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Ottendsrfer Zeitung. Vie „Vtten-oifer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme v»n Inseraten bi» »»»mittag Uhr. Inserate werden mit m Pf 'für di« Lpaltzeile berechn» Tabellarischer; Satz nach besanderem Tarts Druck und Verlag von Hermann Rühl« in Groß-Gkrilla. Mr die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla Vr. 121. Sonntag, den 7. Oktober 1906. 5. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. ONendorf-Dkrilla, den 6. Oktober >90«. -n In dem an der Straße und der Möbel- fabrik von Werthschütz in Cunnersdorf ge- legenen schmalen Streifen Land wurden dieser Tage beim Graben nach Sand mehrere noch gut erhaltene menschliche Skeletts zu Tage gefördert. Von wann und von wem dieselbrn stammen läßt sich kaum noch feststellen, da sich die ältesten Einwohner nicht erinnern können, daß dort Personen begraben worden sind und ist es daher nicht ausgeschlossen, daß die betreffenden Personen einem Verbrechen zum Opfer gefallen sind — Neue Vorschriften über die Telegramm- Verbindung. Ucber die Bestellung von Tele grammen sind verschiedene neue Bestimmungen getroffen worden, die zum Teil auch für weitere Kreise von Interesse sind. Die an eine einzelne, eine Behörde vertretende Person oder an eine Privatperson gerichteten Staats- tclegramme sind bei der Aushändigung wie Privaltclegramme mit bezahlter Empfangs anzeige zu behandeln. Nur dann, wenn eine besondere schriftliche Vereinbarung mit dem Empfänger darüber getroffen ist, dürfen diese Telegramme an andere Personen bestellt werden- Ebenso dürfen dienstliche Telegramme, daß sind Eisenbahndiensttelegramme und Tclegrahendienst- telegramme, die an eine Behörde oder deren Vorstand gerichtet sind, nur an den Vorstand der Behörde oder in dessen Abwesenheit an einen Stellvertreter abgegeben werden, wenn nicht eine besondere schriftliche Vereinbarung hierüber getroffen ist. An einzelne Personen, die eine Behörde vertreten, gerichtete Dienst telegramme sind bei der Bestellung wie Privat telegramme zu behandeln. Müssen telegraphische Postanweisungen unbestellbar gemeldet werden, weil abgekürzte Telegrammadressen zur Be zeichnung der Geldempfänger angewandt worden sind, so find die Empfänger hiervon und von dem Inhalte der Postanweisungen unter Be nutzung eine« entsprechend geänderten Formulare« in Kenntnis zu setzen. — Bezüglich der Erleichterung des Wechsel protests beschloß die Chemnitzer Handelskammer in ihrer letzten Sitzung folgende Resolution: Die Handelskammer ist der Ansicht, daß der im Reichsjustizamt auSgearbeitete vorläufige Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Er leichterung des Wechselprotestes, da» Protest- verfahren in sachgemäßer Weis« ousgestaltet, es insbesondere vereinfacht und verbilligt, sie empfiehlt daher die Annahme der Regierungs vorlage. Zugleich spricht sie sich dafür au», daß eine Herabsetzung der für di« Protestaus- nahmen festgesetzten Gebühren und sonstigen Kosten der GerichtSbeamtkN und Notare statt finden möge, sowie daß die Postanstalten Auf trag erhalten, nicht vor dem zweiten Tage Protest zu erheben, wenn nicht anders lautende Vorschriften von dem Auftraggeber vorliegen. Dresden. Eine reiche Erbschaft ist der Stadt wieder zugesallen. Es handelt sich um die ansehnliche Summe von »Sv 000 Mark, welche der Privatmann Ernst Wilhelm Holberx der Stadt hinterlassen hat. Aus dem Ver mächtnis soll eine Holberg-Stiftung errichtet werden. — Das königliche Schwurgericht verhandelte am Donnerstag Vormittag bis in die vierte Stunde in geheimer Sitzung gegen den Bau arbeiter Anton Rudolf Ramisch aus Aussig wegen versuchten Mordes.. ' Der Angeklagte wohnte bei der Witwe Lehmann .in Gommern bei Mügeln und unterhielt mit ihr ein Verhältnis. Am Nachmittage des 5. Jul dieses Jahres war der Fabrikarbeiter Bauer aus Mügeln bei der Lehmann in deren Wohnung zum Besuch. Als Ramisch nach Hause kam und den Zeugen bei der Lehmann bemerkte, packte ihn die Eifersucht und er feuerte aus einem Revolver drei Schüsse au seinen vermeintlichen Nebenbuhler. Diese rasen Bauer in den Unterleib, in die Brust und in die Stirn. Auch auf die Witwe richtete der Eifersüchtige die Waffe und sschoß zweimal, ohne zu treffen. Die Lehmann hatte ich jedoch auf den Boden geworfen, so daß der Angreifer glauben mochte, sie sei tot. Ramisch ging dann in seine Kammer, wo er von der Lehmann eingescklossen wurde. Der Angeklagte choß sich daselbst in den Unterleib. Da der Schuß nicht tödlich war, nahm Ramisch sein Rasiermesser, sprang aus dem Fenster zwei Stock hoch herab und lief nach dem am Lug- >erge gelegenen Gehölz, wo er sich die Puls ader de« linken Arme» durchschnitt Noch ebend wurde Ramisch aufgefunden und dem Johanniter-Krankenhause in Heidenau zugefühct wohin man auch den lebensgefährlich ver- etzten Bauer gebracht hatte. Dem Wahr- pruche der Geschworenen gemäß wurde Ramisch wegen versuchten Mordes in zwei Fällen zu IS Jahren Zuchthaus und zehn- ährigem EhrenrechtSverlust verurteilt, auch Polizeiaufsicht für zulässig erklärt. Moritzburg- Beim Teichfischen am Donnerstag wurden gute Resultate, aber auch ziemlich« Preise erzielt. Am Freitag wurde das Fischen fortgesetzt. Weinböhla. Vor einigen Tagen hat hier die Weinlese begonnen, deren Ertrag leider ein nur wenig befriedigender genannt werden kann. Eine unausbleibliche Folge dieser aber maligen schlechten Weinernte wird sein, daß man sich hier und in der Umgegend noch mehr vom Weinbau abwendet, als es so wie so chon der Fall ist- Der Weinbau hat hier einst in großer Blüte gestanden und für die Bewohner nicht nur die fast ausschließliche, sondern auch eine sehr ertragsreiche Erwerbs quelle bildet. Heute ist es kaum noch ein Zehntel, da« von dem gesamten einstigen Weinbau existiert Noch vor 40 bi« 50 Jahren gab «S hier und in der Umgegend, so in Niederau, Oberau usw-, kein auch noch so kleine« Wirtschaftsanwesen, zu dessen Grund und Boden nicht ein Stück Weinberg gehört hätte. Der Nutzen, der den Wirtschaften aus dem Weinberg erwuchs, muß ein ziemlich großer gewesen sein, denn nicht ohne Grund wird man damals den Weinbau den „Reich- macher" genannt haben. Tatsächlich sind auch diejenigen Wirtschaften, die sich im Laufe der Zeit vom Weinbau abgewendet haben, dadurch nicht gewinnbringender geworden, .sondern im Gegenteil, sie find, wie die Beobachtung lehrt, immer m«hr und mehr der Verarmung an- heimgesallen. Rapidere Fortschritte hat hier der Niedergang de« Weinbaues gemacht, seit di« Bewohner anfingen, sich neben dem Wein bau in immer größerem Umsange auch dem Feldbau zuzuwenden. Dadurch wurden die Weinberg« in ihrer Pflege vernachlässigt, und die Folge davon war, daß sich bald weniger ergiebige Ernten einstrllten. Natürlich haben auch die Feindt des Weines, vor allem die Reblaus, sowie das wiederholte Auftreten von Weinkrankheilen ihr gut Teil mit dazu belgeiragen, den Weinbau hier dem Ruin ent- gegenzuführen. Eine Hauptursache der wenigeren Ergiebigkeit der Weinberge und somit indirck des Niederganges des Weinbaues ist nach Urteilen von Fachleuten auch das Anlegen von Zwischcnkulturcn, z. B. Erdbeeren, Kürbissen Pfirsichen, Pflaumen u. s. w. in den Wein anlagen. Königstein. Eine nach Aken bestimmte größere Prahme stieß auf hiesiger Elbstrecke mit einem Kettendampfer zusammen. Die Prahme wurde stark beschädigt, doch konnten die abgehenden Klötzer uud Tafeln noch recht zeitig