Volltext Seite (XML)
Eine Stimme französischer Einsicht. Paris, 11. Juni. Die radikale „Volonte" beschäf tigt sich in einem längeren Artikel mit der deutsch-fran zösischen Verständigung. Man müsse sich in Frankreich mit der Tatsache abfinden, daß die Orientierung gewechselt habe und die Absicht, Deutschland auf der ganzen Linie zu schla gen, einer ehrlichen Zusammenarbeit Platz gemacht habe. Die Annäherung müsse sowohl wirt schaftlich wie auch politisch sein: Abschaffung der Pässe, Vorzugs - Zolltarife und eine Zollvereinigung auf der einen und ein Verständigungsbllndnis im Rahmen des Völkerbundes auf der anderen Seite. Das Blatt geht dann zu den einzelnen Bedingungen über und verlangt von Deutschland den ehrlichen Verzicht auf Elsaß-Loth- ringen und die Verpflichtung, die elsässische Autonomie in keiner Weise zu unterstützen. Eine zufriedenstellende Lösung der Saarfraqe müsse gefunden werden. Deutschland verlange Kolonien oder Mandate und diese Forderung sei so berechtigt, das; die Negierungen sich seit langem darüber einig seien, sie grundsätzlich anzuerkennen. Die Verwirklichung hänge von einem internationalen Uebereinkommen ab. Eine Neugruppierung der Kolonien werde auch Deutschland gerecht werden. Frankreich würde in diesem Falle keine Einwendungen zu machen haben. Die Frage des An schlusses werde durch den Beitritt Oesterreichs zum Bünd nis und durch die deutsch-französische Zollvereiniqung von selbst gelöst, so das; nur noch der Danziger Korridor übrig bliebe. In diesem Falle werde Deutschland nie mals seine gerechtfertigten Ansprüche fallen lassen. Das Blatt bemerkt dazu, es sei die grösste Ungerechtigkeit und verbrecherische Dummheit des Versailler Vertrages gewesen, ein Land in zwei Teile teilen zu wollen. Dan zig und der Korridor mühten Deutschland zurückgegeben werden, wofür man Polen insofern entschädigen könne, als man ihm wirtschaftliche Erleichterungen in bezug auf den Danziger Hafen gewähre und ihm vielleicht ein Kolonialmandat übertrage. Für Polen handelt es sich bei dem Verzicht auf den Korridor nur um eine Prestigefrage und es sei anzu ¬ nehmen, dafz Polen mit der Zeit zu der Ueberzeugung gelange, dafz dieses Opfer im Interesse Europas gebracht werden müsse und eine Weigerung ihm später teuer zu stehen kommen könne. Wenn Frankreich eines Tages zwischen dem falschverstandenen Interesse Polens und den Lebensinteressen des eigenen Landes zu wählen hätte, so würde einer französischen Regierung eine solche Wabl sicher nicht schwer fallen. Das andere Frankreich. Kein Nachgeben in der Saarfrage. Paris, 11. Juni. Der „Petit Parisien" beschäftigt sich mit den schwierigen Verhandlungen über die Rege lung der Saarfrage, die voraussichtlich noch Monate dauern könnte. Während Deutschland daran gelegen sei, sobald wie möglich wieder in den Besitz des Saar gebietes zu gelangen, fürchte Frankreich schwere Nach teile für die französische Industrie. Das Blatt versucht dann den Beweis zu führen, dafz die saarländische Be völkerung unter dem jetzigen Regime sehr viel besser dastehe, und wendet sich schließlich gegen die deutsche Presse, der Ungeduld und lügenhafte Berichterstattung vorgeworsen wird. Es treffe nicht zu, daß Briand, wie es einige deutsche Blätter gemeldet hätten, dem Rerchs- aufzenminister gelegentlich des letzten Zusammentreffens in Genf versprochen habe, die Verhandlungen bis zum 1. September zu beenden. Briand wünsche sicherlich die baldige Beendigung der Verhandlungen, deren Einleitung er ja gutgeheitzen habe. Die Regelung der Saarfrage hänge aber nicht von ihm allein, sondern ins besondere von Deutschland ab, das doch der Antragsteller sei und daher Vorschläge unterbreiten müsse, die den französischen Interessen gerecht würden. Falls Deutsch land auf seiner Unnachgiebigkeit beharre, werde man