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958 PAPIER-ZEITUNG. No. 45. Kaiser Wilhelm und König Humbert bei der Papier-Industrie. Ueber den Besuch der beiden Fürsten im Saal Q der Allgemeinen Deutschen Ausstellung für Unfallverhütung geht uns von befreundeter Seite noch folgende Mittheilung zu: Als die Majestäten die Abtheilung für Papierfabrikation betraten, wurden die Herren Karl Marggraff und E. Füllner zuerst dem König Humbert vor gestellt, der den genannten Herren kräftig die Hand zum Gruss schüttelte. Herr Marggraff erklärte dem König kurz in französischer Sprache die Art der Fabrikation, wie sie sich durch die im Betrieb befindlichen Holländer, Papiermaschine, Kalander und Querschneidemaschine darstellte. Der König zeigte reges Interesse und fragte u. a., ob derartige Maschinen, die er noch nicht kenne, auch in Italien arbeiten. Herr Marggraff bejahte diese Frage mit dem Bemerken, dass besonders in Ober-Italien viele derartige Maschinen im Betrieb seien. Während nunmehr König Humbert vom Herrn Präsidenten Dr. Bödicker weiter geleitet wurde, übernahm Herr Marggraff, der durch Herrn Kommerzien- rath Rösicke dem Kaiser vorgestellt worden war, in Begleitung des Herrn E. Füllner dessen Führung. Herr Marggraff erläuterte eingehend in etwa 10 Minuten währendem Vortrag die Stadien der Fabrikation und machte Se. Majestät zuletzt auf die Nothleine aufmerksam, die auf Rollen rings um die Maschine gezogen ist, mit einer Friktionskuppelung in Verbindung steht und von jeder Stelle der Maschine aus das Abstellen derselben ermöglicht Der Kaiser liess sich diese Einrichtung von Herrn E. Füllner erklären, wünschte, dass ihm dieselbe in Thätigkeit vorgeführt werde und begab sich in folgedessen nach der Getriebseite der Maschine. Herr B Schnitzer, der tech nische Leiter der Firma Marggraff & Engel, der den Betrieb führte, holte von Sr. Majestät den Befehl zum Abstellen der Maschine ein, zog auf Kommando an der Leine, und die ganze Maschine stand augenblicklich still. Der Kaiser war von dem Ergebniss sichtlich überrascht, sprach sich sehr be friedigt über dasselbe aus und wünschte die sofortige Wiederinbetriebsetzung der Papiermaschine zu sehen. Er erkundigte sich sodann noch ausführlich nach den an der Papiermaschine vorkommenden Unglücksfällen und bemerkte an erkennend, ohne darauf aufmerksam gemacht worden zu sein, dass die vielen Räder und Riemscheiben alle sorgfältigst, geschützt waren. Herr Marggraff schilderte darauf, dass beim Ein führen des Papiere zwischen die Press- und Glättwalzen, sowie zwischen Trockencylinder und Filze, Finger, Hände und sogar' Arme öfters Quetsch- und Brandverletzungen erhalten, dass aber durch die sinnreich mit der Papiermaschine verbundene Ausrückkuppelung, die jedem Arbeiter das augenblickliche Abstellen der Maschine ermöglicht, in Zukunft schwere Verletzungen hoffentlich verhütet werden würden. Ueber die dem Kaiser gezeigten Proben des gefertigten Papiers, das mit dem Fabrik zeichen der Firma Marggraff & Engel als Wasserzeichen versehen war, namentlich aber über den in Gegenwart Sr. Majestät auf dem Rollenkalander von Herrn Schlatter, Direktor der Vereinigten Werkstätten zum Bruderhaus, persönlich satinirten Reich spostkarten-Karton, drückte sich der Kaiser aner kennend aus. Herr Marggraff bemerkte hierauf, dass die Reichdruckerei nur sehr gutes und schönes Papier von den Lieferanten haben wolle. Leider konnte der Wunsch des Kaisers, die Maschine nochmals arbeiten zu sehen, nicht erfüllt werden. Das führende Komitee machte darauf auf merksam, dass der König von Italien den Rundgang