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716 PAPIER-ZEITUNG. Na 31 Berichte unserer Korrespondenten. Aas Amerika. Sioux City, la., 22. Februar 1890. Die Leser der Papier-Zeitung werden vcn dem amerikanischen Berichterstatter in nächster Zeit so viel Neues und für die euro päische Exportindustrie Erfreuliches zu hören bekommen, dass ich es angezeigt finde, mit dem älteren angesammelten Stoff (vom Dezember her) unter dem Titel »Allerlei Nachträge« gründlich aufzuräumen. Zum Kapitel der »Substantiellen Geschäftskarten« wäre bezüglich des in Nr. 10, Seite 209, redaktionell beschriebenen Brieföffners nach zutragen, dass es mir bei dem gänzlichen Zurücktreten der ameri kanischen Fabrikanten noch nicht möglich gewesen ist, die Herstellungs weise und den Preis dieses Artikels festzustellen. Alles, was ich sagen kann ist, dass die »Chicago Printing Ink Co.«, die mit Tau senden von Zeitungsverlegern, Papierhändlern,Notaren, Rechtsanwälten, ja sogar Aerzten und Apothekern ihre Geschäfte macht, bereit sein würde, eine Anzahl zum Kostenpreis zur Verfügung der sich dafür interessirenden Bezieher der Papier-Zeitung zu stellen, falls es ge schehen kann, ohne dass sie damit irgendwie Zeit verlieren müsste. Für den Fall, dass vielleicht hundert solcher Brieföffner zusammen bestellt werden könnten, würde die Firma ihren nächsten Auftrag um diese Zahl erhöhen und direkt von der Fabrik an mich zur Weiter beförderung nach Berlin absenden lassen. Bei diesem Anlass würde die Fabrik dann von selbst bekannt gegeben, während es mir ohne direkte Veranlassung nicht zusteht, mich nach der Adresse zu er kundigen. Ueber den Preis des Brieföffners kann ich auch deshalb heute nichts sagen, weil der nächste Auftrag der erwähnten Firma voraussichtlich so viel kleiner sein wird, als alle bisherigen, dass ein wesentlicher Preisunterschied gegen früher die Folge sein dürfte, weil solche Sachen hier bei aller Originalität nur Eintagsfliegen sind. Die Zeit steigt hier jeden Tag im Preise. Wer Antwort auf einen Brief erwartet, muss jetzt schon für jede einzelne Angelegenheit (Anfrage, Verlangen von Mustern, Verlangen von Preisen usw. usw.) einen besonderen Brief schreiben, sonst riskirt er, dass aus einem Briefe mit verschiedenen Anfragen aus verschiedenen Gebieten nur diejenige Frage beantwortet wird, deren Erledigung demjenigen Beamten der »Schreibstube« zufällt, an den der Brief vom »Letter Opener« (Brieföffner aus Fleisch und Bein) zunächst verwiesen wird. Ich komme auf die moderne Einrichtung der amerikanischen Schreibstube, die mit der ehrwürdigen Kanzlei, wie sie uns etwa aus Gustav Freitag’s »Soll und Haben« noch vorschweben möchte, nichts mehr gemein hat, später zurück. Die auch in Deutschland vortheilhaft bekannte, nach rein ameri kanischem System geleitete Advokatur-Firma von Hermann Marckworth in Cincinnati, 0., sandte mir zu Händen der Papier-Zeitung einige ihrer Löschbüchel (Biotter Books), die für deutsche Begriffe mit enormen Kosten hergestellt sind. Ich bin aus Gründen, welche ich der Redaktion dargelegt habe, so sehr in meiner Zeit bedrängt, dass ich es, wie beim vorerwähnten Artikel, der Redaktion der Papier- Zeitung überlassen muss, nähere Beschreibung des hübschen Gegen standes zu geben. (Das Biotter Book ist ein schmales, längliches Heftchen mit Abschnitten von verschiedenfarbigem Löschkarton. Das Deckblatt, welches mit den Löschkartonblättchen durch eine