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ilsdrnffer Tageblatt 9 Blatt— Nr 85— Sonnabend, den 23 AprillSSL Tagesspruch. Das sind die schönsten Lieder, Für die kein Wort genügt, Um deren zarte Glieder Kein Reimgewand sich fügt: Die tief in uns erklingen Und still in uns verweh'n, Und doch zu denen dringen, Die liebend uns versteh'n. Julius Sturm, s« Kindergarten. Matth. 18, 5: Wer ein solches Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf. Die Zeit um 1800 war unendlich reich an schöpferischen Menschen. Neben den großen Dichtern und Denkern, wie sie in einem solchen Reichtum nie ein Volk zugleich gehabt hat, traten die großen Menschenfreunde hervor mit prak tischen Neuschöpfungen. Unter ihnen ist einer der größten Friedrich Fröbel, dessen 150. Geburtstag wir am 21. April erlebt haben. Er wurde als Sohn eines Pfarrers in Oberweißbach geboren. Seine erste Jugend war hart und freudlos, da der Vater durch sein schweres Amt sich nicht genug um ihn kümmern konnte, die Mutter aber, eine Frau ohne Gemüt, ihn vernachlässigte. Aber gerade aus dieser Freudlosigkeit sollte ein Segen für Mil lionen Kinder erwachsen. Er lernte früh, sich allein zu beschäftigen; ein tieffühlendes Verständnis für wahre Kindernot reifte in ihm daraus heran. Nach manchem Umhertasten in verschiedenen Berufen (Förster, Landwirt, Student, Architekt) wurde er sich beim Besuch in einer Pestalozzi-Schule sofort klar über seinen eigentlichen Beruf als Erzieher. In unruhigen Lehrtätigkeiten an ver schiedenen Orten, nach Anfangsglück und wiederholten Mißerfolgen, schuf er 18 4 0 den ersten Kindergarten. Ganz glücklich war er, als er diesen Namen „Kinder garten" für sein Werk gefunden hatte. Er schreibt selbst: „Wie in einem Garten unter Gottes Schutz und unter der Erfahrung einsichtiger Gärtner im Einklang mit der Natur die Gewächse gepflegt werden, so sollen hier die edelsten Gewächse, Menschen, Kinder, als Keime und Glieder der Menschheit, in Übereinstimmung mit sich, Gottund Natur, erzogen werden." Jedes junge Mädchen sollte nach seiner Meinung in einem solchen Kindergarten angelernt werden, um später als Mutter oder Gehilfin z u einer sorgfältigen, tieferen Erziehung der Kinder fähig zu sein. Trotz An feindung und Unverstand ist sein Werk in alle Welt hin ausgewachsen. Tausende von Kindergärten blühen in aller Welt: das Leid des einen Knaben ist ein Samenkorn gewesen, das reiche Frucht gebracht hat und bringt für unendlich viele. Uns allen, die wir um eine bessere Zukunft der Menschheit ringen, uns Eltern und Erziehern, ruft gerade in unserer unglücklichen Zeit sein Gedächtnis auf zu gleichem Werk, uns selbst und die Kinder um uns zu erziehen zu der allein richtigen Gestaltung des Menschenlebens: es in den gott gewollten Einklang zu bringen zu Gott, zu seiner Schöpfung und zu den Menschen! Hinter seinem Werk und unserer Aufgabe steht das lichte Bild des größten Kinder- und Menschenfreundes, der da gesagt hat: „Laßt die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn ihrer ist das Reich Gottes!" Woher koM das HnugergesW? Von I)r. mock. Alfred Fröhlich, Professor an der Universität Wien. Wenn die Zeit zur Nahrungsaufnahme gekommen ist, so kündigt sich dies durch unzweideutige Empfindungen an, die, wie alle sogenannten „Allgemeingefühle", schwer zu be schreiben find. Zunächst meldet sich ein Gefühl, das an das Essen mahnt, gewissermaßen dazu einlädt und angenehm empfunden wird; es ist, mit einem Ausdruck der modernen Wissenschaft, „lustbetvnt". Wir sind gewohnt, dieses er freuliche Gefühl als „Appetit" zu bezeichnen und es dem Gefühl des Hungers entgegenzuhalten, in das es sich allmählich umwandelt. Während beim Vorhandensein des Appetits, von einer erhöhten Reizbarkeit der Geschmacks nerven und der Speicheldrüsen des Mundes abgesehen, wahr nehmbare Veränderungen in der Tätigkeit der Organe durch aus fehlen, entsteht mit dem Auftreten