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hinausgelaufen; und die selbe Empfindung hatten zwei fein fühlige Menschen, die mit mir in der gleichen Loge saßen. Nichtsdestoweniger ist die „Satisfaktion" am Berliner Lessingthcater mit Jubel begrüßt worden, und zwar aus fol genden Gründen. Ein großer Theil der Berliner Literaten und neun Zehntel der Börse leben in stillem Widerwillen gegen die sogenannte „Schneidigkeit". Jede noch so plumpe Stichelei darauf ist willkommen, denn nicht blos die Besorgniß, man könnte gelegentlich das Opfer irgend eines betrunknen Studenten werden, macht die Gemüther nervös: nein, es sind viel tiefere Abneigungen gegen ehrenfestes altpreußisches Wesen überhaupt, die man durch solche Karrikaturen von Reserve-Offizieren uud Waffenstudenten kundgiebt und befriedigt. So wurde denn Roberts gleich einem Bahnbrecher gefeiert, weil er gewagt hatte, den „Schneidigen" einmal gründlich heimzulcuchten und die fürchterlichen Folgen zu enthüllen, die unvermeidlich seien, wenn man den ganzen Kram von Ehre u. dgl. nicht endlich in Geld umrechne. Die zwei steifleinenen Fratzen, die in der „Satis faktion" den Blutdurst vertreten, thaten um so wohler, als es ein Baron und Hauptmann a. D. war, der sie vorführte; der konnte ja natürlich bei seiner Vertrautheit mit den betreffenden Kreisen nur „echte Typen" aufstellen. Dem höchst modernen Grundsatz, daß das Leben trotz Schiller der Güter höchstes sei, war ein Kämpe gewonnen und mußte ermuthigt werden. Fritz Mauthner besaß Ehrlichkeit und Laune genug, diesen Sachverhalt (im Wesentlichen) offen einzuräumen. Die Probe aufs Exempel war übrigens bald gemacht. Das Stück mißfielnn verschiednen großen Stadttheatern, weil es innerlich eben nicht viel werth ist; es fand aber um seiner Tendenz willen Beifall in Hamburg, Dresden und München, also an den Kulturstätten, wo man auf die preußische „Schneidigkeit" gleich falls schlecht zu sprechen ist. Ein kurz darauf mißglückter zweiter Versuch des Barons hat bewiesen, daß er, obwohl ein 8*