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Zeitung. Die „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Xnnahm, bi» »nmitta» i» IJnserate »«den «tt Pf ^Sr di« Spaltzeil« b««chn« Labellarischtr^Satz nach besonderem Tarif Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für dir Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla Nr. 104. Freitag, den 29. August 1906. 5. Jahrgang« Oertliches und Sächsisches. Vttendorf-DIrilla, den 28. August MS. . — Mittwoch. 29. August nachm. 5 Uhr hälHder Gustav-Adolf-Frauen- und Jung srauenverein für Radeberg und Umgegend im Bahnhofshotel zu Klotzsche eine öffentliche Versammlung ab, der alle, die der Gustav- Adolf-Sache geneigt sind, beiwohnen dürfen. Herr Pastor Köhler daselbst wird Bilder aus dem religiösen Leben Deutschtands vor dem Auftreten Luthers bringen und so manches Interessante aus der Gustav-Adolf-Vereins- arbeit geboten werden. Um des guten Zwecks- willen ist ein guter Besuch sehr erwünscht. — Vorzeichen des Herbstes. Trübes Wetter wechselt jetzt mit Sonnenschein ab. Zuweilen wütet der Wind und beugt die mächtigen Baumkronen, die noch das grüne Laub schmückt- Tr rüttelt und schüttelt alle Aeste und wirft voreilig das Obst zur Erde, das noch einige Wochen am Baume hängen soll, um auszureisen. Stürmische August- und Veptembertage sind die schlimmsten für den Gartenbesitzer. Seine Hoffnungen auf eine reiche Obsternte schwinden, wenn er die schönen Früchte verletzt und halbzerschmetteri M Baden liegen sieht. Fallobst hat nur geringen Wert und hält sich Nicht. Doch zum Abnehmen sind die Früchte auch noch nicht reif. Vorzeitig gepflücktes Obst schrumpft zu sammen, verliert sein Aussehen und damit seinen Wert. So heißt es denn, in den säuern Apfel beißen und das Unvermeidliche ertragen. Glücklich daher jeder, dessen Garten geschützt liegt und dem der Wind nur wenig anhaben kann. — Das „Gr. T." schreibt: „Eine aufsehen erregende Erfindung, die besonders für militär strategische Zwecke bestimmt zu sein scheint und daher sehr geheim gehalten wird, ist in den letzten Tagen wieder versucht und für durchaus brauchbar befunden worden. Diese neue Er findung wurde am 22. August in Königsbrück auf dem Schießplätze vor den Militärbehörden erprobt. Ein Dresdner Ingenieur hat den Apparat erfunden, an dem er sechs Jahre ge arbeitet hat; derselbe ist bereits in allen Ländern patentiert und vom Deutschen Reiche sofort erworben worden. Es ist ein Apparat, der auf einem beweglichen Gestell überall hin gefahren und schnell ausgestellt werden kann Er wird senkrecht postiert und durch ihn wir «in photographischer Apparat bis auf 600 Mtr. hoch in die Luft geschossen, der, wenn er dann den höchsten Punkt erreicht hat, die ganze Gegend unter ihm im Umkreise von zwe Meilen photographiert. Der Apparat kommt dann mittels Fallschirmes langsam auf die Erde nieder und wird von der Bedienungsmannschaft aufgefangen; vorher wird eine Fahne neben den Apparat gesteckt, damit man die Wind richtung hat, weil durch sie das Photogramm aon der senkrechten Linie etwas fortgetragen wird. Das alles geschieht in einigen Minuten die Bilder werden blitzschnell hergestcllt und man hat sofort ein Bild von der ganzen Um gebung. Es erledigt sich damit beinahe dis umständliche und teure Beschaffung des Fessel ballons. Ein solches Geschoß, von dem sechs Stück mitgeführt werden können, kostet etwa 7v Mark und braucht nur zwei Mann Be dienung. Es sind bereits Vorkehrungen zur Fabrikation des Apparates getroffen worden. Der Erfinder bekommt zunächst 400000 Mar für Ueberlassung seiner Arbeit und soll Direkto der Neu zu errichtenden Gesckoßphotogrammfabri werden. Zn vorstehenden ist hinzuzufügen, daß die Sache keineswegs mehr neu ist. Bereits vor Jahresfrist sind Versuche mit