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Die „Vttendvrfer Weitling" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich 1 Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für dis Ortschaften Otten-orf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Bandel und Wandel", „Leid und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Amiahm» oon Inserat«« bi, vormittag zo Uhr. Inserate werden mit zo Pf für die Spaltzeile berechnet Tabellarischer Satz nach besonderem Tarts Druck und Oerlag von Hermann Rühle m GroH-Vkrirla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkilla Vr. 26. Mittwoch, den 26. Februar 1906 3 Jahrgang. Vrrtlich.es und Sächsisches. Gtlendors-Vkrilla, den 27. Februar M6 — Wegen des auf Mittwoch den 14. März fallenden Bußtages wird der Schlachtviehmarkt tm Dresdner Schlacht» und Viehhofe nicht Donnerstag den 15. März, sondern Freiing den 16. März dieses Jahres abgehalten werden. — Der Zugang von Militäranwärtern zum Unterbeamtcndienst in der Post- und Telegraphen verwaltung ist nur gering. Der überwiegende Teil der Unterbeamtenschaft geht aus den Zivilanwärtern hervor. Es befinden sich zur zeit unter den Schaffnern bei den Oberpost direktionen und Oberpostkasfen 48 Prozent Militäranwärter und 50 Prozent Zivilanwäucr unter den Unterbeamten im Betriebsdienst 10,9 Prozent Militäranwärter und 89,1 Proz. Zivilanwärter, und unter den Unterbeamten der Landbriefträgerklaffc 2,8 Prozent Militär anwärter und 97,2 Prozent Zivilanwärter. — Die 4. Klaffe der 149. K. S. Landes lotterie wird am 7. und 8. März gezogen. Cunnersdorf. Einen deutlichen Beweis der Vergrößerung unseres Dorfes ist, daß die erst vor 8 Jahren neugebaute Schule schon seit längerer Zeit den an sie gestellten An forderungen nicht mehr genügte. Der von der Gemeinde ausgeschriebene Schulanbau wurde von 4 Bewerbern dem Baugeschäft H. Ehrig, Großokrilla übertragen, während die gleichfalls ausgeschriebene Tischlerarbeiten die Tischlerei Herrsch in Weixdorf erhielt. Dresden. Eine riesige Hand aus Kupfer blech, die zwei Finger zum Schwure erhebt, bildet den Abschluß der Turmspitze am Haupt gebäude des neuen Justizpalastes am Münchener Platze. — Anläßlich des in Moritzburg-Eisenberg stattfindenden Roß- und VlehmarkteS wird die sächsische Staatsbahnverwaltung Dienstag den 6. März Sonderzüge zwischen Radebeul und Moritzburg-Eisenberg in Verkehr setzen lassen. Die Abfahrt erfolgt von Radebeul früh 7 Ubr 49 Minuten im Anschluß an den früh 7 Uhr 24 Minuten vom hiesigen Hauptbahn Hofe ab gehenden Lokalzuge, die Ankunft in Moritzburg- Eisenberg findet vormittags 8 Uhr 24 Min. statt. In der umgekehrten Richtung verläßt ein Sonderzug Moritzburg-Eisenberg nachm. 2 Uhr 52 Min , er trifft 3 Uhr 29 Min. in Radebeul ein und findet dort direkten An schluß »ach hier durch den Personenzug, der 3 Uhr 33 Minuten dort abgeht und 3 Uhr 57 Minuten auf hiesigem Hauplbahnhofe an ankommt. Beide Sonderzüge halten an allen Unterwegöstationen und können auf die ge wöhnlichen Fahrkarten benutzt werden. Radeburg. Am Mittwoch Nachmittag ver anstaltete der landwirtschaftliche Kreisvsrein zu Dresden im Saale deö Gasthofs „Stadt Dresden" eine Bezirksversammlung, welche sich recht guten Besuchs zu erfreuen hatte. Herr Kreissekretär Dr. v. Littrow leitete die Ver sammlung, behandelte in seinem EröffnungS- wort die an den sächsischen Landtag eingereichten Vorlagen über das in Aussicht genommene Körgesetz, die Reorganisation des Landeskultur rates und den Gesetzentwurf über die Schlacht- viehversicheruug in sehr eingehender Weise und berichtete dann über die bereits gemachten Er fahrungen auf dem Gebiete der genossen schaftlichen Getreideverwertung und gab Er läuterungen über bereits bestehende Pferde- versicherungsoereine Hierauf hielt Herr Zucht inspektor Bruchholz einen recht zeitgemäßen Vortrag