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politische Kunclscbau. Die Wirre« i« Ruhland. * Der Zar befahl dem Minister deS Innern, unverzüglich Vorkehrungen zu treffen, damit die ReichSduma einberufen werden kann. Ferner wurde der Minister des Jnnem an- gewiesen, Sonderinstruktionen für die Ersatz wahlen auszuarbeiten. * Nachdem die russische Regierung die Gewiß heit erlangt, hat, daß die revolutionäre Bewe gung in Moskau und Petersburg nicht mehr gefährlich ist, und mit kleineren Truppenteilen weiter bekämpft werden kann, entschloß sich die Militärverwaltung, größere Truppenteile nach den Ostseeprooinzen zu entsenden, um zunächst die aufständischen Letten niederzuwerfen. Die aus verschiedenen Waffengattungen bestehende Militärmacht, unter dem Befehl des General majors Orlow, traf zu diesem Zwecke auf der Station Walk ein, um von hier aus den Feld- züg gegen die Letten zu beginnen. Trotz der Schwierigkeiten, mit welchen dieser Krieg verknüpft ist, hofft man in den beteiligten russischen Kreisen, daß der Aufstand in den Ostseeprovinzen bald unterdrückt sein wird, da Generalmajor Orlow über eine größere Macht, die aus Elitetruppen besteht, verfügt. * Die Nachrichten über die Zustände in Moskau schwanken; nach der einen Meldung sei die Revolution vollkommen niedergeschlagen und 15 000 der Empörer gefgllen; nach der andern seien die Truppen erschöpft und die Aufständischen Herren der Lage. Die Wahrheit dürfte in der Mitte liegen. Jedenfalls hat sich die Hoffnung der Empörer, daß die Truppen zu ihnen übergehen würden, nicht erfüllt. 7 * Die Zahl der Ausständigen in Petersburg beträgt 37000. Die Ein buße an Lohn, die die Ausständigen während der letzten Woche erlitten haben, beläuft sich am 528 000 Rubel. * Über O d e s s a ist infolge Unzuverlässigkeit der dortigen Garnison wieder der Kriegszustand Verhängt, worden. . ?Jn dem polnischen Städtchen Wysokie - Mazpwicchie (Gouvernement Suwalki) drang eine bewaffnete Bande in das Bureau der Kreus,kasse ein und raubte eine h alb e MillionRübel (mehr als 1V« Millionen Mark). ' Die Polizei flüchtete, Militär war nicht anwesend, nachdem die Leine Garnison jüngst nach Riga marschiert war. Die Kaffen- . tür wurde gesprengt. Nachdem die Kaffe aus geraubt .Par, flüchteten die Täter teils mit der Baku, teils zu Pferde. Ein Polizist wurde getötet, *Der deutsche Generalkonsul in Riga forderte sämtliche in seinem Amtsbezirk wohnende Schutzbefohlenen auf, sich sofort mit ihren deutschen Ausweispapieren zur Entgegen nahme einer Mitteilung im deutschen Konsulat zu melden. Eme gleiche Aufforderung erließ das österreichisch-ungarische Konsulat. * Eine Anzahl richterlicher Be amten im russisch-polnischen Gouvernement Plotzk wurde wegen Gebrauchs der pol nischen Sprache im Amtsoerkehr ihrer Stellung enthoben. * * * Deutschland. "Bei der Grundsteinlegung des Denkmals fü r die Sendlinger B au ernsch lacht sagte Prinz Ludwig von Bayern: »Das neue deutsche mächtige Reich ist «in Reich des Friedens, in keinen Krieg wurde es mehr verwickelt, und dem jetzigen Kaiser Wilhelm H. können wir nicht Dank genug schulden für sein bisher so erfolgreiches Streben, dem Deutschen Reich den Frieden zu erhalten, einen Frieden selbstverständlich nur in Ehren I* "Zur Beschäftigung eigener Kinder unter 10 Jahrdn hat der Bundesrat in Abänderung früherer Bestimmungen beschlossen, daß bis zum 31. Dezember 1908 in gewissen, nam-mlich ausgeführten Werkstätten eigene Kinder unter 10 Jahren unter folgenden Be- diugunaen beschäftigt werden dürfen.: .. 