wohl oder übel bis 1935 warten müssen. Frankreich wolle gern auf halbem Wege entgegenkommen. Es könne aber nicht noch mehr Opfer bringen, die vielleicht als Schwäche ausgelegt würden. Es sei zu. wünschen, dasz die deutsche Presse aufhöre, eine Angelegenheit zu komplizieren, die an und für öst schon schwierig ge nug sei. M WigW Ml die WMBediWMW der WMW. Die Anteile der einzelnen Staaten. Paris, 11. Juni. Die Arbeiten des Bankier-Aus schusses der Vertreter der interessierten Schatzämter und der B. I. Z., die über die Auflegungsbedingungen der ersten Tranche der Poung-Obligationen zu beraten hat ten, wurden in den späten Abendstunden des Dienstag endgültig beschlossen. Der Auflegunqskurs, der ursprünglich auf 85 und 8V v. H. festgelegt wird, wurde auf 90 v. H. erhöht, aus genommen in Frankreich, wo er fast 98 v. H. erreicht. Der Unterschied soll der Amortsiationskasse zufließen. Ein weiterer Antrag der französischen Vertreter, die Bankprovision auf weniger als 4 v. H. festzusetzen, wurde von Montague Norman dahin entschieden, dafz sie den Schwankungen des Auflegungskurses der einzel nen Länder angepafzt werden soll. Dr. Luther holte sich sofort telephonisch die Zustimmung des Reichsfinanz ministers, woraus die getroffenen Vereinbarungen un terzeichnet wurden. Die Auflegung der Anleihe wird an neun verschie denen Plätzen noch in dieser Woche stattfinden. Die ein zelnen Länder werden selbst den Tag wühlen, den sie für eine derartige Operation am günstigsten halten. Der Anteil der einzelnen Staaten betrügt: für Deutschland 36 Millionen Reichsmark, für Amerika 98,250 000 Dollar, für Belgien 35 Millionen belg. Franken, für Frankreich 2,515 Millionen Franken, für England 12 Millionen Pfund, für Holland 73 Millionen Florin, für Italien 110 Millionen Lire, für Schweden 110 Millionen Kronen, für die Schweiz 92 Millionen schw. Franken. Die Kesamtsumme der ersten Tranche beläuft sich somit auf 340 bis 350 Millionen Dollar. Beratung der Deckungsvorlagen nächste Woche. Berlin, 11. Juni. Wie die Telegraphen-Union er fährt, hat sich die Zuleitung der neuen Deckungs vorlag e des Reichskabinetts an den Reichs- rat etwas verzögert. Sie wird jedoch bestimmt noch im Laufe dieser Woche erfolgen. Eine Verhandlung des neuen Deckungsprogramms durch den Reichsrat: wird aller dings infolge der verspäteten Zuleitung in dieser Woche nicht mehr stattfinden können. Der Reichsrat wird in folgedessen in seiner nächsten Vollsitzung am kommenden Freitag nur das Posthilfsgesetz erledigen, dessen Verab schiedung durch den Reichstag noch vor den Parlaments serien erfolgen soll. Voraussichtlich wird der Reichsrat die Deckungsvorlage in der nächsten Woche verabschieden, so daß sie Ende der nächsten Woche dem Reichstag zu geleitel werden könnte. Landesverrats- und Spionageprozetz gegen Fude. Warschau, 11. Juni. Wie verlautet, soll gegen den vor einigen Tagen im Zusammenhang mit dem Erenz- zwischenfall bei Neuhöfen festgenommenen Bruno Fude demnächst ein Prozeß wegen Landesverrat und Spionage angestrengt werden. Angebliche Verhaftung eines deutschen Spions bei Konitz. Warschau, 11. Juni. Wie der „Expreß Poranny" wieder einmal aus Konitz melden läßt, sei angeblich ein deutscher Kundschafter namens Franz Kubacki der polnischen Grenzwache in die Hände gefallen. Die Leibes untersuchung soll einiges belastendes Material ans Tageslicht gebracht haben, aus dem hervorgeht, daß Ku backi auf polnischem Gebiet militärische und wirtschaft liche Spionage zugunsten Deutschlands betrieben habe. Angeblich habe er sogar Notizen in den Mundstücken von Zigaretten versteckt gehalten. Er habe ferner gestanden, er stehe seit längerer Zeit im Dienste der deutschen Spio nageabwehrstelle. -M KisstMWm Md die WMWn tSmnIsWm. Berlin, 10. Juni. Der „Sozialdemokratische Presse dienst" nimmt