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^ 274. 26. November 1910. Nichtamtlicher Teil. Annette nennt es später *°) »sehr artig« und »äußerst zierlich«, — und die Sache war im besten Gange. Annette arbeitete eifrig an einem dritten größeren erzählenden Gedichte, der »Schlacht im Löhner Bruch«. Da kam noch einmal eine Verwicklung. Ihre Freundin Adele Schopenhauer, der Annette den neuen Plan mitgeteilt hatte, warnte sie am 12. De zember von Jena aus, »die Sache in Münster erscheinen zu lassen«. »Was von geringen Buchhandlungen dem großen Buchhändler geschickt wird, wird selten beachtet; er hat kein merkantilisches Interesse, dem geringen Verleger durch Verkauf seines Buches zu nützen; das Obskure der Handlung fällt hemmend auf Ihr Werk.« Statt dessen erbietet sie sich, mit Hilfe des befreundeten Literarhistorikers O. L. Wolfs das Werk »bei einem ordentlichen bedeutenden Buchhändler anzubringen«. Am 1. Januar 1838 gab Annette die Angelegenheit ihrem Freunde Schlüter zur Entscheidung anheim. Sie selbst glaubte »weder von Herrn Hüffer loskommen zu können und noch weniger, daß er für sein höfliches und freiwilliges Anerbieten eine solche Hinansetzung verdient.« »Hüten Sie sich aber,« fährt sie fort, »Sie arglosester und somit unvorsichtigster aller Menschen, diese Zeilen Herrn Hüffer etwa mit zuteilen; die Ausdrücke obskure und geringe Buchhandlung würden ihm schwerlich gefallen, zudem braucht er, falls Sie der Meinung sind, ihm das Manuskript zu lassen, gar nicht zu wissen, daß ich einen Augen blick darüber schwankend sein konnte; so etwas läßt immer einen kleinen Stachel zurück. Die Gründe der Schopenhauer sind allerdings triftig genug und bestätigen meine frühere Ansicht, aber der Jenenser kann und wird ja auch wohl mal etwas Späteres übernehmen, wodurch das Versäumte nachgeholt werden kann«'"). Schlüter, dem das Anerbieten der Freundin etwas für sich zu haben schien und der zweitens bei Annette einen leisen Zweifel zu bemerken glaubte, ob Hüffer wirklich den Abdruck gern und mit Dank übernommen habe, hielt es für das Beste, Hüffer mit der Sachlage bekannt zu machen und ihn dann entscheiden zu lassen, ob er den Verlag gern übernommen habe. Bald darauf konnte Schlüter berichten, daß Hüffer nach wie vor den Verlag wünsche, und Annette war nun endgültig einverstanden. Im Februar 1838 schrieb sie ihrer Mutter:") »Wenn das Werk herauskommt, muß es bei Hüffer sein, und ich habe noch einer: Grund dafür, es wäre mir nämlich unerträglich, wenn ein Buchhändler hinterher sagt(, er hätte dadurch Schaden an meinen Sachen gehabt und es doch nur aus Gefälligkeit für mich übernommen, und das hätte leicht bei Dumont in Köln und auch bei dem Jenenser sein können, da sie ja nie eine Zeile von mir gesehen hatten und gewiß, nur Braun und Adele zu Gefallen es übernehmen wollten«^). Sehr interessant sind die weiteren Äußerungen über ihren Plan in diesem Briefe: »Ich will nur eine ganz kleine Auflage von 500 Exemplaren gestatten, aber dann auch für die erste.Auflage kein Honorar nehmen; erlebt es keine zweite, so hat Hüffer auch keinen Profit, erlebt es eine zweite, so weiß ich, was ich dis dahin fordern kann. ZuFreiexem- plaren habe ich auch keine rechte Lust, es ist mir immer so lächerlich gewesen, wenn ein Schriftsteller sein eigenes Werk verschenkt. Die Leute müssen freundlich tun und das Ding herausstreichen, das ver bittert ihnen das ganze Geschenk. Und dann sind so viele, die gar keinen Sinn für dergleichen haben oder Gefallen daran«... Über die Freiexemplare urteilt sie an anderer Stelle^") ebenso: »Mir sind selbst schon mein Lebelang so viele Bücher von den Verfassern verehrt worden, und immer hätte ich sie lieber selbst gekauft, so fatal war mir das Antworten«. Nachdem die Mutter ihre Genehmigung erteilt hatte, war die letzte Schwierigkeit behoben. Es dauerte aber doch noch mehrere Monate, ehe der Druck begann. Im März notiert Schlüter in seinem Tagebuch, Hüffer lasse dafür neue Typen kommen, aber erst Anfang Juni schrieb er an Annette: »Im Fluge diene Ihnen zur Nachricht, daß Herrn Hüffers Presse den Augenblick vakant ist und folglich sich aufs schmerzlichste sehnt, das zarte Kind Ihres Geistes bald möglichst mit ihren hölzernen Armen zu umfangen!« »Durch Krankheit der Gesellen des Schriftgießers« hätte sich die zweieinhalb Zentner wiegende Schrift verspätet. Vom 16. Juni an folgten sich dann die Korrekturbogen. Den Druck überwachten wie die Anordnung Schlüter und Junkmann. Annette klagt in einem Briefe vom 1. Augusts), daß sie die Druckbogen zu spät erhalte, um die Druck- Ebenda S. 163 f. und S. 151. ") Ebenda S. 147. ") Ebenda S. 164. rb) Ähnlich an Sophie v. Haxthausen, ebenda S. 151. ") S. 151. 