des Hungergefühls in der Magengegend ein eigenartiges Gefühl von Leere und Spannung: Man hat die Empfindung des Nüchternseins. Daß hier Vorgänge im Magen zugrunde liegen, geht daraus her vor, daß kollernde, gurrende Geräusche aus dem Unterleibe hörbar werden; der leere Magen „knurrt" wie ein gereiztes Tier. Appetit und Hunger sind nahe verwandt, aber nicht völlig dasselbe. Es könnte gesagt werden, daß Appetit das Verlangen nach bestimmten Speisen sei, während der Hungrige wahllos sich mit jeder Nahrung zufrieden gibt. Viele Menschen, namentlich solche, die auf wenig schmack hafte Kost angewiesen sind, verzehren ihre Mahlzeiten ledig lich zur Stillung ihres Hungergefühles, wobei die Befriedi gung eines angeregten Appetits Nebensache wird. Schwerlich werden auch die Insassen eines Gefängnisses ihren eintönigen Mahlzeiten mit dem wohligen Verlangen des Appetits entgegensehen. Durch abstoßende Umstände oder Erlebnisse während einer Mahlzeit kann der Appetit mit einem Schlage verschwinden, das Gefühl der nichterfolgten Sättigung, das Hungergefühl, bestehen bleiben. Anderseits können die sogenannten „schwachen" Esser, wie auch Kranke oder Genesende, Appetit ohne rechten Hunger empfinden; sie sehen der kommenden Speise mit Appetit entgegen, nach einigen wenigen Bissen ist das Verlangen nach Nahrung gestillt, ohne daß es zur Befriedigung eines wirklich vorhan denen Hungers gekommen sein konnte. Der Vorstand des Physiologischen Instituts an der Wiener Universität, Professor Durig, ist geneigt, als Appetit- gefühl das unter der Vorstellung des Genußwertcs eines Nahrungsmittels auftretcnde Verlangen nach Aufnahme von Speise und Trank, unter Hungergefühl das triebmäßige Ver langen nach Nahrung überhaupt anzusehen. Appetit und Hunger werden durch Meldungen wachgerufen, die von den ernähr« ngsbcdürftigen Organen des Körpers dem Sitze des Bewußtseins im Gehirn zugcleitct werden. Der bestimmende Einfluß des Gehirns geht auch dav aus hervor, daß in der Hypnose die Eßlust durch Auftraj des Hypnotiseurs geweckt und der Appetit in richtige ode« falsche Bahnen gelenkt werden kann, so daß der Hypnotisierte zu den — allerdings nur für den Zuschauer — drolligste« Mahlzeiten, etwa zum Verspeisen roher Kartoffeln, die füi köstliche Aepfel gehalten werden, veranlaßt werden kann Im natürlichen Schlaf ist das Hungergefühl sehr wohl i« Der Lage, den Schlummer des Bewußtseins zu durchbreche^ Sa man nach einer unzureichenden Abendmahlzeit unschwe: surch das Knurren des Magens geweckt werden kann; auck kann gelegentlich das Traumleben durch innere Vorstellunge« oder durch äußere Geruchreize so beeinflußt werden, das Träume, die mit dem Nahrungstrieb in Beziehung stehen zustande kommen. Die Frage nach der Entstehung der Gefühle von Appetit und Hunger ist bisher noch nicht restlos und völlig zufrieden stellend beantwortet worden. Die zahlreichen geäußerten Ver mutungen beweisen durch ihre Verschiedenheit, daß eine ein heitliche Erklärung derzeit nicht gegeben werden kann. Ein« der älteren Ansichten ist von dem berühmten Schweizer Dichter-Gelehrten Albrecht v. Haller ausgesprochen worden und besagt, daß die Auskleidung der Magenhöhle, die de« Magensaft absondernde Schleimhaut, sich im leeren Magen der dann einen schlaffen Sack bildet, in zahlreiche Runzel« und Falten legt, die aneinanderreiben und daoei an de« Magennerven zerren. In den gezerrten Magennerven sollte nach Haller das Hungergefühl entstehen und zur Nahrungs aufnahme veranlassen. Dadurch würde der Magen ausge dehnt, die Falten und damit das Hungergefühl würden be seitigt. Da aber bei Menschen und Tieren, denen aus irgend einem Grunde der Magen durch irgendeine Operation völlig entfernt werden mußte, das Hungergefühl unvermindert auf- trity muß dieser Erklärungsversuch als unrichtig zurückge wiesen werden, zumal auch bei völlig leerem Magen das Hungergefühl schwindet, wenn von andern