aufgefangen werden, sodaß die Prahme, nachdem sie wieder hergestellt war, anderen Tage« ihre Fahrt fortsetzen konnte. Zittau. Ein Pretiosendiebstahl ist in einer Villa in der Bahnhofstraße entdeckt morden Ein bisher nicht ermittelter Dieb hat dort einen Ring mit einem Brillanten und einen vier ¬ eckigen Smaragd im Werte von 600—700 M. gestohlen. — Die Zittauer Handels- und Gewerbe« ammer beschloß, bei der Staatsbahnverwaltung wegen Mehreinstellung von Wagen 4. Klaffe vorstellig zu werden. Die Antragstellerin hatte rarauf verwiesen, daß die erhebliche Steigerung de« Verkehrs zu SO Prozent auf die 4. Klasse entfällt. Die Einführung der Fahrkartensteuer habe jedenfalls einen großen Teil der Reisenden aus der 3. in die 4. Klaffe getrieben. Diese — so führte ein anderer Redner au« — sei ost überfüllt; 60 Personen gelte al« normal. Er habe einmal sogar 78 Personen in einem Wagen 4. Klaffe gezählt und das am l. Juti rei kolossaler Hitze. Die Leute seien zum Teil rank in Dresden angekommen. Die Eingabe soll der Staatsbahnverwaltung sofort und als dringlich bezeichnet zugestellt werden. Mühlberg. Der Elbwasserstand ist auch n den letzten Tagen andauernd zurückgegangen, der hiesige Strompegel zeigte am Donnerstag mittag einen Stand von 2.62 Meter über Normal-Null an, so daß seit dem jüngsten Hochwafferstande ein Rückgang des Wassers um 2,13 Meter zu verzeichnen ist- — Infolge der schnellen Ueberflutung der hiesigen Hafcn- plätze bei eintretenden Hochwasser ist eine entsprechende Erhöhung vorläufig der am nördlichen Hafenuser (Stadtseite) gelegenen Hafenladeplätze in Erwägung gezogen worden. Mit dem Bau des großen Paralleldamm am nördlichen Hafenufer, dessen Errichtung zur größeren Sicherheit der im Winterhafen liegenden Schiffahrt bei Hochwasser und starken Eisgang schon feit langem von der Königlichen Elbstrombauverwaltung geplant ist, wird in diesem Herbste noch nicht begonnen werden, da der Damm gleichzeitig zur Einführung der projektierten Hafenbahn nach dem Hafen- umschlagöplätzen dienen soll und die Linien führung der letzteren noch nicht feststeht. — Aufsehen erregt hier der Selbstmord des auch in weiteren Kreisen bekannten Baumeisters und Stadtverordneten Fritz Goldschmidt. Derselbe wurde am Donnerstag nachmittag in der Nähe der Elbhafen-Einfahrt mit einer Schußwunde an der linken Brustseite am Elb- ufer im Wasser liegend tot aufgefunden. Noch am selben Tage hatte der Verstorben« als Leutnant der Schützengilde an einem Diner de» Offizierskorps in scheinbar heiterster Stimmung bis in die frühen Morgenstunden teilgenommen und wenige Stunden darauf seinem Leben ein gewaltsame» Ende bereitet. Nossen. In der Nähe de« Milttär-Schieß« stande« im Zellarr Walde wird jetzt mit dem Bau von Baracken begonnen, welche die Militärverwaltung zur zeitweiligen Unter bringung der dort Schießübungen abhaltenden Garnisonen von Freiberg. Döbeln und Leisnig errichten läßt. Bia jetzt mußten die zum Scharfschießen eintreffenden militärischen Ab teilungen während der Dauer des Schießen» stets im Freien lagern bezw. jeden Tag wieder nach ihren Garnisonorten zurückbefördert werden, welchem Uebelstande durch den Baracken bau abgeholfen werden soll. Unter der Be völkerung der umliegenden Ortschaften — Großvoigtsberg, Reichenbach usw. —, die in ihrer Gegend schon ein zweites Zeithain er stehen sehen, herrscht über den Entschluß der Militärverwaltung große Freude. Freiberg. Anscheinend dieselben Einbrecher, die in den letzten Tagen Freiberg und die nähere Umgebung unsicher machten, haben in Brand in einer einzigen Nacht drei Einbrüche verübt. Jedoch nur bei dem Fahrradhändler Oswald Rauh ist es ihnen gelungen Beute im Werte von etwa 300 Mark zu machen. Im