2«) S. 382. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 77. Jahrgang. fehler zu verbessern, deren einige recht schlimme eingeschlichen seien. »So etwas ist sehr fatal; man muß es jetzt aber mit Geduld tragen bis zur etwaigen zweiten Auflage. Jedermann sagt, es sei so schwer, Druckfehler aufzufinden, daher komme es, daß in allen Büchern welche stehen bleiben, die vom Korrektor übersehen würden. Ich begreife es nicht und habe diejenigen, die noch in den Bogen stehen geblieben, beim ersten Blick gesehn. Ich denke deshalb, die zweite Auflage, wenn es dazu kommen sollte, jedenfalls selbst unter Aufsicht zu nehmen, obgleich, wie ich höre, Schlüter und Junkmann allen möglichen Fleiß sollen angewendet haben. . In vierzehn Tagen oder drei Wochen wird das Buch wohl im Laden zu haben sein. Hüffer hat ganz neue Typen dazu kommen lassen und legt großen Wert darauf. Ich habe wenig Sinn für dergleichen und kann nicht sehen, daß die Buchstaben wesentlich schöner wären als die andern. Er hat zu Werner^) gesagt, daß schon so viele nach dem Buche gefragt hätten. Das freut mich für ihn und für mich auch, denn es wäre mir unaussteh lich, wenn er Schaden daran hätte...« Endlich hatte Annette das kleine Buch, das das Ergebnis einer zwanzigjährigen Dichterlaufbahn enthielt, in Händen. Die Freiexem plare, auf die sie schließlich doch eingegangen war — auf Honorar hatte sie verzichtet — nahm Schlüter in Empfang. »Hüffer stellte, liberal, wie es ihm geziemt, noch eine beliebige Anzahl zur Disposition und ließ es sich übrigens wie billig nicht nehmen, dem verehrten Auktor einige prachtvoll, ausgestattete Exemplare mit seinem schriftlichen Dank selbst zu übersenden.« Das Büchlein trägt den Titel: »Gedichte von Annette Elisabeth v. D.... H .... Münster 1838. In der Aschendorff'schen Buchhand lung.« Die halbe Anonymität ist bereits in Kaysers Bücherlexikon auf gelöst. Es umfaßt 220 S. iu 12° und kostete 25 Sgr. Die Ausstattung Rhein, in Jena und Weimar, bei Jacob Grimm usw. Angesehene Kritiker erkannten ihren Wert an, ja äußerten sich mit Bewunderung. Aber der buchhändlerische Erfolg war sehr gering. Wir werden noch sehen, daß nur 74 Exemplare verkauft wurden. In einem Briefe au vortreffliche Rezension nach der andern bekommt und sich das Buch doch so schlecht verkauft, daß die kleine Auflage von 500 Exemplaren noch nickt vergriffen ist. Wüßte sie nicht, daß die Rezensionen bis auf eine von fremden Literaten seien, so möchte sie denken, ihre Freunde schrieben sie, um ihr einen Spaß zu machen. »Überhaupt wundert mich schon, daß an den Orten, wo die Rezensionen erscheinen, diese keinem dortigen Buchhändler Lust machen, es doch auch mal mit dem Merkchen zu versuchen. Freilich sind diese Orte sehr entfernt, das Porto wird bedeutend sein und allen Vorteil hinnehmen, da niemand mit meinem Verleger anderweitige Kon nexionen hat und größere Sendungen erhält, denen diese beigefügt In einem Briefe an August v. Haxthausen vom 20. Juli 1841^) führt sie auch den teuren Preis als Grund mit an, aber sie denkt, frei von Autoren eitelkeit, doch auch daran, daß »es immer ein zu kleines Publikum haben wird, um eine gute Buchhändlerspekulation zu sein.« Mit ihrem Glauben, die Auflage würde jetzt bald vergriffen sein, war sie allerdings leider sehr in: Irrtum. Gründe für den schwachen Erfolg sind mancherlei angeführt worden. Kreiten nennt an erster Stelle, Annette rechtgebend, den »obskuren« Provinzialverlag. Aber die übrigen äußeren wie inneren Umstände waren doch wohl stärker: das damals nicht sehr große Interesse für Wissenschaft und Kunst, die »Kölner Wirren« 1837/38, die das Interesse der katholi schen Rheinländer und Westfalen zu sehr in Anspruch nahmen, endlich und vielleicht ganz besonders aber auch die Eigenart der Gedichte selbst, von denen die drei größeren bei aller Schönheit doch auch manche Härten zeigen und stärkere Teilnahme erfordern, als die »spazierenden Philister« und die Menge den ersten Erzeugnissen einer schriftstellernden Dame zuzuwenden pflegen, während die übrigen nur in spärlicher und nickt ganz geschickter Auswahl gegeben sind. (Schluß folgt.) Kleine Mitteilungen. Versteinerung des Nachlasses von Joses jrainz. <Vgl. Nr. 265 d. Bl> — Wie hier schon mitgeteilt wurde, wird in Rudolph Lepke's Kunst.Auktions-Haus, Berlin 8tV. 68, ">> Ihrem Bruder. S. 250. S. 292. 1897