1) Die Kinder mMn das neunte Leben? jahr vollendet haben. 2) Die Kinder hälfen nur mit denjenigen Arbeiten beschäftigt werden, welche nach dem V-rzeiHniS für di« einzelnen Werkstätten ge stattet find. 3) Die Beschäftignng mit den einzelnen Arbeiten darf nur in denjenigen Bezirken statfinden, für welche diese Arbeiten nach dem Verzeichnisse zu gelassen find. 4s Die Beschäftigung darf nicht in der Zeit zwilchen 8 Uhr abends und 8 llhr morgens und nicht vor dem Vormittagsunterricht stattfinden; um Mittag ist den Kindern eine mindestens zwei stündige Pause zu gewähren; am Nachmittag darf die Beschäftigung erst eine Stunde nach beendetem Unterricht beginnen. — ES handelt sich bei den Werkstätten, bei denen die Arbeit von neunjährigen Kindern zugelassen ist, hauptsächlich um die Industrie der thüringischen Staaten, in erster Reihe um die Spielwarenindustrie, ferner um die Knovfindustrie des Regierungsbezirks Aachen, um gewisse Hilfs industrien im Königreich Sachsen und um das AuSvflücken von Krabben im Regierungsbezirk Schleswig. * Wie sehr das Interesse an der Flotte in Süddeutschland im Wachsen begriffen ist, zeigt u. a. auch der Umstand, daß im Herbst 1905 gegen 3000 junge Leute aus Süd deutschland in die Marine eintraten. Den stärksten Prozentsatz stellen, wie schon früher, die Reichslande. Auf der Nordseestation find unter 1472 Rekruten nicht weniger als 541 Elsaß-Lothringer. * Den Kaiser Wilhelm-Kanal haben im Monat November 1905 2725 Sch-ffe (gegen 2759 Schiffe im November 1904) mit einem Nettoraumrshalt von 551519 Register tonnen (1904 : 531200 Registertonnen) benutzt und, nach Abzug des auf die Kanalabgabe in Anrechnung zu bringenden Elblotsgeldes, an Gebühren 275 290 Mk. (1904: 273 675 Mk.) entrichtet. Österreich-Ungar«. * Trotz des Verbotes des ObergespanS drangen am Donnerstag die Oppositio nellen in Nagykaroly nach gewaltsamer Er brechung des Tores in das Komitathaus ein, um eine Versammlung obzuhalten. Die Eindringlinge, die vom Grafen Stephan Karolyi geführt wurden, wurden von seckz-g Gendarmen mit schußbereiten Gewehren zum Rückzug ge zwungen. Frankreich. * Die Pariser katholischen Blätter veröffent lichen Auszüge aus einem binnen kurzem er scheinenden Weißbuche des Vatikans. Das Weißbuch will zeigen, daß die Schuld an dem Bruche zwilchen dem Vatikan und der französischen Republik di« verschiedenen Ministerien seit Walbeck-Rousseau treffe. Unter andrem wird ein Brief des Papstes Pius X an Präsident Loubet vom 23. Dezember 1903 mitgeteilt, in dem erklärt wird, es habe den An schein, vast di« kirchenfeindlichen Maßnahmen der französischen Regierung nicht nur die Trennung von Kirche und Staat, sondern die Entchristlichung Frankreichs bezwecken. In ent schiedener Weiss wild sodann der Vorwurf zurückqewiesen, daß der Heilige Stuhl die französische Republik bekämpft habe. Ec habe im Gegenteil vieles zugunsten der Republik getan. Schließlich wird erklärt, daß Frankreich, wie übrigens auch die andern Mächte, auf Grund internationaler Verträge wobl das Recht des Protektorats tm Orient habe, aber die Möglichkeit, die Missionen andrer Nanonali- tä en, katholische Anstalten und eingeborene Christen zu beschützen, könne ihm tatsächlich nur durch den Wtllen des Heiligen Stuhles geboten werden. Spaaie«. "AuS