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Ottendorfer Zeitung : 07.10.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-10-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190610074
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19061007
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19061007
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-10
- Tag 1906-10-07
-
Monat
1906-10
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 07.10.1906
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politische Kunälckau. Deutschland. *Der Kaiser wird sich von Cadinen aus nach Hubertusstock begeben, wo er in der Schorf heide der Jagd obliegen wird. *Kaiser Wilhelm wird im Laufe des Monats dem Reichskanzler, der in Hom burg weilt, einen Besuch abstatten. * Der neue Leiter des Kolonialamts, Dernburg, wird keine Reise in die Kolonien unternehmen, da die Neuordnung der Dinge seine Anwesenheit erforderlich macht. Außer dem aber möchte auch der neue Kolonialdirektor im Reichstag den Kolonialetat selbst vertreten. Ob und wann die besprochene Reise stattfindet, ist noch unbestimmt. < . *Die Jahreskonferenz der deutschen mili tärischen Eisenbahn-Kommission und Bahnbevollmächtigten für Militärangelegen heiten ist in Danzig zusammengetreten. *Wie der Gouverneur von Deutsch- Ostafrika meldet, ist der Kri e g s zu st and und die vorläufige Sperrung der Bezirke Kilwa, Lindi, Songea, Langenburg, Jringa, Wahenge, Muanza bis auf zwei kleine Gebiete im Westen und Norden von Songea aufgehoben worden. Danach darf die aufständische Bewegung in diesem Schutzgebiete wohl im wesentlichen als beendet angesehen werden. Weniger günstig stehen die Dinge immer noch im Süden von Sü d w est afrik a, wo unsre Schutztruppe fortgesetzt in kleinen Patrouillengefechten schmerz liche Verluste erleidet. Osterreich-Ungarn. *Kaiser Franz Joseph hat sich von seinem mehrwöchigen Unwohlsein vollständig erholt. *Jm österreichischen Abgeord netenhause erklärte der Landesverteidigungs minister Schönaich, daß Osterreich-Ungarn nicht an eine Verminderung seiner Wehrmacht denken könne. 184 Millionen sei das mindeste, was das Reich zur Neubewassnung der Artillerie ge brauche. *Der handelspolitische Streit zwischen Osterreich-Ungarn und Serbien ist seiner Lösung um keinen Schritt näher gerückt. Serbien beharrt darauf, daß in einem neuen Handelsabkommen die früheren Vorzugsrechte des Nachbarreiches bei der Begebung serbischer Staatslieferungen wegfallen, während man in Wien und Budapest ohne diese Vorrechte keinen Vertrag abschließen will. In der neuen Ant wortnote Osterreich-Ungarns wird hervorgehoben, daß in der Frage der Lieferungen die serbische Negierung solcher Ausdrücke sich bedient habe, die nicht einmal eine Halbwegs befriedigende Bürgschaft bieten. Zum Schluß wird in der Antwortnote das Bedauern ausgesprochen, daß es unmöglich sei, die serbischen Anträge an zunehmen. Serbien soll sich verpflichten, seinen Bedarf an Kriegsmaterial bei gleichen Be dingungen unter den Konkurrenzmächten bei österreichischen Firmen zu decken. England. * Mit Eifer betreibt derKriegsminister Haldaue die Werbearbeit für den Gedanken, daß die ganze Nation zur Mitwir kung an der Verteidigung des Vaterlandes im Kriegsfälle er zogen werden müsse. Haldane erklärte bei Ge legenheit der Verteilung der Schießpreise an die Freiwilligen, die Marine genüge nicht für Eng lands Verteidigung, da sie einen Schlag nicht zurückzugeben vermöge. Die nötige Ausdehnungs kraft