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1 WLEMer Tageblatt I 2. Blatt Nr. 195 — Dienstag, den 22. August 1933 I Tagesspruch. Was ist des Menichen Denken? Ein Labyrinth voll Nacht! Was ist des Menschen Können? Ach, eines Kindes Macht! Was ist des Menschen Misten? Von einem Meer ein Schaum! Was ist des Menschen Leben? Ein kurzer, bunter Traum! Ludwig Bechstein. „Leyer und Schwert. Vor 12V Jahren fiel Theodor Körner. Auch Theodor Körner, dem sich in Wien schon tm jugendlichen Alter von 22 Jahren die Pforten höchsten Dichterruhms erschlossen hatten, wollte nicht nur mit der Feder, sondern auch mit der Faust, mit Blut und Leben für die Freiheit kämpfen. Gerade hatte er sein bestes Werk, den „Zriny", im Wiener Hosburgtheater mit rauschendem Beifall aufgeführt gesehen, eben hatte man. ihn zum Hoftheaterdichter ernannt, hatte er in der schönen Schauspielerin Antonie Adamberger die heißgeliebt« Braut gefunden, da rief ihn das Vaterland. Er zögert« nicht: „Meine Kunst seufzt nach ihrem Vaterland — las mich ihr würdiger Jünger sein!" schreibt er an seinen treuen Vater, den sächsischen Appellationsgerichtsrw Doktor Christian Gottfried Körner in Dresden, und eil! zugleich nach Breslau, um sich dort in die Freiwilligen- listen desFreikorpsführersLützow einzutragen. Der Dichter wurde Soldat und damit ein ganzer deutscher Mann. Alle allzu weichliche Lyrik, die seinen früheren Werken zum Teil anhafteie, fällt von ihm ab. Männlich, groß, kühn und voll schlichter Sprachgewali formen sich in ihm die Worte zu Deutschlands schönsten Kampf- und Freiheitsliedern. Mit dem Schwert in der Faust, dem Lied auf den Lippen, zieht er mit „Lützows wild verwegener Jagd" dem Feind entgegen. Ein wilder, tapferer, unentwegter Draufgänger wurde aus dem wohlbestallten Wiener Hoftheaterdichter, ein Held, der seine Masse wohl zu führen wußte. Viel gab es zu tun, denn der kurzentschlossene Freikorpsführer vertrug das Säumen und Abwarten nicht. Wie eine Gottesgeißel jagten die finsteren schwarzen Ge sellen durchs Land, den Feind schlagend, wo man ihn traf. Doch wenn die Wachtfeuer brannten, wenn die Lagerposten ihre Runden machten, dann lag Theodor Körner mit seinen Kameraden vor der knisternden Glul der Holzstöße und sang ihnen seine neuesten Lieder vor. Er ritz sie in seine Begeisterung hinein und munterte sic auf, wenn düstere Tage der Verluste kamen. Während des feigen französischen Überfalls bei Kitzen, bereits nach Beginn des Waffenstillstandes, hob das Schicksal zum erstenmal seine Hand. Körner wurde schwer verwundet und nur unter Mühen gerettet. Unter heftigsten Schmerzen schrieb er auf dem Krankenlager das ergreifende Gedicht: „Die Wunde brennt, die bleichen Lippen Veden." Doch als der Waffenstillstand vorüber, als der Ent scheid n n g s k a in p f begann, da stand auch er wieder in den Reihen seiner Kameraden. Kreuz und quer zogen sie durch die norddeutschen Lande und wenn die Lützower auch zu keiner entscheidenden großen Schlacht kamen, s- wurden sie doch der Schrecken der Franzosen, eine Schar von Todesverächtern, auf die das Volk mit Stolz und Verehrung sah. In Kirch-Isar dichtete er am 24. August sein wunderbares Schwertlied und am 26., zwei Tage später, erreichte ihn bei Gadebusch das töd liche Eisen. Kaum hatte man Zeit, den Helden zu bestatten, da erklangen die Hörner aufs neue. Der Kampf ging weiter. Unvergänglich aber lebten des Dichters Lieder fort, und wo ein deutsches Herz noch blüht, da singen und klingen auch Körners Lieder, die Ge sänge aus „Leyerund Schwert." Nur große Zeiten schaffen große Menschen. Nur iri der