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Die „Vttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners, tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich 1 Mark. Durch die j)ost bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bi» vormittag W Uhr. Inserate werden mit W Pf. für die Sxaltzeile berechnet Tabellarischer Satz nach be. sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühl« in Groß-Okriüa. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Nr. 2 Mittwoch» den 3. Januar 1906 6 Jahrgang. Oertliches und Sächsisches Viterdorf-Vkrilla, den 2. Januar 1906. — Bauernregeln Mr den Monat Januar, Ist der Januar warm und naß, bleibt leer das Faß. — Ein gelinder Januar bringt Kälte im Februar. — Morgenrot am 1. Tag, Unwetter und große Plag'. — An Fabian und Sebastian (20.) soll der Saft in die Bäume gähn. — Ist Pauli Bekehrung (25.) hell und klar, so hofft man auf ein gutes Jahr. — Wenn die Tage langen, kommt der Winter gegangen. — Tanzen im Jannar die die Mucken, muß der Bauer nach dem Futter gucken. — Ein schöner 'Januar nicht naß, füllt sich Winzers Faß. — Januar warm, daß Gott erbarm. — Wenn Grae wächst im Januar, wächst es schlecht im ganzen Jahr. — Nebel im Januar, macht nasses Frühjahr. — Sind die Flüsse klein giebt es guten Wein. — Januar muß vor Kälte knacken wenn die Ernte soll gut sacken. — An Vinxenzi (22.) Sonnenschein, bringt viel Korn und Wein. — Am 10. Januar Sonnen schein, bringt viel Korn und Wein. — Wie das Wetter am St. Vinxent war (22.), wird es sein das ganze Jahr — Schönes Wetter bring Gewinn, merk dir das in deinem Sinn - St. Paul (10.) schön mit Sonnenschein, bringt Fruchtbarkeit an Getreid und Wein. Königsbrück Auf dem Gefechtsschieß platz bei Königsbrück wird vom 8. bis 17. Januar das Jnfanlrieregiment Nr 103 ba- tallionweise VorvereitungS- und Gruppen schießen abhalten. An dem Schießen beteiligen sich nur Mannschaften des zweiten Jahr ganges. Dresden, Die Straßenbahn ist in den Besitz der Stadt übergegangen, so daß nun mehr, nachdem die Deutsche Straßenbahn be reits am 1. Juli städtisch geworden ist, der gesamte Dresdner Straßenbahnbetrieb der städtischen Verwaltung untersteht. Nach dem mit der Dresdner Straßenbahngesellschaft ab geschloffenen Vertrage werden sämtliche Beamte und Bedienstete unter ihren bisherigen An stellungsbedingungen in städtische Dienste über nommen. Demzufolge wurden vorgestern Herr Straßenbahndirektor Clauß und die oberen Beamten der Dresdner Straßenbahn von Herrn Oberbürgermeister Geh. Finanzrat Beutler für den städtischen Dienst in Pflicht genommen. Daran schloß sich die Verpflichtung des Kanzleipersonals und der Betriebs- und Werkstätten - Beamten, Die Direktion der Städtischen Straßenbahn besteht nunmehr aus den Herrn Stadtrat Dr. Kretzschmar und dem Direktoren Clauß und Sloeßner. Die Ge schäfte der Städtischen Straßenbahn werden in dem bisherigen Direktorialgebäude der Dresdner Straßenbahngesellschaft Georgplatz 3, I. Etg. weitergeführt. Das bisherige Bureau anf der Ostra Allee ist mit dem anf dem Georgplatz vereinicht worden. Aus Anlaß des Besitzwechsel trugen die Straßenbahnwagen aller Linien Fahnenschmuck. Meißen Durch den dichten Nebel, der am Donnerstag über den Elbtale lagerte, hat te die Schiffahrt arg zu leiden. Die Dampf schiffe waren gezwungen, mit weniger als halber Kraft zu fahren und mußten in ganz kurzen Zwischenräumen Signale mit der Dampfpfeife geben. Die Brücke in Niederwartha konnte nur so durchfahren werden, daß das Schiff nur ohne Majchinenkraft schwamm. Auch die Meißner Brücke mußte aus dem Nebel gesucht werden und wurde erst in kur zer Entferung entdeckt. An der Spitze des Schiffes