für die Armee könne auf der Grundlage des bezahlten Dienstes nicht gewonnen werden, ohne das Volk zugrunde zu richten, deswegen blicke die Regierung auf die Freiwilligen. Er empfehle das Studium des amerikanischen Bürgerkrieges denjenigen, die an dem Wert der Freiwilligen zur Unterstützung und Erweiterung der Armee zweifelten. *Die Regierung wies ihren Vertreter beim Zaren an, den Wortlaut des englisch russischen Abkommens, Tibet und Persien betreffend, dem Zaren zur Unterschrift vorzulegen. König Eduard hat das Abkommen bereits unterzeichnet. Dänemark. *Jm Reichstage legte der Finanz minister einen Gesetzentwurf vor, der eine durch greifende Reform des Zolltarifs betrifft; außerdem wurde ein Gesetzentwurf, die Erb schaftssteuer betreffend, eingebracht. Norwegen. * Me verlautet, wird dem Storthing ein Gesetzentwurf vorgelegt werden, in dem 40 Millionen für die Neubewaffnung der Infanterie und 200 Millionen für den Bau von Befestigungen und Kriegsschiffen gefordert werden. Rustland. * Den überall drohenden Bauernauf ständen sucht jetzt die Regierung statt mit tatkräftiger Hilfe, durch reichliche Ver sprechungen zu begegnen. Unmittelbar nach der Rückkehr des Zaren aus den finnischen Schären soll ein kaiserlicher Ukas veröffentlicht werden bezüglich der Gleichstellung des Bauernstand es mit den übrigen Ständen des Reiches, also Aufhebung aller Beschrän kungen. Die Bauern sollen fortan beispiels weise in den Staatsdienst treten können, sobald sie den erforderlichen Bildungsgrad erworben haben. Bisher war ihnen der Staatsdienst nicht zugänglich. Die Regierung gibt sich der Hoffnung hin, dieser Ukas, dessen Inkrafttreten noch vor Zusammentritt der neuen Duma er folgen soll, werde große Genugtuung und Be ruhigung unter der bäuerlichen Bevölkerung Hervorrufen. *Der von der Regierung für Petersburg verbotene Kongreß der Kadettenpartei wird am 7. und 8. d. in Helsingfors statt finden. * In einer Sitzung des Militärgerichts zu Aschabad (russ. Mittelasien) tötete ein Unbe kannter den Staatsanwalt durch Revolver schüsse. Einer der Offiziere gab auf den Täter Feuer und verwundete ihn tödlich. * Auf den Verwalter der Batumer Nieder lage der Nobelwerke, Hager, der zugleich schwedischer Vizekonsul ist, wurde ein Anschlag ausgeführt. Hager wurde tödlich verletzt und verstarb im Hospital. Die Mörder entkamen. Balkanstaaten. *Wie aus Konstantinopel gemeldet wird, lehnte der Sultan jedwede Auskunft über seine Weigerung, den neuernannten amerika nischen Botschafter zu empfangen, ab. Der Bot schafter, der sein Beglaubigungsschreiben nicht überreichen und daher auch keinerlei Amts handlungen vornehmen kann, ist von seiner Regierung angewiesen worden, nach Ablauf einer noch festzusetzenden Frist in die Heimat zurückzukehren. Ob nun der eigensinnige Sultan nachgeben wird? Ägypten. *Aus Kairo wird gemeldet, der höchst kommandierende General der englischen Besatzungstruppen in Ägypten habe Befehl erteilt, daß drei Kompanien Infanterie und eine Schwadron Kavallerie sich ununter brochen dienstbereit halten sollen. Soldaten schlafen in Uniformen, mit den Gewehren an ihrer Seite, und erhielten je 250 Patronen. Man glaubt, die Behörden hätten Meldungen erhalten, die auf einen Ausbruch der mohamme danischen Bewegung deuten. Amerika. * Zur Lage auf Kuba wird aus Havanna gemeldet, daß sich -dort die diesjährige Eröffnung der Universität zu einer Kundgebung des Ver trauens für die provisorische Regierung und der Wertschätzung sür Taft gestattete, der