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No. 38. PAPIER-ZEITUNG. 887 leidet, geben wir nachstehend die wichtigsten Stellen des Druck schreibens wieder. Für das wucherische, durch Mehrausgaben der Zechen in keiner Weise begründete Emportreiben der Kohlenwerthe giebt der Ver fasser in dem Rundschreiben folgende brieflich ergänzte Beispiele: Harpener Aktien, die seit 5 bis 6 Jahren keine Dividende bezahlt haben, die jahrelang 68pCt. standen und 1887/88 endlich 21/, pCt., 1888/89 6 bis 612 pCt. erzielten (seit 8 Jahren im Durchschnitt also stark 1 pCt.), wurden nach bedeutender Kapitalserhöhung bis zum 6. Januar 1890 auf 3291/2 pCt. hinauf geschwindelt, um dann Ende März auf 203 pCt. wieder zu sinken, also um mehr als den ganzen Nennwerth. Bochumer Gussstahl, bei welchem ebenfalls nach bewährtem Muster das Kapital schnell bedeutend vermehrt wurde, stand 1876/77 nur noch 261/2 pCt, zahlte mehrere Jahre keine Dividende und war nach Ausgabe der neuen Aktien, Anfang Januar ds. Js, auf 289 pCt. hinaufgeschwindelt. Ende März sanken die Aktien wieder auf 163 pCt., in der kurzen Zeit also eben falls um viel mehr als den ganzen Nennwerth der Aktien, wovon allein 211/2 Millionen vorhanden sind. Nach der »Kölnischen Zeitung« waren neulich die Kuxen der Kohlen zechen Centrum von 975 Mark auf 10 500 Mark, Concordia von 425 auf 6300, Blumenthal von 700 auf 4150, Graf Bismarck von 2950 auf 13 500, Elisabeth von 3400 auf 10 500, Friedrich der Grosse von 1600 auf 6300 Mark hinaufgeschwindelt. Dann bilden sich Konsortien, welche die sämmtlichen Kuxen zu diesen und noch höheren Sehwindelpreisen übernehmen und neue Aktion-Gesellschaften daraus machen, diese Aktien dann abermals zu 140 und 150 an die Börse bringen und so den Werth einer Grube abermals im Handumdrehen um 3—4 Millionen Mark erhöhen und diese durch Ausgabe der Aktien (oder richtiger ausgedrückt der Schwindel- oder Scheinwerthe) mühelos einstreichen. Gerade dies unmoralische Treiben die Staatsbürger, welche die Aktien kaufen, auszuplündern, ohne dass derjenige, der die Millionen in seine Tasche spielt, vom Strafrichter erreicht werden kann, fördert am allermeisten die Sozialdemokratie und steigert die Ansprüche der Bergleute immer mehr. Während vor einem Jahre der Preis für mittlere und gute Kesselkohlen, die ja für unsere deutsche Industrie speziell in Betracht kommen, 45 bis 50 M. für den Doppelwaggon von 200 Gentnern ab Zeche war, verlangen heute die Zechen für Abschlüsse vom 1. Juli 1890 an 140 und 150 M., — ein Willkürpreis, der jedem Eingeweihten klar vor Augen legt, dass dies zum Ruin unserer ganzen Exportindustrie führen muss und auch die einheimische Industrie bis ins Innerste erschüttert und lahm legt. Schon heute ist es einem grossen Theile unserer Industriellen, die gegen Wasserkraft im Auslande und im Inlande zu kämpfen haben, bei den jetzigen theilweise noch halb so hohen Kohlen preisen nur mit äusserster Mühe möglich, die erdrückende Wasserkraft- Konkurrenz auszuhalten. Auf dem ausländischen Markte sind sie schon viel fach ganz verdrängt, und jeder denkende Mensch wird einsehen müssen, was es für Deutschland bedeutet, auf dem so mühsam errungenen Weltmärkte verdrängt zu werden, und auch die inländische Industrie gerade wie in den Jahren 1873 -1876 durch ganz denselben Schwindel abermals lahm gelegt zu sehen! Wie tief einschneidend die ganze Preisbewegung auf unser ganzes wirth- schaftliches und soziales