Metallklammer ver bunden ist, besteht aus Celluloid und zeigt auf der Vorderseite Hoch glanz, auf der Rückseite Gewebe-Musterung. Der Druck auf die glänzende Seite erfolgte in 3 Farben: Schwarz, Roth, Blau, und die Ausstattung macht einen sehr günstigen Eindruck. Was die Be stimmung dieses Heftchens anlangt, über welche unser Korrespondent sich nicht äussert, so scheinen die Löschkarton-Blätter ihrem Format nach zum Ueberziehen von Tintenlöschern dienen zu sollen. Das Celluloid-Deckblatt dürfte bei dieser Anwendungsart allerdings seinen Beruf verfehlen. D. Red.) Ich füge bei, dass die Verwendung von Celluloid statt Karton, Leder, Gewebe, Pappe, Messingblech, Eisenblech usw. eine geradezu erstaunliche Entwickelung anzunehmen beginnt. Geschieht es nicht auf dem direkten Wege der Erwerbs-Industrie, so geschieht es ganz sicher auf demjenigen der Zugabe-Industrie bezw. Reklame, aus welch’ letzterem Gebiete meine für die Papier - Zeitung und ihre Bezieher angelegte Sammlung solchen Umfang angenommen hat, dass ich sechs grosser Koffer bedürfen werde, um die Schätze der feinen und feinsten amerikanischen Reklame heil und ganz nach Berlin zu schaffen. Wie hoch man sich hier im Bezahlen für »Substantielle Geschäftsanzeigen« versteigt, mögen folgende zwei Briefauszüge be weisen. Herr Hermann Marckworth schreibt mir unterm 3. Februar, nachdem ich ihn ersucht hatte, mir gegen Vergütung des Werthes und der Frankatur 3 der hübschen Büchelchen überlassen zu wollen, wie folgt (in möglichster Anlehnung an das englische Original): Ihr Schätzbares erhalten und erfülle mit Vergnügen Ihren Wunsch, Ihnen für den angeführten Zweck einige Biotter Books zu übersenden. Es würde indessen ziemlich unfreundlich sein, irgend eine Entschädigung dafür zu verlangen, da sie ja auch in der von Ihnen angeregten Form der Ver wendung ihrem Zweck als Anzeige dienen. Nun hatte ich die Büchel, aber nicht den Preis. Aus einem Dutzend-Streifband, das sich in einem derselben befand, konnte ich ersehen, welche Firma die Büchelchen herstellt. Auf einen dies bezüglichen Brief erhielt ich mit der dem amerikanischen Kaufmann eigenen Promptheit und Kürze folgende Antwort: »Unser System, Reklame-Artikel herzustellen und abzugeben, legt uns insofern gewisse Beschränkungen auf, als wir dem Besteller eines gewissen Artikels das Privilegium der Neuheit entweder innerhalb seines Geschäfts zweiges, hier also Advokatur, oder innerhalb gewisser geographischer Grenzen zu gute kommen lassen. Hierauf gestützt, dient es uns nicht, über den Preis der Herrn M. gelieferten Biotter Books etwas zu sagen, so lange ein definitiver Auftrag nicht vorliegt. Das als Decke zu seinen Büchelchen verwendete Celluloid wird in Bogen von 20 zu 50 Zoll zum Preise von 1 Dollar 15 Cents der Bogen geliefert. Wenn Sie welches wünschen, wird es uns angenehm sein, von Ihnen zu hören.« Diese zur Hälfte ablehnende Antwort dürfte wohl für die meisten Leser der Papier-Zeitung in anderer Richtung so viel Positives ent halten, dass der Verzicht auf die genaue Feststellung des Preises, welchen auch Herr M. trotz wiederholter Anfrage nicht mittheilte, um so leichter fällt, als sich aus dem Bogenpreise von 1 Dollar 15 Cents (4 M. 60 Pf.) ergiebt, dass jede Celluloid - Decke zu diesem Büchelchen sich auf etwa 4 Cents (16 Pf.) stellt. Da der 3 farbige Druck auf die spiegelglatte Fläche einstweilen noch Schwierigkeiten macht, und die Firma seitens des