Stellen her, durch Einbringen in den Mastdarm oder durch Einspritzen unter die Haut, Nahrung zugeführt wird. Auch kann der Mage« völlig leer sein und dennoch das Hungergefühl fehlen, was man bei vielen Menschen beobachten kann, die des Morgens mit leerem Magen erwachen, ohne Appetit oder Hunger zu empfinden; erst nach einiger Zeit, mitunter erst nach Stunden, macht sich der Nahrungstrieb geltend. Anderseits können wiederum Appetit und Hunger sich einstellen, auch wenn der Magen noch Teile der vorangegangenen Mahlzeit enthält. Andere Forscher sehen in einer mangelhaften Füllung des Magens die Ursache für das Entstehen der Hunger empfindung. Dieser Ansicht kann bis zu einem gewissen Grade beigepflichtet werden, da man durch Ansüllcn des Magens mit reichlichem, wenn auch für die Ernährung wert losem Material das Hungergefühl vorübergehend beseitigen kann. Allerdings läßt sich der Körper auf die Dauer nicht betrügen; erfordert gebieterisch das seinige; der Hunger meldet sich mit zwingender Macht und fordert Stillung. Daß die nach Füllung des Magens eintretende vermehrte Span nung der Bauchwand, die auch mit einer Hochdrängung des Zwerchfells verbunden sein kann, das Hungergefühl beseitigen hilft, ist wahrscheinlich; die Art und Weise, wie das geschieht, ist jedoch noch nicht aufgeklärt. Allbekannt ist die Ab schwächung des Magenhungers durch festes Zuziehen eines Gürtels; hier könnte vermehrter Druck im Innern der Bauchhöhle zu einer falschen Deutung der Spannung Anlaß geben und einen mit Inhalt erfüllten Magen Vorspiegeln. Der hungernde Magen führt, wie neuere Forschungen ergeben haben, regelmäßige „Hungerbewegungen" aus. Diese Bewegungen, die häufig mit gurrenden Geräuschen verbunden sind, treten in regelmäßigen Zwischenräumen auf und dauern etwa eine halbe Minute. Sie können, wenn sie mit zu nehmendem Hunger immer energischer werden, von deut lichen, ja starken Hungerschmerzen begleitet sein. Auch sür die Ansicht, daß die Magenbewegungen Hungergefühl er zeugen, gilt der Einwand, daß für das Zustandekommen dieser Empfindung die Anwesenheit des Magens nicht unbedingt nötig ist. Ein führender Gelehrter, der noch heute in Rußland in hohem Alter wirkende Forscher Professor Pawlow, ist der Ansicht, daß der von den Magcndrüsen gelieferte Magen saft, der reichlich Salzsäure und das zur Eiweißverdauung notwendige Pepsin enthält, Appetit und Hungergefühl er zeugt. Mit den drei Worten: „Hunger ist Magensaft!" sollte eine einfache Lösung des schwierigen Gegenstandes gegeben werden. Da aber trotz Vorhandensein von Magensäurc und Pepsin Appetit und Hunger fehlen können, anderseits aber Hungergefühl auch beim Fehlen der Magensäure nicht ver schwunden zu sein braucht, kann die Ansicht Professor Paw lows ebenfalls nicht als einzig zutreffend angesehen werden wie die sie bekämpfende Meinung eines Berliner Forschers Sternberg, der Hunger und Appetit, sicher mit Unrecht, als Bewegungen auffaßt, weil bei völliger Appetitlosigkeit sich dem Kauen und Schlucken ein unbezwinglicher Widerstand entgegenstellt. Daß man durch Einnehmen von künstlichem Magensaft aus Salzsäure und Pepsin bei daniederliegendem Appetit durchaus nicht mit Sicherheit das Hungergefühl wach rufen kann, spricht gleichfalls gegen die ausschlaggebende Bedeutung der Absonderungen der Magendrüsen. Mit mehr Wahrscheinlichkeit könnte angenommen werden, daß gleich zeitig mit dem Erwachen des Appetits die Drüsen des Magens ihre Tätigkeit beginnen, wie auch beim appetitreizen den Anblick einer Speise, beim verlockenden Geruch, der aus einer Küche dringt, ja selbst beim bloßen Denken an einzelne bestimmte Gerichte die Speicheldrüsen im Munde zu arbeiten anfangen: „Es läuft einem das Wasser im Munds zu sammen." MeMM Sieg Mr -ar Alter. Vielsagende Eindrücke eines Berichterstatters. Von Ernst Fr. Wegener. Der Reichspräsident von Hindenburg hatte schon die biblische Altersgrenze