ausführlich zu dem Schiedsspruch in der Eisenindustrie und den Verhandlungen mit den. Arbeit gebern Stellung. Er schreibt u. a.: Die Absichten der Unternehmer laufen auf die Durch führung von Lohnsenkungen hinaus, wobei man die Ent fesselung von Wirtschaftskämpfen vermeiden möchte. Wir erkennen an, daß eine Wirtschaftsbelebung von der Sen kung des gesamten Preisniveaus abhängig ist. Entschei dend für die Senkung des allgemeinen Preisniveaus ist eine starke Ermäßigung der Monopolpreise der Karteli- industrie, besonders der Eisen- und Kohlenpreise. Jn- landsabsatz und Exportverkäufe der verarbeitenden In dustrie leiden am schwersten unter diesen Monopolpreisen, die trotz der Senkung der Schrottpreise und Erbrachten und trotz größter Konjunktur- und Selbstfinanzierungs gewinne auf einem im Vergleich zum Weltmarkt uner träglich hohen Niveau gehalten werden . Zu welcher Lohnpolitik können die Gewerkschaften sich bereit erklären, wenn das allgemeine Preisniveau zurückgeht? Hier entscheidet die Frage, welches Preis niveau gemeint ist. Der Inder der Großhandelspreise darf nicht in Frage kommen, nur der Kleinhandelsinder, mit anderen Worten strotz der Unzulänglichkeit seiner Be rechnung) der Inder der Lebenshaltungskosten. Daraus müssen die Gewerkschaften um jeden Preis bestehen, sonst ergäben sich schließlich Jnderlöhne nach einzelnen Jn- dustrieproduktenpreisen mit ihren volkswirtschaftlich ein fach phantastischen Widersprüchen. Dabei ist dreierlei zu beachten: Nicht die Taris-, sondern die Effektivlöhne müs sen der Ausgangspunkt sein. Die Effekiivlöhne können, weil sie schon erheblich gesunken sind, zur Anpassung an den Inder wohl nur wenig gesenkt werden. Die arbei tenden Massen haben in neuen Verbrauchssteuern und -Zöllen schon eine die Lohnkaufkra'ft senkende Vorleistung gebracht. Wirtschaftsfördernder als Verhandlungen über Löhne und Preise könnten Verhandlungen über Arbeitsbeschaf fung und ausländische Kapitalzufuhr sein, besonders übel die in einzelnen hyperrationalisierten Industrien mögliche Verkürzung der Arbeitszeit (Chemie, Eisen, Papier, Kohle usw.), vor allem über eine durchgreifende Kartellreform. Die Demokraten gegen das Notopfer. Der Spitzenkandidat der Demokratischen Partei in den drei sächsischen Wahlkreisen, Geheimrat Dr. Dehne, Die Herrin vom Mühlenhof Roman von Morten Korch. 571 (Nachdruck verboten) Siebenundzwanzig st es Kapitel. Am Sonntag darauf war der große Tag für den Waldausflug und das Waldfest der Ringmühle. Es war strahlendes Sommerwetter und alles hatte den besten An schein. Ludvig war endlich auf den Wunsch des alten Nikolaj eingegangen und er war jetzt der Vorsitzende von allen sieben Vereinen der Ringmühle, die zu einer Einheit unter seiner festen Führerschaft gesammelt waren. Er hatte das Gefühl, als wäre der Waldausflug die Einweihung der neuen Epoche, und deshalb war es von Bedeutung, daß er gut gelang. Nikolaj hatte sich keine Mühe erspart; es war ihm geglückt, mehrere Familien aus der Nachbarschaft gegen eine entsprechende Vergü tung zur Teilnahme am Ausfluge zu' veranlassen, und verschiedene andere hatte er eingeladen, so daß die Gesellschaft über fünfzig Personen zählte. Die Abfahrt sollte vom Mühlhaus aus stattfinden, und hier hielt Jens Poulsen mit seinem großen Kremser; außerdem warteten zwei Autos aus der Stadt. Die Viktualien sollte Palle in seinem Auto haben. „Kommt, Leute, es geht los!" rief Nikolaj und lief fieberhaft von einer Gruppe zur anderen. „Die Fahne nimmst du wohl, Niels Nikolaj." „Ich finde, wir sollten sie zu Hause lasten, Vater," antwortete er. „So, findest du? Ja, aber ich sage, sie soll mit, ver standen? Wir haben die Fahne immer mit, warum also nicht heute?" Ein wenig abseits hielt Palle mit seinem Auto, er wartete auf Olga. Aber Olga kam nicht. Das