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Ottendorfer Zeitung : 29.08.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-08-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190608291
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19060829
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19060829
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-08
- Tag 1906-08-29
-
Monat
1906-08
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 29.08.1906
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politilcke AunÄlcdau. Deutschland. l * Der Kaiser beabsichtigt am 9. Sep tember , den« König von Sachsen einen Besuch in Sybillenort abzustatten. * In maßgebenden Kreisen verlautet, daß die amtliche N a ch p r ü fu n g des „Kontraktes Tippelskirch" seitens der Behörden bereits so weit gediehen ist, daß die Auslösung dieses Vertrages nicht mehr lange auf sich warten lassen dürste. * Der .Kreuzer „Falk e" ist als das nächste erreichbare deutsche Kriegsschiff nach Valparaiso beordert worden, zum Schutz des Lebens und Eigentums der dortigen deutschen Reichs angehörigen. * Auf dem Gebiete derPanzerplatten- lieferung für die deutsche Flotte hat eine amerikanische Firma, die Midvale Company, den Versuch gemacht, der Firma Krupp Kon kurrenz zu machen, sie ist aber, wie verlautet, vom Reichsmarineamt abgewiesen worden. *Der Deutsche Katholikentag in Essen schloß, nachdem der Präsident Gröber noch einmal zusammenfassend die Bedeutung der Kirche für Kultur, Staat und Familie gewürdigt hatte, mit einem Festmahl, bei dem Präsident Gröber einen Trinkspruch auf den Papst ausbrachte, während Kardinal Fischer dem Kaiser einen Toast brachte, indem er hervorhob, Kaiser Wilhelm sei der Vertreter des positiven Christentums und ein Monarch, der auch für seine katholischen Untertanen Ver ständnis habe. — Der Katholikentag war von mehr als 50 000 Teilnehmern besucht. Schweiz. * Dem Nationalrat wird ein neuer Ge setzentwurf zugehen, nach dem solchen Leuten, die aus andern Ländern wegen des Verdachtes, sich Monarchistischen Umtrieben be teiligt zu haben, ausgewiesen sind, in der Schweiz kein Asylrecht gewährt werden soll. Italien. * Die Arb ei t erun ru h en in der Pro vinz Vercetti nehmen immer größere Ausdehnung an. Außer den Reisarbeitern streiken in vielen Dörfern die sämtlichen übrigen Land arbeiter, worunter besonders schwer das hungernde Volk zu leiden hat. Kavallerie niuß immer bereit sein, nmherziehende Banden, die brennen und plündern, zu zerstreuen. Die Zahl der Ausständigen ist auf 35 000 gestiegen. * Die italienische „nationale Liga" in Trient erließ einen Aufruf zu Sammlungen zur Grün dung einer italienischen Volksschule in Leiters, südlich von Bozen, also im deutschen Sprachgebiet. Dies wird im ganzen deutschen Südtirol als schwere, nationale Herausforderung betrachtet. Norwegen. *König Haakon wird, wie jetzt amtlich bestätigt wird, im Herbst nicht nur am Ber liner Hofe, sondern auch in Kopen hagen, London und wahrscheinlich in Wien seinen Antrittsbesuch machen. Spanien. * Die L a g e im B e r g a r b e i t e r st reik gebiet von Bilbao ist außerordentlich ernst. Die Regierung hat über die Stadt den Be lagerungszustand verhängt. Die Tmppen sind in ansehnlicher Stärke zusammengezogen und neue Mannschaften sind noch unterwegs. Die Läden sind geschlossen, Zeitungen erscheinen nicht. Die Regatten sind abgesagt und die Fremden reisen ab. König Alfons wird seinen be absichtigten Besuch jedenfalls unterlassen. Ruhland. * In dem Bestreben, der nächsten Session des