bereits weiter fortge setzt habe, und der Kaiser folgte seinem hohen Gast. Das Komitee sowohl wie sämmtliche im Saal Anwesenden waren erfreut über das hohe Interesse, das die beiden Monarchen, namentlich aber Kaiser Wilhelm der vorgeführten Papierfabrikation gewidmet hatten. Geschäftsreisende. St. Petersburg, 18./30 Mai 1889. Als eifriger Leser und langjähriger Abonnent der Papier-Zeitung möchte auch ich einige Worte zum Thema »Geschäftsreisendee sagen. Ich habe, ehe ich mich als Papierfabrikant niederliess, 12 Jahre in vieler Herren ländern für eine englische Firma ersten Ranges gereist und im Laufe dieser Zeit als Gehalt und Tantieme etwa 20 000 Lstrl. erhalten — ein Beweis, dass ich glänzende Erfolge hatte und wohl manche gute Erfahrung sammelte. Ich will meinem Vorredner in No. 38, mit dem ich in vielen Punkten übereinstimme, nicht widersprechen, bin aber der Meinung, dass das grosse Interesse für die Familie des Käufers und die Pantoffelfrage der von ihren Ehehälften streng gehaltenen Käufer ein zweischneidiges Schwert ist, welches manchmal mit unerwarteter Wucht auf das Haupt des »armen Reisenden« niederschmettern kann. Ich glaube, dass die Zeit, die man auf die Pflege dieser Seite des Geschäfts verwendet, vortheilhafter ausgenutzt wird, wenn . man die Frage studirt, wie man die finanziellen Interessendes Käufers in möglichst hoher Potenz fördern kann. In dieser Richtung möchte ich meinen jüngeren Kollegen einen Fingerzeig geben, der ihnen vielleicht manche Lorbeeren verschafft. Nachdem ich den Geschäftsgang .meiner Freunde nach Möglichkeit be obachtet hatte, wie es jeder Reisende sollte, machte ich mich daran, ihnen die Kalkulationen der Waaren, die ich führte, behufs Kontrolle zu unter breiten. Ich machte sie auf Artikel aufmerksam, an die sie nicht dachten, die ihnen aber Vortheil bringen mussten, ich lenkte sie. auf Absatzgebiete, die sie nicht kannten, und lieferte ihnen damit den Beweis, dass mir ihr grösserer Umsatz ebenso sehr wie der meinige am Herzen lag. Dann be nutzte ich die Gelegenheit, ihnen in Havarie- und Assekuranzfragen , in Differenzangelegenheiten usw., die gerade zur Sprache kamen, nachdem ich sie zuerst eingehend untersucht hatte, meinen unmaassgeblichen Rath zu ertheilen, worauf man mich verschiedene Male zum Schiedsrichter wählte. Mehrmals war ich Friedensvermittler zwischen zwei im heissesten Wett bewerb befindlichen Firmen. Häufig rieth ich meinen Kunden ab, diese oder jene Waare von mir zu kaufen, die ihnen meiner Voraussicht nach Verlust bringen musste, und wurde ihnen als in der That aufrichtiger Geschäftsfreund auf diese Weise unentbehrlich und nützlich. Auch wenn mein Haus in wenig Einzelfällen in irgend einer Sache den Käufer nach meiner Ansicht ungerecht beurtheilte, war ich der unerschütter- liehe Anwalt des letzteren, und habe dem Segen, den mir der Senior des Hauses auf meine Jungferreise mitgab: »Leisten Sie etwas für uns, so werden wir auch was für Sie thun,« stets nach bester Ueberzeugung entsprochen. Es wird ganz entschieden viel eher zum Ziel führen, seine Käufer mit aufrichtiger und freundschaftlicher Gesinnung zu behandeln, als die kleinen Mittel anzuwenden, die im Verkehr mit grösseren Handelshäusern schon zu den überlebten zählen. Auch der Rath der Redaktion der Papier-Zeitung, nur mit ganz vorzüglichen Waarenkenntnissen auf die Reise zu gehen und sich nie auf einer Unwahrheit und einer unbegründeten Anpreisung eines Artikels ertappen zu lassen, wird stets Geltung behalten. Darum, junge Kollegen, erwerbet Euch die Achtung und Werthschätzung Eurer Kunden, und der