heißen Luft des Kampfes atmet und entwickelt sich ein Er sah ihr mit unverschämtem Lächeln ins Gesicht, und als Sylvia in stummen Unwillen an ihm vorüber wollte, suchte er ihre Hand zu fassen. „Aeh — so stolz, holde Vlumenfee? Bedenken Sie, daß Ihr Glück von mir abhängt! Die gegenwärtige Herrin wird nicht ewig leben, und nach ihrem Tod werde ich hier natürlich sofort neuen Boden legen!" Zornbebend entriß ihm Sylvia ihre Hand, die er er hascht hatte und festzuhalten bestrebt war. Sie konnte nicht mehr daran zweifeln, wen sie vor sich hatte: Nur Bela Laßwitz konnte sich mit solcher Sicherheit als den künftigen Herrn vom Lindenhof be zeichnen. Dieser angeheiratete Neffe Frau Helleports, der ihr Vermögen verwaltete und ihr Erbe war, wäh rend der andere nicht einmal Zutritt finden konnte im Hause! Und gerade um dieses Andern willen erfüllte Sylvia die unverschämte Dreistigkeit dieses Bela Laßwitz mit doppelter Empörung. — Stolz wie eine kleine Königin richtete sie sich auf und sagte in gebieterischem, verächtlichem Ton: „Ich bitte zur Kenntnis zu nehmen, daß ich nicht gewohnt bin, daß in diesem Ton mit mir gesprochen wird! Noch sind Sie nicht Herr am Lindenhof, und wenn Sie es einmal wer den, können Sie sicher sein, daß ich nicht mehr Stütze sein werde!" Damit schritt sie an ihm vorüber ins Haus. Im Flur kam ihr Frau Gröger entgegen. Sie war ganz bleich und ihr gutes Gesicht trug einen bestürzten Ausdruck. Feuerkopf und ein Heldenberz. Eine'große Zeit erleben wir auch heute, und wieder ist es überragend« Größe, die die Welle der Erhebung emportreibt, damit das ganze Deutschland die Gipfel seiner Macht erklimmt. Und in diese leuchtenden Tage strahlt uns aus der Vergangenheit das Bild des heldischsten deutschen Dichters entgegen, des Sängers und Kämpfers zugleich, der das, was er besang, mit seinem Blut, mit seinem Tod besiegelte: Theodor Körner. Theodor Körner. Welch ein herrliches, welch ein verehrungswürdiges Bild eines deutschen Mannes. Ein überrragendes Bei spiel für uns Alte, besonders aber für die Jugend. Frischauf mein Volk, die Flammenzeichen rauchen, Hell aus dem Norden bricht der Freiheit Licht! So brauste Körners „Aufru f" durch alle deutschen Gaue und schürte mit Leidenschaft und lodernder Glut den Frei heitsdrang der großen Massen. Und zorniger erhob sich der Haß und die Empörung gegen den Erbfeind, gegen Napoleon, den furchtbaren Unterdrücker und Peiniger des geliebten Vaterlandes. Wie ein Jubelruf klangen die Lieder aus Körners „Leyer und Schwert" von Mund zu Mund und jedem brannte es sich tief in seine Seele: „Nichts ist zu kostbar für das Vaterland!" Nichts, selbst das eigene Leben nicht. Die Jugend gedenki Luthers Die Lutherfestwoche in Eisleben. In der Lutherstadt Eisleben, die das Gedächtnis ihres großen Sohnes durch die Lutherfe st Woche ehrt, hatte am Montag die Jugend das Wort. Um die Mittagsstunde sammelten sich die Kinderscharen auf dem Marktplatz, und es war ein schönes und ergreifendes Sinnbild, wie die deutsche Jugend aus dem Marisfelder Lande, Zehnlaufende von Kindern, sich um das Stand bild des großen Mannes ihrer Heimat scharte. Superintendent V a lentin - Eisleben sprach zu den Kindern von Luihcr, der dem deutschen Volk die Bibel geschenkt und das Volk zur Kirche gerufen habe, zu der auch die Jugend gehöre. Der Führer der national sozialistischen Bewegung im Marisfelder Lande, von Alvensleben, grüßte die Jugend als Wegbereiter des neuen Staates Adolf Hitlers. An den Reichskanzler wurde ein Grüßtet eg ramm ge richtet, in dem die Jugend des Mansfelder Industrie gebietes mit einem begeisterten