überschritten, als er im zweiten Wahl gang von 1925 gewählt worden war. Der Feldmarschall und das Alter bildeten die Hauptangrifssflächen seiner Gegner. Aber gerade der Generalfeldmarschall trug im Wahlkampf den Sieg davon und das Alter wurde dabei in Kauf ge nommen. Um dieses Alter bildete sich infolge der Wahlkampf behauptungen ein ganzer Legendenkreis. Die Massensuggestion dieser Alterslegenden hat Wohl jeden einmal gefangen, der-sich dann bei der persönlichen Begegnung mit Hindenburg über zeugen mußte, daß dieser Mann gar nicht daran denkt, sich vom Alter den Rücken beugen zu lassen. Der dritte beamtete — wenn man das Zwischenspiel des geschäftsführenden Reichspräsidenten vr. Simons mitzählt —, dererstevom Volke gewählte Reichspräsident von Hindenburg kämpft selbstverständlich, mit dem Alter, wie denn ja unsere ganze Jen mir Elfer ycy gegen vas Altern wehrt. ^Hindenburg ge hört jedoch zu den Siegern über das Alter, das ihm eine hohe und immer höhere Zahl von Jahren aufpackt. Man mutz ihn in der Oeffentlichkeit sehen, um diesen Sieg des Willens einer wuchtigen Persönlichkeit über Beschwerden, die jedes Menschen Schicksal sind, voll begreifen und würdigen zu können. Das ist ein Vorzug, den wir Berichterstatter bei diesem Reichspräsidenten, der die Oeffentlichkeit nicht scheut, sondern es für seine Pflicht hält, sich bei möglichst zahlreichen Ge legenheiten als Repräsentant des deutschen Volkes sehen zu lassen, sehr oft erfahren. Es gibt Tausende und Aber tausende deutscher Männer und Frauen, die den Reichs- Präsidenten bei schier ungezählten Gelegenheiten wie Ent weihungen, Ausstellungen, Empfängen in seinem Hause, Rennen mit Ehrenpreisen in Hannover und Berlin, die seinen Namen trugen und zu überlieferten Einrichtungen ge worden sind, im Laufe der letzten sieben Jahre gesehen haben. Sie alle konnten sich durch den Augenschein von der Alters legende um Hindenburg kurieren lassen und werden uns stets geglaubt haben, wenn wir in unseren Berichten die allzeit freudige Frische und Rüstigkeit des Reichspräsidenten, die in einem bewundernswerten Gegensatz zu der Zahl seiner Le bensjahre steht, trotz aller Zweifel, auf die wir rechnen mußten, hervorgehoben haben. Aber heute spricht man wieder viel, wenn auch nicht ganz so viel vom Alter des Reichspräsidenten als Hindernis seiner Amtsführung wie im Mai 1925. Und gerade im Verlauf der letzten Tage lieferte der Reichspräsident uns Berichterstattern erneut einen so starken Beweis von seiner Unverwüstlichkeit, wie damals am 11. Mai 1925, als Hun derte von uns aus allen Teilen des Reiches und allen große« Ländern der Erde am Bahnhof Heerstraße vor den Tore« Berlins den „alten Mann" erwarteten, der aus „Wohl verdienter Ruhe" auf,den aufreibenden Posten des Reichs- Präsidenten berufen worden war, der so viele anstrengend« Pflichten als Oberhaupt eines 65 Millionen-Volkes auf fick zu nehmen hat. Es stimmte alles, was die Legende berichtete. Es schleif wenigstens so. An dem großen Fenster eines Salonwagens des einfahrenden Zuges stand ein hochgereckter „alter Mann" Hochgereckt, gerade, straff, aoer —alt. Eine Minute spätes wußten wir allerdings, daß Weiße Haare eine hohe Jahres) zahl ankündigen, aber durchaus nicht Zeichen des Alters iul Sinne der Hinfälligkeit zu sein brauchen. Dieser Weißhaarig« jedenfalls kam ohne irgendwelche Zeichen der Beschwerden vor der Höhe des Waggons mit sicheren Schritten auf den Bahn steig und hielt eine recht lange Begrüßung aus. Er se'bs dehnte sie im Gespräch mit weißgekleideten Kindern, die ihn frische Blumen überreichten. Und die Unterhaltung mit Kin oern, den jüngsten mit diesem einem der Aeltesten, ist ein gan, besonderes Erlebnis der Persönlichkeit des Reichspräsidenten Meist ist ihm ein sorgenbeschwertes, ungeheuer ernstes Aus sehen eigen. Spricht er aber mit Kindern oder mit An gehörigen der Sportjugend, die ihm nach ihren schönster Siegen