dem Apparat auf dem Königsbrücker Schießplatz angestel worden. Damals hieß es, die Sache sei un bedingt geheim zu halten. Wenn die Sache, wie es in obiger Notiz heißt, in allen Ländern patentiert worden ist, so ist die dadurch hinfällig geworden- Dresden. Der Rat gibt sich jetzt alle er denkliche Mühe, um Industrie nach Dresden „u ziehen. Einesteils fordert ec Industrielle und Gewerbetreibende auf, die ihre Betriebe sierher verlegen wollen, sich mit ihm in Ver- nndung zu setzen, andernteils beabsichtigt er, ein Verzeichnis von geeigneten Grundstück, die Räumlichkeiten leer stehen oder Bauland zu vergeben haben, aufzustellen. Königsbrück. Auf dem Gefechtsschießplatz »et Königsbrück wird das Königliche I. Jäger- Bataillon Nr. 12 in der Zeit vom 31. August bis mit 5. September, das Infanterie-Regiment - 177 am 6. September und das Infanterie- Piment Nr. 178 am 7. September täglich von 6 Uhr vorm. bis 3 Uhr nachm. Schießen in größeren Abteilungen abhalten. Kamenz. Eine Obstausstellung in größerem Stile veranstaltet vom 4. bis 7. Oktober der Zezirksobstbauverein der Amtshauptmannschas. tamenz. Zahlreiche wertvolle Preise stehen der ilusstellungslettung zur Verfügung. Schandau. Infolge heftigen Windes fuhr )er mit Brettern beladene große Elbkahn des Schiffseigners Ritter aus Königstein zwischen Schmilka und Herrnskretschen derart auf dem Grunde fest, daß es erst mit Hilfe eines großen Schleppdampfers nach längeren Be nützungen gelang es, das Fahrzeug wieder flock zu machen. Meißen. Die Blätter durchläuft eine Mitteilung wonach österreichische Behörden einem von der Stadt- Meißen gesuchten 200 000 Mk.»Erben aus der Spur seien. Wie das Meißner Tageblatt jedoch angibt, liegt eine Personenverwechslung vor. Der von den Behörden in Grottau ins Auge gefaßte Land streicher führt zwar denselben Familiennamen (Löbel), wie der von der Stadt Meißen Gesuchte, nicht aber dieselben Taufnamen und ebensowenig stimmt das Alter. Die Stadt Meißen dürfte daher vorläufig noch nicht in die Lage kommen, die für die Ermittlung des Gesuchten ausgesetzten 3000 Mark auszu spielen. Großenhain. Wegen einer Uebertretung und fahrlässiger Tötung hatte sich der 16 Jahre alte bisher unbescholtene Lischlerlehrling Bruno Ouo Lehmann von hier vor dem Kgl. Land gericht Dresden zu verantworten. Die Ver teidigung führte Rechtsanwalt Dr. Knoll aus Dresden als Sachverständiger fungierte Dr. med. Arnold aus Großenhain. Den Angeklagten wird beigemessen, am 3. und 4. Juli d. I. zu Zabeltitz bei Großenhain wiederholt ohne polizeiliche Erlaubnis an von Menschen be suchten Orten mit Feuergewehr geschossen, so wie am darauffolgenden Tage daselbst den Tod des Wirtschaftsgehilfen Oswald Richter aus Fahrlässigkeit verursacht zu haben. Lehmann hatte von einem Bekannten einen Revolver für 1 Mark gekauft und damit Schießübungen vor genommen, Als der Angeklagte am 5. v. M. mit Richter zusammen an einem Tische im Parke zu Zabeltitz saß, wollte er aus dem Re volver einen Schuß abgeben. Dieser versagte jedoch. Als einige Zeit darauf eine Katze an dem Tische vorbei und nach einer Brücke lief, sagte Lehmann zu seinem Freunde Richter: „Wollen wir einmal eine Bohne der Katze nachschießen? Hierbei ging ein Schuß los, die Kugel traf Richter direkt über dem Nasenbein in den Kopf. WaS machst Du denn? rief de Verletzte, er hielt die Hand an das Gesicht un brach zusammen. Nachdem die Wunde aus gewaschen und verbunden war, wurde Richter in seine Wohnung gebracht. Am nächsten Tuge stellte sich bei ihm Fieber ein. De Verletzte ist bald darauf gestorben. Auf Grund des Gutachtens des Sachverständigen ist der Tod auf Infektion zurückzuführen, indem die Wunde mit schmutzigen Bachwasser auSge waschen worden ist. Lehmann erfreut eines sehr guten Leumundes. Er