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PMWWgrist and HMeksügerW.^ Von Moettier van den Bruck. Zu Hans Schwarz. Es gibt eine Haltung, die den Begriff „Preußentum" Gestalt werden läßt, die Wesen und Geist einer die Welt geschichte mitbestimmcnden Weltanschauung zeigt; jene Haltung, die in Kants „Kategorischem Imperativ" ihre« Gipfel erreichte. Und es knüpfen sich Namen an sie w« Gneisenau, Stein, Kleist, Katte, Hegel, Roon, Moltke und viele andere. Heinrich vonKleist hat in seinem „P ri n z v o n H o mb ur g", dem einzigen Preußenschauspiel, dieses Geheimnisvolle und doch so Klare der preußischen Haltung geformt: Die Weisheit, daß die Einheit von Schicksal und Freiheit, von Mensch und Welt nur da ist, wo das Unentrinnbare freiwillig bejaht wird. — Dieser Satz und seine Fruchtbarkeit sind innig verwandt mit dem Denken und Empfinden der neuen deutschen Jugend. Preußengeist — das hat nichts mit Geburt, Vichts mit Konfession, nichts mit dem preußischen Lande an sich zu tun, sondern ist heute in überragender Bedeu tung Merk- und Kennwort einer bewährten Einstellung, eines bewährten Standpunktes: So wie Friedrich des Einzigen beispielhafte Kunst der Meisterung des Lebens — so ist Preußengeist die Pflege dieses Gedankens, die bewußte Züchtung dieses Wollens. Fast alle die Großen, der Freiherr von Stein, der Philosoph Hegel, der Stratege Gneisenau, der Dichter Hein- richrich von Kleist und die anderen waren ja Wahl- Preußen. Und das bestimmt letztlich ihre Größe: daß sie nach einem S t i l e lebten, der alles Geschehen von der Warte des Ernstes und der heiligen Pflichterfüllung schaute, der immer aktiv und niemals passiv gewesen ist, der alles durchdachte, alles erwog und alles in Ver antwortung begann. Der niemals plätscherte, der niemals spielte, der stets in die Tiefe ging, der immer dichtete und niemals Worte machte. Einer der wenigen Erwecker neuen Preußentums, der Künder einer neuen Staatsgestaltung, des Dritten Reiches, Moeller van den Bruck, lebt bereits seit längerer Zeit in der gedanklichen Sphäre der Hitler jugend. Seine Worte, diese schön gemeißelten Gedanken, werden da und dort zitiert — zur Erbauung, zu wachsen dem Glauben, zum Ausharren und znm Kämpfen. Er sah richtig, wenn er stets eine enthusiastische Jugend statt der skeptischen forderte. Denn darin liegt die Über windung des Liberalismus, der auch in manchen jugendlichen Kreisen schon gewuchert hat. „Durch Sozialismus zur Nation" — diese Anschauung wußte Moeller van den Bruck mit der aristo kratischen zu verquicken: und so bewahrheitet sich sein Wunsch und Verdienst zugleich: der revolutionäre Kon servatismus. Durch ihn wurde der erneuerte Preußengeist der kämpfenden deutschen Jugend mftgcteilt. Und sie wird ihn wahren, diesen Geist, der zutiefst die Regungen des jungen Menschen in eine Norm preßt, die Norm eines hohen Ethos und einer Verinnerlichung des Soldatentums. Noch ein zweiter ist es, dessen Werk mit Blut ge schrieben und gleichfalls von heiligem Preußengeist er füllt: der Herausgeber der Schriften Moeller van den Brucks, der Erwecker Kleists und Hölderlins, Hans Schwarz. Beherzte Worte jenseits vom Alltagsgeschrei und den Forderungen des Heute hat er in einer Sprache, die an Stefan George anklingt, der Jugend ge widmet. Die Fahne hattet rein! Der