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5. Wöchentlich eine Nummer. Leipzig, 3. November 1869. Vierteljährlich 18 Sgr. I. Jahrgang. FamilieubliM fiir Kndtr- und Wlkrrlmnde. Zu beziehen durch alte Buchhandlungen des In- u. Auslandes sowie Postämter. Rcdigirt von vr. Otto Delitsch, Privat-Docent und Rcalschul-Oberlehrer. Der Jahrgang (52 Nummern oder 12 Monatshefte) läuft von Oktober zu Oktober. Dar-schiUng und andere britische Gesundheitsstationen im Himalaya. Von vr. Otto Delitsch. (Fortsetzung.) III. Lie übrigen Gcsundhcitsstatiimen. In reizendster Lage in den Himalaya-Vorbergen, 14 Meilen nördlich von Barsli, 11 Meilen im Nordosten von Murüdabad, ist Nainitäl (engl.Nyneetal), d. h. Seeder Naina, erbaut. Von Delhi aus führt die Poststraße, den Dschamna, Ganges und andere große Ströme überschreitend, 20 Meilen weit östlich durch fruchtbare, reichbevölkerte Auen nach MurLdabad, dann über den Ramgung und den Kosita 10 Meilen weiter bis an den Fuß des Gebirges, das Terai durchschneidend. Von der Station Kaladüngi, 426 in. über dem Meere, wird der Reisende die kurze, aber steil ansteigende Strecke bis NainitLl, 3 Meilen weit, in der Regel im Tragsessel befördert. Ein lieblicher See, anderthalb Stunde im Umfang, 20 bis 25 m. tief, füllt den Boden des Thalkcsscls, an dessen Seite sich die Station aus breitet. Trauerweiden und andere Bäume beschatten die Ufer, welche ein angenehmer Pfad umzieht, in der krystallhellen Fläche spiegeln sich die Berghänge mit ihren Waldgruppen, Lichtungen, Zickzackwegen, Häusern; ein Gesellschaftshaus mit Lesezimmer steht nahe an dem Gestade, eine hübsche Kirche ragt auf der Höhe des Berges aus Baumgruppen hervor: ein heiteres, lebens volles Bild, zugleich mit dem Ausdrucke der friedlichen Stille, wie ihn viele unserer Alpenseen an sich tragen, doch in die groß artigeren Formen der indischen Gebirgswelt und, wenn auch in der Meereshöhe von 2022 m., doch in das Gewand einer südlichen Flora eingeklcidet. Cypressen, Stecheichen, baumartige Rhododendren, Kirsch-und Birnbäume, Ahorne „ Weißbuchen bilden den Wald. — Das Gebirge besteht hier nicht aus krystal- linischem Schiefer wie in Dardschiling, sondern aus Nummu- liten-Kalk und Fukoiden-Sandstein — beide Benennungen sind den in diesen Schichten vorkommenden Versteinerungen ent nommen — und hat angenehmere, manigfaltigere Formen als der östliche Himalaya sie bietet. Die Durchschnittstemperaturen der Station, welche97" 11/ ö.F. und 29"24' n. Br. liegt, betragen im Winter 70,7 im Sommer 19°,§ im Frühling 15",4 im Herbst 14",g jm Jahresmittel 14",4; die Regenmenge ist bedeutend, nicht selten kommt auch Hagel vor, gegen welchen die Häuser durch Dächer von gerieftem Blech geschützt werden. Ueber steile Höhen, auf engen Pfaden durch dichten Wald oder an den schroffen Hängen, führen von Nainitäl Wege zu verschiedenen sehens- werthen Punkten, so nach Norden auf den Berg Lyria-Kanta, wo sich ein weites, prächtiges Himalaya-Panorama öffnet, mit der mächtigen Schneegruppe des 16 Meilen entfernten Nanda- Dewi (7808 m.) im Hintergründe. Ein anderer Weg geht nach Westen über einen Gebirgsgrat zu einer stark besuchten Militär station und dann hinunter durch Rhododendron-Wälder und Theepflanzungen zu dem kleinen, still-ernsten Bergsee von BhimtLl, 1302 in., an dessen Ufern ein unansehnlicher, uralter Hindutcmpel, freilich jetzt zum Biehstall gemißbraucht, die Auf merksamkeit der Besucher auf sich zieht. So eng sind die Wege, daß die gewöhnliche Sänfte nicht anwendbar ist; der Reisende kriecht dann in den Tschampar oder in ein noch engeres, sack artiges, unter einer einzigen Stange der Länge nach aufge hängtes Behältniß, in welchem er von nur zwei Männern ge tragen wird. 25 Meilen im Nordwesten von Nainitül, auf hochgewölbtcn, welligen, bewaldeten Bergrücken, liegt die Doppelstation Ma- sirana (bei den Engländern gewöhnlich Mussuri oder Missuri genannt), und Landür, jenes 2012 m., dieses 2240 m. hoch, 96" 10' bis 96« 19' ö. F. und 30» 28' n. Br. Der Weg dahin führt von Delhi aus über Mirath und Rürki, und dann ent weder über Kheri direkt durch das Terai an den Gcbirgsfuß oder nach Hardwar (312 m.), wo der mächtige Ganges in breitem Thale aus dem Himalaya hervorbricht. Beide Wege vereinigen sich in Dehra (715 m. hoch) und steigen dann steil bergan nach den genannten Stationen, welche einen Gebirgsrücken zwischen den Strömen Bhagirati (dem ober» Ganges) und Tonse (dem obern Dschamna) einnehmen. Stundenweit breitet sich der Ort mit seinen zahlreichen Villen und hochbedachten Häusern über die Berghänge und Höhen aus, eine prächtige Kirche mit breitem, oben abgeschnittenem Thurme erhebt sich in halber Bergeshöhl — man kann es den des heißen Tiefland-Klimas müden Euro