Leben und alle Einrichtungen wirken wird, mag an nachstehendem Beispiel, der Wirklichkeit entnommen, gezeigt werden. Alle Industriellen ohne Ausnahme haben den grossartigen sozialen Unternehmungen unsers unvergesslichen Kaiser Wilhelm I. freudig zugestimmt und ebenso ohne Murren die pekuniären Opfer, die ihnen durch Unfallbeiträge, Kranken kassenbeiträge, Arbeiterversicherung usw. erwachsen, freudig geleistet. Bei der zu unserm Beispiel in Betracht kommenden rheinischen Fabrik machten die Ausgaben seither insgesammt 1800 Mark für das Jahr. Diese Fabrik braucht 750 Doppelwaggon Kohle jährlich, zahlte voriges Jahr 50 Mark für den Waggon ab Zeche, soll aber von jetzt an 145 Mark für den Waggon zahlen, Differenz 95 X 750 = rund 70 000 Mark mehr für Kohlen in einem Jahre! Diese Fabrik arbeitete seither hauptsächlich für Export, meist nach England, gegen riesige Konkurrenz der Wasserkräfte Norwegens und Schwedens; sie kann keinen Pfennig für ihre Waare mehr bekommen und ist vor die Nothwendigkeit gestellt, wenn sie solche Preise anlegen muss, in 2 bis 3 Monaten ihre beiden Anlagen zu schliessen und ihre Arbeiter zu entlassen. Aehnlich steht es mit ganzen Kategorieen von Industriellen. Die Kölnische Zeitung bringt in dem Beiblatt zur Abendausgabe Nr. 107 vom 18. April den Geschäftsbericht des Kölner Bergwerk-Vereins für 1889, welcher nachweist, dass die mit so viel Lärm verkündeten Lohn-Erhöhungen die Selbstkosten der Kohlen nur um 9,02 Prozent und den Selbstkostenpreis für die Tonne von 4 M. 2 Pf. in 1888 auf 4 M. 70 Pf. in 1889 steigerten. Hierzu kommen noch 43 Pf. Steuern und Bergwerkslasten: macht zusammen 5 M. 13 Pf. — Und die Industrie soll nun für 1890,91 den dreifachen Wucher- preis bezahlen und ruinirt werden? — — Zeche Margaretha des Aplerbecker Aktien-Vereins sagt im Geschäfts bericht für 1889, dass sicli durch Mehrförderung die Selbstkosten in 1889 noch um 2,64 pCt. niedriger gestellt hätten als 1888! Auch die Landwirthschaft leidet durch diesen Schwindel, denn dadurch sind die Löhne auf eine Höhe getrieben, welche die Landwirthschaft nicht tragen kann, wenn sie mit Ehren bestehen soll, und äusser den erhöhten drei fachen Kohlenpreisen muss sie auch das Eisen, wovon sie für Fuhrwerke, Pflüge, landwirthschaftliche Maschinen usw. so viel verbraucht, fast doppelt so theuer bezahlen als früher. Dem Handel und der Industrie wird durch die hohen Zinssätze, welche die Börsenspieler lange Zeit für Prolongationen (Kostgeld) bezahlten, auch das Geld sehr vertheuert, und so leidet fast jedermann durch dies wahnsinnige Börsenspiel, das schlimmer ist als das Roulette in Monaco. Frankreichs Papier-Industrie. Die in Nr. 33, Seite 764 erwähnten, vom. »Conseil superieure du commerce et de l’industrie« an die Korporationen der französischen Gewerbetreibenden gerichteten Fragen sind theilweise auch in anderem Sinne beantwortet worden, als in den in Nr. 33 angeführten Gut achten der Syndikate. Der »Moniteur de la Papeterie franaise« veröffentlicht in seiner letzten Nummer einen Brief, in welchem Herr Alexandre Dambricourt dem Vorsitzenden der »Union des Fabricants de papier« zu Paris, Herrn J. Codet, seine Anschauungen über jene Fragen mittheilt. Herr Dambricourt ist der Ansicht, dass Halbstoffe aus Holz frei eingeführt werden müssten, und dass die Zölle 20 pCt. vom Werth der Waaren nicht überschreiten sollten. Für die Mehrzahl der eingeführten Erzeugnisse empfiehlt er 10 bis 20 pCt. Er