Fetzen Tuch Zerfällt wie ihr, unsterblich aber lebt, Was sie in eure Hände gab! Verhört Den Hellen Ruf nicht, denn die Fahne rauscht, Die Treue will, um die noch viel Gericht Im Volke fein wird! So man euch erkennt An eurer Fahne, haltet stand! Sie ist Noch splitternd heilig, und lein Schmutz entstell! Sie so wie Feigheit! Eure Fahne wird Wie eure Seele sein! Ler nordische Mensch ist es, dem die Hitler- Mgend heute seine Größe ablauscht. Das Preußentum m feinem Gipfel besitzt ein Großteil dieses rassischen Adels in der Gestaltung des eigenen Lebens. Wenn die deutsche Jugend nach dem Vorbilde feiner großen Künder den Preußengeist zum Heil der gesamten Nation erwecken will, so ist sie keineswegs gewillt, Siel überspitzte Äußer lichkeiten als Preußengeist heraufzubeschwören, nein, sie will und wird den Born dieser Haltung erschließen — und sich zu eigen machen. Die Übergangszeit, die wir erleben, soll- den geistigen Typ des deutschen Jungen heran bilden, dessen Deutschtum in den höchsten Anforderungen seinen schönsten Sinn erhält. Und der nicht stets nach dem „Warum" fragt, sondern der weiß: Deutsch sein heißt eine Sache um ihrer selb st willen tun. Bei den Harzer Rollern. St. Andreasberg, die Stadt der gelben Sänger. Von Karl Lütge. Harzer Roller — da denkt der Kundige sogleich an St. Andreasberg. Die kleine Bergstadt im Oberharz ist in der Kanarienvogelzucht, und zwar der Zucht hervorragender Sänger, bis zum Krieg in der ganzen Welt berühmt gewesen. "Die verlorene Weitgeltung hofft man jetzt in St. Andreas berg zurückzugewinnen. Hier und da hört man aus den Häu sern wieder schmetternden, unbekümmert fröhlichen Gesang der gefiederten Lehrlinge. Vielleicht künden sie einen neuen Aufstieg des Kanarienvogelortes im Harz. Das Höhenklima ist ohne merklichen Einfluß auf die Zucht. Es kommt nur auf die Methoden an. Die Zucht ergebnisse in den Großstädten sind nicht ungünstiger, als sie vor vier bis fünf Jahrzehnten in St. Andreasberg, dem ein stigen Weltplatz für Kanarienvogelzucht, gewesen sind. „Nur eben die gesanglichen Qualitäten — ja, ja", sagt der zwei undsiebzigjährige Züchter Volkmann. Das Abflauen der Zucht der St. Andreasberger gelben Sänger hat der Weltkrieg bewirkt. Es gab damals"weder die zur Jucht unentbehrlichen Eidotter und Rübsamen in dieser Höhenferne, noch ausreichende Vorsänger — denn die standen fast ausnahmslos im Schützengraben. Nach dem Einaehen des vier Jahrhunderte lang blühenden, ausgedehnten Silber bergbaues trauerte bis vor kurzem das Städtchen auch den kleinen gelben Sänaern nach. mach einem alten Jahrbuch von 1886 standen damals im Geaensatz zu den bedeutenden Leistunsen der Holländer Nsturkcbutx una lein Schatten. Von Wilhelm Völsche, Naturschutz ist eine so junge Sache, daß ich, der ich früh und begeistert dafür eingetreten bin, die einzelnen Stufen der öffentlichen Wertschätzung noch deutlich vor Augen sehe. Er entstand aus einer Art Ulk-Stimmung an unserer höheren Schule, wo man den Naturgeschichtslehrer mit seinen Kräu tern und Käfern (ähnlich wie den Zeichen- und Turnlehrer) nicht recht für voll nahm. Verrücktheit, einen Baum schützen zu wollen, der im Wege stand — bei dieser Ueppigkeit der Natur, die doch alles wieder beibringt! Es ist einer der schön sten deutschen Volksfortschritte, wie