in einer längeren Ansprache erklärte, daß das Eingreifen nur um Kuba zu helfen, unternommen worden sei, und daß er in Roosevelts Namen den Kubanern die Versicherung geben könne, daß seine Anwesenheit auf Kuba lediglich den Zweck habe, sie wieder auf den Weg des Fortschritts zu bringen. Mit Stolz würden sie dann auf die Ver. Staaten Hinweisen können, nicht als ein Volk von Ausbeutern, sondern als ein Volk, das bereit sei, Gut und Blut zu opfern, um der! Herrschaft des Fortschritts in der ganzen Welt die Wege zu ebnen. Afrika. *Die marokkanischen Wirren dauem trotz aller Protestnoten der amerikanischen und französischen Regierung an. Die ita lienische Regierung hat angeblich einen Notenaustausch zwischen den an der Konferenz von Algeciras beteiligten Mächten angeregt, um über Mittel zu beraten, die Konferenzbeschlüsse baldmöglichst zur Ausführung zu bringen. Asien. * Der Vertreter des japanischen Han delsmini st eriums in Wladiwostok meldete nach Tokio, daß die russische Regierung die Genehmigung für die Errichtung eines japa nischen Konsulates in Wladiwostok ehestens er teilen werde. (Es wäre das der erste Fall, daß Rußland in einem Kriegshafen ein ständiges Konsulat gestattete.) * Eine Abordnung von Moham medanern als Vertreter von 62 Millionen der Bevölkerung hat dem Vizekönig von Indien eine Adresse überreicht, in der die Mohammedaner gerechten Anteil an jeder etwa geplanten Änderung in der Teilnahme des Volkes an der Regierung des Landes verlangen und sich darüber beklagen, daß sie in Fragen der Landesregiemng ganz außer acht gelassen würden. Der Vizekönig hat sich seine Ent scheidung Vorbehalten. „Menn Kaiser MWelm nack Amerika kommt..." Die Nachricht, daß Kaiser Wilhelm den Wunsch ausgesprochen habe, Amerika zu be suchen, hat die Amerikaner förmlich in Aufregung versetzt. Überall und besonders in den Blättern wird die Möglichkeit lebhaft erörtert. Eine be sonders interessante Äußerung mit geschichtlichen Rückblicken liegt in einem Leitartikel einer füh renden Zeitung New Jorks vor, den ein als „Ex-Attachö" zeichnender Mitarbeiter unter dem Titel „Wenn der Kaiser kommt" veröffentlicht. Während königliche Prinzen und Prinzessinnen, so führt der Verfasser aus, Amerika im Laufe des letzten Jahrhunderts in großer Zahl besucht haben, sind die Ver. Staaten bisher nur zwei mal in die Lage gekommen, regierende Herrscher als Gäste zu empfangen. Der eine war der joviale König der Sandwich-Jnseln, Kalakaua. Der andre königliche Gast der Amerikaner war der verstorbene Dom Pedro, der Kaiser von Brasilien. Von Kaiser Wilhelm als Gast weiß der Verfasser nach einer persönlichen Erfahrung zu erzählen, und hierbei erwähnt er, worüber bei uns öfter diskutiert wurde, als ganz selbst verständliche Tatsache: daß der Kaiser als Prinz Wilhelm in Paris gewesen ist. „Kaiser Wil helm," schreibt er, „ist ein Monarch, der leicht zu unterhalten ist. Ich kann hier aus Er fahrung sprechen, denn während des einzigen Besuches, den der Kaiser Paris abgestattet hat, war ich während der ganzen Zeit in seiner Nähe. Es war im Jahre 1878. Er kam nach Pans mit seinem Haushofmeister Oberst von Liebenau und seinem Adjutanten Leutnant (jetzt General) v. Jacobi. Prinz Wilhelm besuchte die Invaliden und Versailles, stieg mit uns im Fesselballon von der Place du Caroussel auf, wohnte einer Vorstellung von Victor Hugos „Hernani" mit Sara Bernhardt bei und war bei einer entzückenden Festlichkeit zugegen, die von dem verstorbenen Sir Richard Wallace zu seinen