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„Echter HMschWM" «o» Architekt WiIh -1m Ma - lI - - PoksdttM. - Die Angriffe, denen das in unsern Wohnungen verbaute Holz ausgesetzt ist, rühren, das Feuer ausgenommen, teils von Pilzen, teils von Insekten her. Am häufigsten ist die Zerstörung durch Pilze, der ge fährlichste von ihnen der „echte Hausschwamm". Das Wort „Schwamm" wird in manchen Gegenden Deutschlands für „Pilz" verwendet. Es gibt eine lange Reihe hochentwickelter Pilze, die in Wohnbauten Vorkommen und ihren Wert erheblich beein trächtigen können. Als erheblicher Mangel im juristischen Sinne gilt jedenfalls fast immer der echte Hausschwamm, seltener einer der anderen holzzerstörcnden Pilze. Diese näm lich benötigen einen Feuchtigkeitsgrad, der in Wohnbauten nicht oft vorkommt, während der echte Hausschwamm sich mit einer Feuchtigkeit begnügt, die das normale Maß kaum überschreitet. Betrachten wir einmal diesen Pilz, um an ihm die Lebens bedingungen und Erscheinungsformen der eigenartigen Schäd linge kennen zu lernen: Die Fruchtkörper, bei den Waldpilzen uns allen in der Schirmchenform bekannt, sehen hier anders aus. Jung erscheinen sie wie kleine, Weiße, wattige Polster, die sich bei der leisesten Berührung weinrot verfärben. Sie breiten sich auf der Unterlage tellerförmig aus und werden dabei rost braun. Größere Fruchtkörper sind Kartoffelpuffern vergleich bar, die einen Weißen, fleischigen Rand haben. Das Braune im Innern ist der sporenbildende Teil, das sogenannte Hymenium. Die Sporen selbst sind mit bloßem Auge einzeln nicht wahrnehmbar. Bei der Keimung entspringt aus ihnen ein feinstes Fädchen (etwa drei Tausendstel Millimeter dick), das sich bald verästelt. In ihrer Unzahl bilden diese Fädchen nach her das Pilzgewebe oder Mycel. Sie vermögen durch die Zellen des Holzes hindurch zu wachsen und ihm dadurch Atmungs- und Aufbaustoffe für den Pilz zu entziehen. Eine weitgehende Vermorschung oes befallenen Holzes ist die Folge. Der echte Hausschwamm bildet hauptsächlich Ober flächen mycel, und zwar in zwei Formen: bei Luftruhe, günstiger Temperatur und Feuchtigkeit Weiße, hauchzarte Polster oder aber dünne, filzartige Beläge, die sich quadrat meterweit über Holzwerk auszudehnen vermögen. Dabei über brücken sie auch Unterlagen, die keine Nahrung bieten wie Glas, Eisen und Stein. Von diesem aufliegenden Pilzgewebe dringen überall die Fädchen in das Holz ein. Hat es seine Arbeit erfüllt, so vermag es sich zum Zweck besserer Konser vierung umzubilden. Dadurch entstehen die Stränge, in der Form den Wurzeln der höheren Pflanzen ähnlich. Frisch sind sie Weitz, später schmutzig grau. An den Enden von Strängen oder Mycel findet man die anfangs erwähnten Fruchtkörper. Der Botaniker ordnet die höheren Pilze nach den Fruchtkörper formen, kommt aber dem Praktiker entgegen mit der Ein teilung in Stammfäulen, Lagerfäulen und Hausfäulen. Hier sei noch hingewiesen auf die Bezeichnungen „Trocken fäule" uno „Mauerschwamm". Pilze solches Namens gibt es nicht. Jeder hausbewohnende Pilz kann in trocknerem wie in feuchterem Zustand Vorkommen. Manche Arten findet man gelegentlich über und über mit Wassertropfen bedeckt, nicht nur den echten Hausschwamm, der daher seinen lateinischen Namen „merulius lacrymans" führt (lacrymans — tränend). Man erkennt, daß da falsche Entscheidungen Vorkommen konnten und vermeide deshalb die Bezeichnung „Trockenfäule". Und der Mauerschwamm? Man meint damit die mehr oder minder feinen Pilzgewebe und Stränge irgend eines holz zerstörenden Pilzes, der zur Eroberung neuen Holzes