sich in noch nicht fünfzig Jahren der Naturschutz als eine nationale Kultur- aufgabe gerade bei uns dnrchgesetzt hat. Heute kann von einem vollkommenen Siege mindestens in den maßgebenden Kreisen gesprochen werden. Die ausgezeichneten süd- und Westdeutschen Bestimmungen sind bekannt. Aber auch im Nordostcn ist gerade in diesen Tagen die gesamte Pflanzenwelt des Riesen- und Jsergebirges generell für die Kämme und geschlossenen Waldgebiete „geschützt", d. h. jedes Straußpflücken, Ausreißen, Mitnehmen, Handels vertreiben, Botanisieren seitens des Publikums strafrechtlich verboten worden, ein besonderes Schutzwartsystem wird durch geführt. Sechs einzelne Bezirke (so die drei sogenannten Schneegrubcn, ehemalige Gletscherböden der Eiszeit mit einzig artiger Restflora) treten zugleich in engeren Schutz für aus nahmslos allen Naturinhalt bis zur geringsten Stein verrückung. In die Wege geleitet ist ein Gesetz, das den freien Singvogel-Fang verbietet — greulich zu erzählen, daß er auch bei uns nicht bloß für den Käfig, sondern auch die Küche geschah. Längst gibt es eine Prächtige Literatur, eigene Zeitschriften blühen (wie der treffliche Bcrmühlersche „Natur forscher" bereits im zehnten Jahrgang), die „Staatliche Stelle für Naturdenkmalpflege" in Berlin hat sich allgemein zu einem wissenschaftlichen Kulturinstitut ersten Ranges ent wickelt. Inzwischen macht sich aber im weiten Publikum selbst auch eine neue Gegen st immung geltend, der ich als alter Naturschützer einmal das Wort leihen möchte, wie man es von unbefangenen Naturgenießern alle Tage wieder hören kann. — Ihr habt uns, sagt man, mit Recht auch im breiten Volk zum Naturgenuß erzogen. Gewaltig hat der schöne freie „Natursport" zugenommen, namentlich m der engeren Heimat. Nun fangt Ihr aber an, mit Eurem reinen Wissenschafts- ,zweck uns diese deutsche Natur neu zu verekeln und abzu sperren. Wald, See, Gebirge überzieht Ihr mit tausend neuen Warntafeln. Wenn ich meinem kleinen Mädel einen Enzian kranz auf die blonden Germanenlocken drücken will, fällt die neue Bergpolizci über mich her. Ich soll mit meiner Liebsten nicht in das Schilf rudern, weil ich die Haubentaucher beim Eierlegen oder sonst was stören könnte. Es heißt, das sei nötig für Gelehrtenzwccke. Aber sind wir alle Gelehrte? Dem Himmel sei Dank — nein. Ist die freie Natur, wie sie Gott geschaffen, nur ein Jnstitutswinkel, oder gehört sie auch uns? Wir müßten der künftigen Generationen wegen verzichten? Aber sind wir nicht auch eine „Generation", die ihre Natur genießen möchte? Ein einzelner Knieholzbusch am Hut und eine Priemel werden sie noch nicht umbringen. Es fehlte noch, daß Ihr die hübschen Mädchen unter Naturschutz stelltet, die keiner nach Eurem Paragraphen mehr „anrühren" und nn denen „keiner etwas verändern" dürfte. So geht's über uns „Wegelagerer" her, und ich kann nicht verkennen, daß auch diese Stimme eine gewisse Berechtigung hat. Mit dem Knieholz und der Primel — das stimmt ja nicht. Wenn Millionen sie brechen, ist' s ein Schaden. Aber jede gute Sache hat auch ihren Kobold, der übertreibt, und ein bißchen Uebertreiber sind wir Deutschen schon leicht, wo wir professoral werden. Ich warne also (ich hin kein Pro fessor, wenn hoffentlich auch guter Deutscher) selbst alle Tage vor Ueberspannen. Ein von mir