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830 PAPIER-ZEITUNG. No. 35. Auskünfte. Die Firma W. Schimmelpfeng in Berlin hat den Bericht über die Thätigkeit ihrer »Auskunftei« im Jahre 1889 ausgegeben. Er ist sachlich und gut geschrieben und enthält mancherlei Interessantes für die Geschäftswelt. Von Interesse für weitere Kreise ist z. B. folgender Fall: Der Subdirektor einer Versicherungs-Gesellschaft hatte auf die geschäft liche Anfrage eines Cigarrenfabrikanten über einen in Elberfeld ansässigen Agenten der Gesellschaft die Auskunft gegeben: »Wir würden dem L . . . . einen Kredit von 300 M., auch noch mehr gewähren«. Auf diese Auskunft hin waren 341 M. 70 Pf. kreditirt worden, und der Fabrikant hatte nach fruchtloser Zwangsvollstreckung beim Schuldner gegen den Subdirektor auf Schadenersatz geklagt. Das Landgericht in Erfurt hatte die Klage kostenpflichtig zurückgewiesen; das Oberlandesgericht in Naumburg aber erkannte auf Schadenersatzpflicht. Diese im Sommer v. Js. erfolgte Entscheidung hatte eine grosse Beunruhigung der Geschäftswelt zur Folge. Eine grosse Magdeburger Firma z. B. beantwortete an sie ergehende Anfragen mit folgendem gedruckten Formular: Das Oberlandesgericht Naumburg hat in einer Entscheidung vom 6. Juni er. der Verantwortung des Kaufmanns, welcher eine Auskunft ertheilt, eine so grosse Ausdehnung gegeben, dass ich mich nicht mehr entschliessen kann, mit einer Auskunft über Kredit-Verhältnisse zu dienen. Ich bitte, diese noth- wendige Vorsichts-Maass regel nicht als Mangel an Gefälligkeit zu betrachten. Aus den Entscheidungsgründen des erwähnten Erkenntnisses er geben sich folgende Auffassungen: 1. Das Oberlandesgericht Naumburg hält es für statthaft, dem Beweis der eingetretenen Insolvenz, festgestellt durch fruchtlose Zwangsvollstreckung, ohne weiteres auf sieben Monate rückwirkende Kraft zu verleihen, so wenigstens, dass derjenige, der den späteren Eintritt der Insolvenz behaupten will, dafür seinerseits den Beweis zu erbringen hätte. Es heisst in den Entscheidungsgründen: »War also L. ... zu dieser Zeit (13.,3. 1888) völlig vermögenslos, und hat der Beklagte weder unter Beweis gestellt, noch auch nur behauptet, dass und unter welchen Umständen diese ungünstige Vermögenslage erst nach der von dem Beklagten ertheilten Auskunft sich entwickelte, so muss für erwiesen gelten, dass dieselbe auch bereits sieben Monate zuvor, am 15. August 1887 bestanden hat.« 2. Das Oberlandesgericht fügt zu dieser juristischen Fiktion noch die moralische Anforderung hinzu, dass ein Kaufmann sich niemals über den Zeitpunkt in Unkenntniss befinden dürfe, in welchem der jenige, mit dem er geschäftliche Beziehungen unterhält, zahlungs unfähig wird. Eine solche Unkenntniss soll immer nur als Folge eines groben Versehens zu gelten haben. Im Anschluss an den vorstehend angeführten Satz fährt nämlich das Oberlandesgericht fort: »Hiervon musste aber der Beklagte bei seinen eigenen geschäftlichen Be ziehungen zu L . . . . Kenntniss haben. Liess er sich diese Kenntniss aus Unachtsamkeit entgehen, so machte er sich bereits hierdurch in seinen ge schäftlichen Beziehungen zu L . . . eines groben Versehens schuldig.« 3. Das Oberlandesgericht findet in den Worten »wir würden einen Kredit von 300 M., auch mehr gewähren« eine Auskunft, welche, trotz ihrer subjektiven Fassung, unbedingt verantwortlich macht, denn, so sagen die Entscheidungsgründe: »Dass es sich hierbei etwa nur um die für Dritte nicht maassgebenden besonderen Beziehungen L ... .’s zur Gesellschaft gehandelt haben sollte, ist nicht ersichtlich gemacht und auch nicht anzunehmen, weil eine that- sächliche Kreditgewähr seitens des Beklagten oder der Gesellschaft nicht in Frage stand, sondern es sich nur darum handelte, wie weit der Kläger seinerseits in derselben gehen konnte. Die vom Beklagten ertheilte Auskunft war hiernach also absoluter Natur.