Vigo wird berichtet, daß ein eng lisches G.schwader im Mai nach den spanischen Gewässern rammen werde. Dasselbe werde die königliche Jacht begleiten, an deren Bord König Eduard sich nach Spanien begeben werde, um der Vermählung der Prinzessin von Battenberg mit König Alfons beizu wohnen. Der König werde in Vigo landen und per Bahn nach Madrid Weiterreisen. * Die äußere Politik ist zur Zeit das Schmerzenskind der Spanier. In der Depu- kertenkammer mußte Ministerpräsident Moret zur Beruhigung erklären, daß tatsächlich kein Anlaß zu einer trüben Auffassung vorhanden wäre, um to weniger, als Spanien im Ein vernehmen mit Frankreich und England in der marokkanischen Angelegenheit handele. Moret führte weiter auS, daß seiner Rechnung nach zehn Jahre ausreichend sein würden, um die spanischen Streitkräfte zu Wasser und zu Land« zu reorganisieren; er kündigte an, daß der Plan zu dieser Reorganisation bei Beratung des nächsten Budgets zur Vorlage kommen würde. Balkartstaate«. * Mit der Vertretung seiner Interessen in der Türkei hat Norwegen Deutsch land betraut. » 'M», ^-^77777717777-^^1. , Aus Oeu scd-9ü äwe staffikL. Nach seiner Ankunft in Swakovmund stattete der neue Gouverneur von Südwestafrika, v Lindeguist, der dort angelegten Herero- werft einen Besuch ab, wohin sämtliche Firmen und Private die bei ihnen in Dienst stehenden HereroS gebracht hatten. Der Gouverneur be trat einen erhöhten Platz, wo er von sämtlichen Gefangenen, mehreren Hundert au der Zahl, gesehen weichen konnte, und hielt an sie eine Ansprache, die vom Missionar Vedder Satz für Satz ins Otjiherero übersetzt wurde. Sie hatte der ,Deutsch-Südwestaft. Ztg/ zufolge etwa folgenden Wortlaut: HereroS! Ich bin kein Unbekannter unter euch. Manche unter euch haben mich schon früher in Windhoek kennen gelernt. Nun hat m'ch der deutsche Kaffer gesandt, um als Nach folger des Herrn Gouverneurs Leutwein die Regierung des Landes zu übernehmen. Es hat mich mit tiefem Schmerz erfüllt, als ich von eurem Aufstande gegen die deutsche Re gierung hörte. Ihr hastet keine Ursache dazu. Ihr alle wulstet, daß Herr Gouverneur Leut wein stets ein offenes Ohr für euch hatte, und daß jeder in ihm einen gerechten Richter fand. Daß euer Volk jetzt zerstreut ist, daß so viele im Gend umgekommen find, daß ein Teil eurer Häuptlinge über die Grenze gegangen ist, daß ihr selbst euch in der Gefangenschaft be findet, das ist eure eigene Schuld. Ich bin aber gesonnen, euch nicht immer als Gefangene zu behandeln. Ihr sollt wieder frei werden außer denen, die sich an den Ermordungen von Farmern und Händlern beteiligt haben. Diese werden ihre gerechte Strafe tragen. Ich kann euer Los aber nicht eher erleichtern, als bis der Widerstand eurer übrigen Volksgenossen, die sich noch im Felde befinden, aufhörk. Habt ihr Gelegenheit, so schickt ihnen Botschaft, daß sie sich ergeben. Eine gerechte Behandlung ist ihnen zugefichert. Je eher sie sich stellen, je eher wird eure Gefangenschaft beendigt sein. Bestimmte Versprechungen kann ich euch für die Zukunft noch nicht machen, das aber sage ich euch, daß ein jeder, der sich gut beträgt, auch gut behandelt werden soll. Und sollte es vor- lommen, daß jemand ungerecht behandelt wird, o steht euch der Weg zu dem Henn Haupt mann und dem Herm Major offen. Sie werden euch hören, eure Sache untersuchen und euch Gerechtigkeit widerfahren lassen. Habt ihr ms