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Ottendorfer Zeitung : 04.07.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-07-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190607047
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19060704
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19060704
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-07
- Tag 1906-07-04
-
Monat
1906-07
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 04.07.1906
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7 poliMcke Kunälckau. Deutschland. * Der Kaiser empfing 10 Mitglieder des Vorstandes der Baumwollspinner- und Weber vereinigung in Audienz. *Die Verlängerung des deutsch-spa nischen Handelsabkommens bis zum Schluß dieses Jahres wird amtlich bestätigt. *Der Bundesrat hat den Ausschuß- antrag betr. Abänderung und Ergänzung der Branntwein st euer- Ausführungs- bestimmungen sowie den Ausschußbericht betr. das Abkommen mit Holland vom 18. Maid, über den Verkehr mit Branntwein an der deutsch- holländischen Grenze angenommen. * Wer den Fortgang der württem- bergischen Verfassungsrevision lauten die Nachrichten sehr günstig. Das wichtige Werk ist zwar noch nicht beendet, denn in mehreren Punkten weichen die beiden Kammern der Volksvertretung noch erheblich voneinander ab. Aber man hofft auf baldige befriedigende Erledigung aller strittigen Punkte. * In der Reichstagsersatzwahl in Altena-Iserlohn muß eine Stichwahl zwischen dem Kandidaten der Zentrumspartei und dem der Sozialdemokratie stattfinden. Von 34188 Stimmen erhielt Haberland (Soz.) 10 546 und Klocke (Zentr.) 7774. Die amtliche Be stätigung des Wahlergebnisses steht noch aus. *Die Zweite badische Kammer stimmte für die Tarifrefwrm mit 50 gegen 17 Stimmen. *JnDeutsch-Ostafrika haben wieder . einmal die so sehr gefürchteten Zauberer eine örtliche Erhebung von Eingeborenen veranlaßt. Don den Aufständischen in Jraku wurden einem andern Häuptling über 3000 Rinder geraubt und sechs Leute getötet. Auch ein Inder ist be- ' raubt worden. Ein Mongi-Häuptling ist der Führer der Rebellen. Andere Mongi haben sich ihm angeschlossen. Welche Ausdehnung dieser neue Aufstand in einem schon scheinbar ruhigen Gebiet angenommen hat, läßt sich zur Zeit noch nicht beurteilen. Osterreich-Ungarn. *Die österreichische Regierung Pat sich dafür entschieden, daß die früheren ' Minister v. Körber, Call und Böhm- Ba w e r k am nächsten Mittwoch vor dem Budgetausschuß erscheinen und Auf klärungen über dieTriesterHafenbauten gebAr. * Die ungarischeDelegationhat in dritter Lesung das Budget des Äußem und in zweiter Lesung das Marinebudget angenommen. Frankreich. *Der Minister rat beschloß im Hinblick auf die Erhöhung der Sätze des spanischen Zolltarifs, das gegenwärtige Abkommen zu kündigen und nach Ablauf der erforderlichen Frist von drei Monaten seine Handlungs freiheit wieder aufzunehmen, wenn ihm nicht bald die Zusicherung gegeben worden ist, daß die neuen spanischen Zollsätze für die aus Frankreich nach Spanien ausgeführten Waren nicht höher sind als die gegenwärtig an gewendeten. * Im Dreyfusprozesse erklärte der Generalstaatsanwalt im weiteren Verlaufe der Verhandlung die Entstehung des Dossiers, kommt zu der Schlußfolgerung, daß kein Schriftstück die Verurteilung Dreyfus' rechtfertige und daß das Dossier aus einem Haufen himmelschreiender Schandtaten bestehe. England. *Die in London zwischen England, Frankreich und Italien geführten Ver handlungen über Abessinien haben das Er gebnis gehabt, daß dort der bisherige Zustand aufrechterhalten werden soll. Sollten jedoch unvorhergesehene Ereignisse seine Fortdauer un möglich machen, so verpflichten sich die drei Mächte, nichts ohne vorherige gegenseitige