Reichsrats und der Reichsduma in erster Linie einen Gesetzentwurf bezüglich des allgemeinen Elementarunterrichts zu unterbreiten, hat der Mi nist er rat be schlossen, durch eine besondere Kommission diesen Gesetzentwurf ausarbeiten zu lassen. Der Ministerrat hat zu gleicher Zeit es als unum gänglich notwendig erachtet, daß die Bezüge der Lehrer von Elementarschulen erhöht werden, und daß auch die Zahl dieser Schulen vermehrt wird. Zu diesem Zweck hat er für das nächste Jahr einen Kredit von 5 333 000 Rubel bereitgestellt. Ferner hat der Ministerrat beschlossen, Gesetz entwürfe betr. die Gleichmachung der Rechte der Bauern mit denen der andern BevSlke- rungsklassen vorzubereiten. Endlich hat es der Ministerrat auch für nötig erachtet, die die Frei heit des Unterrichts in Polen und den litauischen Gebieten beschränkenden Gesetze abznschaffen. (Es zeugt von dem engen staatsmännischen Blick des Ministerpräsidenten, daß er Reformgesetze in Vorschlag bringen will, ohne die Zusammen setzung des künftigen Parlaments auch nur zu ahnen!) * Auf welche Weise die Revolutionäre sich Waffen zu verschaffen wissen, zeigt folgender Vorfall: Beim österreichisch-russischen Grenzüber gang Moczki wurden nachts die Grenz soldaten durch falsche Signalschüsse in einen Hinterhalt gelockt, der Wachtkapitän er schossen und die Soldaten ihrer Waffen beraubt und gefesselt. Inzwischen überschritten etwa zwölf Mann, vermutlich mit Waffen und Munition, unbehelligt die Grenze. Balkanstaate». * Der G e s u n d h e it s z u st an d des Sultans wird in den offiziellen Berichten aus dem Jildiz fortgesetzt als gut bezeichnet. Gut informierte Kreise aber wollen bestimmt wissen, daß zwar eine momentane Besserung im allgemeinen Befinden Abdul Hamids eingetreten ist, die eigentliche Krankheit jedoch ihren Fortgang nimmt. Daher ist es auch er klärlich, daß die Thronfolgerfrage fortgesetzt die türkischen führenden Kreise beschäftigt. *Der Streit um die Grenze zwischen tür kischem und ägyptischem Gebiet auf der Sinaihalbinsel, der vor einigen Monaten den Anstoß zu einer Vermehrung der englischen Truppen im Nillande gab, ist von seiner Lösung noch weit entfernt; denn wie berichtet wird, stößt die Grenzregulierung bei Akaba durch die tür kischen und ägyptischen Kommissare auf neue Schwierigkeiten, so daß abermals eine Ein mischung von seiten Englands bevorsteht. *Das Organisationskomitee der Philippopeler Versammlung ersuchte durch seinen Präsidenten und im Auftrag des „Nationalen Vereins" die Vertreter der Großmächte in Sofia um eine Audienz zur Überreichung der Kundgebung. Bis jetzt hat nur der italienische Vertreter geantwortet, er könne die Kundgebung, als von keiner offiziellen Stelle stammend, nicht entgegennehmen, verweise vielmehr auf den ge wöhnlichen Weg durch Vermittelung der bul garischen Vertretung in Rom, falls das Komitee Gewicht darauf lege, daß die italienische Re gierung hiervon Kenntnis erhalte. Eine ähnliche Antwort wird von den andern Vertretern er wartet. Amerika. * Der Aufstand auf Kuba hat plötzlich einen solchen Umfang angenommen, daß das Gerücht auftaucht, die Ver. Staaten hätten ihn genährt, um bei Gelegenheit seiner Be kämpfung endlich Kuba an sich bringen zu können. Ein derartiges Verhalten stände aller dings in grellem Widerspruch zu der Rede des Staatssekretärs Root auf dem unlängst in Rio de Janeiro abgehaltenen allamerika nischen Kongreß, worin er die uneigen nützigen Absichten der Ver. Staaten Kuba gegenüber rühmend hervorhob. Es scheint, als ob die kubanische Regierung den Rebellen gegenüber