alles verstanden? — Antwort: Em- timmiges »Ja". Gebt ihr zu, daß ihr den Krieg grundlos angefangen und daß ihr an eurem gegen wärtigen Unglück selbst schuld seid? — Ant wort: ^a, wir wissen es." — Habt ihr da Vertrauen zu mir, daß ich euch stets mit Ge- rechtigkert und Wohlwollen regieren werde? — Antwort: »Ja, wir vertrauen dir." Dann grüße ich euch jetzt als der Gesandte des deutschen Kaisers. Betragt euch gut uud es wird euch wohl gehen. * * * Der Kommandobefehl des Generals v. Trotha, durch den er den Oberbefehl tbrr die Schutztruvpe niederlegt, ist von Keet- mansboop, 8. November datiert und lautet nach den .Windhoeker Nachr.' wie folgt: »Auf Befehl Sr. Majestät des Kaisers und Königs ege ich dss Kommando der Schutzlruppe für Deutsch-Südwsstafrika nieder, in Vertretung ibernimmt dasselbe Oberst Dame. — Reiter! Etnundeinhalbes Jahr haben wir zusammen gefochten, geritten, gehungert und gedurstet. Jeder setzte sein Leben ein, wann und wo es von ihm gefordert wurde, keiner fragte danach, was ist morgen aus mir geworden. D« Herero-Aurstand ist als beendigt anzusehe». Wenn eS auch noch nicht gelungen ist, die Hottentottenstämme vollständig zu vernichte«, ooer sie zur Unterwerfung durch Abgabe t« Waffen zu bringen, so ist das nicht eure Schuld. Ihr habt als tapfere, deutsche Sol daten eure beschworene Pflicht getan, und dies werde ich Sr. Majestät dem Kaiser und König erneut melden, wenn ich nach Hause komme. Den mir Allerhöchst verliehenen Orden paar I« mörit« trage ich nur ausschließlich für jeden einzelnen von euch als ältester Reiter der Schutztntppe, und werde es nie vergessen, daß ich diese Auszeichnung nur eurer Aufopferung und Todesverachtung verdanke. Ich rufe euch zum Abschied die Worte unsres größten deutsche« Dichters Schiller zu: Im Felde, da ist der Mann noch wa» wert. Da wird das Herz ihm gewogen, Da tritt kern andrer für ihn ein, Auf sich selbst steht er da ganz allein! Darum frisch auf, Kameraden! Auch aus das müde Pierd. Tut unermüdlich eure Pflicht, ohne Rücksicht auf das eigene Leben! Nur so ist dieser Krieg zu Sude zu führen. ES lÄe Seine Majestät der Kaffer und König! Hurra! gez. v. Trotha.* W i 78» Von und fern. Graf Viickler z« Festungshaft be- g«adigt. Die im Frühjahr vom Landgericht in Berlin erfolgte Verurteilung des Grafe« Dückler-Klein-Tschirne wegen Aufreizung zum Klassenhaß zu 6 Monat Gefängnisstrafe wurde auf sein Gnadengesuch in eine Festungshaft von gleicher Dauer umgewandelt. St« Einbruch in die Klante des Ein siedlers auf dem Staffelberg (welcher Posten jetzt von dem Eremiten Antonio bekleidet wird) wurde am Weihnachtsheiligabend während deS Frühgottesdienstes verübt. Dem unbekannten Täter fiel eine sehr wertvolle Beute, bestehend aus Bargeld und seltenen alten Münzen in die Hände. Ans Nahrnngssorqe« steckte sich der Steinmetz Schmidt in Neuhof, Regierungs- dezirkt Erfurt, eine Dynamitpatrone in den Mund und brachte diese zur Explosion. Schmidt wurde völlig zerrissen. Sin Duell zwischen zwei Offiziere«, den L-utnams Florian und Mecklenburg vom 112. Jiffanterie-Regiment zu Mülhausen, fand auf dem Habsheimer Exerzierplatz statt. Leut nant Mecklenburg erhielt einen Schuß ms Bein und wurde ins Lazarett gebracht. Begnadigung. Der Kausmannslehrfing Georg Kunert aus Liegnitz, der bei einer Revoiverspielerei seinen Kollegen, Paul Paetzold, erschossen hatte und dafür zu sechs Monat Ge fängnis verurteilt