sehr geschätzter schlesischer Geologe wollte alle Touristsnpfade verbarrikadieren, um die nackte Naturwildnis wieder herzustellen. Ein höchstverdienter Botaniker alle Naturschutzgebiete auf hundert Jahre mit Ztacheldraht absperren, den zu durchdringen cs Eingaben in Dinformat bis zum Minister bedürfte und des Nachweises unumgänglicher fachwissenschaftlicher Lokalstudien; so auch in jenen „Schneegruben", die rein malerisch zu den schönsten und erhabensten Stellen ganz Deutschlands gehören, die jeder Deutsche einmal besucht haben sollte. Mein alter unvergeß licher Berliner Zoologie-Freund am Museum hätte am liebsten die freie Tierwelt überhaupt kassiert für motten sichere Kisten dieses Museums als unbedingt sicheren Er haltungsschutz. Hier lache ich auch mit und sorge, daß solche Pflänzchen'nicht vom Schutzgedanken begossen'in^ und vor den Himmel wachsen. Aber dem betreffenden Scheltwanderer (wir schelten ja alle gern zu Verdauungszwecken) ist doch auch Ernstes entgegen zu halten. Zunächst ist der Naturschutz keineswegs bloß eine Sache des Naturforschers selbst. Wohl hat er zuerst be merkt, was da bereits alles zerstört worden war. Wie ganze Tier- und Pflanzenarten unter unsern Augen eingingen. Un ersetzliche Naturdenkmäler rohestem Einzelinterefse zum Opfer fielen. Wüst darauf los zerstört wurde ohne jede Kenntnis des Werts. Dagegen mußte sofort einmal gebremst wer den, wenn die Weiterforschung noch einen Sinn behielt. Und schon hier handelte es sich nicht bloß um Einzelheiten, denn der moderne Forscher braucht vor allem auch das lebendige Bild des Gesamt-Naturhaushalts, muß also generell zu schützen suchen. Im übrigen gebe ich aber zu, daß er nur ein^Zweig unseres Volkes ist. Und es ließe sich fragen, ob es Interessen dieses Volkes gibt, die wieder gegen ihn zu schützen'wären. Hier muß nun unbedingt betont werden, daß Naturschutz, und zwar im weitesten Maße, eine V o lk s n o twewd-rgkeit wäre, auch wenn es gar keine Wissenschaft gäbe. Ich denke hier gern, wie ein gewisser Naturschutz gelegentlich schon in ganz alten Zeiten aufgetaucht ist, wo wirklich von Forschern noch nicht viel die Rede war. Man schützte z. B. Me Bäume oder einen lauschigen Grottenquell als eine Art religiösen Heiligtums. Im Gezweig rauschte Götterstimme, Dryaden und Nymphen wohnten in Baum und Quell. Unsere materia listische Zeit sagt ja, es gibt doch nichts derart. Ich will hier» auf nicht eingehen, obwohl dazu auch manches zu sagen wäre. „Det ist allens chemisch-physikalisch", Pflegte ein bekannter Berliner Fachbotaniker zu sagen. Ich weiß doch nicht, ob das für immer der Weisheit letzter Schluß bleiben wird. Wer das weiß ich und wissen wir alle, daß es auch im Volk (und ganz besonders in dem deutschen) noch eine tiefe und heilige Sache gibt: nämlich andächtiges Naturgesühl überhaupt. Das auch uns in den Wald oder auf eine Berg höhe treten läßt wie in eine Art allen Bekenntnissen gemein samer Kirche. Mag man nun sagen, das Göttliche wirkt hier unmittelbar aus der Natur selbst auf uns. Oder unser Ge müt trägt's hinein. Wahrscheinlich ist beides genau das Gleiche, indem das Gemüt einen intuitiven Empfindungsweg erfaßt, den der Forscher nie so gehen könnte. Jedenfalls aber ist dieses Naturgefühl ein solcher QuellvonErhaben- heit, Glück und idealer