machtlos ist: denn die Anhänger der Revolution sind überall siegreich. *Die von Argentinien wegen Ver größerung der Marine nach England ent sandte Kommission wird ihrer Regierung Vor schlägen, vier Linienschiffe sowie zwölf Hochsee- Torpedobootszerstörer bauen zu lassen. Die Gesamtkosten sind auf 158 Millionen Mark veranschlagt. Voraussichtlich wird der ganze Auftrag englischen Werften zufallen. Gleichzeitig ist eine starke Verteidigung der La-Plata- Mündung durch Anlegung neuer Jnselforts sowie unterseeischer Sperren geplant. Argentinien scheint sich auch um die allgemeine Abrüstung wenig zu kümmern. Afrika. * Nachrichten aus Marokko besagen, daß in der Umgebung Melillas die Kämpfe zwischen Abteilungen der Truppen des Sultans und des Prätendenten fortdauern. Das diplomatische Korps in Tanger richtete an den dortigen Snltanvertreter ein K o l l e k ti v s ch r eib en, das in der Forderung gipfelt, die Stadt und Umgebung kräftiger als bisher vor den Über fällen räuberischer Stämme zu schützen. Asien. *Die von den Russen gegründete Stadt Dalny auf der Halbinsel Liautung wird Mel dungen aus Tokio zufolge am 1. September von den Japanern zum offenen Hafen er klärt werden. * Die Verteidigungsfähigkeit vonFranzö - sisch-Hinterindien gegenüber einem An griff von außen her hat seit den Ereignissen des russisch-japanischen Krieges die französischen Poli tiker und Militärs vielfach beschäftigt, und von mehreren Seiten wurde unter anderm eine er hebliche Verstärkung der dort stehenden Teile der Kolonialarmee befürwortet. Det Leiter der Kolonie selbst aber hat sich jetzt mit Rücksicht auf die allgemeine politische Lage gegen diese Vorschläge ausgesprochen; seine Wünsche richten sich vielmehr auf vermehrte Aufwendungen für die Erbauung von Kirchen, Schulen und Be wässerungskanälen, da seiner Ansicht nach die Militärmacht nicht verstärkt zu werden braucht, solange England und Frankreich be freundet sind. Zum Ztrafregisterversahren. „In der lebten Zeit", so schreibt die Moss. Ztg.ß macht sich eine lebhafte Bewegung geltend, die eine Umgestaltung des Strafregisterverfahrens anstrebt. Die Strafregister werden seit dem Jahre 1882 über jede bestrafte Person geführt. In dasRegister ausgenommen werden alle durch Zivil-, Militär- und Konsulargerichte verurteilten Per sonen, soweit es sich um Verbrechen und Ver gehen sowie um die Übertretungen der Vor schriften über Betteln, Landstreichen, Müßiggang usw. handelt. Ausgenommen sind nur die Ver urteilungen in Privatklagesachen, in Forstdieb stahlssachen und wegen Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über öffentliche Abgaben usw. Die Strafregister, die in Preußen von den Staatsanwaltschaften geführt werden, sind not wendig, um in jedem Augenblick die Vorstrafen einer Person feststellen zu können. Die Be hörden, die eine derartige Auskunft brauchen, wenden sich an die Staatsanwaltschaft des Land gerichts, zu dessen Bezirk der Geburtsort der betreffenden Person gehört und erhalten von ihr einen Auszug aus dem Strafregister. Anderseits sind die Gerichte, bei denen eine Verurteilung erfolgt ist, verpflichtet, von ihr der Registerbehörde des Heimatsortes des Bestraften Mitteilung zu machen. Die neuere Bewegung wendet sich nun nicht gegen die Strafregister selbst, deren Notwendigkeit zur Feststellung der sogenannten Rückfallsdelikte und deren Zweck mäßigkeit zur Herbeiführung einer zutreffenden Strafabmessung allgemein anerkannt wird, sondern gegen die Unmöglichkeit, die Bestrafungen in dem Register nach Ablauf einer bestimmten Zeit zu