bedauert, durch seine Unvorsichtigkeit sein be. er Freun um das Leben gekommen ist. Das Gericht sielt nach Lage der Sache eine sechswöchige Gefängnisstrafe und 1 Tag Haft als hin reichende Ahndung. Oschatz. In tiefste Betrübnis wurde die Familie eines hiesigen Seminaroberlehrers ver- etzt. Ihr zwölfjähriger Sohn sollte wegen verschiedener Disziplinwidrigkeiten in der Schule mit zwei Stunden Karzer bestraft werden. Sei es nun aus Furcht vor der Strafe, oder aus krankhaften Ehrgefühl — gestern nachmittag gegen Uhr ließ er sich von dem Zuge 2schatz—Dresden überfa ren. Dabei wurde ihm der Kopf vollständig v m Rumpfe getrennnt. Freiberg. Der von hier wegen Sittlichkeits verbrechens, begangen an Schulkindern, flüchtig gewordene Lehrer Nickol, der in Wien durch ein-1 besonderen Zufall festgenommen wurde, ist Sonnabend ausgeliefect und gegen Abend ii vaS hiesige Untersuchungsgefängnis über geführt worden. Ihm werden bereits jetzt über 20 Fälle nachgewiesen, in denen er sich an jden einer Obhut unterstellten Knaben und Mädchen vergangen hat. Bienenmühle. Auf Ptlsdorfer Revier sat sich Freitag abeod ein Jagdunfall er eignet. Ein als shr vorsichtig bekannter Jäger saß auf d. i Anstand. In der Dunkelheit sah er e. oas auf sich zukommen und gab in der Meinung, es sei ein Stück Wild, einen Schuß c d. Leider war es ober ein Waldaufseher des staatlichen Forstreviers, der in gebückter Haltung aus dem Walde hervor getreten war, weil er beobachten wollte, ob Wild sich zeige. Zum Glück sind die Ver letzungen nicht erheblich. Flöha. Von dem früh 6 Uhr 25 Min. von Dresden nach Chemnitz—Reichenbach ver kehrenden Personenzuge ist am Montag aus hiesigem Bahnhofe der mit WeichenauSbesserung beschäftigte Schlosser Fischer aus der Eisenbahn werkstatt in Chemnitz vermutlich beim Gleis überschreiten angefahren und am Kopfe schwer verletzt worden. Der Bedauernswerte wurde in das Stadtkrankenhaus Chemnitz übergeführt. Mittweida. Die Automobilverbindung Mittweida - Burgstädt - Limbach - Oberfrohna er freut sich eines ungewöhnlich lebhaften Verkehrs In zirka 14 Tagen betrugen die Einnahmen 4603 Mk., also pro Tag durchschnittlich etwa 340 Mk-, denen an täglichen Gesamtkosten 170 Mk. gegenüberstehen. Plauen. Wir.e des Mienbrauvereins nahmen in einer Versammlung selbst Stellung gegen die Bierpreis-Erhöhung der genannten Brauerei. Die Wirte nahmen vor allem auf eine Reichsgerichtsentscheidung Bezug, wonach ein Vertrag, der zwischen Brauerei und Ab nehmer für längere Zeit geschlossen ist, unter Umständen den Abnehmer schwer schädigen könnte und deshalb nichtig ist. Die Wirte beschlossen, den Bieraufschlag unter keinen Um ständen anzunehmen. Aus der Voche. Augenblicklich sind aller Augen gespannt auf den Balkan gerichtet, wo sich große Dinge vorzubereiten scheinen. Wie seit Jahren nicht, hat sich Nationalitäten-Religionshaß in echt orie. talischem Feuer erhoben. Zumal in Bulgarien stehen die Dinge überaus böse. Tagtäglich sinden Metzeleien und Ueberfälle statt, die sich gegen die Griechen richten. Die bulgarische Regierung, sonst immer bemüht, mit jedermann in Frieden und Freundschaft zu leben, hat dem kaum genesenen türkischen Sultan, der wahr scheinlich unter dem Truck der Mächte eine Note an Bulgarien, k in drohenden Worten gehalten war, richtete, ine Antwort erteilt, die weit hinter den sonst üblichen diplomatischen Höflichkeiten zurückbleirt. Der Sultan möge sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern und in Mazedonien für Ordnung sorgen, die bulgarische Regierung könne in keinem Falle dulden, daß sich die Türkei in die inneren Angelegenheiten Bulgariens mische. Für Abdul Hamid ist das verblüffend und betrübend deut ¬ lich. Aus der Note aber wird zugleich ersichtlich daß die bulgarische Regierung auch