Ver ständigung zu unternehmen. Schweiz. *Die Genfer Konferenz hielt ihre erste Plenarsitzung ab, in der über den end gültigen Wortlaut des neuen Vertrages beraten wurde. — Die erste Kommission beschäftigte sich mit dem Verfahren gegenüber Verletzten, Kranken und Toten. Italien. * Die Regierung unter Leitung des reformen freundlichen Giolitti ist eifrig am Werk, ihr in der Kammer verlesenes Programm zu ver wirklichen. Sie- brachte einen Gesetzentwurf zu gunsten der Südprovinzen Siziliens und Sar diniens vor die Deputiertenkammer, der genehmigt wurde. Sodann begann die Be ratung über die Reformen in der Kriegs marine. Svanie«. *Es bestätigt sich daß in Ubeda ein als Pilger verkleideter Anarchist verhaftet und als Urheber des auf den Präsidenten Loubet und den König von Spanien verübten Attentats festgestellt wurde. * Der General st aatsanwalt in Madrid bereitet eine Denkschrift vor, die gesetz geberische Blaßnahmen gegen Anarchisten ver langt. (Der junge König hatte sofort nach dem Attentat auf seinem Hochzeitszuge erklärt, daß er keine Ausnahmegesetze wünsche. Es scheint, als ob aus diesem Zwiespalt der Ansichten sich die gegenwärtige Ministerkrise entwickelt hat.) Rußland. * Unter dem Eindruck der Erkenntnis, daß die bis dahin treuesten Truppen nicht mehr durchaus zuverlässig sind, soll nun endlich die Umgebung des Kaisers den Entschluß zur Nachgiebigkeit gegenüber den Forderungen der Duma gefaßt und die einleitenden Schritte zur Bildung eines volkstümlichen Ministeriums getan haben. Wie es heißt, wurde der Präsident der Reichsduma Professor Muromzew nach Peterhof entboten, wo ihm die Bildung eines Kabinetts aus Mitgliedern der Duma-Mehrheit übertragen wurde. Bluromzew erklärte je doch, die Bildung eines Parlaments-Kabinetts sei ihm unmöglich, da er keine Mehrheit hinter sich habe. Die Hauptfraktion der Duma, die „Kadetten", die konstitutionell - demokratische Partei, wiesen nur 160 Deputierte auf, bildeten mithin keine Majorität. Ein Abkommen mit der Linken und den rechtsstehenden Parteien zu treffen, sei für ihn aber unmöglich. Das unhalt bare Ministerium Goremykin muß also weiter auf seinem verlorenen Posten bleiben. * Durch kaiserlichen Tagesbefehl vom 28. v. ist das erste Bataillon des Preobraschenskischen Leib - Garde - Regiments wegen der in den letzten Tagen vorgekommenen Gehorsamsverweigerungen in ein besonderes Infanterie-Bataillon umgewandelt, und die der Garde zustehenden Rechte sind ihm entzogen worden. Balkanstaaten. *Die Frage, woher Serbien sein Artillerie- Material beziehen soll, die schon wiederholt in der Skupschtina und im Belgrader Kabinett zu den widerstreitendsten Beschlüssen geführt hat, scheint jetzt durch ein privates Abkommen der dabei in Be tracht kommenden industriellen Werke endgültig gelöst zu sein. Wie verlautet, wurde die serbische Regie rung davon benachrichtigt, daß zwischen Krupp und Creuzot (Frankreich) ein Einverständnis in der Kanoncnfrage erzielt sei, so daß, wenn die eine oder die andre von diesen Fabriken mit der Bestellung betraut wird, diese Bestellung zwischen beiden geteilt werden muß. Dieses Einverständnis dürfte in Belgrad nicht ganz angenehm überraschen, da er der fteien Selbstbestimmung der serbischen Regierung enge Schranken zieht. Wie sich in Wirk lichkeit die Herstellung des Kanonenmaterials je zur Hälfte in Frankreich und Deutschland mit der Ein heitlichkeit der taktischen Ausbildung in der serbischen Artillerie vertragen wird, bleibt abzuwarten. Auch daß dabei die österreichischen Werke von Skoda, um deren Berücksichtigung seinerzeit ein heißer Streit tobte, gänzlich ausfallen, berührt eigentümlich. Amerika. *Präsident Roosevelt hat verfügt, daß der Beschluß des Kongresses, der