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Jeder Aabatianspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden mutz oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meisten, des Amts gerichts und des Stadlrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nosfen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. M3 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr.: .Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Dienstag, den 22. November 1932 Postlcheäi Dresden Astist NM keine Kliirnng derRegiernWfW Sie Voraussetzungen des Reichspräsidenten. Im wesentlichen besteht die innenpolitische Lage darin, überraschend schnell ein anderes Gesicht zu erhalten, und man kann nicht sagen, welches nun das letzte und endgültige sein wird! Und des weiteren darf man hinzu fügen, daß in diesen verschiedenen Gesichtern eines überein stimmend ist: die Unbestimmtheit der Züge. Daß alles beides den günstigsten Nährboden für die Ge rüchtemacherei abgibt, macht es erklärlich, daß in der Wilhelmstraße und im Reichswehrministerium Dementis so zahlreich werden mußten wie selten zuvor. Jedem Gerücht setzt man daher möglichst sofort die Pilatusfrage entgegen: Was ist Wahrheit? Dann wird die Antwort meist sehr schwer, da während dieser Krise im allgemeinen die Türen den unbefugten Ohren fest verschlossen blieben. Hitler hat — nach außen hin — am Sonntag irgend welche Verhandlungen mit den anderen Parteiführern der Rechten und der Mitte nicht ausgenommen, sondern überließ dies seinem Parteifreund, dem Reichstagsprä sidenten Göring. Aber dieser konferierte nur mit den Führern des Zentrums und der Bayerischen Volkspartei, da Dr. Hugenberg, der deutschnationale Parteiführer, sich weigerte, mit einem anderen als mit Hitler zu verhandeln. Dies war Wohl — man muß, wie gesagt, immer nach Äußerlichem und nach Vermutungen gehen — die Ver anlassung für den Staatssekretär Hindenburgs, Dr. Meißner, noch am Sonntagabend den Führer der Natio nalsozialisten für Montagvormittag zum Besuch beim Reichspräsidenten aufzufordern. Ursprünglich war beab sichtigt, daß Hitler für seine „Fühlungnahme" mit den anderen Parteien noch bis Dienstag oder Mittwoch Zeit haben sollte. In der Unterredung mit Hindenburg hat nun Hitler den Anspruch auf Betreuung mit der Kanzleramt als Ver treter der stärksten Partei bestanden und der Reichspräsi dent diesem Anspruch jetzt nachgeben zu sollen geglaubt. Aber er will das nicht sofort insofern verwirklichen, als er etwa den nationalsozialistischen Führer mit der Kabinetts bildung beauftragt hat, sondern er richtete an Hitler nur die Frage, ob er einen solchen Auftrag annehmen würde. Um auf diese Frage zu antworten, erbat sich Hitler einige Stunden Bedenkzeit; aber bereits für den Montagnach mittag ersuchte ihn Hindenburg um eine grundsätzliche Stellungnahme dazu, „festzustellen, ob und unter welchen Bedingungen eine von ihm geführte Regierung eine sichere arbeitsfähige Mehrheit mit einheitlichem Arbeitsprogramm im Reichstag finden würde". Hitler war also damit noch nicht etwa „mit der Kabinettsbildung betraut", sondern hatte lediglich fest zustellen, ob und wie er für. eine solche Beauftragung die Parlamentarische Mehrheitsmöglichkeit zusammenbringen könnte. Bei dem Ersuchen um Antwort aus diesen Auftrag handelte es sich sür den Reichspräsidenten keineswegs ausschließlich darum, ob ein Kabinett Hitler mit Unter stützung der Mitte — Zentrum und Bayerische Volks partei — und anderer Teile des Reichstages doch irgend eine tatsächliche oder durch „Tolerierung" herbeigeführte Mehrheit erhalten würde, sondern es kam dem Reichs präsidenten jedenfalls viel mehr auf etwas anderes, Wichtigeres an: Ein Arbeitsprogramm des neuen Kabinetts. Mehr noch: Ein einheitliches Arbeits programm. Und noch mehr: Hinter der von Hitler ge führten Negierung müßte eine „sichere, arbeits fähige Mehrheit" des Reichstages stehen. Das sind drei ganz außerordentlich schwere Bedingungen! Und wenn Hitler etwa glaubte, wenigstens auf die beiden ersten Fragen dem Reichspräsidenten eine genügende Antwort geben zu können, so waren im Augenblick der Fragestellung naturgemäß die Verhandlungen mit den anderen in Betracht kommenden Parteien längst noch nicht so weit geführt, um auch die dritte Frage beantworten zu können. Und diese wiederum lautete, ob „und unter welchen Be dingungen" Hitler jene Mehrheit im Reichstag finden würde. Diese „Bedingungen" hatten nun wieder ein doppeltes Gesicht: Bedingungen