über die Hebung der Rindviehzucht durch Zuchtgenoffenschaften und zweckentsprechende Jungviehhaltung. Kamenz. In Sachen des Nebelschützer Mordes war am Montag vormittag der Untersuchungsrichter des Königlichen Landgericht Bautzen, Herr Dr. Schöne an hiesiger Ämts- gerichtsstelle zur -Vernehmung des Mörders Rolke anwesend. Darauf begab sich derselbe an den Taton, wo die Untersuchung weiter geführt wurde. Es waren 10 Zeugen vor- geladcn, welche zur Vernehmung gelangten. Da der Mörder des Totschlags voll geständig st, dürfte die Untersuchung bald zum Abschluß kommen und der Täter jedenfalls in der nächsten Schwurgerichtsperiods vor die Ge- chworenen gestellt werden. Dohma. Gestorben ist der Gemüsehändler Drescher von hier dem nach einer heftigen Szene auf offener Straße, bei welcher der Sohn des Genannten die Mutter vor Miß handlungen zu schützen suchte, von dem Sohne eine Verletzung beigebracht worden war. Der Sohn wurde verhaftet. Oschatz. Der in einem hiesigen Hotel be dienstete Buffetier Frau; Egert erschoß sich am Sonnabend vormittag in seinem Zimmer. E. war wegen Bierpantscherei angeklagt und scheint den bedauernswerten Scknitt aus Furcht vor zu erwartender Strafe getan zu haben. Poppitz bei Rochlitz. Wie leicht man sich durch eine unbedachte Aeußerung, die schon mehr ein alberner Witz, in schueren Verdacht wingen kann, zeigt der dieser Tage von Berlin aus gemeldete angebliche Mord des Eiien- drehers H. aus Poppitz, welcher beschuldigt wurde, ein Mädchen in ein stehendes Gewässer gestoßen zu haben, sodaß es ertrank. Aus den Akten über die am 14. Februar beim Amts gericht Cöpenick bei Beilin geführte Unter suchung ging hervor, daß H. einem Mädchen gegneüber im Scherz sich der erwähnten Tat beschuldigte. Als schließlich zwischen beiden ein Zerwürfnis eintrat, zeigte ihm das Mädchen aus Rache an. Die Untersuchung ergab die völlige Unhaltbarkeit der Aussage, sodaß das Verfahren gegen H. eingestellt und dieser sofort wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. Limbach i. S. Ueber den hiesigen „Fall Kracht" bringt das CH. Tgbl. folgende näheren Mitteilungen: Es handelt sich um anonyme Briefe meist beleidigenden Inhalts. Die An fänge der Affäre reichen auf mehr als zwei Jahre zurück. Die „Jagd nach dem Manne" spielte in vielen Fällen dabei die Hauptrolle. Wenn hier ein Heiratsprojekt bekannt wurde, kam es vor, daß Glieder der betreffenden Familien anonyme Warnungsbriefe erhielten. Es gelang aber nie, den oder die Absender zu fassen, weil Briefe dabei waren, die in raffiniertester Weise nicht geschrieben, sondern deren Inhalt aus Worten zusammengestellt war, die aus gedruckten Zeitungen heraus geschnitten und aufgeklebt worden waren. Vor kurzem nun bot sich eine Handhabe, um den Briefabsendern etwas auf die Spur zu kommen Ein hiesiger höherer Beamter erfuhr nämlich durch Zufall, daß er bezichtigt worden war, mit den anonymen Briefen in Verbindung zu stehen. Daraufhin bestand er darauf, daß oon einer dritten Person, die durch einen der Schmähbriefe beleidigt worden, gegen ihn eine Beleidigungsklage angestrengt wurde, In dieser Angelegenheit stand denn auch Termin vor dem hiesigen Schöffengericht an. Er mußte ausgesetzt werden, weil die als Haupt belastungszeugin vorgeladene Frau Bürger meister Dr. Goldenberg der Verhandlung fern- gcblieben war. Noch am Nachmittag des selben Tages wurde die Beleidigungsklage zurückgezogen, aber schon am nächsten Tage waren in jener Angelegenheit vor dem Friedens richter drei Termine angesetzt, die in zwei Fällen zu keiner Einigung führten. Demzu folge sind bei dem hiesigen Amtsgericht gegen die frühere Klägerin zwei Klagen cingereicht worden, um zunächst gerichtlich feststellen zu lassen, von wem der in Rede stehende Beamte der anfänglich „angeklagt" war, der Täterschaft bezichtigt worden war. Hierzu ist die