dem Ab scheu des amerikanischen Äolkes über die Judenmetzeleien in Rußland Aus druck gegeben hat, dem Staatsdepartement amt lich übermittelt werde. * Obgleich sich der Kongreß vertagen sollte, hatte sich das von beiden Häusern eingesetzte Konferenzkomitee kurz vor Schluß der Sitzung noch nicht über die Fleifchbeschau- vorlage geeinigt. Das Komitee des Unterhauses verlangte, daß die Regierung die Jnspektionskosten tragen solle, während das Komitee des Senats den Fleischtrust damit belasten wollte. An diesem Punkt scheiterte die Konferenz. Das Senatskomitee ver langte ferner, daß die auf Konservenbüchsen anzu bringenden Etiketten das Datum der Konservierung enthalten müßten, doch wurde die Konferenz abge brochen, bevor sie zu dieser zweiten Streitfrage ge langte. Wenn der Senat nicht nachgibt, wird aus dem neuen Fleischbeschaugesetz nichts, worauf die .Fleischbarone" ja sehnlich hoffen. Vettugsprozeh v. Zander. Im Schwurgerichtssaal des Landgerichts zu Breslau spielt sich iu diesen Tagen ein Drama ab, wie es wohl selten gesehen woroen ist. Weit über die Mauern Breslaus hinaus bringt man dem Prozeß, zu dem mehr denn 250 Zeugen und Sach verständige aufgebotcn worden sind, das größte Interesse entgegen. Im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses stehen die Angeklagten: der Bczirks- kommandeur und Major a. D. Maximilian von Zander aus Ohlau, seine Frau Maria, geb. Grothe und der Rittergutsbesitzer und Hauptmann a. D, Lüttich, v. Zander, der Jura studiert und dann eine rasche militärische Kattiere gemacht hat, In haber des Roten Adlerordens 2. Klasse und mehrerer andrer in- und ausländischer Orden ist, hat seit seiner Verheiratung in den 89 er Jahren trotz beschränkter Mittel sehr verschwenderisch gelebt. Er ist seit langer Zeit sehr stark verschuldet. Obwohl er vor einiger Zeit 300 000 Mk. dadurch verdient hatte, daß er einem andern Rittergutsbesitzer und Amtmann den erblichen Adelstitel verschaffte, hat er sich seit vielen Jahren nur durch Kreditschwindeleien größten Umfangs, die sich über ganz Deutschland erstreckten, über Wasser halten können. Seine Methode soll diese Schwurgcrichtstagung im einzelnen aufdecken. Die Anklage ist erhoben wegen Betruges, Unter schlagung, strafbaren Eigennutzes, betrügerischen Bankrotts, Meineids und Abgabe falscher eides stattlicher Versicherungen sowohl gegen v. Zander als auch gegen seine Fran. Der Angeklagte Lüttich soll bei der Entziehung des Rittergutes Schmögerle ans der Konkursmasse Beihilfe geleistet haben. Bei der Bildung der Geschworenenbank, zu der sehr viel Standcsgcnossen der Angeklagten, Rittergutsbesitzer und ehemalige Offiziere berufen sind, ereigneten sich mehrere Zwischenfälle. So er klärte sich ein Geschworener für befangen, weil er früher in einem militärischen Untergebenenvcrhältnis zu dem Angeklagten Zander gestanden habe. Auch andre Geschworenen entschuldigten sich, weil sie zu den Angeklagten in geschäftlichen und gesellschaft lichen Beziehungen gestanden hätten. Das Gericht ließ aber die Ablchnnngsgründe nicht gelten. Die Verhandlung begann mit dem Anträge der Verteidigung auf Ladung von noch mehr Zeugen. Rechtsanwalt Levyson beantragte, zur Entlastung des Angeklagten Lüttich die nationalliberalen Reichstagsabgeordneten v. Kaufmann und Horn sowie eine Reihe seiner Gutsarbeitsr zu laden. Der Landrat des Kreises, in dem das Gut Lüttichs liegt, Geh. Rat Brett, habe den Ange klagten in einem schriftlichen Leumundszeugnis fälschlich dadurch belastet, daß er behauptete, Lüttich behandle seine Angestellten sehr schlecht. — Justizrat Mamroth beantragt die Ladung des Generaldirektors Wiefel vom Kalibcrgwcrk „Her- cynia" Dieser soll bezeugen, daß der Angeklagte v. Zander ihm angeboten