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2824 PAPIER-ZEITUNG. No. 103 Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Mitarbeiterund Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung. Eingesandte Werke finden Besprechung. Fernphotographie. In Nr. 92, Seite 2503 nahmen wir von einer Neuerung Vermerk, welche der Photographie ein neues Gebiet zu eröffnen verspricht. Es handelte sich um eine von Dr. Adolph Miethe ausgearbeitete Linsenkombination, welche es ermöglicht, klare und scharfe Aufnahmen grösseren Maasstabs aus weiten Entfernungen zu machen. Heute sind wir in der Lage, ein Beispiel von der Leistung dieser Erfindung zu geben. Fig. 1 zeigt eine Aufnahme mit gewöhnlichem aplanatischem Objektiv in etwa 350 Meter Entfernung von der hinten sichtbaren massiven Brücke. Fig. 2 zeigt eine Aufnahme von demselben Standort, aber unter Anwendung von Dr. Miethe’s Fern-Objektiv. Die Stellung des Apparats war nicht verändert, nur die Objektive waren getauscht worden; das nun entstandene Bild zeigte daher den mittleren, in Fig. 1 mit kräftigen Linien umrahmten Theil der ersten Aufnahme in erheblich vergrössertem Maasstab. Die Dauer der Belich tung ist uns leider nicht bekannt. Fig. 1. Diese und andere bereits vorliegende Leistungen der Fernphoto graphie bieten der Phantasie Stoff zur Ausmalung einer Zeit, in welcher das Fern-Objektiv in die Hände der Liebhaberphotographen kommt. Alles, was dem Opernglas zugänglich ist, wird dann auch der Kamera unterthan. Die meuchlings aufgenommenen Bilder kosender Pärchen, deren Beschleichung, trotz aller gelungenen Witze unserer humoristischen Zeichner, in der Praxis doch recht schwierig ist, wird künftig ein Kinderspiel sein, sofern nur, — was freilich von den Bedrohten schon jetzt instinktiv vermieden wird, — das nöthige Licht da ist; die Badeverwaltungen werden im Interresse der Damenwelt die Photo- graphir-Schusslinie noch erheblich weiter vom Strande abrücken müssen, und das Niederwalddenkmal, das aus bisher unergründeten Gründen nicht photographirt werden darf, wird als schönste Sieges beute von einem Binger Kirchthurm aus mitgenommen werden können. Einen gewaltigen Aufschwung wird die Ballon-Photographie nehmen, und der Aufklärungsdienst, welchen sie im Felde zu leisten vermag, wird an Bedeutung gewinnen. All diese phantastischen Vorstellungen sind dem Bereich der Möglichkeit keineswegs entrückt, denn der Erfinder, ein sehr tüchtiger Kenner der photographischen Optik, ist überzeugt, dass ein grund sätzliches Hinderniss, den Fernobjektiven die zu Momentaufnahmen erforderliche Lichtstärke zu geben, nicht vorhanden ist. Mayer & Müller. Die hartnäckigste aller derjenigen Buchhändlerfirmen, welche sich den Rabatt-Bestimmungen des Buchhändler-Börsenvereins nicht fügen, ist die Firma Mayer & Müller in Berlin. Die Gewährung hohen Rabatts galt ihr als Geschäftsgrundsatz, und sie ging hiervon nicht ab, als der Börsenverein im Jahre 1889 in seinen Satzungen die öffentliche Ankündigung von Rabatt verbot und bestimmte, dass der höchste Rabattsatz, welchen Sortimenter ständigen Abnehmern berechnen dürften, 5 pCt., in gewissen Fällen 10 pCt. sei. Der Börsenverein wendete gegen Mayer & Müller alle ihm zu Gebote stehenden Zwangsmaassregeln an, als da sind: 1) Entziehung des Börsenblatts und der übrigen Drucksachen des Börsenvereins, 2) Zurückweisung von Börsenblatt-Anzeigen, 3) Entziehung des Rechts, selbst oder durch einen Kommissionär Abrechnung im Buchhändlerhause zu bewirken, 4) Verweigerung jeder Beförderung von Schriftstücken durch die Bestellanstalt im Buchhändlerhause, 5) Einstellung der Sortiments-Lieferung seitens der Mitglieder des Vereins Leipziger Kommissionäre, 6) Aufforderung an alle Verleger, der Firma nichts mehr zu liefern. Er konnte aber nichts ausrichten. Die rabattfreundliche Firma wurde arg in die Enge getrieben, es fiel ihr schwer, einzelne Aufträge auszuführen, sie konnte oft nur durch Vermittelung gefälliger Geschäftsfreunde liefern und musste auf manches Geschäft ganz verzichten, — aber sie gab nicht nach. Im Frühjahr 1889 reichten Mayer & Müller gegen die damaligen Vorstandsmitglieder des Börsen - Vereins, Herren Paul Parey und Fig. 2. Müller-Grote, beide in Berlin, Klage ein und beantragten wegen Beeinträchtigung ihres Geschäftsbetriebes einen Schadenersatz in Höhe von 1600 M. und 27899 M. 79 Pf. Sie behaupteten, die Maassnahmen des Buchhändler-Börsenvereins liefen der Gewerbefreiheit und den guten Sitten zuwider, und durch die im Börsenblatt und in Rundschreiben oft wiederholte Bezeichnung »grundsätzliche Schleuderer« werde ihr Kredit beeinträchtigt und ihre kaufmännische Ehre gekränkt. In zwei Instanzen abgewiesen, erzielten sie beim Reichsgericht insofern eine theilweise Anerkennung ihrer Forderungen, als dieses Gericht in der Aufforderung des Börsen Vereins, ihnen nichts mehr zu liefern, eine rechtswidrige Handlung erblickte und die Sache zur nochmaligen Verhandlung in die Berufungsinstanz, d. h. vor das kgl. Kammergericht zu Berlin, zurückverwies. Dieses entschied jetzt, dass diejenigen Maassnahmen des Börsen vereins, welche vor der Statutenänderung getroffen waren, gerecht fertigt seien, die nachher getroffenen aber nicht. Als rechtswidrig wurde auch hier die Aufforderung an die Verleger bezeichnet, der Firma M. & M. nichts mehr zu liefern, und die Drohung, dass etwaige Vermittler indirekten Bücherbezugs dieselbe Strafe verwirken würden. Die Verpflichtung der beklagten Vorstandsmitglieder zum Schadenersatz, dessen Höhe inzwischen auf 2100 M. ermässigt war, wurde anerkannt. Auf Revisionsantrag der Herren Parey und Grote kam die Sache nochmals vor das Reichsgericht. Die Revision derselben wurde zurück-