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Nichtamtlicher Teil. 274, 26. November 1910. »Nichts! Nämlich die Frau Mertens abgereist nach Italien, wo sie ein > undes Jahr zu bleiben gedenkt; mein Manuskript unsichtbar geworden — ! entweder mitgenommen oder verliehen oder verlegt; weder ihr Mann, noch ihre Töchter, noch ihre Freunde meinten anders, als daß es seit wenigstens einem halben Jahre wieder in meinen Händen sei.« Damit gingen ihr auch die Bemerkungen der »sehr geschmackvollen Literatoren« verloren, nämlich D'Altons und der Schopenhauer, die ellenlange Briefe (D'Alton drei Bogen lang) geschrieben hatten. Aber mit der Besorgung eines Verlegers mochte sie beide nicht betrauen: D'Alton war kein Schriftsteller und ohne Konnexionen mit Buchhändlern, Adele Schopenhauer mit ihrem Verleger ganz zerfallen und selbst augenblicklich ratlos. Annette »ergab sich in den Willen Gottes und sah ihr Werk schon an als bloß geschrieben zu ihrer eignen Beschäftigung auf dem Lande«. Wie sich ihr damals die literarischen Verhältnisse darstellten, zeigt die Bemerkung: »Es gibt nichts Ermutigenderes, als diese langen Klage reden der Schriftsteller längs dem Rhein über ihre gegenwärtige Stellung zur Lesewelt und den Buchhändlern. Nur wenige finden einen Verleger, die meisten lassen ihre Werke vorläufig liegen oder ruinieren sich durch Herausgabe auf eigne Kosten; der ungeheure Vorteil aus den Über setzungen soll allein Schuld sein. Ich glaubte es gern, und mein Selbst vertrauen gewann nicht dabei.« Trotz dieser trüben Vorahnungen fand sich doch bald ein Verleger für sie. »Doch was sein soll, schickt sich wohl«, konnte sie schon in demselben Briefe dem Freunde schreiben, »ich habe einen Verleger, und zwar einen bedeutenden und ganz ohne eignes Zutun, nicht eben um meiner Vor trefflichkeit willen, aber es hat sich so gemacht, daß mir die Sache aus freien Stücken ist angeboten worden, aus persönlichem Wohlwollen, um mir die Freude zu machen, auch wohl aus Neugier, um zu erfahren, wie das Publikum die Verse aufnimmt. Ich soll die Bedingungen selbst machen, sie werden aber nur in einigen Freiexemplaren bestehen. Die Zeit der Herausgabe hängt von meiner eigenen Betriebsamkeit ab; sobald ich eine Abschrift nach meinem Wunsche besorgt habe, wird der Verleger nicht säumen. Freilich habe ich bereits vier Monate verstreichen lassen, ohne Hand anzulegen, aber jetzt soll es das Erste sein, woran ich gehe, vielleicht morgen schon. Zur Ostermesse ist's wohl zu spät, aber ich denke zu Michaelis*). Man wünscht auch einige kleinere Gedichte, die zuerst das Buch einleiten und nachher die beiden größeren Stückes trennen sollen... So muß ich mich wirklich entschließen, den guten Pegasus zu satteln in diesem schlechten, unpoetischen Wetter, wo alles voll Schnee liegt.« Der Verleger, dessen Namen sie hier noch nicht nennt, war Joseph Dumont (Firma: M. DuMont-Schauberg) in Köln. Professor Joseph Braun in Bonn, der Freund ihres verstorbenen Vetters Klemens von Droste, hatte die Sache vermittelt. Dumont war auch sein Verleger; die von Braun mitherausgegebene hermesianische »Zeitschrift für Philosophie und katholische Theologie« erschien bei ihm. In Eppishausen schuf Annette, um den »neuanzuwerbenden Hof staat der beiden größeren Gedichte« zu vervollständigen, noch einige meisterhafte Gedichte und schickte endlich gegen Mai 1836 die Sammlung nach Bonn an Professor Braun, der die Ausgabe besorgen sollte. Dieser ließ es Juli werden, ehe er antwortete, und entschuldigte dann sein Still schweigen mit der Verdammung des Hermesianismus durch den Papst und den damit zusammenhängenden Verdrießlichkeiten. Dagegen stehe dem Drucke der Gedichte von seiten des Verlegers nichts mehr im Wege. Einige Gedanken und Ausdrücke wünschte er geändert und wollte darüber mit Annette auf ihrer Rückreise nach Westfalen Rücksprache nehmen. »Druck und Papier, überhaupt die ganze Ausstattung, wird zu Ihrer Zufriedenheit ausfallen und der Sache selbst vollkommen würdig sein.