hielten Bootsleute scharfen Ausguck- Das Schiff vom Vormittag fuhr überhaupt nur bis Niedermuschütz, die Fahrgäste wurden auf das mittags nach 2 Uhr dort eintref fende übergesetzt das aber nur bis Riesa sei ne Fahrt wagen wollte. Diesem Schiffe be gegnete in der dritten Stunde das erste an diesem Tage bergwärt» fahrende Schiff, es war aber auch das letzte. Wer nun nach Meißen zurück wollte, hatte daß Vergnügen stolz zu Fuß zu wandern. Röderau Ein Eisenbahnunfall ereignete sich am Donnerstag zwischen hiesiger Stat- tion und Jakobsthal. Der Personenzug 289 welcher vormittags 8 Uhr in Falkenberg an kommen soll, war wegen Achsenbruch liegen geblieben. Von hier aus wurde in Falkenberg eiu Hilfsgerätewagen angefordert.Die Reisen den wurden von Schnellzug 51 ausgenom men. Als ein Glück ist es zu betrachten daß niemand von den Passagieren verletzt wurde denn der betreffende Wagen wurde am Boden demoliert Durch den, durch die Entgleisung herbeigeführten Ruck, wurden die Fahrgäste in diesen Wagen zu Boden geschleudert, eben so der die Fahrkarten revidierende Beamte. Dem Zuge folgtebaldein Schnellzug, während von der andern Seite ein Güterzug kommt. Hätten hier — da beide Gleise durch den verunglückten Zug gesperrt waren — alle Beamten ihre Pflicht nicht äußerst pünklich und gewissenhaft erfüllt, so wäre großes Un glück die Folge gewesen. Oschatz. Als am Freitag ein Arbeiter die Bergung eines in der Döllnitz ertrunkenen Arbeitskollegen bewerkstelligen wollte, sah er zu gleicher Zeit den Körper eiuec Frau auf sich zntreiben. Es gelang ihm, auch diesen zu landen und die sofort angestellten Wieder belebungsversuche erwiesen sich erfolgreich. Die Verunglückte, die man am Leben zu erhalten hofft, ist eine 89jährige Greisin, die früher im Armenhause wohnte. Da sie fast ganz erblindet ist, ist sie vermutlich das Opfer eine» Unfalles geworden. Leipzig- Einen furchtbaren Kampf hatte in der WelhnachtSnacht der Arbeiter Obst zu bestehen. Auf dem Wege von Wahren nach Böhlitz-Ehrenberg wurde er plötzlich von zwei anderen Arbeitern überfallen die ihn seines Geldes berauben wollten. Er rang über eine halbe Stunde mit den Angreifern die ihm die Kleider vom Leibe rissen und ihm zahlreiche Messerstiche beibrachten. Sie ver mochten aber den über herkulische Kräfte ver fügenden Mann nicht zu überwältigen und ergriffen die Flucht. Buchholz. Durch die Entschlossenheit eines jetzt dreizehn Jahre allen Knaben, Namens Paul Münch, sind im Juli aus dem hoch an geschwollenen Sehmaflusse ein siebenjähriges Mädchen und ein vierjähriger Knabe vom Tode des Ertrinkens gerettet worden. Diese mutige Tat des KnabenS, der in den Fluß sprang und die Rettung der auf dem Wasser treibenden Kiuder herbeiführte, ist jetzt von höchster Stelle aus belohnt worden. Se. Majestät der König hat dem Knaben die Ehren-Rettungsmedaille verliehen, die nebst Königlichem Verleihungsdekret am Weihnachts heiligenabend an Ratsstelle von Herrn Bürger meister Schmiedel in Gegenwart des Herrn Schuldirektor Bartsch, des Klaffenlehrers des KnabenS, seiner Eltern und mehrerer seiner Klassenbrüder überreicht worden ist. Nach zurückgelegtem 21. Lebenjahre steht es dem Ausgezeichneten frei, den Umtausch der ihn jetzt verliehenen, nicht tragbaren Medaille gegen die tragbare Lebensrettungsmedaille nach zusuchen. Chemnitz. Das hiesige Krematorium wird dicht am neuen Friedhof zu Chemnitz errichtet Durch den Gesetzentwurf vom 21, Dezember, betreffend die Leichenoerbrennung, ist be kanntlich unter anderem bestimmt, daß Kre matorien nicht in der Nähe von Kirchen und Kirchhöfen errichtet werden dürfen. Da eine derartige Bestimmung von dem neuen Gesetz entwurf zu erwarten