selbst die feinsten Fugen im Mauerwerk benutzt. Das günstigste Verbreitungsgebiet bilden durchfeuchtete Holzdecken, besonders wenn sie so gemacht sind, datz keinerlei Luftzirkulation in ihnen stattfinden kann. An der Unterseite der Dielung wächst das Pilzgewebe ungestört fort, während man oben wegen des Oelfarbenanstrichs zunächst nichts be merkt. Man hat also beim Auftreten von Hausfäulen als erstes die Ursachen der Feuchtigkeit aufzudecken und diese abzustellen. Wieweit Holz- und Mauerwerk erneuert werden müssen, hängt von vielen Umständen, nicht zuletzt von der Pilzart selbst ab, die den Schaden verursacht hat, und lätzt sich daher nur pon Fall zu Fall entscheiden. Die MSmOvg der Tuberkulose Schätzungsweise rund 200 000 Offentuberkulose. — 1450 Tuber kulosefürsorgestellen. — 44 000 neue Besucher. Das Deutsche Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuber kulose stellt durch seinen stellv. Generalsekretär Dr. Denker die Ergebnisse der Berichte zusammen, die beim Zentralkomitee von Gereimie Zeiibilöer. Von Gotthilf. Der Gouverneur von Louisiana, Mister Long, empfing den Kapitän der „Emden", die in New Orleans vor Anker ging, tn Schlafrock und Pan toffeln und entschuldigte sein Benehmen mit seiner Unkenntnis internationaler Höfltchkeitssitten Der Karneval war nicht ersprießlich, Die Welt ist weiter sehr verdrießlich — Wann kommt der Mensch wohl vor Verdruß Jetzt mal zu einem Hochgenuß? Doch hört er was, was karnevalisch, So freut der Mensch sich kannibalisch . Und lacht sich eine Hucke voll Und sagt vergnüglich: „Einfach doll!" Ich kann hier, ohne zu erdichten, Aus Louisiana was berichten — Dortselbst zu unserem Malheur Lebt Mister Long als Gouverneur. Vernehmen Sie mal dieses Drama: Der Mister hat zwar ein Pyjama, Und einen seid'nen Schlafrock auch Trägt er gewickelt um den Bauch; Doch ob er sonst auch prima-prima, Legt bei dem infernalschen Klima Auf Schick der Mister kein Gewicht, Und keinen Gehrock hat er nicht. Nun kommen Herren von der „Emden" In Gala und mit Oberhemden, Der Kapitän mit seiner Suit', Der macht bei Longen Staatsvisit'. Long, um ein weniges zu tratschen, Erscheint im Schlafrock und in Latschen, Und sagt „Oooä morning" und „Oooä b/6, Heck Kapitän, ich bin so frei!" Sie lesen ihm dann die Leviten Von wegen seiner schlechten Sitten, Worauf er ganz verdattert rief: „Entschuld'gen Sie — ich bin naiv!" Na, sagt mal, sind nicht solche Sachen Nach Aschermittwoch noch zum lachen? Seit so was von 'nem Gouverneur Man hören tat, long, long ist's her! Und nun, nach diesen Karnevalen, Woll'n wir selbander Steuern zahlen — Man zieht dazu den Cut nicht an, Weil man's auch im Pyjama kann! den Tuberkulosefürsorge stellen über das Berichts jahr 1928/29 eingegangen sind. Es liegen Berichte von 1448 deutschen Tuberkulosefürsorge stellen vor. 57"/« Millionen der Bevölkerung und 90 v. H. des Reichsgebiets sind im Bereich dieser Fürsorgestellen ersaht. Na türlich sind nicht alle Stellen gleichwertig. Viele sind modern aus gestattet mit Facharzt, Röntgenapparat, Fürsorgerinnen und Per sonal, manche aber sind noch primitiv in Ausbau und Arbeits weise. insgesamt waren in der Tuberkulosefürsorge etwa 2100 Aerzte und über 7000 Fürsorgerinnen tätig. Bemerkenswert ist, datz bereits 474 deutsche Tuberkulosefürsorgestellen im Besitze eines Röntgenapparats waren und 717 einen fremden Apparat heranzogen. 