habe, für den Fall des Nichtzustandekommens des Kalishndikats oder des Ankaufs des Bergwerks durch den preußischen Staat den ganzen Ertrag des Werkes an eine amerikanische Firma zu verkaufen. Die Provision für diese Vermittelung hätte mehrere hunderttausend Mark betragen. — Die psychiatrischen Sachverständi gen baten, während eines großen Teils der Ver handlung entlassen zu werden. Das Gericht lehnte den letzten Anttag ab, stimmte aber den Anträgen der Verteidigung zu. Es wird nunmehr der Er öffnungsbeschluß verlesen. Dem Angeklagten von Zander werden 68 Fälle von .Kreditschwindelei, die eine Summe von 155 000 Mk. umfassen, und andre Straftaten zur Last gelegt. Er ist ein Mann von 53 Jahren. Er gibt an: Ich sitze seit 14 Monaten in Untersuchungshaft. Das hat mich geistig und körperlich zugrunde gerichtet. In meiner Er innerung — ich bekam ganze Kisten voll Brief schaften, durfte nur lesen, nicht schreiben — stellt sich alles ganz anders dar, als es wirklich gewesen sein mag. Ich weiß nur noch das eine ganz genau: ich habe nach meinem besten Wissen als Kavalier gehandelt, was ich vor Gott und meinem Gewissen verantworten kann. Ich will alle meine Kratt daran setzen, alle Dinge vollständig und so genau wie möglich aufzuklären. Aber ich bin kouius nicht nur infolge eines schweren Sturzes, sondern auch infolge der vielen seelischen Anstren gungen. Nehmen Sie also mehr Rücksicht auf mich als der Untersuchungsrichter getan hat. — Eine Vernehmung der Angeklagten über den ganzen Um fang der Anklage kann nicht stattfinden. In jedem einzelnen Fall soll sich an ihre Aussagen sofort die Beweisaufnahme, knüpfen. Die bisher 10 volle Tage währende Verhandlung hat ergeben, daß Major v. Zander und seine Frau in allen größeren deutschen Städten Kreditschwinde leien in großem Maßstabe betrieben haben. Zi garren, Zigaretten, Bier, Wein, Pferde, Wagen, Pelzwerk, Juwelen, ja sogar Liegenschaften wurden ihnen ohne Bezahlung überlassen. Major v. Zander, der behauptet, seine Frau sei nicht völlig zurech nungsfähig, gibt an, daß er von den umfangreichen Bestellungen derselben nie eine Ahnung gehabt habe und immer bemüht gewesen sei, ihre maßloser: Schul den zu bezahlen, bis ihre Verschwendungssucht die Katastrophe herbeigeführt hätte. Der 11. Vcrhandlungstag beschäftigte sich mit dem Punkte der Anklage, der sich auf den Verkani des Gutes Schmögerle durch den Angeklagten v. Zander an den zweiten Angeklagten, Hauptmann Lüttich bezieht. Die Anklage behauptet, v. Zander sei zurzeit jenes Gutsvcrkaufes zahlungsunfähig und im Konkurs gewesen: Der Staatsanwalt stützt seine Behauptung durch Vorlegung von Briefen des Angeklagten an seine Frau, in denen es u. a. heißt: „Ich habe Lüttich veranlaßt, die Sachen in Besitz zu nehmen, um sie der Pfändung zu entziehen. Wir müssen uns das sichern, was wir mit größter Anstrengung erjagt und ersorgt haben. Ich bin ohne Geld. Wir stehen dicht vor dem Konkurs. Meine Sachen habe ich im Hotel zurücklassen müssen. Bete demütig zu Gott." Der Angeklagte Lüttich gibt auf Befragen zu, der Jugend freund von Zanders zu. sein. Er habe aber nicht gewußt, wie die Verhältnisse seines Freundes lagen, sonst hätte er ihn mit der Reitpeitsche davon gejagt, als er: ihm den fraglichen Gutsverkauf anbot. Von unä fern. Blitzschlag in ein Geschütz auf dem Schießplatz Däberitz. Während des großen Unwetters am Freitag schlug ein Blitz in eine Protze der sechsten Batterie des 1. Garde-Feld- artillerie-Regiments, die auf dem Schießplatz zu Döberitz exerzierte. Die Pferde gingen infolge dessen durch; ein Kanonier würde von ihnen getötet, nnd ein Hauptmann sowie ein zweiter Kanonier schwer verletzt. Eisenbahnunfall. Auf der eingleisigen Bahn Hamm—Osterfeld ist