des Reichspräsidenten für das Arbeitsprogramm eines Kabinetts Hitler, Bedingun gen andererseits, die die von Hitler „heranzuzichenden" Par teien stellen könnten. Daß Hindenburg eine Wetterführung des schon weit verwirklichten „Ankurbelungsprogramms" der Papen-Regierung verlangt hat, darf als unzweifel haft betrachtet werden. Denn der Reichspräsident hat bereits in seiner früheren Beauftragung Papens zur Ver handlung mit den Parteiführern ausdrücklich darauf hin gewiesen, daß er an dem Grundsatz der „festen Staats- führung", also der Präsidial-Regierung, nichts ändern lassen will. Auch andere Vorbedingungen Hindenburgs werden die Linie angedeutet haben, in der ein künftiges Kabinett zn arbeiten hätte. In Ergänzung der amtlichen Mitteilung über den Empfang Hitlers durch Hindenburg am Montagvormittag wurde von der Reichspressestelle der Nationalsozialisten noch folgende Meldung herausgegeben: Der Führer wurde Montag um 10.30 Uhr zum Reichspräsidenten gebeten. Der Reichspräsident richtete an diesen das Ersuchen, bis Donnerstagabend zu er klären, ob ein von ihm gebildetes und unter seiner Führung stehendes Kabinett eine parlamentarische Mehrheit besitze. Diesem Auftrag wurden eine Anzahl präsidialer Vorbehalte als Voraussetzung beigefügt. Auftrag und Vorbehalte sind schriftlich niedergelcgt. Der Führer erklärte, erst nach eingehender Prüfung dieser Bedingungen mitteilen zu können, ob sich damit eine Aussicht ergebe, die gewünschten Verhandlungen zu führen. Das Ergebnis dieser Prüfung soll noch im Laufe des Montags dem Reichspräsidenten zugclcitet werden. Hitler hat nach seinem Empfang durch den Reichspräsi denten sofort die Besprechungen mit seinen Beratern dar über ausgenommen, ob er in der Lage ist, den vom Reichs präsidenten gestellten Auftrag auszuführen. U. a. wurde auch der ehemalige Reichsbankpräsident Dr. Schacht zu diesen Besprechungen hinzugezogen. In politischen Kreisen wird darauf hingewiesen, daß, falls Hitler entweder den Auftrag des Reichspräsidenten ablehnen oder in den weiteren Verhandlungen eine parla mentarische Mehrheit nicht zustande bringen sollte, Hinden burg wahrscheinlich nochmals einen Auftrag zu einer parlamentarischen Mehrheitsbildung erteilen würde. Hierfür käme entweder der Führer der Zentrumspartei, Kaas, oder der Nationalsozialist Strasser in Fage. Papen bei Hindenburg. Wie bekannt wird, hat am Sonntag zwischen dem Reichspräsidenten von Hindenburg und dem Reichs kanzler von Papen eine längere Unterredung statt gefunden. Geforderte Garantien. Zu den Verhandlungen mit Hitler schreibt der Regensburger Anzeiger, der gute Beziehungen zur Mün chener Regierung unterhält: Von feiten des Zentrums und der Bayerischen Volkspartei aus müssen selbstverständlich in diesen Verhandlungen mit Hitler bzw. den National sozialisten verfassungsmäßige Garantien verlangt und vom Verhandlungspartner auch feste Zusagen gegeben werden zu dem Problem der Reichsreform, Garantien und Zusagen, die dem bisher eingenommenen Standpunkt der Bayerischen Volkspartei und bayerischen Staatsregierung, wie er von den Debatten und Kämpfen vor der letzten Reichstagswahl hinreichend und allenthalben bekannt ist, voll gerecht werden. * Noch kejne Klärung -erAeglerungsstage. Der Inhalt des Hitler-Briefes. — Aus sprache Dr. Schachts mit dem Führer der NSDAP. Der Brief Adolf Hitlers an den Staatssekretär Meißner wird, wie aus gutunterrichtetcr Berliner Quelle verlautet, voraussichtlich nicht veröffentlicht werden. Der Brief wurde am Montagabend um 20 Uhr durch den Reichstagspräsidenten Göring übergeben. Uber den In halt der vorläufigen Antwort Hitlers, die die Form einer Reihe von Rück- und Vorfragen enthält, verlautet jedoch. daß Hitler den Auftrag des Reichspräsidenten in der g e - wünschten Form nicht angenommen hat, wo gegen die Tür zu weiteren Verhandlungen offen bleibt. Unter den Persönlichkeiten, mit denen im Laufe des Montagnachmittag im Kaiserhof eingehende Aussprachen gepflogen worden sind, befand sich auch der Reichsbank- präsident a. D. Dr. Schacht. Mit Persönlichkeiten anderer Parteien, die für eine etwaige Kabinetts-/ bildung in Frage kämen, ist jedoch von nationalsozialisti scher Seite nichtverhandelt und bisher auchnicht Fühlung genommen worden. Die Meldung, daß am Sonntag Reichstagspräsident Göring mit Steger wald verhandelt habe, bestätigt sich nicht, vielmehr hat es sich um eine andere führende Persönlichkeit des Zen trums gehandelt, wogegen sich der Parteiführer Prälat