garnicht gewillt ist, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Sie will den Griechen ebensowenig ihren aller dings nicht allzu mächtigen Schutz angedeihen lassen, wie etwa Rußland den Juden. Wenn nicht alles trügt — politische Weissagungen sind immer gefährlich, wenngleich sie schäumen dem Ehrgeiz starke Lockung sind — so werden die „Mächte" wohl ein Machtwort sprechen müssen, und man wird das bulgarische Rebellen land so „beruhigen", wie jenerzeit China. — Die anfängliche Begeisterung in England ge legentlich der Monarchenzusammenkunft in Friedrichshof, die Deutschland und England, Kaiser Wilhelm und seinen Onkel einander näher gebracht haben soll, hat sich schnell wieder gelegt. Die Hetzpresse, die ein paar Tage lang mit einer stummen Verbeugung vor der Tatsache geschwiegen hatte, ist wieder in ihre alte Tätigkeit getreten. Im Gegensatz zu der Annahme dieser Blätter muß festgestellt werden daß zwar auch an der maßgebenden Stelle in Deutschland nicht ausgelassener Jubel herrscht, aber doch Genugtuung über den „befriedigenden Verlauf" der Unterredung empfunden wird. Das ist im Interesse beider Länder' ja ganz Europas mit Freuden zu begrüßen. — In Frankreich beginnen sich die Folgen des Gesetze» bezüglich der Trennung von Staat und Kirche wieder bemerkbar zu machen, seitdem der Papst in einem längeren Schreiben seine grundsätzliche Stellungnahme zu der Ueberführung der Kirchen güter in Gemeindebesitz dargeleat hat. Die Regierung wird all ihren Einfluß und ihr Ansehen aufwenden müssen, um die weitere Durchführung des Trennungsgesetze» ohne schwerwiegende Folgen zu betreiben. — In Rußland ist die Lage unverändert. Es würde ermüden, immer und immer wieder die Greuel- taten aufzuzählen, die täglich passieren. Die einzig interessante Nachricht ist, daß infolge der stetig zunehmenden Polizistenermordungen in Warschau, der weitaus größte Teil der Beamten schaft um seine Entlassung eingekommen ist. Die Revolutionäre treiben in allen Teilen des Landes ihr Unwesen, die Regierung hat sich wieder in ihre alte Untätigkeit zurückgezogen, nachdem sie zur Beruhigung der Gemüter be schleunigte Gesetzesvorlagen — versprochen hatte, und das Volk ist in den seiner Natur zusagenden Zustand der absoluten Gleichgültigkeit zurück gesunken. Man wird mit der Zeit Rußland sang- und klanglos vergessen, wie im Lande selbst die so heiß ersehnte und so tief betrauerte Duma vergessen scheint. — In Amerika hat sich wieder ein entsetzliches Unglück ereignet. In Chile fand ein Erbeben statt, dem mehrere tausend Menschenleben und viele blühende Ort schaften, darunter Valparaiso, zum Opfer ge fallen sind. Auf Kuba,dem spanisch-amerikanischen Schmerzenskind, ist der Bürgerkrieg ausgebrochen Die Rebelle haben die Regierungstruppen ge schlagen und sich der Stadt San Louis be mächtigt. Die Hauptstadt Havanne befindet sich in höchster Gefahr, da 2000 Rebellen dicht vor ihrem Weichbilde stehen, bereit, jeden Augenblick einzufallen. Falls die amerikanische Regierung nicht schnell für Entsatztruppen sorgt so ist ein Vernichtungükampf unvermeidlich. — Wenn nicht alles täuscht, giebt's am Berliner Hofe eine Ministerkrise. Der frühere Staatssekretär der Post und jetzige preuß, Landwirtschaftsmtnister v. PodbtelSki fitzt augen scheinlich unsicher auf seinem Platze. Der Reichskanzler hat seinem kaiserlichen Herrn einem eingehenden Vortrag über die Affäre Tippels« kirch-Podbielski gehalten, und der Monarch hat geäußert, er könne sich noch nicht endgültig entscheiden. Dem Landwirtschaftsminifter, der sich auf der Hühnerjagd befindet, wird wohl die Sache klar sein und er wird wahrscheinlich nicht warten, bis der allezeit bereite Herr LucanuS schicksalsschwer aus ihn zukommt, seinen ministeriellen Lebensfaden durchzuschneiden.