« ?' Im Herbst kam Annette nach Bonn und verweilte dort bis Anfang 1837. Aber das war nur eine neue Strecke auf dem Leidenswege ihrer Autorschaft. Sie fand Braun völlig zerfallen mit Dumont. Die »Zeit schrift für Philosophie und katholische Theologie« ging damals an Karl Baedeker in Koblenz«) über. »Die guten Leute schrieben sich die furchtbarsten Injurien.... ^ Ich sah das eine Weile mit an, dann fing es doch an, mir höchst fatal zu werden, daß zwei Menschen, die einander nicht nennen hören s konnten, ohne so rot zu werden, wie ein Paar Welsche, meinetwegen noch sollten, und vielleicht längere Zeit hindurch, miteinander ver kehren müssen. Ich sagte das dem Professor; er wollte das leichthin nehmen, seiner Verbindlichkeiten durchaus nicht entlassen sein, sagte, der Verleger habe noch neulich geäußert, daß er die baldige Zurück- *) 1836. °) Die oben genannten. °) Nicht A. Marcus in Bonn, wie Cardauns angibt. gäbe des Manuskripts und die Bestimmung der Bedingungen wünsche et cet. Da ich aber gar nicht zweifeln kann, daß beide Herren nur aus komt ck'bonnsur so reden und bei dem geringen Vorteil, den, im Falle der besten Aufnahme, ein so kleines Unternehmen bringen kann, der Verleger, der ein sehr reicher Mann ist, sich unter diesen Umständen unmöglich noch gern mit der Sache befassen kann, so habe ich mein Manuskript binnen behalten und bin damit abgereist. Der gute Professor, dem dies leid war, hat nun zwar demselben bereits einen Steckbrief nachgeschickt und vorgeschlagen, ich möge es, wenn nicht seinem früheren, dann seinem j etzigen Verleger?) geben, der ebenfalls ein großes Geschäft mäche. und ein sehr reeller Mann sei; da ich aber bis jetzt krank war und auch die Reise vor mir habe, habe ich hierauf noch nicht geantwortet. Ich möchte wirklich auch noch manches daran verändern.« So erzählt Annette am 18. März 1837 ihrem Schwager Joseph v. Lahberg?) Waren diese Pläne an ihrem Zartgefühl gescheitert, so hielt Annette doch an dem Vorhaben fest, ihre Gedichte zu veröffentlichen. Den Nächstliegenden Verlagsort, Münster, zog sie zunächst noch nicht in Betracht. Denn sie rechnete nicht darauf, daß der »St. Bernhard« hier sehr gefallen würde. Sein »Renommee, gut oder schlimm« möchte sie bereits gemacht sehen, ehe das Gedicht in den Kreis ihrer Bekannten käme«). Für auswärts »machte sie sich bessere Erwartungen«. Auch meinte sie, die »in Münster herauskommenden Sachen« hätten »ein kurzes und obskures Leben zu erwarten«, da sich der münsterische Buch handel doch meistens auf den Kleinhandel für die Stadt und Provinz be schränke?") Aber sie war doch in Verlegenheit um einen Verlag. Vor übergehend dachte sie an den Verleger des Taschenbuches »Cölestine«. in dem ihr Gedicht »des Pfarrers Woche« erschien, Theodor Per gay in A s ch a f f e n b u r g. Sie erkundigte sich bei Junkmann, ob er ein bedeutender Buchhändler wäre**). Aber Schlüter und Junkmann wollten durchaus, sie sollte »den Barry« (das Hospiz auf dem St. Bernhard) in Münster beiHüffer (Aschen- dorffsche Buchhandlung) erscheinen lassen. Noch im Oktober hatte sie wenig Lust dazu '^). Hüffer scheint ihr und ihrer Mutter be kannt gewesen zu sein; sie schreibt an diese: »Hast Du jemals gewußt, daß Hüffer, derselbe demagogische*«) Hüffer, seines Zeichens ein Buch händler ist? Ich habe gedacht, er wäre Regierungsrat oder so etwas, aber er hat die Aschendorffsche Buchhandlung.« Schließlich war es Annetten doch recht, daß sich Hüffer zum Abdruck bereit erklärte. Die Verhandlungen mit ihm hatte Schlüter geführt, der am »3. November 1837, morgens 6 Uhr« in Versen, die eine »ganz besonders freudige Eile verraten,« über das Ergebnis berichtete. Der Bote, sein Geist, soll ihr »in stürmisch beflügelten Worten« ansagen: »Auf, o Nettchen, und schreib und tunk in die Tinte die Feder Wohlgeschnitten und fein, und eilend gefertigt die Abschrift, Denn wir werden gedruckt, der Tag der Vollendung, er nahet.« Er habe mit dem Sohne des ihm befreundeten Buchhändlers eine Unterredung gehabt, und dieser habe ihm versichert, daß sein »vorsichtiger Vater laut sein übergroßes Verlangen gebilligt habe«, »Unsere Presse zu sehen beglänzt vom herrlichen Strahle Goldener Lettern aus unvergleichlicher Feder des Fräuleins.« Der junge Mann, der ihre Gedichte durch Schlüter kennen gelernt hatte, würde ihr bald darüber schreiben. Da Annette inzwischen von Rüschhaus nach Hülshoff übergesiedelt war, erhielt sie den Brief erst am siebzehnten und antwortete am acht zehnten mit einer launigen Epistel in Knittelversen. Der Verleger hatte aber immer noch nicht geschrieben; denn Annette bemerkt: »Was Ihr schreibt von H. Hüffer, dem guten Mann, Der verspricht Dinge und unterläßt sie dann; Keinen Brief habe ich von ihm gesehen, Er muß noch in seinem Kopfe stehen. Bringt ihm übrigens meinen freundlichen Gruß, Das ist ein Mann, der Jedem gefallen muß«**). Bald darauf wird aber das Schreiben Hüffers gekommen sein — ?) Also Karl Baedeker in Koblenz. «) Cardauns S. 112. °) An Schlüter, 23. März 1837. Ebenda S. 116. *") An Junkmann, 4. August 1837. Ebenda S. 125. **) Ebenda. *2) An die Mutter. Ebenda S. 137 f. '3) Ich weiß nicht, worauf sich das bezieht. ") Ebenda S. 142.