bei der Station Waltrop ein Güterzug infolge der Reperatur arbeiten am Bahnkörper verunglückt. Es ent gleisten 12 Wagen, von denen sechtz vollständig zersplittert wurden. Personen sind nicht verletzt. Zu lebenslänglichem Zuchthaus be gnadigt wurde der Straßenaufseher Ittenbach in Köln, der jüngst seine Geliebte unweit Venlo ermordete und hierfür zum Tode verurteilt worden war. Sein Rechtsbeistand betreibt die Wiederaufnahme des Verfahrens. Zwei Spiritus - Explosionen. Beim Bügeln explodierte in Köln ein Spiritusplätteisen, infolgedessen die plättende junge Frau derartige Brandwunden erlitt, daß sie alsbald verstarb. — Ein Bahnassistent aus Köln ringt aus ähnlicher Ursache mit dem Tode. Er hatte einem brennen den Spiritusofen Spiritus zusetzen wollen, wobei die Flasche explodierte. Grausiger Fund. Bei Mehrheim q. Rh. wurde in einer Pappschachtel der Schädel eines Kindes aufgefundcn; die Polizeibehörde bemüht sich, die Spuren des Verbrechens aufzudecken. Auffindung eines vermißten Touristco nach zwei Jahren. Wie aus Bad Reichenhall gemeldet wird, ist der Wiener Professor Alexander Straubinger an einer Steinwaud des Untcrsbergcs aufgesunden worden. Der Gelehrte unternahm im Juli 1904 von Bad Neichenhall aus einen Ferien- aussiug auf den Nntcrsbcrg und wurde seither ver mißt. Es wurden damals umfassende Maßnahmen eingeleitet, um irgend welche Spuren von ihn: ,W entdecken, jedoch vergeblich. Nun komnit die Mel dung von der Auffindung der Leiche des Pro fessors. Der Jäger Kliner stieß an der erwähnten Stelle auf einen männlichen Leichnam, eigentlich schon mehr Skelett, und durch eine Visitenkarte so wie dnrch eine Photographie, die man in den Taschen des. Toten sand, wurde er als der vermißte Professor Straubinger erkannt. In den Taschen des Toten fand man ferner einen Betrag von 1700 Kronen. Offenbar ist er gegenüber dem Hallturme abgestürzt. Dort wurden auch der Hut, ein Opern glas und der Bergstock des Touristen gefunden. Professor Straubinger war 53 Jahre alt imd ver heiratet. K VieMsge clerGereckrigkeit. 26j Roman von Maximilian Brytt. «Schluß.) Während am Horizont schon die Riesen komplexe austanchten, die als Vorstädte, Fabrik anlagen und Mietskasernen die Annäherung an die Reichshauptstadt verrieten, fragte Arnold plötzlich, seinen Blick fest in den seines Gegcn- über versenkend: „Vater Bonzi am, seit Stunden schon fällt es mir am: du erwiderst nichts, wenn ich Stephanies Namen über die Lippen bringe? — Dn verheimlichst mir etwas. Ich vergebe vor Sehnsucht, vor Aufregung. Ach, sag' mir doch, aus Ehre und Seligkeit: sie lebt — sie ist gesund — ich werde sie in dieser Minute noch in den Armen halten?" ... Der Zug rollt in die Bahnhofshalle. Der Perron steht voller Menschen, Reisender, Gepäckträger. Ein Beamter eilt, eine Hand glocke schwingend, vorn neben der Lokomotive her, um das Publikum von den Geleisen zu rückzuscheuchen. „In dieser Minute noch?' stammelt Bon- ziam fassungslos. „Arnold, mein Liebling, sei vernünftig, laß dir jagen . .." „Bonziani!" schrie Arnold auf. Er weinte fast, indem er sich an die Brust des Alten warf. „Hast du mir nicht versprochen, ich werde sie sehen — ? !" Blew"'ndes Licht ergießt sich ans den großen Bogenlampen über die ganze Halle und dringt auch durch die Wegenfenster in die CoupöL. Arnold stürzt zum Fenster und reißt es auf. „Stephanie! Stephanie!" ruft er mit gepreßter Stimme. Ein Aufschrei aus Frauenmund. Bonziani, der, das Taschentuch vor die feuchtgewordenen Augen pressend, in dje Ecke der Polsterbank ge sunken ist, horcht auf, das Herz droht ihm plötz lich stillzustehen. Er erhebt sich; taumelnd folgt er, rücksichtslos sich den Weg durch die Menge der übrigen Reisenden bahnend, dem jugendlichen Freunde