Verhältnis zwischen ihnen hatte sich in der letzten Zeit verändert; jedes von ihnen hatte das seine zu tun gehabt, aber sie gingen sich aus dem Wege. Sie wußten, daß sie Gegner waren, und die Luft zwischen ihnen war mit Sprengstoff geladen. Olga flüsterte abseits mit Kalle Madsen; gleichzeitig aber beobachtete sie alles, was vorging; sie befand sich in einem merkwürdigen Zustand von Erregtheit, sie rief laut und lachte ein unnatürliches, hysterisches Lachen. Endlich nahm sie neben Madsen in einem der Autos Platz, wäh rend Palle die Familie Duk zu sich nahm. „Dann also los. Spiel auf, Mikkel!" kommandierte der alte Nikolaj, und Mikkel legte los. Mikkel war der Musikant der Gesellschaft, er hatte sowohl sein Horn wie feine Harmonika mit. Auf dem Horn konnte er allerdings nur zwei Stücke: „Herrlich ist die Sommernacht" und „Unser alter Karo bellte", aber er hielt sich brav dran und blies sie abwechselnd. Am lebhaftesten ging es jedoch auf Jens Poulsens Wagen zu, wo der alte Nikolaj anführte. Sie hatten eine Die Jugend lagerte sich tm Grase und die Kinder pflückten Blumen. fremde Familie aus dem Dorfe bei sich, und Nikolaj hielt über alles, was sie sahen, Vorträge und spielte die Rolle eines Führers. „Halt! Halt!" rief Peitschenmacher Ludvig. „Seid ihr denn toll geworden! Wollt ihr an der Quelle vorbei fahren?" „Du hast recht, Ludvig. Da hätten wir bald etwas Schönes angerichtet." Nikolaj stand im Wagen auf und streckte einen seiner langen Arme hoch. „Halt, Jens, kannst du den alten Rumpelkasten nicht zum Stehen bringen? Du weißt doch ebenfogut wie wir anderen, daß wir nach der Quelle müssen." „Ja, das ist richtig," antwortete der Fuhrmann und bog am Wegrand in den Schatten ein. Während die ganze Gesellschaft ausstleg und zu eine: kleinen Baumgruppe ein Stückchen vom Wege ging, er klärte Nikolaj den fremden Gästen eifrig, oaß zwischen den Bäumen eine Quelle entspränge, die zu einem kleinen Wasserlaus, bald größer würde und andere in sich aufnehme und schließlich der Bach der Ringmühle sei. „Ja, da seht ihr also den Burschen, der das ganze Spielwerk treibt," sagte Nikolaj mit einer ausladenden Handbewegung. „Ja, Scherz beiseite, wir müssen doch daran denken, daß er es ist, der uns alle ernährt. Da kann einem beinahe ganz feierlich zumute werden." Die Jugend lagerte sich indessen im Grase und di« Kinder pflückten Blumen. Jetzt kam Palle mit Jette und Madsen. Der alte Jarmer hatte stets eine Erfrischung an der Quelle geboten und Palle hielt die alte Tradition in Ehren. „Ja, seht, es ist, wie es sein soll," nickte Nikolaj zu frieden. Kalle Madsen öffnete Bier- und Selterwasserflaschen, und die ganze Gesellschaft hielt eine kleine vergnügte Ruhepause. Palle starrte ins Wasser, das unaufhörlich aus dem Boden quoll; es war so merkwürdig zu sehen, Wie es zu einem kleinen Bach wurde, dessen Wellen wie frohe, spielende Kinder dahineilten. Es war ganz merkwürdig, daß diese Welle zu ihm herabkam und ihm bei seinem Werk half. Als er aufblickte, stand Sara dicht neben ihm; er hatte sie heute noch nicht gesehen. Sie war blaß und hatte dunkle Ringe um die Augen; etwas Verzagtes und Ängst liches war in ihnen. Ihr Blick ruhte einen Augenblick in dem Palles. „Ich liebe dich," sagten ihre Augen. „Ich fürchte mich; aber du kannst mir nicht Helsen. Bleibe nur ja stehen." Palle wandte seine Augen von Sara ab und sah, daß Olga in einiger Entfernung stand und sie anstarrte. „Du vergißt wohl nicht ganz, daß du auf einem Wald ausflug bist und daß wir anderen auch noch existieren," sagte sie mit einem merkwürdigen, halb drohenden und halb spöttischen Lächeln. Noch eine halbe Stunde und man hatte den Frauen- hain erreicht, wo die ganze Gesellschaft sich im Grafe lagerte und gut von dem mitgebrachten Proviant aß und trank. (Fortsetzung folgt.)