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Die „Vttendvrfer Zeitung" erscheint vienrtag, Donners tag und Sonnabend abends. 8 ezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch di« Post bezogen l,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bi» vormittag r« Uhr.jj ^Inserate werden mit w Pf für di« Spaltz«ü« btktchn« LabellartschrrZSatz nach besondrrem Laris Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkrilla Nr. 80. Mittwoch, den 4. Juli 1906. 8. Jahrgang. Oertlichrs und Sächsisches. Gttendors-Dkrilla, den z. Juli ML — Nun wären wir also glücklich drin im Monat der neuen Reichsstcuern: Erbschafts- Automobil-, Tantieme-, Zigaretten-, Brau- Frachtbriefsttuer und höheres Ortüporto sind in Geltung, die Fahrkartcnsteuer folgt am ersten Augnst. Das letztere geschieht aber nicht aus besonderer zarter Rücksichtsnahme auf das Portemonnaie de» deutschen Reichsbürgers und Hausvater», sondern weil die Fahrkarten mit den neuen Preisen nicht früher fertig gedruckt Waren. Die Jünger der Jurisprudenz, die «um größten Teil erst im August ihre Urlaubs- Ferien antreten können, die Studenten, die im Juli noch Vorlesungen zu hören haben, und wer sonst seine Sommerfahrt in den August hinein verlegen muß, allen ihnen wird also schon die Bekanntmachung mit der Steuer zuteil. — Die Frage der Erhöhung der Bierpreise ist von den Brauereien ohne Rücksichtnahme auf die Proteste der Gastwirte gelöst worden. Der Verband der Brauereien des Bezirks Dresden und der Verband der Brauereien der Oberlausitz geben bekannt, daß vom 2. Juli ab der Preis der untergährigen schweren Biere pro Hektoliter um 2 Mark und der des ein fachen Bieres pro Hektoliter um 1 Mark er höht ist. Gleichzeitig werden die Flaschenbiere sämtlich um 1 Pfg- pro Flasche erhöht. Der Oberlausitzer Verband führt außerdem ein Flaschenpfand von 10 Pfg. pro Flasch- ein. Begründet wird der Preisaufschlag durch die in Kraft getretene erhöhte Brausteuer, den er höhten Eingangszoll auf Braugerste und Malz, di- Verteuerung der Gefäße usw. Klotzsche-KönigSwald. Der HauSbesitzer- verein zu Dohna trifft Mittwoch nachmittag hier ein, um die Badeanstalt, das Gas- und Wasserwerk, die neuerbaute Kirche und die Turnhalle zu besichtigen. Dresden. Im Albertgarten im benachbarten Lolchwitz wurde gestern früh die Leiche eine» jungen Manne» aus angesehener Dresdener Familie aufgesunden, der sich am Abend zuvor aus Furcht vor dem Soldatenleben erschossen hatte. Er sollte demnächst den Militärdienst antreten. — Montag vormittag gegen Uhr stürzte auf der Schefftlstraße 23 «in Gewerb- treibender vom dritten Stock hinab in den Hof Bei feinem Fall durchschlug er das Drahtdach Und da» darunter befindliche Glasdach und blieb schwerverletzt liegen. Kurze Zeit danach trat der Tod ein. — Eine schwere Havarie ereignete sich gestern auf dem Elbstrome dicht beim Pillnitzer Schloße. Lin talwärts fahrender mittelgroßer Kahn rannte an einem Schleppdampfer derartig an, daß sein Vorderteil bis zum Laderaum vollständig zertrümmert ward und er auf Grund ging. Di« Schiffahrt kann aufrecht erhalten Werden. Deuben. Beim Nachgießen von Spiritus aus den noch glimmenden Kocher hat sich am Sonnabend die Bergmanns Ehefran Oelschlägel fchwer verletzt. Die im Kocher befindlichen Überreste entzündeten sich, wodurch auch die Flasche explodierte. Die Frau, deren Kleider sofort in Flammen standen, lief in ihrer Angst aus den Hof, wo hilfsbereite Nachbarn das Feuer erstickten. Frau Oelschlägel erlitt jedoch solche Brandwunden am Oberkörper, daß sie Mittels Krankenwagens in ein Dresdner Krankenhaus gebracht werden mußte. — Die Bergmannsehefrau Oelschlägel, ist den er littenen Brandwunden rm Friedrichstädter Krankenhause erlegen. Rathen. Sonntag Nachmittags 4 Uhr stürzte von der Gruppe der Basteifelsen ein junger Mann herab. Er war sofort tot- Ob Selbstmord oder Unglücksfall vorliegt, ist noch dicht entschieden. 