Ehren und zu den Ehren seines Schwagers und seiner Schwester, des Erz herzogs und der Erzherzogin von Sachsen- Meiningen, die damals ihren Honigmond ver lebten, veranstaltet wurde. Der auffallendste Zug bei dem Kaiser während seines vierzehn tägigen Aufenthaltes war seine Beflissenheit, seiner Umgebung Zu gefallen und seine Erkennt lichkeit für jeden kleinen Dienst zu zeigen. Die Einfachheit seines Benehmens, sein aus gezeichneter Sinn für Humor und sein Wunsch, alle unnötigen Umstände zu vermeiden, würden bei jedem andern Gast sehr angenehm gewesen sein und waren es besonders bei einem Prinzen, der von Kindheit an Ehrungen gewöhnt ist. Gerade weil er einen ausgeprägten Sinn für seine eigene Würde hat, kann er auch äußerst demokratisch sein, und wenn er nach Amerika kommen sollte, würden die Behörden und das Volk in ihm den anziehendsten und bezauberndsten hochgestellten Fremden finden, den sie je zu empfangen hatten. Das Entzücken, das er dem Admiral Evane über die ihm von seinem Bruder Prinz Heinrich mitgeteilte Geschichte aussprach, wie dieser bei der Einfahrt in den Hafen von New Jork von dem Kapitän eines Schleppers durch einen Sprechapparat mit den Worten: „Hallo, Henry! Und wie geht's Bill?" begrüßt wurde, ist eine hübsche Illustration seines Charakters und der Art, wie er alles aufnehmen würde, wenn er nach Amerika käme." Zum Schluß wird die Frage erörtert: „Welches Ziel würde der Kaiser mit einem Besuche in Amerika ver folgen ? Die Antwort ist nicht schwer. Das per sönliche Element bedeutet viel in der amerika nischen Politik, und würde das Volk hier den Kaiser kennen lernen, so würde alles Vorurteil gegen ihn und das Mißtrauen des Volkes gegen die deutsche Politik in der westlichen Halbkugel ver schwinden. Hätte der Kaiser Gelegenheit, selbst auf amerikanischem Boden dem amerikanischen Volke seinen Wunsch zu verkünden, daß die jenigen seiner Untertanen, die aus dem Bater- lande ausgewandert sind, treue Bürger der Ver. Staaten werden und ihre Liebe zur alten Heimat nur in der Förderung der amerikanischen Freund schaft mit Deutschland betätigen sollten, so würden die politischen Interessen des deutschen Reiches einen großen Nutzen davon haben. Als amerikanische Bürger, die im höchsten Sinne loyale Bürger des neuen Staates sind, aber noch ihre Liebe zum Vaterland bewahrt haben und ängstlich bemüht sind, eine innige Ver einigung zwischen der neuen Heimat und dem Lande ihrer Geburt herbeizuführen, würden sie ein bedeutender Faktor in der Zukunft der beiden Stationen sein. Der Kaiser sandte Prinz Heinrich aus, um den hiesigen Deutschen diese Anschauungen zu übermitteln. Sie würden besser gehört werden, wenn er selbst kommen würde." 'Von und fern. Deutschlands Erfolg ans der Aus stellung in Mailand. Nach Beschlüssen des Preisgerichts in seinen drei Instanzen hat Deutschland auf der Ausstellung in Mailand einen glänzenden Erfolg erzielt. Auf 475 Aus steller errang es 485 Preise, wovon 171 große Preise, 08 Ehrendiplome, 95 goldene, 65 sil berne, 29 bronzene Medaillen, sowie 27 ehren volle Erwähnungen. Der Prozentsatz der er teilten großen Preise auf Ausstellerzahl beträgt für Deutschland 36, England 38,5, Österreich 29,9, Belgien 23,4, Frankreich 18,1, Schweiz 11,6, Italien 8,4. Deutschland hat allein in Marine und Wasserbau 28 Aussteller außer Wettbewerb. England nur 3, was den höheren Prozentsatz Englands an großen Preisen erklärt. Typhusepidemie in Rathmannsdorf. Im ganzen sind 70 Personen erkrankt gewesen, von