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173 schiebt er aus einer Stellung in die andere, quittirt diese Be schäftigung und fällt in jene, die sonst, im gewöhnlichen ruhigen Gange des Lebens, einander auszuschließen Pflegen. Heute oben, morgen unten! Das öffentliche Leben hat nicht geringere Gegensätze auf zuweisen. Als vor wenigen Monaten ein Engländer von Stand und Bildung, welcher, in seiner Ehre anf's tiefste gekränkt, das Gesetz in eigene Hand ,'genommen, vor den Geschworenen in Melbourne stand, that derselbe in sei ner schwungvollen Berthcidigungsredc folgenden Aus spruch: ^ustraiia is tlw Paradise ok tim billig >vitb tbo ton- M or tbo pon, null Eersnoxrotoetion tv a man nbo w»8 slandoreä, d. i. Au stralien ist das Pa radies der Insolenz mit der Zunge oder der Feder, und ge währt einem Mau ne, welcher in seiner Ehre vernnglimpst worden, keinen Schutz. Ich wage nicht, diesem scharfen Ur theile zu widerspre chen, aber einen sol chen charakteristi schen Gegensatz hat Australien über haupt mit Ländern gemein, wo, aus Kosten einer Pseu do-Freiheit, der Schntz des Einzel nen seine Bedeu tung verliert. Es gibt in Au stralien nichts, das mehr koloniell ist, als eine Ministcr- krisis, und mau möchte saft sagen, dieParlamentcscien dazu da, solche her beizuführen. Wenn einmal, was freilich nicht zu oft pafsiry einige Monate dar über hingehcn, fo ist cs nicht mehr znm Aushalten, undMi- nistcrkrisen oder auch Parlamcntsauflösungeu müssen herbei- geführt werden. Daß dabei das eigentliche Interesse der Kolo nien wesentlich leidet, ist selbstverständlich, aber John Bull liebt nun einmal so etwas. Er will Tagesbegebenheiten, seine ^Uliiag ovonta hören und besprechen, und da die Post von jcnseit des Ozcans nur einmal den Monat eintrifft, so muß er sich dergleichen in der Zwischenzeit verschaffen. John Bull Püttirt dann sein Phlegma und diskutirt mit französischer Lebendigkeit. Die Geschäfte sind mehr oder weniger unter- b^ochen, und nur die Gastwirthe machen gewinnreiche Umsätze. So eine Zeit war cs wieder bei Abgang der letzten Oktobcrpost, wo mehrere Kolonien in Ministerkrisen lagen. Von Sydney, Neu-Süd-Wales, wird berichtet, daß dabei ein Parlaments mitglied der Opposition am 6. Oktober im Parlamente eine Rede hielt, welche 8»/^Stunden währte, und dennoch bedauerte der ehrenwerthe Herr am Schluffe seiner langen Rede, daß er, aus Mangel an Zeit, sehr vieles habe verschweigen müssen. Die Sitzung endigte um 3 Uhr morgens. Die Frauen, im allgemeinen, dominiren, fast möchte ich sagen mehr als irgendwo, mit Ausnahme von Nordamerika,- und beherrschen die Männer oft ziem lich tyrannisch, ohne daß diese ihre Un terwürfigkeit beson ders zu fühlen schei nen. In ihrer Pas sion für starke Biere und Spirituosen ste hen sie den Män nern gleich, und ein wenig sein ist modern und ge schieht nach den Re geln der Gesund heit, angeblich zur Stärkung der durch das Klima angegrif fenen Nerven. Die Statistik des Gene ral-Registrators in den verschiedenen Kolonien führt auch ein Register über die große Zahl der im Laufe des Jah res vom Polizei richterwegen öffent licher Trunkenheit verurtheilten Indi viduen, und leider sind dabei beide Ge schlechter in der Re gel ziemlich gleich mäßig vertreten. Wer namentlich in Sydney von 4 Uhr abends bis 1 Uhr nachts — denn da erst setzt die Polizei stunde dem wüste» Treiben ein Ende — sich mit Mühe durch die mit Men schen aller Stände übersüllten Straßen drängt, oder sich in dasTheater, welches erst gegen 9 Uhr beginnt, begibt, der wird über dieLeicht fertigkeit des weiblichen Geschlechts Ekel empfinden müssen und sich mit Freuden des schönen Gegensatzes bewußt werden, welchen die sehr große Mehrzahl unserer deutschen Frauen bildet. Wahrheit ist es endlich, daß man unter den Schäfern im fernen, von allem Verkehre abgeschlossenen biwll (Urwald) Australiens gerade die gelehrtesten Herrn und den höhern und niedern Adel Europa's vertreten findet, denn diese Klasse taugt selten für junge Kolonien und geht meist unter. Dazu, zum Schluffe, eine Folie aus meinem eigenen Leben. Als ich vor so und so viel Jahren meine fünfzehnjährige Lauf- Landschaft in Australien: Dingos, riue Schafherde umschleichend.