'Nieder-Ebersbach. Am Montag früh in der fünften Stunde kam hier in der Scheune des Gutsbesitzers Riemer Feuer aus, welches in kurzer Zeit nicht nur diese, sondern auch das Wohnhaus nebst neuerbauten Stallgebäude sowie trotz angestrengtester Tätigkeit von acht Feuerwehren aus der Umgegend auch das nebenan liegende gesamte Anwesen des Guts besitzers und Gemeindevorstandes Ziller total cingeäschert. Das Vieh konnte gerettet werden. Die Brandkalamitosen haben leider nicht ve» sichert, sodaß sie empfindlichen Schaden erleiden. Man vermutet böswillige Brandstiftung. Leisnig. Der Chauffeur Adam aus Oschatz der sich bei dem Automobilunglück am Himmcl- fahrtstage lebensgefährliche Brandwunden zu gezogen hatte und seitdem im hiesigen Kranken hause in der Behandlung des Herrn Dr. Heubner ist, ist jetzt außer Gefahr und hat heute zum ersten Male einen größeren Ausgang nach dem Bahnhofe unternehmen können. In wenigen Wochen dürfte der junge Mann, dem sich die allgemeine Teilnahme zuwandte, entlaßen werden können. Dittersdorf. Am Sonntag vormittag gegen 7 Uhr sand in der Nähe des Halte punktes Dittersdorf auf dem Straßenübergang bei Stein 188 der Linie Mügeln - Geising- Altenberg ein Zusammenstoß des Personenzugcs Nr- 5251 mit dem Geschirr des Händlers Kirchner aus Mügeln bei Pirna statt. Der Geschirrführer Kirchner ist am Kopse verletzt worden, während dessen 12 jähriger Sohn Fleischwunden erlitten hat. Betriebsstörungen sind nicht eingetreten. Freiberg. Gegen die Bierprciserhöhung haben die Gastwirte von Freiberg und Um gebung mit folgender Resolution Stellung ge nommen: „Die Versammlung der Saalinhaber und Gastwirte protestiert entschieden gegen die von der Brauereiverrinigung geplante Bierpreis- erhöhung, da daß Gastwirtsgewerbe nicht in der Lage ist, eine weitere Belastung tragen zu können, um so mehr als die Brausteuer keines wegs die geplante Bierpreiserhöhung recht fertigt und eine Reihe schwerwiegender Gründe vorliegt, eine Bierpreiserhöhung für das konsumierende Publikum nicht eintreten zu laßen." Hohenstein-Ernstthal. Seit längerer Zeit stehen hier Maurer von hier und der Umgegend in der Lohnbewegung, doch konnte betreffs der 10 stündigen Arbeitszeit noch keine Einigung erzielt worden. Eine am Sonntag stattgehabte Maurerversammlung beschloß, daß die Lohnkommission betreffs der 10 stündigen Arbeitszeit nochmals Rücksprache mit den Meistern nehmen soll. Erfolgt Ablehnung, soll der Maurerverband energische Schritte unter nehmen. — Auch die Zimmerer sind in eine Lohnbewegung eingetreten. Sie verlangen 38 Pfg. Stundenlohn, sowie 10 stündige Arbeitszeit. Bisher betrug der Stundenlohn 31—34 Pfg. und die Arbeitszeit 11 Stunden. Chemnitz. Der Untersuchungsrichter beim hiesigen Landgericht veröffentlicht folgende Bekanntmachung: „50 Mark Belohnung I" Das Königliche Justizministerium hat die für die Ergreifung des wegen schweren Diebstahls und gewerbsmäßigen Wilderns steckbrieflich verfolgten Handarbeiters Friedrich Max Schön feld aus Tautenhain ausgesetzte Belohnung von 100 Mark auf obengenannte Summe zu erhöhen beschloßen. Dies wird mit dem wiederholten Ersuchen an jedermann bekannt gemacht, alle zweckdienlichen Wahrnehmungen über den Verbleib Schönfelds unverzüglich der nächsten Gendarmerie- oder Polizeibehörde oder hierher mitzuteilen." Auf das Konto des Gesuchten kommen etwa 400 Einbrüche. Chemnitz. Major Scholtz vom hiesigen 181. Jnfanürie-Regiment wurde am Sonntag mittag auf der Aeußeren Johannisstraße von einem Automobil zu Boden gerißen, ohne jedoch glücklicherweise ernstlich verletzt zu werden. Der ganze Vorgang spielte sich in wenigen Augenblicken ab- — An