vorgestellt werden, weil er sie besonders in sein Herz geschlossen hat, dann schwinden die Sorgenfalten, dann beleb« sich das Gesicht und wird froh und lächelt. So sahen wir auch den Reichspräsidenten jüngst Wiedei am 4. März auf einem der weitgestreckten Exerzierplätze i« Berlin-Moabit. Ein kleiner kecker Junge, der Sohn des Obersten v. Thiedemann, Befehlshaber des Wachtregiments in Berlin, das aus Truppen aller deutschen Länder gestellt wird, überreichte dem Generalfeldmarschall von Hinden burg einen Blumenstrauß. Bisher ließ man die berühmt« Wachparade nicht aufziehen aus Rücksicht auf die zarte« Nerven des französischen Botschafters, der dicht am Branden burger Tor, durch das die Wache aufzieht, seinen Wohnsitz hat, und auch dem englischen Botschafter in der Wilhelmstraß« dicht an den Linden könnte sie unbequem in den Ohren ge klungen haben; neuerdings siedelte sich auch noch der amerika nische Botschafter am Pariser Platz an. Sie alle können nur- täglich hören und sehen, daß die Liebe für das feldgraue Tuch wie einst für den bunten Rock in Deutschland lebendig ge blieben ist. Und die erste Wache wurde von dem Reichspräsidenten und Generalfeldmarschall abgelassen. Das Regiment war i« Abteilungskolonne aufgestellt. Der Präsentiermarsch klang mit dem Deutschlandlied auf. Mit langen, von der Schönheit des Bildes elektrisierten Schritten, den Marschallstab in de« Hand, — gewissenhaften Fragern sei gesagt: ohne Stock! — ging Hindenburg auf den rechten Flügel des Regimentes zu, überprüfte die Richtung aller Glieder wie immer und schritt über die ganze Länge der Kompagnien die Front des Re giments ab. Von Mann zu Manu. Jeden einzelnen ins Auge sehend. Am Ende jeder der Kompagnien auch die Hinteren Glieder lange musternd. Jede Kompagnie mit einem „Guten Morgen, Leute!" grüßend. Mit einem kurzen „Gut!", wenn ihm die Kompagnie gefallen hatte. Und dann noch die Parade. Stehend. Nach dem Abmarsch des Regiments mit einer raschen Wendung Front zu den Tausenden der Zu schauer nehmend, mit einem dankenden Gruß für das brausende Hoch! Das kann kein alter Mann! Das kann nur Hinden burg, der Sieger über das Alter. Ei« Re-orter röst durch die Mandschurei- Granaten sind ein gefährliches Straßcnpflaster. — Der er betene Spion. — Entwaffnende Freundlichkeit eines Zensors. Von Franz Schömbach. Amerikanischen Millionären, die auf der Großwildjagd im dunklen Erdteil den schmerzlich entbehrten Nervenkitzel zu erlangen suchen, dabei jedoch Enttäuschungen erleben, seien einige Monate Reportertätigkeit in der Mandschurei ein dringlichst empfohlen. Vielleicht meinen Sie, eine gewisse Beschwerlichkeit und Gefährlichkeit dieses Berufs verstehe sich von selbst? Sicherlich ist diese Art des Schlachtenbummels niemals ein Vergnügen. Aber was den schon von amtswegeu zum Rasen verpflichteten Reporter vollends aus der Haut zu jagen durchaus gewillt und geeignet ist, das nennt man die asiatische Seele, deren stoischer Gleichmut dem Weißen stets fremd und unerreichbar bleiben wird. Darf ich Ihnen meinen Chauffeur vorstellcn? Ich habe schon immer seine unerschütterliche Ruhe bewundert. Aber kürzlich ist sie mir doch geradezu unheimlich geworden. Das war, als wir von Anganchi nach Tsitsikar fuhren, etwa 35 Kilometer weit, über eine Steppe hinweg, auf der sich wenige Stunden zuvor die Armee des Generals Ma zurückgezogen hatte. Es muß schon eher eine wilde Flucht gewesen sein. Denn die ganze Strecke war von Kopfbedeckungen, Uniformstücken und — ein mehr als gelinder Schrecken fuhr mir in die Glieder! — mit Handgranaten und Wurfminen besät. Wohlverstanden: von solchen, die ihre Aufgabe, menschliches Gebein zu zerreißen, noch nicht erfüllt hatten. Als ich die Gefahr erkannte, war es schon zu spät: der Chauffeur raste mit äußerster Geschwin digkeit über dieses verderbenschwangere Pflaster. Er mochte Wohl denken: Da wir nun einmal mitten drin. sind, ist es