43 800 Personen haben im Berichtsjahr die Für sorgestellen neu aufgesucht. Naturgemäß erwies sich oft die Ver mutung einer Tuberkulose als irrig, nur bei 32 v. H. konnte eine Tuberkulose gefunden werden. Wichtig ist die Beantwortung der Frage, wieviel of fentuberkulöse, also als Seuchenherd in Betracht kom mende Kranke den Fürsorgestellen bekannt sind. Am Ende des Berichtsjahres waren es 116000, auf 57 Millionen Einwohner berechnet, also 20,3 auf je 10 000 Lebende. Aus das gesamte Reich berechnet würden! danach schätzungsweise 13 20 00 Os se n t u b e r k u l ö s e anzunehmen sein. Die wirkliche Zahl ist sicher höher. Schätzt man mit Braeuning die Zeit- die durch schnittlich ein offener Tuberkulöser als solcher noch lebt, also Ba zillen streut, auf 3,5 Jahre, dann müßte man in Deutschland etwa 171 500 Offentuberkulöse zählen. Bei einer Abschätzung der „Le bensdauer" aus 4L Jahre nach Blümel würde die Zahl 205 800 sein. Man sieht jedenfalls, daß den Fürsorgestellen trotz eifriger Ermittlungsarbeit viele Ansteckungsquellen vorläufig noch unbe kannt bleiben. Die Erfassung der Seuchenherde ist denn auch die eigentliche > schwere Aufgabe der Fürsorge. Ueber 1)4 Millionen Wohnungs- s besuche haben die Fürsorgerinnen im Berichtsjahre gemacht. Es kamen also auf jede von ihnen durchschnittlich 285 Besuche im Jahr. Welch eine Fülle von hingebender und opfervoller Für sorgearbeit verbirgt sich hinter diesen Ziffern! Meist ist Platz mangel, aber auch in 13 v. H. der Fälle Unbelehrbarkeit oder böser Wille die Ursache, weshalb die Kranken zur ständigen Ge fahr ihrer nächsten Umgebung werden. Ein Bett für jeden Kran ken mutz die erste und Mindestforderung bleiben. In welchen Fälle« Frühjahrspflanzuag? Der erfahrene Obstzüchter wird immer eine frühe Herbst- pflanzung einer späten Frühjahrspflanzung vorziehen, namentlich dann, wenn es sich um größere Anpflanzungen handelt und er sich daher das notwendige Pflanzmaterial rechtzeitig sichern muß. Dies kann aber nur im Herbst geschehen, denn die gangbarsten Obstarten und -svrten sind in den Baumschulen gewöhnlich schon nach dem Herbstversand, wenigstens in größeren Mengen, nicht mehr greifbar. Man pflanze also bei normalen Bodenverhältnissen und dann, wenn es sich um Obstbäume handelt, die aus den be kannten Gründen auf Wildlingsunterlage veredelt sind, grundsätz lich im Herbst. In manchen Fällen muß man aber der Frühjahrs- pslanzung den Vorzug geben, namentlich dann, wenn es sich um eine Anpflanzung in sehr schwerem, kaltem und nassem Boden handelt. Das schließt natürlich nicht aus, daß man sich ebenfalls das notwendige Pflanzmaterial rechtzeitig gesichert und im Ein schlag aufgehoben hat. Den Winter benutzt man nun zu einer gründlichen Vorbereitung für die Pflanzung, wobei die Anlage genügend großer Pflanzlöcher und Verbesserung des Bodenaus hubs oder bei der infolge hohen Grundwasserstandes etwa not wendigen Hügelpflanzung, tiefe Bodenlockerung und reichlich« Beigabe von Torfmull und Branntkalk (etwa 400 Gramm pro Quadratmeter) auszuführen ist. Ein anderer Fall, in welchem man der Frühjahrspflanzung den Vorzug gibt und der namentlich auch für den Kleingärtner in Betracht kommt, ist die vorgesehene Anpflanzung von soge nanntem Zwergobst, wie Formobst, Pyramiden, Buschbäume usw. Diese sind zumeist auf die etwas empfindlicheren Zwergunterlagen die Anspruch auf wärmeren Boden stellen, veredelt und daher rascher und williger anwachsen, wenn erst ein gewisser Wärme grad im Boden vorhanden ist. Auch aus Gründen des Schutzes der Neuanpflanzungen kann man sich für die Frühjahrspflanzung entscheiden, denn das Wild bevorzugt natürlich die Rinde der ganz jungen Bäume und bereitet doch auch an den kurzen Winter tagen die notwendige regelmäßige Kontrolle, namentlich für den