war, wurde begnadigt. Beim Schlittschuhlaufen ertrunken. In Stempleiß bei Werdau brachen auf dem so genannten Römerteich eine Anzahl Kinder beim Schlittschuhlaufen ein; fünf Knaben ertranken. ' Ungetreuer Stadtkasfierer. Die Ver untreuungen des in Untersuchungshaft nach Darmstadt abgeführten Spar- und Stadtkaffeu- rechn-rs Altvater in Babenhausen stellten sich nachträglich als bedeutender heraus, al» zu Anfang angenommen wurde. Aus der Spar- und Darlehpskaffe allein wurde schon ein Fehl betrag von etwa 51000 Mk. festgestellt, obwohl man mit der Prüfung der Bücher erst bis zu« Jahre 1903 gekommen ist. Auf das Vermögen Altvaters wurde Beschlag gelegt, dessen Ge- chäft gerichtlich geschloffen undderKonkurs erklärt. Das Schloff der Saugeri« Barvi eis geäschert. Wie aus Riga berichtet wird, wurde das Haus der berühmten Liedersängerin Mce Barbi in Stomerffe, Livland, von Aus ländischen eingeäschert. Das Schloß enthielt eine große Menge kostbarer Kunstschätze und eine sehr wertvolle Bibliothek. Alice Barbi, >le sich mit ihrer Familie in Riga amhält, bat cho» vor einigen Tagen in Petersburg um militärische Hilfe. Als die Soldaten in Stomerffe eintrafen, war das Schloß bereits ein Trümmerhaufen. O Vie Vauern-öruukiläe. 18j Erzählung aus d. bayrischen Bergen v. M. Neal. »Jatzt g'hörst g'wiß mei," sagte Lroni, »i hab' di redli vadeant." Und voller heißer, inniger Liebe hatte sie sich dann an ihn gelehnt, und er hatte sie ge küßt und ihr geschworen, nie vergessen zu wollen, was sie an ihm getan habe. So find sie an manchem Abend beisammen gesessen und habe» alles für die tommende Hochzeit besvrochen. Heute sollten sie -um erstenmal tu der Kirche aufgeboten werden und auf wenige Wochen später war der Tag festgesetzt, an dem st« ihr ersehntes Ziel erreichen und am Altar für dieses Leben verbunden werden sollten. Broni sah eS nicht gern, wenn Gottfried in die Küche kam »Was suachst denn, Friedl?' fragte sie den eben Eingetrctenen, während fie die Pfanne mit dem kochenden Schmalz, tu dem wirbelnd braune Nudeln schwammen, vom Feuer wegzog. »Da in der Kuchel ist koa Luft für di/ »Ich möchte mich nützlich machen, Lroni," gab der junge Mann zurück, »dieses Nichtstun macht mich melancholisch." Du muaßt di schona," erwiderte di« Bären- Wirtin, »dei Kraft iS no' net so beinand', daß d' scko jede Arbeit tuan konntest." »Das will ich auch nicht, aber die Hände in den Schoß legen, das halte ich nicht länger aus." »Guat, äs' hol' in de zwoa groß'u Srüag an Wein vom Keller rauf und trag'n in d' Schent'," sagte Boni. »Aber langsam und vor- ficbtig, net daß da Wieda waS zuaziehgst." Mit diesen Worten reicht« fie ihm den großen Schlüsselbund. Und Gottfried ging. Er, der frühere flotte Student, hantierte da im Keller, ließ vom Faß den Wein ab, schnitt Brot zurecht, al» ob er nie etwa» andere« getan hätte. Er hatte sich schnell und mit Geschick in seine neue Rolle alS künftiger Besitzer des »Grauen Bären" hiuein- gefunben. Auf dem kleinen Friedhof des Ortes ssand ganz hart an der Kirche an einem irischen Grab- Hügel, den nm eiu einfaches Holzkreuz schmückte, ein aller, gebrochener Mann. Die Trän«, liefen ihm über die runzeligen Wangen und durch die graumelierten Haare fahr der Herbstwind. Sr hatte einen Buschen leuchtender Vogelbeeren auf daS Grab gelegt. Wer nicht genau hin sah, der hätte in der gebeugten Gestalt kaum wieder den reichen Suntherer