macht ferner auf einen Punkt aufmerksam, welchen weder die fragestellende Behörde noch die Syndikate berührt haben: nämlich die Einfuhr von Kohlen. Er sagt: Auf Kohlen darf kein Einfuhrzoll erhoben werden. Kohle ist ein Roh stoff, den jede Industrie braucht, dessen Preis gegenwärtig an sich schon hoch ist und nicht noch künstlich in die Höhe getrieben werden darf. Die »statistische Gebühr« von 10 Centimes für die Tonne genügt vollauf, und es liegt im Interesse aller Gewerbtreibenden, Kohle so billig wie möglich zu beziehen. Mehrere französische Handelskammern haben sich für Erneuerung der Zollverträge erklärt. Sie empfehlen, die Erneuerung so zeitig erfolgen zu lassen, dass die neuen Verträge sofort in Kraft treten können, wenn die alten abgelaufen sind, so dass keine Zwischenzeit den vertragschliessenden Mächten Gelegenheit giebt, unter sich andre Abmachungen zu treffen. Das Syndikat derStrohpapierfabrikanten des »Cercle regional de Lyon« beschloss, dass auf Grund der gegenwärtigen theuren Kohlen preise der Preis von Strohpapier um 1 Franken auf je 100 kg erhöht werden soll. Berichte unserer Korrespondenten. Aus Kanada. Montreal, April 1890. Kanada ist ein in Deutschland, Oesterreich und der Schweiz fast unbekanntes Land. Ich will deshalb versuchen, mit amerikanischer Kürze Ihren werthen Lesern einige Begriffe von diesem Lande zu geben und alles hervorzuheben, was besonders für das Papierfach brauchbar und beachtenswerth sein kann. Der Flächenumfang Kanadas ist grösser als der von Europa. Die Einwohnerzahl beträgt 6 Millionen. Durch den Sault-St. Marie- Kanal, welcher den Superior-See mit Michigan- und Huron-See ver bindet, gingen im Jahre 1889 mehr Tonnen Schiffsfracht in 7 Mo naten durch, als durch den Suez-Kanal in 12 Monaten. Montreal (offen 7 Monate) hat dauernde Verbindung mit Deutsch land durch die Dampfer - Linie »Hansa«: Hamburg—Antwerpen— Quebec—Montreal. Im Winter legen die Schiffe statt in Montreal in Halifax an. Seit den letzten 5 Jahren ist dieC. P. R., die Kanadische Pacific-Eisen bahn, fertig, und der Handel gestaltete sich, nach dem parlamentarischen Blaubuche, einem amtlichen Schriftwerk, welches aus leicht begreif lichen Gründen nicht Jedermann zugänglich ist, folgendermaassen: Jahr Einfuhr in Dollar Ausfuhr in Dollar Bemerkungen 1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 Die An 86 489 747 87 911458 105 330 840 98 290 823 119 419 500 | 102 137 203 132 254 022 II 98 085 804 116 397 043 91406 496 108 941 486 89 238 361 104 424 561 85 251 314 112 892 236 89 515 811 110 894 630 | 90 203 000 Zolleinnahmen betrugen im D vorstehenden Zahlen war Deutsch Die Zahlen für Einfuhr- Güter stellen sich immer 5 — 7 Millionen Dollar geringer für solche Güter, die nicht im Lande selbst aufgebraucht werden. Das Rechnungsjahr läuft vom 1. Juli bis 30. Juni. irchschnitt 20 pCt. and folgendermaassen betheiligt: Jahr Einfuhr in Dollar Ausfuhr in Dollar Bemerkungen 1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 449 791 934 266 1480 004 1 1809 154 ll 1 975 771 2 121 269 2 155 523 । 3 235 449 3 364 563 82 237 84 932 153 114 133 697 195 575 264 075 253 298 437 536*) 198 534 Ausgeführt werden: Holz, Vieh u. Getreide, Phosphatsalze, Butter, Käse, Aepfel, Kartoffeln und Eier. *) Seitdem in Deutschland die Lebensmittelzölle erhöht wurden, ist keine solche Ziffer mehr vorgekom men, und die Dampfer bringen ihre Ladung in englischen und belgischen Häfen unter.