werktägigen Kleingärtner, oft rech erhebliche Schwierigkeien. In diesem Jahre haben aber auch vielfach die bösen Erfahrungen des letzten Winters den vorsichtigen Gartenfreund veranlaßt, seine Anpflanzungen, namenltich die der frostempfindlichen Gehölze, wie Rosen, bessere Ziersträucher usw., bis zum Frühjahr zu ver schieben. Hierzu sei ausdrücklich bemerkt, daß es bis spät in das Frühjahr hinein immer noch möglich ist, zu pflanzen und sich das notwendige Pflanzmaterial zu verschaffen ,denn die Baumschulen halten immer eine größere Anzahl von Bäumen usw. im sogenannten Einschlag bereit, d. h. die hier vorräti gen Gewächse wurden durch genannte Manipulation im Austrieb künstlich zurückgehalten und können noch gepflanzt werden, wenn ältere Bäume an ihrem Standort schon auszutreiben beginnen. » Schädlingsbekämpfung im März Die Winterbespritzung der Obstbäume und Beerensträucher mit dreiprozentiger Solbar-Lösung ist noch möglich, wenn sich keine Knospen und Blätter entfaltet haben. Sonst hat die Früh jahrsbespritzung mit einprozentiger Svlbar-Lösung (1 Kilogramm Solbar auf 100 Liter Wasser) zu erfolgen. Besonders Psirsich- bäume sind jetzt gegen Kräuselkrankheit und Mehltau mit einpro- zentiger Solbar-Lösung zu spritzen. Die ersten auftretenden Frostspannerraupen vernichtet eine 1 bis 1,5prozentige Nvsprasit-Spritzung, die gleichzeitig auch Mehltau, Schorf (Fusicladium) und Monika abtötet. Sollen Pilzkrankheiten allein bekämpft werden, nimmt man eine einpro zentige Svlbar-Lösung. Die beste Spritzzeit ist beim Erscheinen der Battspitze, also im allgemeinen etwa Ende März. Bei empfindlichen Obstsorten, z. B. Steinobst und einigen rauhschaligen Aepfelsorten, empfiehlt es sich, nur "/,—1^ Nvsprasit-Lösung zu verwenden. Noch ist es Zeit, die Wühlmaus mit Zelipaste zu bekämpfen. Als Köder dienen Sellerieknollen und Möhrenstücke, die halbiert und im Innern, mit Zeliopaste bestrichen, in die sofort wieder lichtdicht zu verschließenden Gänge gelegt werden. vEÄitzÄSM« 64. Fortsetzung Nachdruck verboten „Nimm dich in acht vor einem Habichtspaar. Ich sehe «s schon heranfliegen, bald wird es um den Rauneckhof krei sen, um auf dich, meine geliebte Taube, niederzustoßen. Hüte dich vor ihnen, mein Kind, hüte dich vor den Raub vögeln!" Tiefes Schweigen nistete sich ein, beide waren förmlich ergriffen von der tiefen Bedeutung der Worte, die sie erst jetzt voll und ganz verstanden. Endlich sagte der Mann: „Und ich versprach damals, Sie zu schützen, wenn ich Raubvögel Uber dem Rauneckhof sichten würde. Aber ich sah nichts, nichts, während die Raubvögel doch so lange über dem Pofe kreisten." In Ilses schönen grauen Augen blitzte es auf. „Die zwei waren schlimmer als Raubvögel, die man ja leicht am Gefieder, am ganzen Aussehen erkennt, die zwei sahen wie schillernde Paradiesvögel aus. Der Baron viel leicht sogar wie ein Adler, wenn er auch feige war wie ein Huhn, das man mit einem lauten Pscht! verscheuchen kann." Sie mußte plötzlich lachen. „Auf der Landstraße nach dem Sodener Abend zeigte er sich so wenig mutig, daß ich mich seiner schämte. Als der Reifen platzte, zuckte er zu sammen wie ein altes verängstigtes Weibchen, und trotz bombastischer Reden fürchtete er sich vor einem kurzen Nacht spaziergang. Heute finde ich das komisch, was mir damals wehe tat." Sie konnte nicht anders, sie mußte herzlich la chen. Und das Lachen war so echt und frisch, daß Ulrich Weidenberg vergnügt einstimmte. Nie hätte er geglaubt, daß Ilse schon bald wieder lachen würde und noch dazu über den Daron. Wenn das nicht etwas ganz Wundervolles war, dann