Gasthof „Stadt Freiberg" und in der Milch handlung von Brachholz wurden sie noch recht zeitig vertrieben. — Als bei dem Abschieben der hiesigen Schützengilde von allen Ständen geschossen wurde, tauchte plötzlich ein kleine» Kind in der Schußlinie auf, daß von einem Kartoffelfeld« aus durch den Drahtzaun hindurchgekrochen war. Ein Schütze bemerkte glücklicherweise noch das in höchster Gefahr schwebende Kind und bewirkte durch den sofortigen Ruf „Halt", daß sämtliche Gewehre abgesetzt wurden. Die hinzueilenden Herren ernteten von der un achtsamen Mutter ganz gehörige Grobheiten. Wurzen. Herr Bürgerschullehrerund Organist Graes« hier, wohl d«r beste Pilzkenner der hiesigen Gegend, veranstaltet am 6. und 7. d. M. im Hotel „Stadt Berlin" «im Pilz« auSsteüung, LichtensteiN'C- Unsere Nachbarstadt Calln« berg hat sich infolge der anhaltenden Fleisch teuerung veranlaßt gesehen, einen städtischen Fischmarkt zu errichten. Mitte lsai da. Ueber dm tödlichen Unfall, der sich, wie schon kurz berichtet, am vorigen Sonntag hier ereignete, wird noch folgendes Nähere gemeldet: Einige Mitglieder der Schützen« gcsellschaft hielten nachmittag» eine Schieß übung auf dem Schießstande ab und der zehn jährige Sohn des Restaurateurs Pohler wurde dabei als Zieler verwendet. Der Bäckermeister Haupold lag im Anschläge und gab einen Schuß nach der Scheibe ab. In demselben Moment lief der Knabe aus der Zielerdeckung hervor und vor die Scheibe. Er wurde von sinten durch die Brust geschossen und war nach einigen Minuten eine Leiche. Der chwerbetroffene Vater befand sich mit unter ren Schützen. Hohenstein-Ernstthal. Der am Donners« tag ausgebrochene Streik der Hartnadelrichter >ei der Nadelfabri! von Anton Haase ist schon durch Vergleich beendet. Herr Haase sagte die erbetene Lohnerhöhung von pro Hundert Nadeln um 1 resp. 2 Pfg. nachträglich zu. Darauf traten die Streikenden sofort wieder n Arbeit. Wie Herr Haase durch Anschlag bekannt gab, sollten, falls die Streikenden bis Montag, den 8. Oktober, nicht die Arbeit auf nehmen, alle Arbeiter, (zirka 250) ausgesperrt werden. Lunzenau. Der Fuhrwerksbesitzer Oswald Zschille von hier fuhr mit seinem Geschirr von Cossen nach Hohenkirchen Briketts. In der Nähe des Gäritzhainer Waldes stürzte der Wagen um und Zschille kam so unglücklich unter diesen zu liegen, daß er sehr schwere Verletzungen erlitt, die seinen sofortigen Tod herbeiführten. Netzschkau. Der hiesige Gemeinderat be schloß, die beiden untersten Steuerklassen auf zuheben. Demnach ist ein Einkommen bi» zu 400 Mark nicht mehr steuerpflichtig. Dagegen beschloß man den Wegfall de» Fünftelabzug«, welche bisher den Festbesoldeten gewährt wurde. Zwickau. Die starken Niederschläge im ganzen Muldentale haben Hochwasser der Mulde im ganzen Muldengebiet bi« Schwarzen berg und weiter hinauf, sowie unterhalb Zwickaus herbeigeführt. Hier ist die Mulde innerhalb 24 Stunden fast 1*/, Meter ge stiegen und vielfach übergeufert. Plauen i. V. Der Sandgrubenpächter Heinrich Preß im Stadtteile Grieschwitz wurde durch hereinbrechende Sandmassen tn einer 5 Meter tiefen Grube verschüttet und ist unter den Erbmassen erstickt. Erst nach etwa zwei stündigem Schaufeln konnte die Leiche geborgen werden. Der Unglückliche stand im 70. Lebens jahre. Aus dem oberen Erzgebirge. Die an dauernde nasse Witterung hat nicht nur im oberen Erzgebirge die Getreideernte verdorben, sondern auch im mittleren Erzgebirge stehen auf der Nordseite stark geneigte Abhänge mit Hafer und Weizenpuppen auf dem Felde. Man hat das Getreide in Puppen aufgestellt, um es besser vor Nässe zu schützen. Am Sontag regte es sich überall auf den Feldern, weil man endlich mit der Kartoffelernte be- ginuen konnte.