Glückauf dem Volkskanzler das Versprechen gibt, im lutherischen Kämpfergeiste Bannerträger des Dritten Reiches zu sein. Es war ein feierlicher Augenblick, als zum Schluß aus tausend jungen Kehlen das Lutherlied „Ein' feste Burg istunfer Gott" zum Himmel emporstieg. Ausländische Freunde Deutschlands. In der „Neuen Londoner Zeitung" kommen einige Engländer zu Worte, die aus Grund eigener persönlicher Erlebnisse in Deutschland dem im Ausland verbreiteten Lügengewebe entgegentreten. So schreibt ein Mr. Coleen: „Welche angenehme Überraschung hatte ich, als ich nun tatsächlich in Deutschland ankam! Anstatt die furchtbaren, in der ganzen Welt verbreiteten Verhältnisse vorzufinden, war ich angenehm überrascht über das wirklich tadellose und zuvorkommende Verhalten der uniformierten Braunhemden mir gegenüber. Das Ausland bringt Deutschland viel zuwenig Verständnis entgegen. Man muß begreisen können, daß die Heranwachsende Jugend ihr Recht auf Leben haben will. Ich war überrascht über die schönen, braungebrannten und kräf- tigen jungen Leute der SA. Persönlich habe ich die Bekanntschaft von vielen Braunhemden gemacht und habe mich an ihrem tadellosen Benehmen gefreut. Nirgends in der Welt gibt es so viele be geisterte junge Menschen wie m Deutschland, und manchmal tat es mir leid, daß ich nicht auch ein Deutscher bin, wenn ich diese große Begeiste rung überall in den Straßen miterleben durfte. Wenn ich als Deutscher geboren wäre, so könnte ich mein Leben nicht anders denken, als ein Soldat Adolf Hitlers zu sein, seine Uniform zu tragen und mitzu helfen, fein großes Werk zu vollenden. Die ganze Welt mutz Adolf Hitler dankbar sein, datz er die kommunistische Gefahr gebannt hat. Zum Schluß möchte ich bemerken, daß ich selbst eine große Hochachtung vor Adolf Hitler und feinen Braun hemden habe. So rufe ich Herrn Hitler zu: „Gott segne ihn und sein großes Werk!" Der Bürgermeister von Bethnal Green, Charles Bennett, tritt in einem längeren Artikel den unsinnigen Behauptungen über die Verhältnisse in den Konzentrationslagern entgegen, und zwar auf Grund seines Besuches in Kißlau (Vaden). Er schildert den Lesern sehr eingehend das Leben und die Verhältnisse in dem Lager, lobt die vorzügliche Küche und das große Entgegenkommen, das er bei aller zuständigen Behörden und beim Lagerkommandanten ge funden habe. „Ich wünsche nur", so sagt Bennett, „das man unseren englischen, noch so hungernden Arbeitsloser einmal Gelegenheit geben könnte, zwei Wochen lang eir gesundes und frisches Leben zu führen, wie es sich die Gefangenen in der fogenannten „Hölle von Kitzlau" erfreuen. Ich kann in diesem Zusammenhang nur bezeu gen, datz Adolf Hitler in der Behandlung seiner politischen Gegner ein glänzendes BeispielvonHochherzig- keit und anständiger Behandlung gegeben hat." * Wie sie lügen und Hetzen! Die Wahrheit über das Konzentrationslager Oranienburg. Die englische Zeitung „Daily Herald" beschäftigte sich kürzlich mit dem Konzentrationslager Oranienburg. U. a. wurde behauptet, daß niemand lebend aus dem Konzentrationslager Oranienburg herauskäme. Hierzu wird von zuständiger Stelle erklärt, daß aus dem Konzeutrationslager Oranienburg, das 1000 Schutzhäftlinge aufzunehmen in der Lage sei, be reits 842 Schutzhaftgefangene Wohl behalten und in bestem Gesundheitszustände nach ihren Wohnsitzen <e n t l a s s e n worden sind. Allerdings sind auch Krankheitsfälle vorgekommen, die dazu ge führt haben, daß die Patienten dem Krankenhaus zu geführt werden mußten. Von diesen elf Fällen sind zwei, darunter z. B. einer mit eitriger Nierenbeckenentründung, tödlich