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Kapitel XVIII. Die heutige Arisis. Nach dem Voraufgehenden läßt sich die Frage nun schon viel leichter beantworten: was hat der Dramatiker als Refor mator zu hoffen? Wie muß er beschaffen sein, um die Ge sellschaft in gutem Sinne zu beeinflussen; und ist dies über haupt möglich? Ich glaube, daß der am ehesten nützen wird, der sich am sorgfältigsten davor hütet zu schaden; daß im Übrigen der ur sächliche Zusammenhang zwischen literarischen Leistungen und sozialen oder politischen Veränderungen oft genug von der Le gende völlig verdreht worden ist. Der Text zur „Stummen von Portici" war nicht ge schrieben, um 1830 den Brüsseler Aufstand anzufachen, „die Wacht am Rhein" schon dreißig Jahre bekannt, eh eine mäch tige Volkstimmung sie benützte, sich darin auszudrücken. Der Engländer Wharton rühmte sich zwar, daß er mit seinem „Lillibullero" die Stuarts aus drei Königreichen herauSge- sungen habe; doch Macaulay hat diesen übertriebnen An spruch nüchtern darauf zurückgeführt, daß „Lillibullero" einen so großen Erfolg hatte, weil die Briten just die Stuarts ver jagten. Und ganz ähnlich war auch „Figaros Hochzeit" nur die Quittung über etwas längst Vorhandncs und Vor bereitetes, nur eines der vielen Mundstücke für den dumpfen Groll, den die Gewaltherrschaft des Privilegienstaates angehäuft