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88. Wöchentlich eine Nummer. Leipzig, 13. April 1870. >- Vierteljährlich 18 Sgr. I. Jahrgang. FamilieMatt für Limder- mid Wlkerlnmde. Zu beziehen durch Redigirt von^ Der Jahrgang EkBuchhandlungrn des In-u. Auslandes Dr. ^ttv Dklttsch, (52 Nummern oder 12 Monatshcsle) sowie Postämter. Privat Docent und Reatschul-Oberlehrer. läuft von Oktober zu Oktober. Der Vogelsberg. Von Kugo Wcöcr. l. Oss Land. , Von den deutschen Mittelgebirgen dürfte wohl keins we- ''Dr bekannt sein als der Vogelsb erg. Die wenigen dürf en Notizen, welche sich in geographischen und kulturhisto- chchen Werken über den Vogelsberg finden, zeugen meist von ^nzlicher Unbekanntschaft mit Land und Leuten. Von Seiten "er Touristen und Forscher ist ihm bisher auch nicht viel Ehre pgethan worden, denn wohl kein deutsches Gebiet ist so ver- Mien und daher so gemieden wie der Vogelsberg. Er ist aber ^schieden besser als sein Ruf, und wer es einmal wagt, wie 'ch es vorigen Sommer in Begleitung eines Freundes gethan, M nach einigen Richtungen zu durchstreifen, der wird, sofern "" unverwöhnte Sinne nnd unverdorbenen Geschmack mitbringt, Eehen müssen, daß dieses Gebirgslaud verdient, besser ge- Mnt und im geographischen Unterrichte mehr gewürdigt zu sein. Der Vogelsberg gehört in oro graphisch er Hinsicht zum "hessischen Berglande", das sich in seiner Gesammtheit von ^arlshafen und Münden an der Weser südwärts zwischen der ^erra, Fulda, Diemel, Eder und Lahn hin, und bis zur Kin- Sinn und fränkischen Saale hinab erstreckt und das im festen an das niederrheinisch-westfälische Schieferplateau und "u Osten in das thüringische und fränkische Gebirgsland über- W- Während nun der nördliche Theil dieses Gebiets mit vielen ^nig scharf gesonderten Gebirgsgruppen, mit dem Reinhardts-, Abichts-, Kaufunger- und Sillingswald, dem Meißner und pm Knüllgebirge bedeckt ist, tritt im Süden, außer der Rhön, pr Vogelsberg als ein scharf gesondertes Gebirge auf, dessen Abhänge sich bis zu den Thalsohlen der Fulda, Kinzig, Wetter ^ud Lahn erstrecken. Durch diese Flüsse wird er im Osten von -sr Rhön, im Süden von dem Spessart und im Westen vom Aunns abgegrenzt, während er nach Norden zu iu das hessische Hügelland verläuft. Der Vogelsberg ist eigentlich kein einzelner Berg, wie der -Mine vermuthen läßt, er ist auch keiu Bergrücken, kein Berg ig, keine Bergkette, keine Gruppe von Bergen, sondern eine üAz flach von allen Seiten aussteigendc, in gewissen Zwischen- ^umen Terrassen bildende Bergmasse, die sich dann kegel- artig in dem „Oberwalde" oder in dem „Hohen Bogelsberge" abgipfelt. Die Seiten dieser Bergmasse,- die allerdings in ihrer ! Gesammtheit einem Ungeheuern breit gedrückten, unübersehbaren Kegel, aus dessen Abhängen sich wiederum zahlreiche kleinere ! Kegel ausbreiten, gleicht, bilden mit dem Horizont etwa einen Winkel von 1°, während der Radius der Basis 4 Meilen beträgt. Der Bau des Vogelsberges kann nur klar erkannt werden, wenn man seine geognostische Beschaffenheit in's Auge faßt. Der Vogelsberg ist die größte Basaltmasse Deutsch lands. Er erscheint als der Mittelpunkt einer ehema ligen ziemlich bedeutenden vulkanischen Thätigkeit. Kein Gebirge in Deutschland zeigt so deutlich die Einwirkung von feurig-flüssigen, aus dem Erdinnern herauf getriebenen Massen auf, die Emporrichtung und theilweise Umgestaltung älterer, im Wasser niedergeschlagener Schichten. Aus dem Plateaulande der Tertiärbildung und der Trias, die vorzugs weise seine Basis bilden, sich erhebend, hat er unverkennbar Zusammenhang mit der weit ausgedehnten vulkanischen Er hebungslinie, die durch die basaltischen Massen des Wester waldes, des Siebengebirges und der Eifel nach Westen hin, und durch die aus Phonolith und Basalt bestehende Rhön und das böhmische Mittelgebirge nach Osten zu gebildet wird. Man unterscheidet einen hohen und einen niedern Vo gelsberg. Der erstere heißt im Munde des Volks der „Ober wald". Er bildet den Centralstock und besteht aus einem vier Stunden in die Länge und zwei Stunden in die Breite ausge dehnten Plateau, auf dem sich die höchsten Kuppen am Rande z aufbauen. Eine sumpfige Niederung, welche sich zwischen diesen Kuppen ausdehnt, läßt bei ihrer Betrachtung wohl den Ge danken an einen weiten, längst erloschenen Krater entstehen. Dieser Centralstock ist unbewohnt und erst an seinen Abhängen breiten sich die höchst gelegenen Dörfer aus. Er ist mit schönen hochstämmigen Buchen- und Fichtenwaldungen bedeckt, die oft durch öde Heideflächen oder feuchte Wiesen unter brochen werden. Ueberall ragen schwarze Basalttrümmer em por, oft wunderlich zusammengethürmt, bald unregelmäßig 28