denen fünf Erwachsene starben. Genesen sind bis jetzt 38 Personen, während 32 Patienten sich noch in ärztlicher Behandlung und Pflege befinden, aber auch bereits der Genesung ent gegengehen. Die Wasserproben aus den ver schiedensten Brunnen sind vom Hygienischen Institut in Halle a. S. untersucht, aber für keimfrei befunden worden. Zur größeren Sicher heit sollen in den nächsten Tagen weitere Wasser proben in Halle untersucht werden. Auch Hal der Medizinalrat Esleben aus Bernburg Ent leerungen von Kranken zwecks Untersuchung auf Bazillen entnommen. Ein neu entdeckter Heldentenor. Am Stadttheater in Erfurt betrat Herr Hans Ellen son als Eleazar in der Oper „Die Jüdin" zum ersten Male die Bühne. Vor vier Jahren war er noch Schornsteinfeger in Stuttgart. Dort wurde seine hervorragende Stimme entdeckt, und es fanden sich opferwillige Gönner, die dem jungen Mann Gelegenheit zum Studium boten. Der Erfolg seines ersten Auftretens war stürmisch. Der Künstler ist auf zwei Jahre für die Erfurter Bühne verpflichtet worden. K Auf schiefer 6akn. 27) Roman von Reinhold Ortmann. (Fonjetzung.) „Es ist leider ganz unmöglich, meine Gnä digste! Die einzelnen Steine müssen zur Be stimmung ihres Verkaufswertes sehr genau ge prüft werden, und das ist eine Arbeit, die mög licherweise mehrere Stunden in Anspruch nehmen kann. Selbst wenn ich mich unter Beiseite setzung aller andern Pflichten auch sofort daran machen wollte, kann ich Ihnen doch unmöglich zumuten, so lange zu warten. Ich hoffe, daß Sie nicht Bedenken tragen, mir die Kostbarkeiten bis morgen anzuvertrauen." „Nein, nein, ich sehe ja, daß es nicht anders geht. Bis morgen also! Und Sie werden mir eine beträchtliche Summe zahlen können — nicht wahr?" „Die Sachen haben zum Teil einen be deutenden Wert. Dieses Perlenkollier zum Bei spiel — wenn ich mir herausnehmen dürste, Ihnen einen Rat zu erteilen, gnädige Frau, so würde ich Ihnen dringend empfehlen, es nicht zu verkaufen." „Aber ich habe mich nun einmal dazu ent schlossen. Ich brauche das Geld für einen be stimmten Zweck, und es ist ganz unvermeidlich." Der Juwelier geleitete Herta bis an die Straßeniür und verabschiedete sich von ihr mit tiefer Verbeugung. Sie war stark enttäuscht, denn sie hatte sich die Erledigung ihrer pein lichen Aufgabe viel leichter und einfacher vor gestellt. Der Gedanke, daß sie den sauren Weg noch einmal antreten müsse, hatte etwas Nieder drückendes sür sie, und ihr armer Kopf war in dieser Nacht von so vielen trübseligen und reue vollen Gedanken erfüllt, daß sie bis in den Hellen Morgen hinein vergebens auf die Wohltat des erlösenden Schlummers wartete. Ms er dann endlich kam, war es ein schwerer, wenig erquickender Schlaf voll be ängstigender Träume und sie fühlte einen häß lichen, bohrenden Schmerz in den Schläfen, als sie erwachte. Das Bett ihres Gatten war wieder einmal unberührt geblieben. Ohne daß Herta eine Frage getan hätte, berichtete die Jungfer, die ihr beim Ankleiden behilflich war, der Herr sei erst lange nach Mitternacht nach oben ge kommen und habe den Rest der Nacht auf dem Sofa in seinem Zimmer zugebracht, um die gnädige Frau nicht zu stören. Ohne Zweifel fingen die Dienstboten schon an, zu bemerken, daß hier im Hause nicht alles m gehöriger Ordnung sei, und das Demütigende dieser Wahrnehmung wirkte so stark auf Herta ein, daß sie sich in der Stille ihres Herzens gelobte, dem unerträglichen Zustande so schnell wie irgend möglich ein Ende zu bereiten. Eben war sie im Begriff, den