wußte er wirklich nicht mehr, was man wundervoll nennen sollte. Er streichelte den Hund und nahm sich vor, ihn auch recht zu verwöhcnen. Gar nicht gut genug konnte man zu so einem klugen Tier sein. 17. Im Dorf flüsterte man dies und das über die im letzten Augenblick aufgehobene Hochzeit, aber die eine Lesart hielt sich: Die Herrin vom Rauneckhof war, kurz bevor sie das bindende Ja vor dem Bürgermeister hatte sprechen sollen, von einer Liebschaft ihres Bräutigams mit ihrer Freundin unterrichtet worden. In kurzer Zeit war der Fall vergessen. Man wohnte hier zu nahe der Großstadt, da war man schließlich nicht besonders arm an Unterhaltungsstoff. Eines Morgens sand Ilse unter ihrer Post auch einen Brief ihrer Bank, in dem diese meldete, das von ihr dem Herrn Baron Frank Wildhard zur Verfügung gestellte Gut haben sei erschöpft, ob sie eine Ergänzung aus ihrem eige nen Guthaben wünsche. Ilse erschrak. Daran hatte sie ja gar nicht mehr gedacht. Sie hatte ja, weil sie fest geglaubt, daß sie Frank Wildhards Frau würde, eine ganz anständige Summe auf seinen Na men umschreiben lassen und ihm, damit er die Kosten der Hochzeitsreise zu bestreiten vermochte, ein Scheckbuch über reicht. Und das ganze Geld hatte er abgehoben? Sie war darüber bestürzt, denn es handelte sich um vierztgtausend Mark. Viel Geld war das. Viel Gutes hätte sich mit dem Geld anfangen lassen, das dem gemeinen Menschen nun in die Hände gefallen. Immer tiefer brannte die Scham in iHv, daß sie sich von diesem Menschen hatte küssen lassen, daß sie geglaubt, ihn zu lieben. Aber sie schwieg über den Verlust zu jedermann, besonders Pauline Wildhard mußte geschont werden, denn die alte Dame ward nicht fertig mit den Selbstvorwiirfen. „Von Anfang an hätte ich verhindern müssen, daß er dich betörte, Ilse," wiederholte sie immer wieder, „aber ich glaubte wirklich, er liebe dich und ich hoffte, diese Liebe würde ihn zu einem tüchtigen Menschen machen. Ich ahnte ja nicht, wie schlecht der Kern in ihm war!" Ilse mußte sie immer wieder trösten. Eines Tages aber erschien die Baronin mit zorngeröte- tem Gesicht auf dem Rauneckhof. „Heute gibt es eine Neuigkeit, Ilse!" begann sie und ihre Augen blitzten. Sie sah Ilse an, konnte kaum sprechen, so wirtschaftete der Aerger in ihr herum. Erst nach einem Glas Limonade, das ihr Ilse gereicht, war sie soweit, weiterzusprechen. „Was glaubst du Kind, mit wem sich mein sauberer Herr Neffe verheiratet hat? Nicht für möglich halten wirst du cs. Rate mal!" Ilses Lippen umzitterte Spott. „Ach, liebste Tante Pauline, das ist gar nicht schwer zu raten, er hat Jutta Linden geheiratet." Die alte Dame zog die Augenbrauen hoch. „Nun, geraten hast du das nicht. Also haben die beiden die Unverschämtheit gehabt, dir ebenfalls eine Anzeige zu schicken. So ein freches Pack!" Ilse schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Karte erhalten. Aber es ist doch gar nicht verwunderlich, daß sich die beiden, die sich so gut ver standen haben, nun zusammentun." Sie zuckte die Achseln. „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich! pflegte mein Vatcr zu sagen. Weißt du, Tante, glücklich werden die zwei aber bestimmt nicht. Denke daran, wie sie sich schimpften und er sie zu Boden stieß an —" Sie zögerte und vollendete dann: „An meinem Hochzeitstage!" Die alte Dame holte eine elegante große Karte hervor, darauf stand: Ihre Vermählung geben bekannt: Baron Frank Günter Kurt Wildhard und Baronin Jutta Ada Hedwig Wildhard geb. Linden. Paris, Ende September. Hotelpension Verdier, z. Zt. auf Reisen. - (Fortsetzung folgt.)