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No. 40. PAPIER-ZEITUNG. 935 Die Hälfte dieser Zeit wird jedoch, wie schon erwähnt, für die Vorarbeiten verbraucht, so dass für’s Feinmahlen nur noch 3 Sekunden bleiben. Hieraus folgt, dass ein Stoff von genannter Zusammensetzung nur 3 Sekunden lang einer fortdauernden Mahlung ausgesetzt zu sein braucht, um nach Wunsch zerfasert zu werden, wie es in einer Stoffmühle der Fall ist. Will man diese Mahlzeit verlängern, so kann man es bei einer Kegelmühle: 1) durch den stärkeren und geringeren Einschub der Walze, 2) durch die Zu- und Abführung des Stoffes, 3) durch die grössere Verdünnung, oder dickeren Eintrag des Stoffes im Mischholländer. Bei allen holländerähnlichen Maschinen, die zum Feinmahlen bestimmt sind, möge nun der Stoff von und nach oben, oder umge kehrt, kreisen, wird die für den Umlauf verbrauchte Kraft verschwendet. —r— Berichte unserer Korrespondenten. Fortsetzung zu Nr. 31. Sioux City, April 1890. Allerlei Nachträge. Zum Kapitel von »Etwas Gedrucktem« ist nachzutragen, dass die papierne Influenza fortfährt, in ihrem pestartig marktschreierischen Rasen frische Makulaturauswürfe über die Verkehrs weit zu ergiessen, während die pathologische Influenza auf ihrem Zuge vom atlantischen Ozean über die ganze Breite der Vereinigten Staaten längst ganz still im Stillen Ozean untergetaucht ist. Wann es mit dieser Papier verschwendung ein Ende nehmen wild, ist schwer zu sagen. Weit entfernt, seit meinem September-Bericht irgendwie eine »weichende Tendenz« zu zeigen, ist die planlose Produktion von »Etwas Ge drucktem« vielmehr schon bis zur Sinnlosigkeit gesteigert, und be stätigt aufs neue den Satz, dass der Yankee, am Ende seiner Weis heit angelangt, grössere Thorheiten begeht, als irgend ein anderer Menschenschlag. Es darf als sicher angenommen werden, dass von allem, was in den Vereinigten Staaten gegenwärtig gedruckt wird (Bücher und Zeitungen mitgerechnet), die Hälfte in dem Augenblick schon Maku latur ist, wo es die Presse verlassen hat. Sehr vorsichtig urtheilende Geschäftsleute bestätigen diese Ansicht nicht bloss, sondern gehen noch bedeutend weiter, indem sie behaupten, dass das Verhältniss noch ganz gesund zu nennen wäre, wenn die Makulatur-Ziffer wirk lich nur 50 pCt. betrüge. Nach Ansicht einzelner Fachleute kann man sogar schon 90 pCt. Makulatur auf 10 pCt. wirklich Gelesenes rechnen. Man pflegt beim Anblick eines kraftstrotzenden Büffels wohl zu sagen: Wenn solch ein Thier seine Kraft kennte, was vermöchte es für Unheil anzurichten! Mit ebensoviel Logik darf man sagen: Wenn der Mensch die »wohlthätige« Macht der Presse bezähmte, bewachte, welches Unheil könnte er verhüten! Die gegenwärtige Sachlage sieht nämlich einem Unheil schon verzweifelt ähnlich. Nicht nur laufen wir Gefahr, in der Ueber- fluthung von »Etwas Gedrucktem« zu ersticken, sondern es liegen deutliche, greifbare Anzeichen dafür auf der Hand, dass die papierne Influenza in ihrem Rasen schliesslich, in entgegengesetzter Richtung wie ihre Vorgängerin, nach Europa überspringen und sich dort austoben wird, wenn nicht die bis zum Verderben in einander aufge gangenen Elemente »Papier und Druckerschwärze« auseinandergerissen und ihr ferneres Zusammenwirken auf das Maass des Vernünftigen zurückgedrängt werden kann, wofür angesichts des Weltjahrmarktes wenig Aussicht vorhanden ist. Die amerikanische Papierproduktion war, soweit Rotations-, Zeitungs- und Buchdruckpapier unter 10 Cents (40 Pf.) in Betracht kommt, seit zehn Jahren auf den Export förmlich hingedrängt. In allen Sätteln gerecht, wenn es seine einzigen und untheilbaren Ver einigten Staaten betrifft, ist der Yankee ein Stümper, sobald er vor der Frage der Export-Technik steht. Der beste Beweis hierfür liegt schon in der einen Thatsache, dass die reichen Viehbarone des Westens protzenhaft genug waren, zu glauben, ein altes, wohl geordnetes, streng ökonomisch verwaltetes Gemeinwesen wie das Deutsche Reich lasse sich das amerikanische Büchsenfleisch für seine Armee auch dann noch gefallen, wenn der Viehbaron in seiner hamsterhaften Geldwuth aus dem U längst ein X gemacht, und von dem kontraktgemässen Büchsenfleisch nur noch die mit »Etwas Ge drucktem« beklebte Fleischbüchse kontraktgemäss zu liefern als »gut genug für die Deutschen« befunden hat. Wer so schlecht über seinen überseeischen Kunden unterrichtet ist, kann deswegen immer noch ein guter Krämer sein und als solcher einen Millionenschnitt machen; er wird aber niemals, selbst nicht mit allem Gelde der Welt, auf die Dauer ein legitimes Exportgeschäft aufrecht zu erhalten vermögen. I Im Lande der Freiheit und Gleichheit trifft wenigstens das Eine zu, dass Viehbaron wie Papierbaron gleich unfähige Exporteure sind. Nur dieser Unfähigkeit ist es zuzuschreiben, dass der Yankee nicht