löschen. Früher wurden die Register bis zum 70. Lebensjahre des Bestraften aufbewahrt, falls nicht sein früherer Tod bekannt wurde. Durch Bundesratsverordnung vom 9. Juli 1896 und Verfügung des Justizminister ist am 7. September 1896 die Aufbewahrungsfrist bis zum 80. Lebensjahre des Bestraften hinauf gesetzt. Während selbst die Vollstreckung rechts kräftig erkannter Strafen in einem Zeitraum von 30 Jahren bei den schwersten Kapitalverbrechen verjährt, bleibt im Strafregister eine Bestrafung unter Umständen 68 Jahre stehen. Für den einzelnen können sich daraus schwere Nachteile er geben. Ein im Leichtsinn der Jugend begangenes Verbrechen wird dem Greise, der durch ein ehren wertes Leben von vielen Jahrzehnten die Schuld längst gesühnt hat, vorgehalten und angerechnet. Es sind in der Presse Fälle mitgeteilt worden, wo Leute, die vor langen Jahren eine gering fügige Strafe erlitten haben, zeitlebens um ihre mühsam errungene gesellschaftliche Stellung, um das Wohl ihrer Kinder bangen, weil diese Be strafung einmal durch das Strafregister bekannt werden könnte. Das ist eine viel zu schwere Sühne für eine Jugendtorheit, wie es denn überhaupt keinen Zweck hat, bei der Strasab- messung oder der Beurteilung der Glaubwürdig keit usw. auf eine weit vergangene Zeit zurück zugreifen, für welche die Feststellung der Rück fälligkeit schon ohnedies durch gesetzliche Vorschrift ausgeschlossen ist. Es würde daher angemessen sein, alle Vorstrafen, die eine längere Zeit zu rückliegen und für die Rückfälligkeit nicht mehr in Bewacht kommen, im Strafregister zu löschen. Wir möchten einen Zeitraum von 20 Jahren für genügend erachten, würden aber auch mit einer kürzeren Frist einverstanden sein. Einen Vor gang hätte ein derartiges Verfahren im Schuldner verzeichnis, das von den Gerichten über Per sonen, die den Offenbarungseid geleistet haben oder über deren Vermögen mangels Masse der Konkurs nicht eröffnet werden konnte, geführt wird. Hier findet die Löschung aller Ein tragungen bereits nach fünf Jahren statt. Hand in Hand gehen mit der Löschung im Straf- register müßte allerdings das Recht des Be straften, bei Zeugenaussagen eine vor mehr als 20 Jahren zurückliegende Bestrafung nicht zu erwähnen. Denn die zum größten Teile über flüssige Frage des Vorsitzenden, des Staatsan walts oder des Verteidigers an einen Zeugen, ob er schon vorbestraft sei, würde auch bei der Löschung der Strafe im Register manche Person nach wie vor in eine peinliche Lage bringen. Ob und wie weit hier gesetzgeberische Maßregeln notwendig sind, wollen wir vor der Hand nicht prüfen." Von unä fern. X Zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt hat der Kaiser den Arbeiter August Kretschmer aus Münsterberg in Schlesien, der am 27. Mai d. vom Schwurgericht in Neisse wegen Mordes zum Tode verurteilt worden war. Die Bluttat wurde im November v. an der Arbeiterehefrau Anna Niegsch aus Gläsen- dorf in der dortigen königlichen Forst verübt. K. beteuerte fortgesetzt seine Unschuld,, er wurde jedoch auf Grund erdrückender Indizienbeweise verurteilt. Die Heringsfischerei hat in diesem Jahre eine außerordentlich gute Ernte gehabt. Die 88 Logger der Emdener vier Heringsfischerei gesellschaften haben nunmehr sämtlich ihre erste diesjährige Fangreise beendet und zusammen 30 394 Kantjes «Tonnen Seepackungj Heringe eingebracht, welche, die Tonne zu 30 ,Mk. ge rechnet, wie es in einer jüngst veröffentlichten Statisttk geschah, die stattliche Summe von 911 820 Mk. repräsentieren, die dem Meere ab gewonnen werden. In einer einzigen Woche