Kaas durchaus zurückgehalten hat. Am die Klärung der Vorfragen. Die Rückfragen, die Adolf Hitler in seinem Brief an den Staatssekretär Meißner gestellt hat, dürften sich u. a. auf die Bedingungen beziehen, von denen in der nationalsozialistischen Mitteilung über den Auftrag an Adolf Hitler die Rede gewesen ist. Diese „präsidialen Vorbehalte" beziehen sich vor allem daraus, daß in der Führung der Außenpolitik so wie in der Führung der Reichswehr die bisherige Linie weiterversolgt wird und daß beide Ministerien in sachlicher wie personeller Hinsicht unter allen Umständen der parteipolitischen Einflußnahme entzogen bleiben. Weitere Vorbehalte beziehen sich auf die bisher er lassenen Notverordnungen zur Belebung der Wirtschaft, wobei die Arbeitsbeschaffung in dem bisherigen Sinne fortgesührt werden soll. Auch sollen Sicherungen gegen gemeinsame radikale Streikaktionen gegeben werden. Endlich soll in der bisherigen Entwicklung des Verhält nisses zwischen Reich und Preußen keine rückläufige Be wegung eintreten. Reichs- und Verfassungsreform sollen in der angebahnten Weise vorwärtsgetrieben werden. Schwere Bedenken der Bayerischen Vslkspariei. Die Ba yerischeNolkspartei-Korres Pon tz enz schreibt u. a.: Es frage sich, ob sich unter der Füh rung eines Adolf Hitler der Gedanke der nationalen Kon zentration verwirklichen lasse und ob sür die Bayerische Volkspartei eine direkte oder indirekte Unterstützung eines Hitlerschen Regierungsexperimentes in Frage kommen könne. Es liege auf der Hand, daß es sich hierbei um das gewagteste und gefährlichste Experiment der deutschen Politik handele. Darum bedürfe es reiflicher Überlegung, ob es die Bayerische Volkspartei auf sich nehmen könne, allerdings unter ganz-bestimmten Vorbedingungen, der Bestellung einer Regierung Hitler nicht zu wider sprechen. Diese Bedingungen könnten dahin gehen, daß ein verfassungsmäßiges Weiterregieren im Reich garan tiert und die Aufrichtung einer Parteidiktatur unter allen Umständen unmöglich gemacht werde. Unmöglich könne die Bayerische Volkspartei ihre Zustimmung dazu geben, daß nicht nur die Führung der Reichsgeschäfte, sondern gleichzeitig auch die F üh r un g P r e u ß en s in die Hände der Nationalsozialistischen Partei gelegt werde. Der Landesvorsitzende der Bayerischen Volkspartei, Staatsrat Schäffer, der nach dem Empfang bei Hin denburg nach München zurückgekehrt war, ist Montag nacht wieder nach Berlin abgereist. Beaniworiung der Kragen Hitlers. Amtlich wird mitgeteilt: Der Führer der National sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, Adolf Hitler, hat an den Staatssekretär Dr. Meißner ein Schreiben gerichtet, in welchem einige Rückfragen gestellt werden, derenÄe- antwortung im Lause des Dienstags er folgen wird. ver getährckete völkerbunck. M dm Mrttitt Japans? Die außerordentliche Tagung des Völkerbund rates in Genf, die zur Regelung des Mandschurei- streits auf der Grundlage des Lytton-Berichts ein berufen worden ist, wurde eröffnet. Die Eröffnungsfeier trug den Charakter einer großen historischen Tagung. Der Saal und die Diplomaten- und Pressetribünen sind überfüllt. In einer eineinhalbstündigen Rede entwickelte zuerst Mat suoka- Japan die bekannten Gedankengänge der japani schen Denkschrift zum Lytton-Bericht. In dieser Erklärung sieht man in Genf eine unein geschränkte Absage Japans an den Völker bund, und die Betonung gleich zu Beginn der Verhand lungen, daß die japanische Regierung die Oberhoheit und Zuständigkeit des Völkerbundes für die Regelung der mandschurischen Frage nicht anerkennt. Die Verhandlungen sind von der allgemeinen Auf fassung beherrscht, daß das Schicksal des japcknisch-chinesi- schen Streites von entscheidender Bedeutung für die Weiterverhandlung in der Abrüstungsfrage ist. Man weiß, daß die japanische Regierung ohne eine ihren Wünschen entsprechende Regelung der mandschuri schen Frage jede Beteiligung an einem Abrüstungs abkommen ablehnen wird, und daß damit die Lösung der Flotte ns rage im Rahmen der Abrüstungskonferenz für die Vereinigten Staaten und die englische Regierung unmöglich gemacht wird. Darüber hinaus hängt auch das Schicksal der Welt - wirtfchastskonferenz, das eng mit der Lösung der Abrüstungsfrage verbunden ist, letzten Endes von einer sofortigen befriedigenden Lösung der mandschurischen Frage ab. Außerdem würde ein Austritt Japans, mit dem im Falle erfolgloser Verhandlungen des Nates all gemein gerechnet wird, den Völkerbund tödlich treffen.