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^0. 45. Wöchentlich eine Nummer. —^eipglff, 10« Ällffllfl 1870. Vierteljährlich 13 Szr. I- Familitublatt siir Liindtt- und Mkcrkmi-c. Zu beziehen durch Redigirt von Der Jahrgang alle Buchhandlungen de» In-«.Auslandes vr. Otto Dklitsch, (52 Nunnnrrn oder 12 Monatshefte) sowie Poftäwter. Privat-Docent und Nealschul-Oberlehrer. läuft von Oktober zu Oktober. Deutschlands westgrerye. Beitrag zur geographischen Orientirnng. Von vr. Glto Detitsch. Bon der Insel Borknm an der Nordsee, die das Binnenge wässer des Dollart und der Emsmündung nach außen abschließt, bis zur Eisenbahnstation Leopoldshöhe oder Hallingen vor Basel sind in gerader Linie 93 deutsche Meilen, mit allen Vorsprüngen, Einbiegungen, Ecken und Winkeln aber, die die Grenze bildet, etwa 153 deutsche Meilen. Von dieser Grenze entfallen 76 (in gerader Linie 43) Meilen gegen holländisches Gebiet, und zwar 51 von Borkum bis zum Rhein, 25 vom Rhein bis gegen Aachen; 10 (9) Meilen gegen belgisches Gebiet, 17 (11) Meilen gegen das holländische Luxemburg, 12(8) Meilen rheinpreußische Grenze gegen Frankreich, 13 (11) Meilen rheiubayerische Grenze gegen Frankreich, 25 (21) Meilen badische Grenze gegen Frankreich. So ist demnach die Westgrcnze Dentschlands derart getheilt, daß 60'(2 Prozent derselben auf Holland, 6^/2 Prozent auf Belgien, 33 Prozent ans Frankreich kommen, von diesen letzten aber nur 8 Prozent auf norddeutsches Bundesgebiet. Thatsächlich gestalten sich indessen die Verhältnisse anders. Denn einerseits sind die süddeutschen Staaten so eng mit dem norddeutschen Bundesgebiet verbunden, nicht allein durch die Separatverträge vom Jahr 1866, sondern durch nationale Zu sammengehörigkeit und gemeinsames vaterländisches Interesse, daß der Norddeutsche Bund die gesammteu Grenzen Deutschlands als die scinigeu betrachten muß. Andrerseits hat Frankreich nicht genug Augriffsfront gegen den Norddeutschen Bund. Kann es Bayern, Württemberg, Baden, Hessen nicht als Bundesgenossen gewinnen — und wir können kaum glauben, daß es auf die Mög lichkeit einer solchen Verbindung gerechnet hat — so muß es die selben als Feinde behandeln nnd ihre Grenzen angreifen. Endlich aber hat Frankreich keinen bequemeren Weg in das reiche nord- westdeutsche Tiefland als durch Belgien und Luxemburg: es sind die Linien über Luxemburg nach Trier, noch bequemer über Namur nnd Lüttich nach Aachen und Köln, nnd über Brüssel und Mastricht nach Köln. Demnach werden diese jetzt allgemein als neutral anerkannten Greuzländer schwerlich in ihrer Neutralität belassen werden können. Und so ist denn die ganze Grenzlinie von Noer- monde oder Herzogenrath bis Leopoldshöhe den Angriffen des westlichen Grenznachbars ausgesetzt. Holland und Belgien allein können mit Vortheil gegen Norddeutschland nicht vorgehen. Bei ihrem beschränkten Umfang und ihrer verhältnißmäßig geringen Macht müßten sie bald, wie dies bis zum Jahre 1815 öfters geschehen ist, einem oder dem andern der größeren Nachbarn sich anschließen oder in demselben aufgehcn. Holland hat eine Front gegen Deutschland, die viel bester zum Angegriffeuwerdeu als zum Angreifeu sich eignet; Belgien besitzt eine derartige Operationsbasis gar nicht und hat nur ciuc einzige Heerstraße: Lüttich-Vervicrs-Aachcn, zum Ueber- gaug über die Grenze. Wir bewegen uns indessen an gegenwärtiger Stelle weniger auf politischem, als auf geographischem Gebiete, und in dieser Hinsicht haben wir jetzt die deutsche Westgrenze in ganz anderer Weise einzmheilen. Die erste Grenz strecke, im äußersten Nordwesten, von der Insel Borknm bis znr Grafschaft Bentheim, 29 (oder in gerader Linie 20) Meilen lang, ist gegen feindliche Angriffe gut geschlossen. 9 Meilen weit führt sie durch die seichten, durch Schlamm- und Sandbänke für die Schiffahrt schwierigen, an Landungsplätzen für Schiffe von auch uur mäßiger Größe armen Binnengewässer der Westerems, der Ems und des Dollart, nahe an der holländischen Küste hin, dann 10 Meilen durch das voll ständig unzugängliche, von keinem fahrbaren Wege durchschnittene Bourtanger Moor und das südlich sich ihm anschließende Grenz moor, dann umgeht sie in einem westwärts gerichteten Bogen von 10 Meilen das Fürstenthnm Bentheim, welches die in sumpfiger Aue fließende Vechte nach der Zuidersee entsendet und an beiden Seiten dieses Flusses von moorigen Niederungen gedeckt ist. Nur an einer Stelle hat diese ganze 29 Meilen lange Strecke Straßen und Wegübergänge: in dem fruchtbaren, dem Dollart abgc- wonnenen Marschboden, in welchem sogar eine Eisenbahn ange legt ist, die von Groningen, der Hauptstadt der holländischen Provinz gleiches Namens, nach Osten führt, die Grenze und die 45