dieser Fangzeit sind allein für rund 600 000 Mk. Heringe eingebracht worden. Bei den Ausgrabungen auf der Burg in Oberaden bei Hamm ist ein römischer Spitz graben offengelegt worden. Im Alter von 124 Jahren ist im Dorf Löbschütz bei Jena der Landwirt Christian Bier- tümpfes gestorben. Nach den Angaben seiner Familienmitglieder ward er 1782 geboren und ha! im Jahre 1806 an der Schlacht bei Auer- städt — also gerade vor einem Jahrhundert — tcilgenommen. Der Alte war bis in die aller letzte Zeit noch verhältnismäßig rüstig; er dürfte wohl der älteste Mann Deutschlands und vielleicht noch weit über dessen Grenzen hinaus gewesen sein. Sein hinterlassener „jüngster" Sohn ist 80 Jahre; sein „Enkelchen" 49 Lenze! Unglücklicher Schuft. Leutnant v. Kalben vom 0. Grenadier-Regiment in Posen wollte semenf-Burschen den Mechanismus seines Dienst revolvers zeigen. Die Waffe ging los und der Buriche wurde tödlich getroffen. Schulknaben als Verbrecher. Einen schweren Einbruchsdiebstahl verübten zwei Schul knaben in einer Fischhalle in Weimar. Mittels eines Stemmeisens brachen sie die Decke eines festgemachten Schrankes ab und raubten eine Eisenkassette mit 200 Mk. Inhalt. Das Geld vergruben Vie Knaben unter einer Eiche in Webicht. M Auf schiefer 10j Roman von Reinhold Ortmann. «Fortsetzung.! Löwengaard blieb vor seinem Schreibüsch stehen und schien in angestrengtes Nachdenken zu versinken. Nach einer geraumen Weile erst sagte er, ohne Sieveking anzusehen, im Tone tiefsten Bedauerns: „Sei mir nicht böse, Richard, aber ich darf dicht nicht mit Versprechungen Hinhalten, die ich nicht erfüllen könnte. Es fällt mir sehr schwer, doch es muß gesagt sein: nach dieser Richtung hin darfst du vorerst nicht auf mich rechnen. Ich befinde mich augen blicklich selbst in sehr ernsthaften Verlegenheiten, und ich gestehe offen, daß es meine Absicht war, in den nächsten Tagen noch einmal deine Ge fälligkeit in Anspruch zu nehmen." „Ich hätte dir darauf auch ohne dies un vorhergesehene Fallissement eine abschlägige Ant wort geben müssen. Die allgemeine GeWfts- lage ist von Monat zu Monat ungünsüger ge worden ; ich habe fortgesetzt empfindliche Verluste erlitten, und meine verfügbaren Mittel sind nahezu erschöpft." „Ich denke ja auch gar nicht mehr daran, etwas Derartiges von dir zu verlangen, obwohl alle meine Dispositionen dadurch über den Hausen geworfen werden. Ich muß eben ver suchen, mir auf andre Weise zu helfen." „Dir und mir, hoffe ich!" sagte Richard Sieveking ernst. „In einer Lage, wie es die meinige augenblicklich ist, ziemt es sich, offen zu reden. Du weißt, daß ich das Darlehen schon vor drei Monaten zurückerhalten sollte, und du weißt wohl auch, daß ich dich weder heute, noch künftig darum gemahnt haben würde, wenn ich eine Möglichkeit gehabt hätte, es mir und dir zu ersparen. Deshalb solltest du mir nun aber auch nicht mit einem einfachen „Unmöglich" antworten. Es ist der Fortbestand meines Ge schäfts, der hier in Frage kommt." „Nimm mir's nicht übel, lieber Sohn, aber aus dem Munde eines Mannes, der, wie du, über fast unbegrenzten Kredit verfügt, klingt eine solche Drohung etwas merkwürdig. Es kostet dich doch nur einen Federzug, um über alle diese momentanen Verlegenheiten hinweg zukommen." „Nicht, wenn ich als ehrenhafter Kaufmann handeln will. Und etwas andres wirst du, wie ich hoffe, von mir nicht erwarten. Meine Firma wird jedenfalls nur so lange existieren, als mein Vermögen ausreicht, den Ansprüchen meiner Gläubiger gerecht zu werden." „Und wäre das jetzt etwa nicht mehr der Fall?" „Gewiß! Aber