Volltext Seite (XML)
Eisenteile und Balken wurden Hunderte von Metern fortqeschleudert. Brennende Holzteile fielen auf die übrigen Teile der Fabrik, die sofort in Flammen auf- ginq. Auch der in geringer Entfernung befindliche Wald geriet in Brand. Erst nach vielen Stunden ge lang es, das Feuer zu löschen. Zn ganz Pardubitz wur den sämtliche Fensterscheiben zertrümmert. Dächer wur den beschädigt, zum Teil gänzlich abgerissen. An einem Hause in Semtrn arbeiteten Maurer. Das Gerüst stürzte ein, wobei zwei der Arbeiter verletzt wurden. Die Leichen der bei der Katastrophe verminten fünf Arbeiter wurden bereits geborgen. Die Zahl der Ver letzten beträgt 30. Der Schaden geht in die Millionen. Die Fabrik gehört der tschechischen Explofivstoff- A.-E. in Prag und besagt sich mit der Herstellung aller für die Industrie und die tschechische Armee notwendigen Sprengstoffe. Bemerkenswert ist, daß in dem heute ver öffentlichten Geschäftsbericht auf die besonderen Sicher heitsmaßnahmen hingewiesen wird, die die Fabriklei tung getroffen habe. Sie hätten sich so gut bewährt, daß bisherige Unfälle ohne ernste Folgen verliefen. Es wird nunmehr bekannt, daß sich schon am Freitag eine schwere Explosion ereignet hat, wobei vier Arbeiter schwer verletzt wurden, von denen zwei gestern gestorben sind. Amtlich wird mitgeteilt, daß das gestrige Unglück in keinem Zusammenhang mit der Explosion am Frei tag steht. Die Ursache des Unglücks ist noch nicht be kannt, festgestellt wurde bisher nur, daß ein verbreche rischer Anschlag ausgeschlossen sei. Slratzenkömpfe in Berlin. Berlin, 1. Mai. Zu überaus schweren Ausschrei tungen kam es hier gegen 2.30 Uhr nachmittags in der Varnimstraße in der Nähe des Aleranderplatzes. Als die Polizei zur Auflösung eines 500 Mann starken Um zuges schreiten wollte, setzte plötzlich unter lautem Zoh len der Menge ein Bombardement aus den Fenstern der umliegenden Häuser gegen die Beamten ein. Preß kohlen, Blumentöpfe und Steine wurden gegen die Polizeibeamten geschleudert, wobei ein Beamter erheb lich verletzt wurde. Die Beamten mußten auch in die Häuser eindringen und nahmen neun Personen fest. Zn der Kösliner Straße war die Polizei zunächst gegenüber der Menge machtlos und mußte schließlich von der Schußwaffe Gebrauch machen. Drei Personen wurden dabei verletzt. Durch eine verirrte Kugel wurde ferner der 52 Zahre alte Klempner Max Gemeinhard, der an dem Fenster des dritten Stockwerkes eines Hauses stand und sich die Tumulte ansah, so unglücklich am Kopfe getroffen, daß er auf dem Wege zum jüdischen Krankenhause seinen Verletzungen erlag. Auch an der Weidinger- Ecke Hankestraße im Scheu nenviertel mußte die Polizei mehrere Schreckschüsse ab geben, durch die jedoch niemand verletzt wurde. Nach den vorläufigen Zusammenstellungen sind bei den Zusammenstößen im Laufe des Tages ein Unbetei ligter getötet, 20 Demonstranten mehr oder weniger schwer verletzt und sieben Polizeibeamte verwundet worden. 500 Personen sind bis zu diesem Zeitpunkt zwangsgestellt worden. Schwerste Kämpfe auch am Wedding. Berlin, 1. Mai. Anläßlich der Demonstrationsver suche wurden gegen 4 Uhr nachmittags mehrere Hun dertschaften Schutzpolizei nach dem Wedding beordert, die zunächst den Nettelbeckplatz säuberten und die Kös liner Straße abriegelten, wobei es zu neuen Zusammen stößen kam. Es wurde eine Barrikade von den Kommunisten errichtet, von wo aus zahlreiche Männer und auch Frauen auf die Schupobeamten feuerten. Diese erwiderten das Feuer, konnten aber erst mit Hilfe von Verstärkungen und eines Panzerwagens die Ver schanzten aus ihren Schlupfwinkeln herausbringen. Es war dies um so schwerer, als auch aus allen Häusern geschossen wurde. Bei Anbruch der Dunkelheit ver stärkte sich das Feuer und die Polizei mußte Häuser fronten mit Scheinwerfern ableuchten. Gegen 10 Uhr abends war