einer Straßenbiegung hatte der Chauffeur die Macht über das stark besetzte Automobil verloren uno fuhr in schneller Fahrt direkt auf zwei auf den Fußsteige gehende Offiziere zu, die nicht mehr auszubiegen vermochten. Der eine Offizier, Major Scholtz, brach sofort zusammen, er war von dem Räumer an den Beinen getroffen worden. Es muß als ein wahres Wunder an gesehen werden, daß der Unfall noch so glücklich abgelaufen ist. Die Automobilisten — es waren Dresdner Herren — wurden alsbald von einem Schutzmann nach der Polizeihauptwache geführt, wo man ihre Personalien feststellte. Zittau. Unangenehme Folgen zeitigte der Streik der hiesigen Bauhandwerker für den Baumeister Funke, der die Ausführung des Erweiterungsbaues des städtischen Elektrizitäts werkes übertragen erhalten hatte. Es war demselben nicht möglich, die erforderlichen Arbeiter aufzutreiben, um die Baulichkeiten bis zu den bestimmten Fristen fertig zu stellen, woran aber dem Stadtrat wegen des Ein treffens der bestellten Maschinen liegen mußte. Man war zunächst mit Funke in Rücksicht auf die bestehenden Verhältnisse sehr nachsichtig, schließlich beschloßen die städtischen Kollegien jedoch, Funke die Arbeiten unter Vorbehalt etwaiger Schadenersatzansprüche zu entziehen. Die Ausführung des Baues wurde nunmehr dem Arbeitgeber-Verband, bezw. dem Baumeister Kaiser übertragen. Limbach. Die geplante Automobil-Omnibus- Verbindung zwischen Mittweida, Burgstädt, Limbach ist soweit fertig, daß sie etwa Mitte August ihren Betrieb eröffnen wird. Johanngeorglenstadt. In der Garten veranda des Gasthauses „Zur Schweiz" in Reichenau wurden drei Personen vom Blitz erschlagen, die Gastwirtsehefrau Hofrichter, der Schneidermeister Preisler und der Musiker Masopust. Leipzig. Das Reichsgericht hat sich letzter Tage mit der Spremberger Eisenbahn-Katastrophe beschäftigt. Die von den Angeklagten Stulljüs und Schmidt gegen das Urteil der Strafkammer vom 23. Dezember vor. Js. eingelegte Revision wurde verworfen. — Eine hiesige Fran hatte einen Wechsel über 3300 Mk. ausgestellt und in Zahlung gegeben. Als ihr jetzt der letzte Inhaber des PapiereS dieses vorlegte, zerriß und verbrannte sie es vor seinen Augen. Die Frau wurde in Hast genommen. Aus der Woche. In Drontheim, dem alten NtdaroS, hat die Krönung des neuen norwegischen KönigSpaarcs mit aller Pracht und jener intimen Feierlichkeit stattgefunden, die dem Nordlande eigen ist. Nach hundertjährigen Wechselfällen zieht das norwegische Volk aufs neue in die Geschichte ein, selbständig und frei, königlich regiert und demokratisch verwaltet. An der Wiege des neuen Königsreiches standen alle Weltmächte Pate (auch der anfangs vom Storthing ab- gelchnte Ver treter Rußlands, Großfürst Wladimar, überbrachte Glückwünsche) und es ist bezeichnend für den Geist der neuen Zeit, daß sogar Siam die dritte unter dem Schutze Japans kräftig -mporblühende Macht Ostasiens, sich bei der nordischen Krönungsfeier vertreten ließ. — Der allgemeine, von England mit schmetternden Fanfaren in die Weltgeschichte gerufene Ab rüstungsgedanke scheint ein wenig zur Ruhe ge kommen zu sein. Man weiß, daß England weiter Kriegsschiffe baut — und nicht zu kleine Dabei ist eS mit Freuden zu begrüßen, daß auf englischem Boden sich wieder deutliche An zeichen gemacht haben für eine deutschfreundliche Strömung. Die in England weilenden deutschen Redakteure sind mit Ehrungen aller Art über häuft worden und der Schlußvers aller Freund schaftslieder war: England mit, nicht gegen Deutschland. Wir stimmen gern in diese Worte ein, wenn sie von Herzen kommen. Nur darf man nie vergeßen, daß Privatleute trotz alles ' Wohlgesinntseins nicht in der Lage sind, Politik zu machen. Vorlauter als je in der letzten Zeit machen sich Zeitungsstimmen bemerkbar, die