wenn die Summe, mit der ich bei Harnisch u. Möllmann beteiligt bin, wirklich verloren ist, so befinde ich mich vielleicht schon auf dem Punkt, wo meine kaufmännische Ehre mir ein gebieterisches Halt zuruft. Noch kann ich die Lage nicht mit voller Klarheit über sehen. Daß ich den schweren Schlag jedoch nur mit Hilfe dieser hundertfünfzigtausend Mark werde überwinden können, muß ich leider für unbedingt gewiß halten." „Und ob ich dadurch miniert werden würde, steht, wie es scheint, nicht weiter in Frage. Muß ich dir denn noch erst auseinandersetzen, warum ich das Geld nicht beschaffen kann? Du kennst ja die beiden großen Spekulationen, bei denen ich mich augenblicklich nicht nur mit meinem ganzen Kredit und noch etwas darüber hinaus engagiert habe." „Wieso „Ich habe jene gewaltigen Terrains im Westen gekauft, die meiner Überzeugung nach den einzigen, wirklichen Platz für die bevor stehende große Gewerbeausstellung bilden wer den, und ich bin mit fünfmalhunderttausend Mark an der Erwerbung der Hellstadter Ländereien beteiligt, auf denen wir nach dem Ergebnis der bisherigen Bohrversuche unerschöpfliche Lager von Kalisalzen vermuten. Jedes von beiden Ge schäften soll mir, wie ich hoffe, Millionen ein tragen. Aber es werden Monate vergehen, ehe die zuständigen Körperschaften einen endgültigen Beschluß über die Wahl des Ausstellungsplatzes fassen, und die Bohmngen bei Hellstadt können erst mit Eintritt der guten Jahreszeit wieder ausgenommen werden. Bis dahin habe ich also noch eine Reihe schwerer Verpflichtungen zu er füllen, und ich wäre zugmnde gerichtet, wenn ich nur einen einzigen Zahlungstermin nicht pünktlich innehalten könnte. Ich wußte in diesen letzten Tagen wahrhaftig manchmal kaum, wo mir der Kopf stand, und nun kommst du, um mir zuzumuten, daß ich hundertfünfzigtausend Mark aus der Erde stampfe! Wäre ich ein Großkaufmann wie du, der angesehene Inhaber einer alten Firma, dessen Unterschrift Millionen wert ist, würde ich dir mit Vergnügen das Doppelte und Dreifache zur Verfügung stellen. So aber kann ich dir nur die Wahl lassen, mir entweder noch für ein Jahr Frist zu gewähren, oder meinen Untergang herbeizuführen, mdem du anf deiner Forderung beharrst." Mst einer gewissen Feierlichkeit hatte er die letzten Worte gesprochen und nun stand er hoch aufgerichtet da, in seiner ganzen imponierenden Größe, aber mit dem wehmütigen GesiM- ausdruck eines Mannes, dem man schweres Un recht zugefügt hat. Richard Sieveking sah mit leichtgesenktem Haupte vor sich hin aus den Teppich. Dann griff er nach seinem Hut. „Ich will deinen Untergang nicht," sagte er ohne merkliche Erregung, „und ich werde den Posten also künftig aus meinen Berechnungen fortlassen. Aber es wäre wohl besser gewesen, du hättest mich etwas früher über deine Ver hältnisse aufgeklärt." Er wandte sich zum Gehen; Löwengaard stand auf und streckte ihm die Hand entgegen. „Du darfst mir nicht böse sein, lieber Sohn! Komm, gib mir deine Hand, um mich darüber zu beruhigen! Wir haben bis jetzt in so gutem Einvernehmen gelebt, daß eS mich aufrichtig schmerzen würde, wenn jetzt eine Verstimmung zwischen uns aufkäme. Ich weiß deine Uneigennützigkeit nach ihrem vollen Werte zu schätzen, das darfst du mir glauben. Schon damals, als du mit solcher Ent schiedenheit die Annahme einer Mitgift aus schlugst —" Richard Sieveking hatte seine Hand so gleich wieder zurückgezogen, und nun fiel er dem andern mit einer abwehrenden Gebärde in die Rede: „Lassen wir doch das, du be-
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