Ver nehmung einer ganzen Reihe von Zeugen aus den ersten Gesellschaftskreisen unserer Stadt beantragt worden. Mit der Schmähbriefaffäre beschäftigt sich außerdem noch die Staats anwaltschaft Chemnitz, bei welcher cher zu Unrecht als Verfasser bezw. Absender anoymer Schreiben angegebene hiesige Beamte Straf antrag gestellt hat. Das Verfahren richtet sich vorläufig gegen „Unbekannt." Plauen i. V. Ein Vogelliebhaber eigener Art hatte sich in der Person des Handarbeiters Georg Elias Kröninger von Plauen vor dem dortigen Schöffengericht zu verantworten. Anläßlich der im Januar d. I. im Plauener „Tunnelsaale" veranstalteten Kanarienvogel- Ausstellung machte sich der Angeklagte dadurch eines schweren Vertrauensbruchs und des ein fachen Diebstahls schuldig, daß er als Wach habender am 8. Januar nachts gegen 12 Uhr einen mit dem zweiten Preise prämiierten Kanarienvogel, etwa 60 Mark wert, aus dessen Käfig nahm und mit seinem minderwertigen Vogel vertauschte. Der Besitzer deS vertauschten Vogels entdeckte nach Schluß der Ausstellung den Betrug. Er setzte alles in Bewegung, um wieder in den Besitz seines wertvollen Sängers zu gelangen. Erst noch acht Tagen gelang ihm dieses. Kröninger gab zu seiner Entschuldigung an, daß er diesen Tausch in seiner Dummheit (!) gemacht habe. Vom Gericht wurde ihm Gelegenheit gegeben, über derartige „Dumm heiten" nachzudenken, indem es ihn auf sechs Tage ins Gefängnis schickte. Aus der Woche. Die Drahtzieherei in Algeciras nimmt ihren regelmäßigen Verlauf. Man kommt ab und zu etwas aneinander, es riecht nach Konflikt und ängstliche Gemüter wittern Krieg. Die Zeitungen machen ihren Sums dazu und — am nächsten Tage ist alles vergessen. Frank reich wird ja wohl nicht ganz seinen Willen lurchdrücken, aber es wird in der Polizeifrage doch etwas für sich herausschlagen, im übrigen aber wird die ganze Konferenz ausgehen, wie das Hornberger Schießen. Und wenn nach ünfzig Jahren mal wieder Fremde in Marokko ortgesangen werden wie herrenlose Hunde, da wird man sich der Konferenz von Algeciras erinnern und den Sultan auf endliche Erfüllung der Konfsrenzbsschlüffe hindrängen. Ist Marokko der Gesamtschmerz der Mächte, so hat jede Nation ihren Spezialschmerz. Wir brauchen wohl nur an das leidige Deutsch-Südwestafrika zu erinnern, das zum gewaltigen Todesacker nicht nur für die niedergeschlagenen Auf ständischen, sondern auch für unsre braven Jungen von der Schutztruppe geworden ist. Hätten wir die ungezählten Millionen, die der Krieg verschlang, für kulturelle Zwecke in West afrika aufwenden können — kein Reichstag hätte sie je bewilligt! — das Land wäre Schritt für Schritt, durch artesische Brunnen bewässert, zum Paradies geworden; die Eisen bahnen ins Innere hätten die Halbwilden der Kultur angenähert und die Bodenschätze an Erzen brauchten nicht von Fremden ausgebeutet zu werden. Da es aber immer im Unglück ein Trost ist, Gefährten zu haben, so finden wir einen solchen in dem drohenden Ausstand der Koffern gegen die Engländer in Natal. Die englische Regierung versucht eine der ur sprünglichsten und ungerechtesten Steuern, die Kopfsteuer, einzusühren, die zwanzig Mark auf die Person betragen soll. Woher soll so ein armer Kaffer jährlich zwanzig Emmchen nehmen? Da müßte er gerade arbeiten, das will er aber nicht, weil er es bisher nicht ge braucht hat und deshalb rüstet sich das ganze Volk zur gemeinsamen Abwehr, wenn die Steuerbaren kommen. — Rußlands Kolani- sationswerk im fernen Osten — und der Ruffe ist wahrhaftig in Mittel- und Ostasien nicht der schlechteste Kolonisator! — ist in den letzten zwei Jahren durch die Mißerfolge im Kampfe gegen Jvpan gewaltig erschüttert worden. Das Zarenreich findet nirgends mehr den nötigen Respekt. Persien, das vor wenigen Jahren erst Rußland erhebliche Handelsvorteile zugebillig hatte, wodurch sich der