die Ruhe noch nicht ganz wiederhergestellt. da aus den Häusern immer noch vereinzelte Schüsse fielen. Berlin, 1. Mai. Außer dem durch eine abgeirrte Kugel getöteten Klempnermeister auf der Kösliner Straße sind noch zwei Todesopfer zu verzeichnen. So wurde ins Virchow-Krankenhaus ein Toter eingeliefert, der bei den Zusammenstößen am Nettelbeckplatz schwer verletzt worden war und vor seiner Einlieferung ins Krankenhaus verstarb. Am Alexanderplatz wurde außerdem ein Unbekannter von einem Automobil im Gedränge tödlich überfahren. Ferner wurden neun Verletzte ins Krankenhaus am Friedrichshain einge- liefert, die bei den Zusammenstößen meistenteils Bein schüsse davongetragen hatten. Die Hauptkampffront. Berlin, 1. Mai. Die Schießereien in Neukölln dauerten in den späten Abendstunden immer noch an. z Die Polizei feuerte weiter Schreckschüsse ab, um die Menge zu zerstreuen, die nur sehr langsam zurückwich. Die Hermannstraße ist in einem Umkreis von einein halb Kilometern gesäubert. Der gesamte Straßenbahn verkehr nach Neukölln und dem südlicher gelegenen Britz ist unterbunden. Es handelt sich um die Hauptverkehrs ader nach Süden von dem im Südosten Berlins gelege nen größten Verkehrsknotenpunkt des Hermannplatzes aus. Während es im übrigen Berlin nach den bisher vorliegenden Meldungen verhältnismäßig ruhig zu sein scheint, hat sich der Hauptstoß der kommunistischen Demonstranten in Neukölln konzentriert und die Polizei hat gleich ¬ falls ihre Hauptkräfte dorthin werfen müssen. Um 22.30 Uhr gab das Berliner Rettungsamt folgende Ziffern bekannt: Bisher sind sechs Tote und 68 Verletzte zu beklagen. Von den Verletzten konnten 35 wieder entlassen werden, 33 Verletzte mußten in Krankenhäuser - überführt werden. Ein Neuköllner Stadtteil völlig abgeriegelt. Berlin, 1. Mai. Zn den Abendstunden kam es na- ! mentlich in Neukölln zu größeren kommunistischen Aus- ! schreitungen, die schließlich die Polizei veranlaßten, mit schärferen Mitteln vorzugehen. Gegen 19 Uhr setzte plötzlich unerwartet eine riesige Säuberungsaktion sei tens der Polizei ein, wobei namentlich das Arbeiter viertel Neukölln, so die Steinmetz-, Ziethen-, Karman- j und Zägerstraße restlos für jeden Passagier- und Fuhr- ! verkehr gesperrt und vollständig abgeriegelt wurden. ! Personen, die zu ihren in dem Viertel liegenden Woh nungen wollten, konnten nur unter Wohnungsauswei sungen dorthin gelangen. Mit Gummiknüppeln und Feuerspritzen versuchte man die sich überall bildenden Ansammlungen zu zerstreuen, was jedoch nicht immer gelang. Aus aller Well. * Zusammenstöße zwischen Polizei und Kommu nisten. An den verschiedensten Stellen der Reichshaupt stadt kam es am Montag zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und Kommunisten. Am Potsdamer Platz versuchten etwa 200 Kommunisten einen geschlossenen Zug zu bilden und konnten von der Polizei erst mit Zuhilfenahme des Gummiknüppels auseinandergetrie ben werden. Ein Polizeibeamter wurden von den Kom munisten zu Boden geschlagen und mußte sich in ärztliche Behandlung begeben. Sechs Zwangsgestellungen wur den durchgeführt. Auch am Belle-Alliance-Platz vor dem Gebäude des „Vorwärts" versuchten etwa 200 ju gendliche Kommunisten sich zusammenzurotten. Die Polizei löste den Zug auf. Eine Person wurde zwangsgestellt. In der Gneisenaustraße hatte sich eben falls ein Zug von etwa 200 Kommunisten gebildet, die in Richtung Kaiser-Friedrich-Platz marschierten und von der Polizei daran gehindert wurden. Erst nach heftigen Zusammenstößen, im Verlaufe derer ein Poli zeibeamter durch Schläge ins Gesicht erheblich verletzt wurde, gelang es, die Kundgebung zu zerstreuen. Auch hier wurde eine Person zwangsgestellt und in das Poli zeipräsidium eingeliefert. Am Richardplatz in Neukölln hatten sich etwa 50 Mitglieder des Jungspartakus-Vun- des zusammengerottet, konnten aber