Hingabe, daß es in der Bolksseele den weitestgehenden Schutz verdient. Dieser Schutz wieder verlangt aber, auf's innigste und innerlichste jetzt ge stellt, den Naturschutz. Den Schutz der Andachtsstelle, wo uns diese Seelenfeier zu teil wird. Die Kirche verschandelt, ver stümmelt und verunreinigt man doch nicht. Vom Altar reißt man nicht die geweihten Blumen herunter, um sie gleich darauf wieder achtlos fortzuwerfen. Auch an ein Kunstwerk mag man denken. Von der sirtinischen Madonna schneidet man sich nicht Stücke zum Andenken ab. Wenn jeder Wanderer das ein wenig durchdächte, selber dächte, warum er eigentlich in die Natur geht und sie bewundert und auf sich wirken läßt, so bedürfte es gar keiner Schutzpolizei. Wieder zu diesem reli giösen Naturgefühl bedarf es aber, wie zu jenem biologischen Naturforscherbilde, der ganzen Natur, Kein Zug darf in ihrem Kunstwerk verwischt werden, alle reden und taten mit, auch der bestimmte Kmeholzbusch und die nur an diesem Flen erblühte einzelne rote Habmichliebprimei — wenn's auch das Bewußtsein des Genießenden nicht immer so erfassen mag. In einer völlig verwüsteten Natur würde er's auch erfassen. Und wo Roheit es gar nicht merkt, da müsien wir sie eben mit Naturschutz zügeln — sür die Tieferen schon unter uns und die Geläuterten einer Zukunft, die vielleicht weniger „materialistisch" wandert. Wir reden heute gern und mit Recht von der wieder zu erzielenden u-oßeren Bodenständig keit, gleichsam edelkräftiger Wiederverbauerung unseres deut schen "Volkes. Zu diesem Boden gehört aber auch diese Natur freude, diese religiöse Versenkung m das ewig' göttliche Wun der der Heimaterde und Heimatnatur — und der Naturschutz ist es, der sie für diese Wiedergeburt unserer echtesten Volks- kraft erhalten soll, auf die wir alle hoffen. Ob wir also nicht doch lieber das Enziankränzchen, das auch das liebe Kind bald wieder fortwirft, eine Weile einschränken, um dieses blauen Wunderblumenkranzes in der Zukunft unserer Volksseele willen? So etwa würde ich dem Unmut entgegenhalten, wenn er einmal wirklich aus einer Uebertreibung erwächst... und der Engländer (die auf rein züchterischem Gebiet ton angebend waren) die Sangcsletstungen des Weltplatzes St. Andreasberg. Durch die stille, ausdauernde Tätigkeit ein facher Bergleute wurden in dem kargen, windüberheulten Bergland des südwestlichen Oberharzes einzigartige Leistungen in der Sangeszucht der Tiere erzielt. Die Andreasberger haben es verstanden, rein auf Gesang zu züchten, „und schließlich Vögel mit solchen Leistungen erzogen, daß sie alles Frühere weit in den Schatten stellten und dadurch den Welt ruf Andreasbergs begründeten". Die züchterische Tätigkeit ist einfach und zugkeich mühsam. Sie setzt neben ausgezeichnetem Gehör die größte Hingebung und unausgesetzte Aufmerksam keit voraus. Biele Stunden des Tages müssen den Vögeln gewidmet werden. Im Februar wird die Hecke zusammen gesetzt, der Andreasberger sagt: „eingeworfen". Bis No vember und Dezember dauert dann die Ueberwachung der jungen Brut. Da soll es alte Züchter gegeben haben, die von September an überhaupt die Stube nicht mehr verließen, um die Schüler keine Stunde ohne Aufsicht zu lassen. „Denn trotz aller seiner Anlagen verlangt der gelbe Sänger, soll etwas Rechtes aus ihm werden, einen gesitteten