Verkehr wesentlich hob will diesen Vertrag jetzt kündigen und zwar auf Drängen seiner Kaufleute und Industriellen, denen von den Engländern weit bessere Be dingungen in Aussicht gestellt worden sind. Afghanistan, der Pufferstaat zwischen Rußland und Indien, hatte bisher unter seinen ver schiedenen Emiren recht vorsichtig zwischen dem Zarentum und England laviert. Heute kennt )er Emir den japanisch-englischen Vertrag und weiß, daß bei einem drohenden kriegerischen Zusammenstöße seiner beiden kriegerischen Nach- mrn ein japanisches Heer zum Schutze Afghanistans landen würde. Kaschmir sah sich ici der vorjährigen englischen Expedition von den Russen vollständig im Stich gelaffen. Die Engländer blieben Sieger, Auch die Chinesen laben seit dem Kriege das Fürchten vor den Russen verlernt. Der zopflose japanische Bruder hat ihnen gezeigt, daß mit den Ruffen ehr wohl fertig zu werden ist, und das Bei- piel Japans ermuntert nun auch die Chinesen zu gewaltigen Anstrengungen. Ganze Teile des massenhaften Chinesenheeres, das vor vier oder fünf Jahren noch mit kurzen Kupfer- chwertern, Pfeil und Bogen bewaffnet war, üben heute in europäischen Uniformen und ühren die besten Hinterlader. Studien ommisstonen sind nach Europa gesandt und tiefgehende Reformen bewegen das ganze Reich Eine vieltausendjährige Kultur erwacht aus ihrem Schlummer und nimmt mit weiser Kritik die Besserungen aus dem Westen an. Die remdenfeindliche Bewegung, die zweifellos vor- janden ist, wird schnell und grausam unter drückt, wo sie sich in Taten äußert, um dem Auslande den Anlaß zu nehmen, gewalttätig einzugreifen. Japan ist in vielen Punkten der irängende und beratende Faktor. „Asien für die Asiaten", das ist der Grundzug der gelben Nationen, der jetzt energisch und folgerichtig zum Ausdruck gebracht wird. Japan hat sich vollständig Koreas bemächtigt und schaltet und waltet dort wie in seinem Besitztum. Die Proteste des koreanischen Kaisers finden nirgends Widerhall. Und damit Nordamerika nicht etwa zu viel aus den neuen Verhältnissen schlucke, hat Japan zum Ueberfluß noch einen Vertrag mit Argentinien geschloffen, der die Begründung einer staatlich unterstützten Schifffahrtsverbindung zwischen Japan und Südamerika bezweckt. Port Arthur wie die ganze Halbinsel Ltautung sind in japanischen Besitz übergegangen. England hält Wei-Hei-Wet nur noch ehren halber und mehr als einmal ist die Meldung von der bevorstehenden Aufgabe des Hafens durch die englische Presse gegangen. Tatsächlich hat auch England dort oben nicht viel zu ver lieren, seitdem Rußland aus Port Arthur ver schwunden ist. Kiauschou wäre gänzlich ver einsamt, wenn die Engländer sortzögen. Um das Bild zu vervollständigen, sei nur daran erinnert, daß in Amerika der Gedanke auf getaucht ist, die Philippinen an Japan zu ver kaufen. Alles in allem genommen, haben also die zivilisierten Staaten nicht allzu viel Freude an ihren überseeischen Kolonien. Aber auch sonst ist nicht gerade Freundliches aus der Tagesgeschichte zu berichten. Es wäre denn hie endliche Beendigung der ungarischen Krisis durch den Staatsstreich, mit welchem der alte Kaiser in Wien und seine Regierung in Budapest zweifellos und unblutig Sieger ge blieben sind. Nicht eine Hand in Ungarn hat sich für die weggejagten Deputierten erhoben. — Unsere Zeit ist ja sonst nicht arm an Festen und selbst der Patriot wird deren im Innersten seines Herzen bald über, wenn die Zwecke nicht klar und groß vor aller Augen stehen. Der heutige Dienstag ist für Preußen, ja wohl für ganz Deutschland ein Volksfest im besten Sinne. Der erste unter Gleichen, der deutsche Kaiser, feiert mit seiner Gemahlin die Silberhochzeit und sein zweiter Sohn führt am selben Tage die oldenburgische Prinzessin als Gattin heim. Und so können wir denn in dieser Woche mit einem Glück- und Segenswunsche schließen,