schon seit 1879 Europa mit seinem Papierüberschuss über schwemmt hat. 1880 brachte man den künstlichen Aufschlag zu Stande, der indessen nach der für solche Operationen »üblichen« Lebensdauer von zwei Jahren nur in eine um so wildere Verkaufs wuth umschlug. Heute ist an eine gemeinsame Regulirung der Preise schon deshalb nicht mehr zu denken, weil die Sondererzeuger und die Fabrikanten der »Standard grades« bis zu 12 Cents hinunter in einer so vortrefflichen Weise konsolidirt und dabei doch Herren ihrer Entschliessungen sind, dass sich um die Erzeuger geringerer Waare von 10 Cents abwärts niemand stark kümmert, während diese selbst schon allen Glauben an Preisvereinigungen ohne Trust auf- gegeben haben. Für einen offenen Trust ist aber »nicht genug Geld drin«, für einen heimlichen Trust die Presse ein zu gefährlicher Kunde. Wir haben nicht zu viel gutes Papier, sonst wären die Preise dafür nicht so hoch wie sie sind. Wovon wir zu viel haben, das ist das Papier des grossen Haufens, für den hier seit dem Bürgerkrieg selbst das Schlechteste gut genug sein muss, wenn der grosse Haufe es nicht besser haben will, obwohl er dafür bezahlen könnte. Es werden monatlich, gering gerechnet, 30 Millionen Pfund Papier für den grossen Haufen zu viel erzeugt, die nach irgend einer Richtung abgeschoben werden müssen, sollen die weniger be mittelten Papiermühlen nicht zu Grunde gehen, worauf es die besser bemittelten, immer unter demselben republikanischen Wahrspruch von amerikanischer Freiheit und Gleichheit, ehrlich und redlich ab gesehen haben, während die Sondererzeuger ein solides Geschäft machen und sich ihres Lebens freuen. Alle übrigen Bedingungen zu einer Ueberfluthung Europas, mit Ausnahme der Handelstechnik, sind vorhanden. Die Preise sind längst exportfähig, die Frachten geradezu verlockend und das Kapital um so williger, je grösser und sicherer der in Aussicht stehende Schnitt sich ihm darstellt. »Nur kein Kleinigkeitskram!« heisst’s beim Grosskrämer. Rotationsdruck wird nicht nur schon zu 4 Cents (16 Pf.) frei bis an die Presse, sondern unter Bedingungen geliefert, die eigentlich schon Verdingungen zu nennen sind. Das vom amerikanischen Schleuderer erfundene neue handelswissenschaftliche »Verfahren« »you make your own price!« (Sie machen Ihren eigenen Preis, d. h. der Käufer bestimmt den Preis), fängt an sich zu rächen. Nicht allein nimmt der Lieferant alle sich ergebende Makulatur, soweit sie nicht ölig ist, zum Fakturapreis zurück, sondern er ist in seiner sklavenhaften Kriecherei um die Lieferung schon so tief gesunken, dass die Zahlung nicht mehr nach Maassgabe der abgelieferten Mengen, sondern nach Maassgabe des Verbrauchs geregelt wird, wobei der Bogenzähler an der Presse im gegenseitigen Einverständ- niss als unpartheiischer Faktor zur Berechnung dieses Verbrauchs anerkannt ist. (Beiläufig ein weiteres Beispiel für die Reichhaltig keit der grossen Liste automatischer »Vertrauenspersonen«.) Wie billig Zeitungsdruck sein muss, kann man am besten daraus schliessen, dass das Pfund auf einer Seite bedruckten Zeitungspapieres (Inseiten) schon zu 6 Cents (24 Pf.) geliefert wird. Die der Papier-Zeitung vorliegenden Probenummern vom »Waverly Democrat« können hierfür sowohl als Papier- als auch als Druckprobe gelten und stehen in beiden Richtungen bedeutend über dem Aller billigsten. Wenn also der garnicht schlechte Aufdruck von 14 Spalten des mannigfaltigsten, mitunter recht annehmbar illustrirten Lese stoffes den Preis des unter den obwaltenden Umständen gut zu nennenden Papiers nicht höher bringt als 24 Pf., — was mag es dann erst ohne Aufdruck kosten? Man rechnet hier in Zeitungsfabriken für den Druck einer Form 1 Dollar bis 1 Dollar 50 Cents für das Tausend. Da nun 1000 von den in Rede stehenden Zeitungen 100 Pfund wiegen, so ergiebt sich, dass schon die Zeitungsfabriken, also die zweite Hand, für ihre wöchentlichen Lieferungen an die Herausgeber der Wochenblätter, deren Auflage selten ein Tausend übersteigt, das blosse Papier nicht höher als 41/2 bis 5 Cents (18 bis 20 Pf.) anschlagen. Dabei haben sie sich noch mit der Genauigkeit eines Uhrwerks um die rechtzeitige Absendung, sowie um gute Ver packung, entsprechende Buchführung, namentlich aber darum zu kümmern, dass der bewegliche, unberechen- und unfassbare, wenn auch ehrliche ländliche Zeitungsherausgeber nicht zu sehr mit seinen Zahlungen in Rückstand kommt. Alles für ein Geschäft von 312 Dollar im Jahr bei 52 Sendungen. Herrliche Aussichten! Illustrationsdruck ist geradezu erstaunlich billig. Herr Louis Lange in St. Louis, ein Buchdrucker vom alten Schrot und Korn, erhält das Papier für seine »Abendschule« (wovon Hefte 1 und 2 des laufenden Jahrganges der Papier-Zeitung vorliegen) frei an die Presse zu 6 Cents das Pfund (48 Pfennig das Kilo) geliefert. Die Qualität