Unterricht." Die Lehre vom Gesang der Harzer Roller hatte sich vor dem Weltkrieg zu einer förmlichen Wissenschaft entwickelt. Man unterschied acht Haupttouren oder Rollen: Koller, Hohl rolle, Klingelrolle, Baßrolle (Knarr-, Knorr- und Krachrolley Schwirr- oder Lispelrolle, Wasserrolle, Schnattcrrolle und Flöten. Die jungen „Harzer" mußten in besonderen Gesangs kasten durch die vorzüglichsten alten Roller als Borschläger ausgebildet werden und sangen miteinander um die Wette in den niedrigen, vielfach einstöckigen, kargen, holzverkleideten Häusern des Gcbirgsortes. In Amerika läßt sich der singende Stubenvogel nicht züchten, da er sich im Dollarlands bisher beharrlich sträubt, sich fortzupflanzen. Und der Amerikaner ist nach wie vor großer Abnehmer der gelben Singvögel. Trotz Rundfunk und Grammophon hängt der Farmer an diesem lebendigen, hei- ieren, geduldigen Geschöpfchen. Aber auch in einigen euro päischen Ländern und nicht zuletzt in Deutschland kann mar in den letzten Jahren wieder eine Zunahme der Kanarien- liebhaber feststellen. Und fo hat unter den breiten, tiell yangenoen Wachern der kargen harzischen Häuser von St. Aw dreasberg der Singvogelsang seit kurzem wieder den Klang von Hoffnung, wenn auch statt 250 Züchtern (um 1900) nn! 17 000 bis 20 000 hervorragend singenden Hähnen zunächst nur fünf Züchter mit einigen wenigen Hecken den Rus St. Andreasbergs zu erhalten suchen. Ersatz bot sich St. Andreasberg im beständig an wachsenden Fremdenverkehr. Dieser flutet im Sommer wie im Winter in den gepriesenen Höhenluftkurort. Die Stadt gilt mit Recht als die „Wiege des mitteldeutschen Wintersports". Im Jahre 1896 führten die Norweger auf den Hängen zum ersten Mal den sportgerechten Skilauf in Deutschland vor. An Sehenswürdigkeiten bietet das 4000 Einwohner zählende Bergstädtchen bei der Zureise (über Nordhausen oder Herzberg) an der vom Neichsbahnhof St. Andreasberg zur Stadt hinaufführenden steilsten normalspurigen Zahnradbahn Deutschlands hochgebirgsnahe Bilder. Das Bergstädtchen liegt 433 Meter (Reichsbahnhof) bis 627 Meter (Glockenberg) hoch und steigt mit breiten, ganz unwahrscheinlich steilen Straßen zu den oberen Stadtteilen an. Die Oberstadt streckt sich mit Billen und Pensionshäusern über aussichtsweite Höhen rücken. Ein Kurpark mit anschließendem Luft- und Sonnen bad und eine kleine idyllische Talsperre liegen nahe am Ort, und das Silberbergwerk Roter Bär ist jetzt zur Besichtigung freigegeben. Es liegt längst still, wie die übrigen 300 Zechen dieser ältesten oberharzischen Bergstadt. Die Andreasberger sind nicht sehr zugänglich. Wenn sie mitteilsam werden, dann muß man sie von ihren alten Bräuchen erzählen hören. Z. B. vom Peitschenknallen, das zu Silvester zur Erinnerung an die einstige Straßen-Vor- herrschaft der Harzer Fuhrleute geübt wird. Oder wenn sie vom „Hochzeitsholz" berichten, das junge, heiratslustige Berg leute erhielten. Der Vertreter einer mit der St. Andreas berger Kanarienvogelzucht eng verknüpften Industrie, ein „Vogelkäfigstäbchen- und Käsekistenbrettchen-Fabrikant, mit dem ich jüngst sprach, klagte zwar über schlechte Zeiten, über die wandelbare Normung bei seinen hunderttausendstückweise hergestellten Erzeugnissen; aber er zeigte sich stolz auf „dies längste Verufsbczeichmmg, die es gibt".