« 4. Das Oberlandesgericht erklärt endlich, dass die Annahme einer gescbäftsfreundlichen Anfrage ohne weiteres ein »kontraktliches Verhältniss« schaffe, das den Befragten, wenn er nicht schon genügend unterrichtet sei, zu eingehender und gewissenhafter Eikundigung ver pflichte, und es fand ein grobes Versehen darin, dass Beklagter seine Auskunft ertheilt hatte, »ohne zuvor den Verpflichtungen, welche ihm nicht bloss seine Stellung als Kaufmann und Subdirektor, sondern auch, abgesehen hiervon, der Zweck der Anfrage und Auskunft auf erlegte, durch eine eingehende und gewissenhafte Erkundigung ge nügt zu haben.« In der Presse, wie auch seitens kaufmännischer Körperschaften hat es nicht an lebhaften Protesten gegen diese Ausführungen und die darauf gegründete Verurtheilung des Verklagten gefehlt. Insbesondere hat die Erfurter Handelskammer, ihr folgend auch die Osnabrücker, sich mit der Angelegenhait beschäftigt. In. der Resolution der ersteren wird dem Urtheil zum Vorwurf gemacht, dass es »eine tiefe Kluft in die kaufmännischen Anschauungen reisse und die so nöthige kaufmännische Auskunftsertheilung überhaupt gänzlich in Frage stelle.« »Damit ähnliche Urtheile künftig unmöglich würden,« fordert die ersterwähnte Handelskammer im Interesse der Handelswelt, »dass die Richter in Städten, wo keine Handelsgerichte bestehen, zu veranlassen seien, in zweifelhaften Fällen kaufmännische Fachkreise zu Rathe zu ziehen.« Nach Ansicht der »Auskunftei« ist jedoch das Urtheil des Naum burger Oberlandesgerichtes der Natur der Dinge so widersprechend, dass die Besorgniss vor einer Wiederholung derartiger Entscheidungen kaum gehegt zu werden braucht. Der Bericht spricht die Ueber- zeugung aus, dass in einem zweiten ganz gleichen Fall das Ober- landesgericht in Naumburg selbst anders erkennen werde. Dagegen liegen in diesem Erkenntniss zwei Wahrheiten aus gesprochen, welche es in hohem Grade verdienen, von der Geschäfts welt nicht übersehen, sondern recht ernstlich beherzigt zu -werden: 1. Indem das Oberlandesgericht jeden Irrthum bezüglich der Zahlungsfähigkeit eines Kunden als Folge einer groben Unterlassungs sünde betrachtet, geht es zwar zu weit, aber es legt damit eine in unseren Tagen sehr angebrachte Verwahrung gegen die verbreitete Unsitte ein, Kredit zu geben, ohne sich zuvor über die Verhältnisse der Kunden eine genügende Kenntniss verschafft zu haben, und einmal angeknüpfte Verbindungen fortzusetzen, ohne sich auf dem Laufenden zu erhalten. 2. Das Oberlandesgericht hat vollkommen Recht, die dienstfertige Bereitwilligkeit, mit der mancher selbst Unbekannten Auskunft er theilt, als leichtfertige Ausstellung von Kreditzeugnissen anzusehen, wenn und insoweit dabei über die Mittheilung bekannt gewordener Thatsachen hinausgegangen wird. Mit beissender Ironie bemerkt es in dieser Beziehung: »dass es nur gewöhnlicher Fähigkeiten und keiner anstrengenden Aufmerksamkeit bedürfe, um sich eines im kaufmännischen Verkehr zum Zweck eventueller Kreditgewähr er betenen Zeugnisses zu enthalten.« -m8 2 9 e * für Couverts, Etiquetten etc. fertigt als Specialität [45094 K. Weber, Werkzeugfabrik, Berlin S., Sebastianstrasse 4. Fabrik und Lager von bewährten [47245 Kraftübertragungs-, Verdichtungs-, Isolir- und Schmiermitteln, Apparaten etc. Künneth & Knöchel, Magdeburg, haben den Alleinverkauf und halten grosses Lager der, hinter keinem englischen oder deutschen Conkurrenzfabrikat zurückstehenden prima Haarriemen (auch getheert, für feuchte u. schwierige Betriebe besonders zu empfehlen) erzeugt von The Rossendale Belting Compy, Manchester. Künneth & Knöchel, Magdeburg- Telegr.-Adr.: .Fabriklager, Magdeburg“. Fernsprecher No- 450-