verlaufen. Doch weist der amtliche Befund des Arztes, der den Totenschein ausgefüllt hat, deutlich aus, daß die Ursachen der Erkrankung nicht auf etwaige Mißhandlungen usw. iw Lager zurückgeführt wer den können. Arbeit ßr iM Mern - ist Vm siir ihn M dich! „Um Eotteswillen, Kind, was haben Sie getan!" stammelte sie. „Ich habe alles durch das Fenster mit angehört. Sie wissen ja gar nicht, mit wem Sie ge sprochen haben!" „Nun doch mit Herrn Bela Laßwitz vermutlich, und wenn Sie alles mit angesehen haben, werden Sie ja wohl auch begreifen, daß Lies die einzig richtige Ant wort war." „Gott ja, aber es wird Sie die Stelle kosten — er wird nicht ruhen —" „So werde ich eben gehen!" erwiderte Sylvia ge lassen, und da sie Laßwitz' Schritte sich dem Haustor nähern hörte, stieg sie eilends die Treppe hinauf, um nicht noch einmal mit ihm zusammenzutreffen. In ihrem Zimmer angelangt, warf sie sich in einen Stuhl und stützte den Kopf in die Hand. So gelassen, wie sie sich der Frau Gröger gegenüber gegeben, war ihr durchaus nicht zumute, wenn sie auch nichts bereute und keinen Augenblick im Zweifel ge wesen war, daß die wahrscheinliche Folge ihres Ver haltens ihre Entlassung sein würde. Der Gedanke daran war ihr viel schmerzlicher, als sie für möglich gehalten. Erst jetzt fühlte sie so ganz, wie glücklich und zufrieden sie sich am Lindenhof gefühlt hatte vom ersten Tag an. Als wäre er schon immer ihre Heimat gewesen. Und wohin nun? Abermals unter fremde Leute —? Unter Leute, die ganz gewiß nicht so freundlich und gütig sein würden zu ihr, wie diese alten redlichen Men schen hier, die aus lauter Freude an ihrem bißchen Ju gend mit ihr umgingen, als wäre sie etwas Besonderes. Und ihr Plätzchen oben unter dem Pfirsichbaum, noch viel reizvoller geworden, seit man ihn „Baum der Beratung" nannte und soviel wichtige Dinge unter ihm besprach — mit einem, der oft kam! Denn unter ihm entwarf doch Robert Trojan nun gemeinsam mit Sylvia seine SHlachtevMne. um eine Verbindung mit Frau Hellsport anzubahnen. Ach, was würde Herr Trojan nun sagen, wenn sie so plötzlich fort mußte! Sie begriff es ja selber nicht. Es war so seltsam: denn eigentlich hatte Trojan sich bei der ersten Begeg nung mit ihr doch nicht um ein Haar besser als Bela Laßwitz benommen — nämlich beleidigend dreist. Und doch fand Sylvias Herz, als sie jetzt daran dachte, tausend Entschuldigungen für ihn, aber keine für den andern. Er hatte sich sofort entschuldigt. Und wie treuherzig hatte er ihr nachher in bezug auf seine Mutter und Frau Helleport sein Herz ausgeschüttet! Eigentlich beschäftigte sie sich immer damit. Sie wünschte so sehr, daß es ihm gelingen möchte, persönlich mit Frau Helleport in Verbindung zu treten, und ent warf immer neue Pläne dazu. Freilich hatte sich leider bisher noch keiner als durch führbar erwiesen, aber man mußte eben weiter suchen und weiter beraten. — Und nun sollte sie plötzlich fort und würde dann wohl nie erfahren, ob er sein Ziel erreicht hatte oder nicht! 12. Sylvias Grübeln wurde unterbrochen durch Frau Gröger, die ein paar Stunden später zu ihr kam. „Lange habe ich ja nicht Zeit," sagte sie, „aber cs drängte mich doch zu Ihnen, denn gewiß sind Sie in Unruhe. Ach, Kind, das ist eine schlimms Geschichte, und ich wollte, sie wäre nicht passiert! Wenn ich denke, daß Sie nun am Ende fort müssen wegen des ekligen Men schen — wo wir Sie alle so lieb haben und uns so au Sie gewöhnten —" „Das täte auch mir furchtbar leid, Frau Gröger, aber ich konnte nicht anders handeln und würde im gleichen Falle genau wieder dasselbe tun!" (Forts, folgt.)