war, hatte sich der hiesige FeusrbestattungSversin beeilt sich die Erlaubnis vom Landeskonsistorium zum Bau des Kre matoriums am neuen Friedhof noch kurz vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes zu er werben. Auf diese Weise konnte fünf Tage vor dem Erscheinen des Leichenverbrennungs- Gesetzentwurfes der erste Spatenstich zum Krematorium getan werden. Da das Gesetz keine rückwirkende Krast besitzt, so läßt sich die gegebene Erlaubnis zum Bau unseres Kre matoriums nicht Medr zurückziehen. Dippoldiswalde. Auf dem hiesigen Bahnhofe ist am Freitag ein Kaufmann aus Freiberg dadurch verunglückt, daß er bei dem Versuche, noch auf den abend, 10 Uhr 25 Min. von hier nach Hainsberg abfahrenden Perso nenzug aufzuspringen, zum Falle kam nud dabei nicht unerheblich verletzt wurde Zittau. Am ersten WeihnachlSfeiertage wurde bei Ebersbach der Tagearbeiter Robert Wollmann aus Ebersbach erschlagen aufgefunden Der Tagearbeiter Wedrich und der Grundstück besitzer Stübner wurden als des Mordes ver dächtig verhaftet. Sie sind geständig. Wedrich lebt im Konkubinat mit der Frau des Bruders des Erschlagenen. Schandau. Einem längst vorhandenen Bedürfnis, in unmittelbarer Nähe des Schrammsteingebirges Unterkunft und Ver- pflegung zu finden, ist durch die Eröffnung der Schrammstcinbaude nunmehr abgeholfen worden. Das Etablissement macht in seiner Bauart einen vorzüglichen Eindruck, hat eine größere Anzahl Fremdenzimmer und dürfte sich bald viele Freunde erworben haben. Aus der Woche. Die Dichter haben Wiederum ihre Schuldig keit getan und das neue Jahr angesungen. Sie haben es beim Jahreswechsel bequemer wie beim Frühlingsbeginn, denn das erstere tritt mit dem Datum ein, während die Frühlingsgedichte oft genug altbacken werden, ehe sie auf die poesiedurstige Menschheit loS- gelaffen werden können. Das neue Jahr be ginnt mit der neuen Woche, das ein reines Schreibheft mit zweiundfünfzig leeren Wochen seiten ist. Was werden wir da alles hinein zutragen haben. Daß es nicht nur Gutes ist, wissen wir im voraus, denn wir leben in der Welt und nicht im Himmel. Die der Mensch heit im neuen Jahre bevorstehenden Fatalitäten lassen sich aus den traurigen Rückständen er kennen, die uns das Jahr 1905 hinterlassen hat. Da ist zunächst Rußland mit seinen blutigen Wirrnissen, deren Beginn sich am 22. Januar jährt. Jenseit der blau-weißen Grenzpfähle schießt die schlimme Saat einer jahrhundertelangen Mißwirtschaft üppig in die Halme. Seit der Ermordung Alexanders II, waren die Regierenden eifrig bemüht, alle Ventile der ständig überheizten Maschine ge waltsam zu schließen und so lange die Keffel- wände hielten, nach außen hin den Glauben zu erwecken, daß alles in bester Ordnung sei. Jetzt ist der Kessel geborsten, Blut fließt aus allen Bruchstellen, Pulverdampf steigt aus verschiedenen Stellen empor. Kesselflicker der mannigfachen Art sind an der Arbeit hier zu reparieren, was noch zu retten und zu re parieren ist, und kurz vor dem Jahresschluffe ruft noch ein Wahlmanifest des Zaren fast die gesamte Nation zur Mitarbeit auf. Die Grenzen der Wahlberechtigung sind sehr be deutend erweitert worden und man darf sagen daß die Wünsche der Intelligenz und der Liberalen, wenn auch nicht die der Radikalen erfüllt sind, Nichts auf der Welt entwickelt sich sprungweise; auf den blutigen Radikalismus der großen Revolution in Frankreich folgten keineswegs wesentlich gebesserte Zustände, sondern zunächst einmal der Korse, der nicht nur seinen verehrten Landsleuten, sondern ganz Europa seine Kanonenstiefel auf den Nacken setzte. Hätte man sich 1789 auf be sonnene, wenn auf tiefgreifende Reformen be schränkt, so wäre dem Lande