erkannt. Wie verändert war der einst so kräftige, lebensfrohe Mann. Die erste schreckliche Nacht hatte auS ihm einen gebrechlichen Greis gemacht. Feuchten Auges wandte er seinen Blick hinweg vom Grabe zu den Bergen, die mtt ihren Nebel schleiern zu ihm herüberwinkien wie gute Be kannte. als wollien fie tröstend sagen: »Gräme dich nicht, die Vergänglichkeit alles dessen, was uns lieb und teuer ist, teilst du mit jedem. Auch wir, die wir für die Ewigkeit geschaffen scheinen, verwittern langsam, Stein um Sieiu, selbst vor unsern granitenen Wänden macht die Vernichtung nicht Halt, was weinst du also, klein«, schwach« Mensch?" Äuntherer dachte jetzt an die, deren ver kohlte Überreste man hin unt« diesem Hügel zur ewigen Ruhr gebettet hatte. Hi« schläft sie, die in der kurzen Zeit ihres Leben» so viel Schmerz und Kumm« «dulden mußte, dn Bauer fuhr sich mit sein« Mütze über die Augen. Als er jetzt auffchaute, bewerft« « über di« Kirchhofsmauer weg die Gerüststangev eines fast bi» zum Dache gediehenen Baues. Es war sein Hof, d« auS dem Schutt ne« und schöner «stehen sollte. Warum ließ er nicht alle-, wie e» wär, warum schuf « sich ein neues Heim, das « fteudelos beziehen wird? Für wen baute n den Gunthererhof wieder auf, da sie, der alles einmal zugute kommen sollte, nicht mehr ist? Er hatte niemand mehr auf d« Well — — niemand, da fiel ihm Gottfried «in. Ein Erfühl der Umuhe kam üb« ihn. Die Recherchen dn Polizei nach dem Täter des Mordversuches an Gottfried waren erfolg, lob geblieben. Nichts lenkte den Andacht auf GunHerer. Uud als man kurz nach dem Feuer, daS nach allgemeiner Anschauung gelegt worden war, den Lenz« Sepp m einer Scheune erhängt aufgefunden hatte mtt einem Zettel in d« Lrsche, d« keinen Zweifel darüber ließ, daß dn Sepp d« Brandstifter sei, da stellte man die Untersuchung wegen jener Schusses vollständig ein. Man setzte diese Tat ein-ach auch auf daS schwer belastete Konto deS Selbst mörders, daS war daS naheliegendste und einfachst«, man brauchte keinen andern z« suchen und die lästigen Recherchen, die des Gendarmen so viele Laufereien verursachten, hätten auf. Unwillkürlich warf der Bauer einen Blick nach dem Hinteren Winkel de» K rchhofeS, wo man den Lenzer Sepp ver scharrt hatte. Mit ihm schien auch GunthererS Verbrechen begraben. Ab« sein Gewissen halt« man nicht mit begraben können. Das regt« und rührte sich jetzt doppelt, wo « am Grab« TraudlS stand. Er hatte zwar gebeichtet, trotz dem aber fand « nicht Ruhe und Raft. Jetzt legte ihm jemand die Hand auf di« Schulter. Erschrocken drehte sich Gunther« um. Dn alle P'arrer stand neben ihm. »Gunther«, ich weiß ja, WaS dich drück ," sagte d« Geistliche, aus dessen freundliche« Gesicht H«,ensgüte und Liebe blickte. »Glaub« mir, ich habe in den harten Jahren meine» LebevS manchen Kampf da drinnen durchzu« wachen gehabt. Meine Seele trägt zahlreich« Narben von den Wunden, die mir dus Schick sal geschlagen hat. Ab« ich habe mich immer wird« selbst gefunden, weil ich den Glaube« an wich niemals verlor." »Sei ma' mir mess Liebstes g'nomma hat/ antwortete Gunther«, „und es da unta de« Grabhügel g'legt hat, seit ma' Sie, die i g«» g'habl hab', mir g'ftohl'u hat, damit'S mit as andern an' Altar geht, hab' i aller Vertrau«« <u mr' oerlor'n." Der Pfarr« schüttelte mißbilligend daS weiße Haupt. »So spricht nm ein«, der unsern Herrgott da oben verleugnet. Nein, Gunther«, tu tx«