mühelos von der Polizei auseinandergetrieben werden. Sechs von ihnen mußten den Weg zum Polizeipräsidium antreten. - Der Waldbrand am Hartmannsweilerkopf ge löscht. Das am Montag nachmittag in Elsaß und in Südbaden niedergegangene Gewitter, verbunden mit einem starken Regen hat den am Sonntag nachmittag am Fuße des Hartmannsweilerkopfes entstandenen gro ßen Waldbrand endlich gelöscht. Viele Tausende von Menschen hatten sich im Laufe des Tages angesammelt, um die furchtbare Feuersbrunst verfolgen zu können. Eine sehr ernste Katastrophe drohte sich zu entwickeln. Die Gendarmerie hatte bereits Montag früh die Ar beiter zu den verschiedenen Ortschaften des Hartmanns weiler Gebietes, die sich zur Arbeit nach Mühlhausen usw. begeben wollten, zurückgehalten und zum Errichten von Wällen und zum Abdämmen des Feuers komman diert. Im Laufe des Vormittags rückte dann auch noch Militär an, das mehrmals gezwungen war, in aller Eile zu flüchten, um nicht von dem brennenden Element oder den explodierenden Granaten ergriffen zu werden. Erst der einsetzende Regen ließ die Flammen und Fun ken kleiner und kleiner werden. Die verschiedenen Ar beiterkolonnen konnten abrücken. Das Militär bleibt noch einige Tage, um die Geschosse und Blindgänger zu sammeln und bei einem etwa aufs neue ausbrechenden Brande eingreifen zu können. Die neue deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt. Die deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt, die dem deutschen Luftfahrtwesen bereits unschätzbare Dienste ge leistet hat, und die sich bisher in Adlershos bei Berlin befindet, erhält jetzt ein neues Heim. Das neue Gebäude ist bedeutend größer als das alte. Es wird in Staaken bei Berlin errichtet. Mit dem Bau wird begonnen, so bald die nötigen Geldmittel aufgebracht sind. — Unser Bild stellt das Modell der neuen Versuchsanstalt für Luftfahrt dar. Es entstammt einem Entwurf des be kannten Architekten Hans Poelzig. Josephas Töchter Roman von Lola Stein. 55, (Nachdruck verboten.) Josepha fragte: „Motten Sie für Lonny kämpfen, wie Sic es nennen, oder für sich selbst?" „Das ist ein untrennbarer Begriff für mich gewor den, gnädige Frau. Lonnys Glück ist das meine, ihr Un glück auch mein Unglück. Für mich existiert eine Getrennt heit nicht mehr, wenn sie auch äußerlich noch eine Weile fortbestchen mag." „Aber das ist ja Wahnsinn, Ralph," sagte Ernst All wart jetzt unruhig. „Bist du nur gekommen, um neue Kämpfe, neue Erregungen und neues Unglück über uns alle zu bringen, da wäre es besser gewesen, du wärest fortgeblieben. Zuerst war ich so froh, dich wiederzu haben. Aber deine Reden lassen mich nichts Gutes ahnen. Du bist also noch immer derfelbe tolle, wilde und unver nünftige Junge, der mit dem Kopf durch die Wand rennen möchte. Hat das Leben dich denn gar nicht ge scheiter werden lassen?" „Die Art von Gescheitheit, die du meinst, Papa, habe ich noch nicht gelernt und werde sie auch wohl nie lernen! Und nennst du es wirklich vernünftig und richtig, ein junges, schönes Menschenleben, das einem heilig sein sollte, so aufzuopsern, wie ihr Lonny aufgeopfert habt? Ohne nach ihrem Empfinden, ohne nach ihrer lebendigen Seele zu fragen?" „Aber das sind Überspanntheiten, lieber Junge, da kann ich einfach nicht mit. Natürlich habe ich Lonny zu- geredst, sich zu verloben. Es war unter diesen Umständen das einzig Mögliche, um eine ganze Familie vor Schande und unausdenkbarem Unglück zu retten. Man mutz doch mit dem Leben rechnen, wie es ist, und die Tatsachen neh men, wie sie sind. So, wie sich in deinem Künstlerhirn die Welt malt, ist sie nun einmal ebensowenig als wie ein überspanntes Mädchen sie sieht." Ralph seufzte. „Es ist das alte Lied. Kausmanns- unv Äünstlcrdenken wird sich nie einigen. Aber Sie, gnädige Frau? Die Sie selbst voller Ideale sind, wie mir Lonny erzählte, selbst