schweren Gang zu dem Juwelier anzuweten, als sie in dem Salon, den sie passieren mußte, den wohl bekannten Schutt ihres Mannes hörte. Sie wollte warten, bis er sich entfernt habe; aber nun näherte er sich der Tür ihres Zimmers, und nach einem kurzen Zaudern, währenddessen sie mit verhaltenem Atem gelauscht hatte, klopfte er an. Die junge Frau fühlte den stürmischen Schlag ihres Herzens bis in den Hals hinauf und sie brachte die Aufforderung zum Eintritt kaum über die Lippen. Daß ihr Richard nach den erschöpfenden Auseinandersetzungen vom gestrigen Tage noch einmal die Pein eines unter vier Augen geführten Gesprächs zumuten würde, hatte sie nicht erwartet. Und die Enthüllung ihres Vaters hatte sie all der Sicherheit beraubt, mit der sie vierundzwanzig Stunden früher ihrem Dianne gegenübergetreten war. Aber ihre Knie zitterten und vor ihren Augen flimmerte es, als sie sah, daß er die lederne Tasche in der Hand trug, die sie gestern mitsamt ihrem kostbaren Inhalt bei dem Juwelier zurückgelassen. Nun begriff sie mit einem Male, warum der höfliche Mann das Geschäft nicht sogleich hatte abschließen wollen, und heißer Unwillen über den hinterlistigen Verrat, dem sie zum Opfer gefallen war, stieg in ihrem Herzen auf. Aber kein unvorsichtiger Ausruf ließ ihren Gatten erkennen, was in ihr vorging. Bleich, mit fest zustmmengepreßten Lippen, erwartete sie seine Anrede. Und Richard Sieveking schien viel mehr be fangen als zornig. Er legte die Tasche auf den Tisch und sagte: „Der Hofgoldschmied Teichgräber hat mir dies vorhin überbracht, Herta! Du hast ihm die Sachen zum Kauf angeboten; er aber vermutete, daß ich mit der Veräußerung nicht einverstanden sein würde. Natürlich habe ich irgend ein Märchen ersinnen müssen, um ihm deine Hand lungsweise zu erklären. Ich hoffe, daß er mir geglaubt hat, und wir können jedenfalls auf seine Verschwiegenheit rechnen. Ich gebe dir also dein Eigentum zurück und bitte dich, mir die Summe zu nennen, die du dafür zu erlangen hofftest. Wenn es meine Kräfte nicht übersteigt, werde ich sie dir sehr gern zur Verfügung stellen." Das war zu viel! Lieber hätte er sie schlagen sollen, als daß er sich noch einmal nachsichtig und großmütig gegen sie zeigte. Ihre Lippen bebten und ihre Augen standen voll Tränen, als sie sich ihm hastig zukehrte. „Mein Gott, bin ich denn wirklich ein so verworfenes Geschöpf, daß du für mein Tun nur diese einzige Deutung findest? — Ich habe mir auf den überflüssigen Tand da Geld ver schaffen wollen — gewiß! Aber ich wollte es nicht für mich haben, und nach unsrer gestrigen Unterredung hättest du wohl ahnen können, für wen es bestimmt war." Er sah sie an, und dann fuhr er sich mit der flachen Hand über Augen und Stirn, als ob er da etwas wegwischen wollte. „Wenn ich dich recht verstehe, Herta, wenn du den Wunsch hattest, mich mit dem Erlös deiner Schmucksachen aus meinen Verlegenheiten zu befreien —" „Nein, nein, nicht so war es gemeint. Nur einen Teil meiner Schuld wollte ich damit be zahlen — dieser Schuld, die auf mir liegt, wie eine erstickende Last. Warum hast du mir denn gestern nicht gesagt, daß ich es Lin, die dich zu Grunde gerichtet hat? Warum hast du mir nicht ins Gesicht gelacht, als ich dir so freigebig meine Mitgift anbot — diese Mitgift, die nur in meiner Einbildung existierte?" „Ich habe keine Veranlassung, darüber zu lachen, denn ich sah ja, daß deine Absicht eine sehr freundliche war. Und was das andre be-
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