eine Zusammenkunft zwischen Kaiser Wilhelm und König Eduard in nahe Aussicht stellen. Wenn's einmal Wahrheit werden sollte, daß König Eduard seinen kaiserlichen Neffen den längst fälligen Gegenbesuch macht, wird sich das deutsche Volk von Herzen freuen; aber vor einem gewißen Uebereifer nach dieser Richtung hin kann nicht genug gewarnt werden; denn es war häufig genug der Fall, daß Herrscher noch Höflichkeitsakte tauschten, während hinter ihnen schon ihre Armeen schlagbereit standen. — In Oesterreich-Ungarn ist bis auf weiteres beglückender Friede eingekehrt. Der alte Kaiser freut sich mit Recht seines Entschlußes, den Ungarn Zugeständnisse gemacht zu haben, die eine Grundlage zu endlicher Einigung boten, Allerdings in den Delegation (dem Ausschluß der Vertreter beider Reichshälften) wird nach Kaiser Franz Josephs eigenen Worten noch sehr viel Zeit mit unnützen Reden vertan. Aber, wenn es auch nur langsam von statten geht, man sieht doch allenthalben das Licht hervor- dringen und es scheint fast, als sollte eine Zeit über das österreichisch-ungarisch Land so voll Einigkeit, so erfüllt von innerem Frieden herein- brechsn, ähnlich der nach dem Ausgleich von 1867. Und der rastlose alte Monarch tut alles mögliche um den Abschluß des neuen Bruder friedens zu beschleunigen. In den nächsten Tagen beabsichtigt er nach Mähren zu gehen, um auch dort persönlich und durch den ihm wohl bewußten Zauber seiner ehrwürdigen Persönlichkeit auf die politischen Dinge ein zuwirken. Dem vielgeprüften Manne wäre von ganzen Herzen zu wünschen, daß seine redlichen und angestrengten Bemühungen um den inneren Frieden seines Reiches von Erfolg gekrönt wären. — In Rußland ist der Wirr warr wieder einmal auf einem Höhepunkt an gelangt. Nach wochcnlangen ergebnislosen De batten zwischen Volksvertretung und Regierung war man auf einem toten Punkt angelangt, Hatte die Regierung anfangs ab und zu wenig sten den schmählichsten Angriffen die Stirn geboten, so lehnte sie es seit einiger Zeit grund sätzlich ab, Anfragen der Volksvertretung zu beantworten; die Minister verließen einfach unter Schimpfreden und Schmährufen der entrüsteten Volksvertreter den Sitzungssaal, sobald ihnen ein Verhandlungspunkt nicht genehm war. Nun aber ist ein Ereignis eingetreten, das den Dingen eine Wendung zu geben verspricht- Offiziere und Mannschaften des Preobraschens- kischen Leibregiment erklärte sich nämlich mit den Forderungen der Dumamitglieder ein verstanden. Diefe unerhörte und unerwartete Rebellion im Leibregimente hat beim Zaren Eindruck gemacht. Nun möchte man — im letzten Augenblick — einlenken. Aber es ist der Fluch russischer Regierungskunst, daß sie alle Maßregeln zu spät trifft. Muromzew, der Dumapräsident, der vom Zaren in blinder Hast mit der Kabinettsbildung (!) betraut wurde, hat diese vor sechs Wochen noch dankbare Auf gabe abgelehnt, weil er angesichts der in der Duma herrschenden durch die Regierung her vorgerufenen Streitigkeiten an der Lösung zweifelt. Der Zar findet keinen Kabinettsbildner mehr! Damit ist dem russischen Reiche eine neue Schwierigkeit entstanden, die um so unheil voller ist, als das Land sehnssuchtSvoll nach dem Retter schreit. — Der erste Juli wird für Deutschland ein kritischer Tag erster Ordnung bleiben, da an diesem denkwürdigen Tage alle neuen Steuern in Kraft getreten sind: Erbschafts steuer, Zigarettensteuer, Brausteuer, Fracht urkundensteuer, Tantiemensteuer und wie sie alle heißen mögen. Mancher muß nun tief in seinen Säckel greifen! Auch die ermäßigte Ortstage für Postkarten ist nun wieder aufgehoben und der Kartenschreiber, der viel und schnell zu schreiben hat, wird seiner lieben „Blauen" noch oft nachseufzen: „Steuern sind in jedem Falle gut — wenn man sie nicht zu bezahlen braucht!"