Erfolg kann nicht ausbleiben. M. Reine kaustische Soda. Die Herren C. F. Cross und E. J. Bevan haben im »Journal of the Society of Chemical Industry, April 30, 1889« eine Arbeit unter dem Titel: The Economy of pure caustic Soda veröffentlicht. Zunächst machen sie darauf aufmerksam, dass kaustische Soda mit Lackmus titrirt beispielsweise 60,73 pCt. ergiebt, während sie mit Säure und Methyl-Orange 64,70 pCt. zeigt. Dieser Unterschied rührt von der Gegenwart von Thonerde her, welche sich mit der Schwefelsäure verbindet, diese also verbraucht. Gegenwart von schwefligsauerm Natron oder doppeltscliwefligsauerm Natron ändert dies Ergebniss nicht. Die Wirksamkeit einer Soda beruht auf ihrem Gehalt an lös lichem Natron; Kohlensäure, Kieselsäure, Schwefelsäure usw., welche mit dem Natron verbunden sind, vermindern den Werth der Soda; diese kann dann weniger zersetzen und weniger von den Zersetzungs stoffen in Lösung erhalten. Die reinste Soda, d. h. diejenige, welche die wenigsten Salze enthält, ist daher die wirksamste. Bei Koch versuchen mit Espartogras erhielten die Herren Cross & Bevan mit reinem Natron 88 pCt. des darin enthaltenen Zellstoffes, mit 60 pro- zentiger kaustischer Soda aber nur 77 pCt. Der mit reinem Natron erhaltene Zellstoff.’ liess sich auch im gleichen Verhältniss leichter bleichen. Wenn man daher für das in unreiner Soda enthaltene Natron ebenso viel bezahlen muss wie für den Natrongehalt reiner Soda, so büsst man bei Anwendung der ersteren nach der Rechnung dieser Herren etwa lOpCt. ein. Die Herren Cross & Bevan bestätigen hiermit nur eine alte Erfahrung, die jeder Zellstoff-Fabrikant kennt, der mit Natron arbeitet, und die auch dahin geführt hat, dass allgemein Ammoniak-Soda der unreineren Leblanc-Soda vorgezogen wird. Wir können uns des halb mit der Erwähnung der verdienstvollen Arbeit begnügen. Karten mit schrägen Kanten. Die Herstellung von Karten mit schrägen Kanten, bezw. schrägem Goldschnitt, welche in Europa von zahlreichen Fabriken schwunghaft betrieben wird, ist in Amerika nicht gemeinfrei, sondern Gegenstand eines Patents. Dieses Patent liegt in den Händen der Firma Ph. Hake, New York, 155 William Street. Es ist vom 9. September 1879 datirt, und der sehr allgemein und umfassend gehaltene Patent-Anspruch lautet: Kanten von Besuchs- und andern Karten auf nachstehend be schriebene Weise so zu bearbeiten, dass die Karten schief aufge- schichtet und zusammengepresst, die Kanten abgenommen und ge glättet, mit metallischem Belag versehen, polirt und durch Pressen oder Punzen verziert werden. Da sich Karten mit schrägem Goldschnitt auch in Amerika grosser Beliebtheit erfreuen, so versuchten andre Fabriken die Rechts-, giltigkeit des Patents anzu fechten. Namentlich die Firma Brown & Sanson, welche die Fabrika tion solcher Karten in grossem Maassstab eingerichtet hatte, kämpfte, wie aus einem uns vorliegenden Rundschreiben der Firma Ph. Hake hervorgeht, mit grosser Erbitterung gegen das Patent. Welcher Art die Einsprüche von Brown & Sanson waren, geht aus dem Rund schreiben nicht hervor, doch scheint sich diese Firma darauf berufen zu haben, dass Kanten-Abschrägung keine neue Technik sei. Der Rechtsstreit währte ungefähr drei Jahre und endete damit, dass das Patent durch den Circuit Court des südlichen Distrikts von New York bestätigt und die klägerische Firma mit ihrem Anspruch auf Nichtig keitserklärung abgewiesen wurde. Die Firma Ph. Hake macht daher die Papierwaarenhändler und Drucker der Vereinigten Staaten darauf aufmerksam, dass Karten mit schrägen Kanten nur von ihr bezogen werden dürfen.