß die zunehmende Dämmerung die Thiere mehr und mehr scheu macht, denu wenn sie auch zu jeder Zeit im Winter in unsere Nähe kamen, so rissen sie sofort aus, sobald sic unsere Jäger witterten. „Auch das Hauswesen gab mancherlei zu schaffe«. Die Boote wurden gepackt und für alle Fülle reisefertig gemacht, Holzspalten und Aufbaueu von Schneehäusern galt auch als nützlicher Zeitvertreib. Jni Hause selbst wurde es nach und nach heimlicher. Zwar fehlte es an allem, was man Komfort zu neunen Pflegt. Wir hockten wie die Türken auf unseren Bettsäcken, lagen wie die Römer am Tische und schrieben wie die Japanesen auf den Knieen. Es gab nicht Tisch, nicht Stuhl, und ersteren ersetzten wir endlich, einem dringend gefühlten Bedürfnisse abzuhclfen, durch ein schwebendes Bret, das eigent lich von Haus aus eine Schlittenplatte war. Der Schnee, der bald von außen alle Fugen dicht verweht hatte, ließ es warm im Hause werden, nud ein Fenster im Dache, das wir öffnen konnten, half dem Dunste ins Freie. Auf dem Fußboden, in den Zeugkisten und hinter den Kopfkissen fror es freilich immer, und ein von der Stelle genommenes Buch war oft dick zuge froren, aber mitten im Hause war es behaglich warm. „Die meiste Zeit verbrachten wir im Freien; die Kälte er trägt sich leicht, wenn die Luft ruhig ist, wird aber empfindlich, 41