empfindsam, sensibel, wie konnten Sie diese Verlobung billigen?" „Ich bin Mutter," sagte Josepha sehr ernst. „Mutter von zwei Töchtern, die ich beide gleich innig liebe. Keine steht meinem Herzen näher als die andere. Und eine dieser Töchter war in furchtbarer Not. Und soll selbst bald Mutter werden. War es da nicht menschlich und natürlich, daß diese nahe, greifbare, schreiende Not zuerst gestillt werden mußte? Es galt ein schweres Opfer zu bringen, ja! Aber Lonny hatte mir gesagt, daß sie nie einen Mann nach Ihnen lieben würde, und sie hat ihre Schwester doch stets über alles geliebt. Glauben Sie mir, so schwer es war, es gab keine Wahl für uns alle." Ralph wollte wiederum auffahren, flammend ent gegnen, Lonny kam ihm zuvor. Sie stand auf und trat mit gefalteten Händen vor ihn hin. „Laßt uns dieses Gespräch abbrechen, ich bitte euch sehr! Reden ändert ja nichts. Und ich ertrage es nicht, immer in diesen Wunden zu wühlen." „Du hast recht, Lonny," sagte Ralph leise. „Nicht reden, handeln will ich." Lonny ging und brachte der Mutter die Mappe, die sie gestern gesehen hatte. „Du darfst diese Zeichnungen betrachten, Mutti, damit du einen richtigen Begriff von Ralph bekommst, nur du allein." Als die jungen Menschen sich eine Weile später wieder Frau Josepha zuwandten, fanden sie sie in Tränen. „Ich schenke Ihnen die Skizzen," sagte Ralph. „Viel leicht bringen diese Blätter mir Ihre Versöhnung und — Liebe." Aber es bedurfte der Bilder nicht. So sehr Josepha Ralph gezürnt hatte, sie vermochte es nicht mehr, seit sie ihn kannte. Auch ihr Herz gewann er im Sturm. Auch sie war machtlos gegen den Zauber, der von ihm ausging. Sie hatte sich gegen seine Begleitung auf der Reise nach Berlin am nächsten Tage gesträubt, auch der Papa hatte Ralphs Vorhaben, jetzt nach Berlin zu fahren, für Wahn sinn erklärt, aber Ralph setzte seinen Willen durch „Nun, wo wir wieder versöhnt sind, muß ich meine Schwester Lily und ihren Mann doch auch kennenlernen," erklärte er bestimmt. Auch künstlerische Pläne riefen ihn nach der Haupt stadt. Er wollte einige Gemälde ausstellen, wollte wieder zu arbeiten beginnen. „Hamburg ist nicht der richtige Boden für mich, ich muß nach Berlin," sagte er. Und schließlich stimmten die Frauen ihm zu. Wenn er doch fahren wollte und sich nicht beirren ließ, so war es ebensogut, er fuhr mit ihnen, als am nächsten Tag hinter ihnen her. Josepha wollte nur zwei Tage bleiben und dann mit ihrem Manne nach Westerland reisen. Es wurde eine bedrückte, fchweigsame Reise. Je näher man dem Ziel kam, desto größer wurde Lonnys Aufregung, Ralphs Unruhe. Sie beherrschten sich beide, aber Frau Josepha sah und fühlte, wie sie litten. Sie litt mit ihnen, jetzt nicht mehr mit Lonny allein, auch mit Ralph, der ihr unbegreiflich schnell teuer geworden war. Lily mit ihrem Mann und Hubert Gerling waren an« Lehrter Bahnhof. Der große Finanzmann sah überrascht auf den schlanken, schönen Menschen, der seiner Braut und ihrer Mutter beim Aussteigen half. Ein unbehagliches Gefühl überkam ihn. Wer war dieser Fremde? Ein paar Worte Josephas erklärten alles schnell. Das also war der verlorene Sohn, der große Künstler Ralph Allwart. Er interessierte Hubert Gerling nicht sonderlich. Aber Lily sah halb erfreut, halb beunruhigt in die schönen Züge des Stiefbruders und angstvoll auf Lonnys Starr heit und in ihr weißes Gesicht. Lily war voller geworden. Ihre Gestatt wirkte frau licher, auch ihr Gesicht war durch die kommende Mutter schaft verändert. Die auffallende Ähnlichkeit der Schwester bestand nicht mehr, Ralph suchte sie vergebens. Dies hier war keine zweite Lonny, wie er halb gehofft und halb gefürchtet hatte. Eine hübsche, liebenswürdige, junge Frau, die seiner Lonny Wohl ähnlich sah, doch die für sein Malerauge eine ganz andere Eigenart hatte, stand vor ihm. (Fortsetzung folgt.)