die Schreckens herrschaft und die napoleonische Reaktiou er spart geblieben. Aber die Völker lernen leider nichts aus der Geschichte und so steht für d^ neue Jahr zu befürchten, daß in Rußland d" Schrecken weiter herrscht, daß die Zustände d"' selbst noch trostloser werden und mfolgedesff" auch die notwendigen Reformen, die der Z" zugestanden hat, nicht praktisch werden könne"' In Oesterreich-Ungarn haben dir Dinge no^ bei weitem nicht die Schärfe angenommen w" im russischen Nachbarreiche, aber schlimm genM stehen die Dinge erstens durch die ungarisch* Krise, die nächstens auch ihr einjähriges Be' stehen feiern kann und sodann, baß die Ein' sührung des allgemeinen Wahlrechts als em Sieg der Straße auögelcgt werden kann, ob wohl in Wien die Massenkundgebungen m geradezu musterhafter Ordnung verlaufen sind. Für wen sorgt der alte Herr, der die öster reichische Kaiserkrone und gleichzeitig die Krone Arpads trägt. Für sich? Er ist einige siebzig Jahre all und führt seit siebenundfünsjlg Jahren das Zepter; sein einziger Lohn Hal durch Selbstmord, seine Gattin durch die Hand eines verücklcn Italieners den Tod gefunden. Sein Thronfolger lebt in morganatischer Ehe, wie mehrere Angehörige seines Kaiserhauses. Für wen säet also der greise Kaiser? — Frankreich wird im neuen Jahre unter den gewaltigen Einwirkungen des Trennungsgesetzes manche Erschütterung durchzumachen yadeu Am 16. Januar, zwei Tage vor der Eröffnung der Marolkokonferenz in Algeciras, soll ein neuer Präsident der Republik gewählt werden: bald darauf folgen die Kammer- und Senaloren- wahlen. Neue Männer streben heran, die ab gebrauchten treten in den Ruhestand — In England finden wir erfreulicherweise auch oie in Deutschland vielfach heroortretende öffentliche Meinung erstarken, daß ein besseres Verhältnis zwischen den genannten beiden Ländern ge schaffen werden muß und daß keine vernünf tigen Gründe gegen eine solche Besserung streiten. Nachdem dort 70 Jahr« lang eine Frau auf dem Thron gesessen, die sich zeit ihres Lebens wenig um die Politik gekümmert hat, ist ihr der Sohn, in den Sechzigern stehend, gefolgt und will sich noch bewahren. Das ist vielleicht der innere Grund der seit Jahren schon erkennbaren Erschütterung der guten Beziehungen zwischen England und Deutschland, für welche die deutsche Flotten- Vermehrung nicht als stichhaltig angesehen werden kann. — In unsern beiden Kolonien in Südafrika haben sich die Verhältnisse ge bessert und im Westen herrscht so ziemlich die Ruhe eines Kirchhofes. Allerdings werden nochmals 32 Millionen Mk. gefordert. Aber wir haben A gesagt und sind dann ein ganzes Stück in das Alphabet hineinmarschiert, als daß wir jetzt plötzlich Schluß machen sollten. Vor allem aber ist zu wünschen, dag tue schlimmen Lehren, die uns der Ausstand der Hereros und WitboiS gegeben haben, mcht auf steinigen Boden fallen, sondern nn ferneren Verlauf unsrer Kolonialpolitik wohl beherzigt werden mögen. So gehen wir denn in das getrost neue Jahr ohne durch die Zeitverhäliuiffe und Zeitgeschichte in allzu sanguinische Hoffnungen gewi.gl zu werden, aber der festen Hoffnung, daß es dem Deutschen Reiche und seinen Verbündeten im neuen Jahre gelingen werde den Völlerfrieden zu erhallen. Das aber ist für die Kulturwell die Hauptsache: denn das deutsche Volk hat Arme, die sich zu regen gewohnt sind im sriedlichen Wettkampf der Völker. Und diese Arme mehren sich Sind doch nach der neuesten Volkszählung allein im letzten Jahre allein 800000 Armpaare dazu gekommen, zu denen allerdings auch je ein Mund gehört, D»r erforderliche Mehrbedarf muß herbeigeschasst werden und darum im Jahre I9o6 frisch und unverzagt an die Arbeit-