Celluloid-Monopols in der aus schliesslichen Verwendung der Masse in Bogenform, soweit die Zwecke der Reklame in Betracht kommen, geschützt ist, so wird man nicht stark fehl gehen, wenn man annimmt, dass jedes fertige Büchel 10 Cents (40 Pf.) kosten wird. Die Nothwendigkeit besonders zubereiteter Farben zum Bedrucken dieser thatsächlich elfenbeinartigen Masse ist bereits erkannt worden. Bis solche Farben in zufriedenstellender Weise zur Verfügung stehen, wird einstweilen mehr in der Richtung der Hochprägung vorgegangen. Die Struktur der Bogen ist so wunderbar, dass sie, als Fläche be handelt, die Konsistenz des Glases mit der Elastizität des Stahles zu verbinden scheint, während sie im Präge verfahren, also dem äussersten Extreme nach der entgegengesetzten Richtung, den zarte sten Formen der Plastik folgt und nach erfolgtem Erstarren in der einmal angenommenen Form so standhaft verharrt, als ob es wirkliches Elfenbein wäre. Die aus Celluloid geprägten Kunstsachen (Relief-Platten auf Staffeleien zum Aufstellen in Salons und Bibliothek zimmern) kann ich bei aller Zurückhaltung, die ich mir in »zwölf Jahren Amerika« angeeignet, nicht anders als monumental, sowohl in der Korrektheit der Prägmodelle, als bezüglich der Vollkommen heit der Prägung selbst, bezeichnen. (Solche Kunstsachen, deren prächtige Wirkung wir bestätigen können, befinden sich auch schon auf dem deutschen Markt. D. Red.) Der Verwendbarkeit 'der Masse, allein in Bogenform, sind gar keine Grenzen gezogen. Näheres später. »Combination Book Mark and Leafcorner Protector« ist eine Ver einigung von Buchzeichen und Blattecken-Schoner und kostet einzeln 5 Cents = 20 Pf. (Das uns vorliegende Muster kann am besten als flachliegende, aus Karton gefertigte Düte in der Allgemeinfor eines rechtwinklig-gleichschenkligen Dreiecks gekennzeichnet werden. Die Katheten sind geschlossen, die Hypothenuse offen und bogi8 geschweift. Auf der Vorderseite sind in Farbensteindruck schwimmende Wasserhühner abgebildet, auf der Rückseite steht die Inschrift »I keep your place for you,« = »Ich bewahre Deinen Platz für Dich’ Die Düte wird über eine der oberen Buchecken gestülpt und fäl beim Aufschlagen des Buches leicht ins Auge. D. Red.) Die hübschen Buchmarken werden vermuthlich rasch die verschiedenen Stadien 1 dem Verwandlungsprozess von der Erwerbsproduktion zur Zugab und Anzeigenproduktion durchlaufen. Dann werden wir dieselbe® hübschen Sachen erstens womöglich noch hübscher, als Zugabeartiks® feinster Klasse, zweitens nicht entfernt mehr so hübsch, dafür abe dick mit Reklame überladen, als Zugabeartikel zweiter Klasse UL drittens in einer billigen und schlechten Schund- und Schandausgana wiedersehen, zu deren würdiger Veranstaltung Schleuderhändler Ur Schleuderfabrikanten dem Räuber der Idee, ähnlich wie bei de Schundausgabe der Papiertintenflasche, die Hand reichen werden. Die Merrick Mfg. Co. versendet in kleinen Schiebekästels ohne weitere Umhüllung eine Spule ihres Nähfadens an jede Had frau, deren Namen sie feststellen kann. In zweifelhaften Fällen ** die Sendung an die den immer mehr vervollkommneten Adressbücheg: entnommenen Herren der Schöpfung adressirt, mit dem Vermenb »To the lady of the house« (Für die Dame des Hauses). Zugldos mit der Spule wird ein hübsches Chromo-Kabinetstück versandt, jedem Parlour (Wohnzimmer) für 8 Tage zur Zierde gereichen kön I ] ( f g I c € i c ( I i t i i 1 i 1 1 1 1 ( 1 ( 1 1 < 1 1 1