nach. An der geöffneten Tür bleibt er stehen. Er muß sich festhalten, um nicht umzufinken. Draußen — dicht vor dem Wagen, mitten auf dem Verron — erkennt er Stephanie, in Arnolds Armen liegend. Daneben steht Georgi, noch immer mit ab gezogenem Hut, zur Begrüßung der Ankömm linge. Im Nu ist Bonziani draußen, dis Gruppe aus dem Gewühl der Menge nach der Nische eines der großen Hallenfenster ziehend. „Stevhanie — Sie find frei?!" Arnold maß die schlanke, jungfräuliche Ge stalt mit dem bleichen, zarten, aber jetzt von unnennbarem Zauber verschönten Antlitz mit zärtlichem Blick. „Mein gmes Kind", bringt Bonziani be- wegt hervor, während er das junge Weib auf Snrn und Augen küßt, „was haben Sie er duldet !" Ein Zittern überläuft ihre G-stalt, und sie bed-ck- für einen Moment das Gesicht. „Nichis mehr davon! Gestern abend kam der Bericht vom Konsul — noch in der Nacht ward ich frei. Nun sei'L vergessen, vergessen für immerI" Mit hastigen Worten gestand der Italiener der jungen Frau, daß Arnold bis zu dieser Minute noch nichts von ihrer Verhaftung er fahren hatte. „Wenn ich's ihm ersparen könnte — er sollte nie, nie davon etwas zu wissen bekommen!" kam es mit einem matten Seufzer über ihre müde und traurig lächelnden Lippen. Wieder umschlang Arnold die Geliebte ; ibre Tränen des Glücks, des Kummers und der E' griffenheit mischten sich ineinander. Verwundert über die seltsame Gruppe, blieben ein paar Neugierige aus der Schar der nach den Ausgängen strvm-nden Reisenden stehen. Aber fie wagten über den von der Tropensonne gebräunten, großen, ernsten Mann und die bleiche, schwarzgekleidete, schöne junge Frau, die sich da in der Bahnhofsecke aus weinten, nicht zu spotten. Es lag eine stille Weihe über dem Schmerz und über dem Glück der seltsamen Leute, eine Weihe, die verriet, daß in diesem Augenblick zwei Menschen sich nach langen, schweren Prüfungen und ergreifenden Leiden zum un trennbaren Bunde fürs Leben gefunden hatten. Ende. Ot L)ie ersten Patienten. Humoreske von Max Arendt-Denar t.*) Dr. Leucht war nun schon dreiviertel Jahre Arzt und eben so lange überaus glücklicher Ehe- *) Unberechtigter Nachdruck wird verfolgt. gatte. Seine Frau war nicht nur hübsch und jung, sondem hatte ihm auch ein Vermögen mit in die Ehe gebracht, das ibn wohl ir stand gesetzt hätte, auch ohne jede Pwx's leben, ja sogar ein vornehmes Haus führen zu können. — Wie oft hatte ihn nicht schon die kleine Frau geboten, daS langweilige Warten auf die Pattenten doch endlich einmal asfzugeben und mit ihr lieber auf R-isen zu gehen. Aber Dr. L-ucht war unerbittlich: sein Ehrgeiz sich ihn nicht ruhen, und je länger die Lenis auf sich warten ließen, die den Henn Doktor kon sultierten, oder sich ihm gar auf Gnade und Un gnade überliefern wollten, um so eigensinniger beharrte der Arzt auf seinem Kopf. Es kam sogar zu einem kleinen Streit zwischen den beiden Eheleuten und am Ende eines solchen Zwistes hatte Dr. Leucht mit großem Nachdruck erklärt: „Ehe nicht drei Pa tienten durch mich geheilt sind, eher gehe ich nicht auf Reisen. Damit basta. — Was nutzte es, daß Frau Doktor sich aus's Schmollen legte, was half es, daß sie weinte, bat und flshte, ja, ihn sogar endlich einen Barbaren nannte, der noch gar seine junge Frau selber als erste Patientin behandeln müsse, nachdem er fie krank geärgert habe. Dr. Leucht saß wie ein Fels im Meer über einen dick leibigen Folianten „Pathologische Anatomie gebeugt und — wartete. — So waren wieder einige Wochen vergangen, iu denen sich das Bild von Dr. Lerch s ärzt licher Praxis durchaus nicht geändert hatte. Das Barometer des häuslichen Fnrdsns stand auf veränderlich, und Frau Dr. Leucht hatte
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