Volltext Seite (XML)
No. 50. PAPIER-ZEITUNG. 1295 Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Mitarbeiterund Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung. Eingesandte Werke finden Besprechung. Rohhaut-Sprungrücken. Angesichts der Ausführungen des Herrn Fleischhacker in Nr. 47, wo er mir den Vorwurf der Fälschung macht, muss ich für meine Behauptungen in Nr. 43 den Beweis der Wahrheit antreten. Herrn Fleischhackers Anzeige im »Berliner Börsen-Courier« lautete wörtlich: Jeder Geschättubücher-Consument fordere ausschliesslich die mit meinem patent. Rohhaut-Sprungrücken (D R. P. 49201) versehenen Bücher, da nur sie ein vollkommenes Flachaufschlagen, Oeffnen und Schliessen auch des dicksten Buches von der Mitte aus gestatten und bei normalem Gebrauch absoluten Schutz gegen das lästige Defekt werden der Heftung bieten. Wer dies Inserat mit Bezug auf die Worte »ausschliesslich« und »nur« und ferner im Hinblick auf die im Original fettgedruckten, vorstehend durch Cursivschrift herausgehobenen Worte oberflächlich, wie der Laie in der Tages zeitung, oder selbst aufmerksam liest, muss auf den Gedanken kommen, dass nur diese Patent-Bücher die fett hervorgehobenen guten Eigenschaften, und andere Bücher nach der alten Methode dieselben nicht besitzen. Es wird mir aber wohl jeder Fachmann zustimmen, dass ein nach alter Methode mit gutem Pressspan-Rücken gemachtes Buch bei normalem Gebrauch auch gegen das lästige Defektwerden der Heftung, soweit der Rücken überhaupt damit zu thun hat, geschützt ist. Ich gehe aber hierin noch weiter, indem ich hervorhebe, dass der Rücken mit diesem letzteren Tadel überhaupt sehr wenig zu thun hat! Das Defektwerden der Heftung hängt überhaupt nicht mit dem Rücken zusammen, sondern hat seine Ursache in geringem holzhaltigem Papier, schlechtem Heftband, dünnem scharfem Zwirn oder zu schwachen Drahtklammern, — oder auch in hart und starr gewordenem Leim usw. Meiner Ansicht nach hat der von Herrn Fleischhacker gerühmte Vorzug überhaupt keine logische Berechtigung und ist dem Fachmann gegen über insofern ziemlich hinfällig. Solche unbegründete Reklame mit dem darin enthaltenen Tadel gegen andere bewährte Macharten verwirrt demnach in den Tageszeitungen nur das Urtheil der Laien und ist aus diesem Grunde nicht zum Vortheil des Faches, welches ohnedies schon ein nicht sehr rosiges Dasein führt. Zu dieser langen Erklärung fand ich mich durch die ganz unberechtigten und unhöflichen Worte des Herm Fl. in Nr. 47 veranlasst und überlasse es nun jedem unbefangenen Leser zu beurtheilen, ob mein Tadel der über schwänglichen Reklame begründet war, oder ob Herr Fl. aus der von mir beliebten Abkürzung seines langen lobenden Inserats zu dem Vorwurf des »unehrlichen Kampfes« berechtigt war. Zu meiner Genugthuung sehe ich übrigens, dass äusser vielen Gleichgesinnten Herr Paul Carpentier in Zürich in Nr. 48 genau so urtheilt wie ich. Wenn Herr Fl. ferner den Mangel des »vertieften Rückenschildes« das »kläglichste Gegenmotiv« gegen die neue Erfindung nennt, so führt ihn die Voreingenommenheit für seine Rücken auch hier wieder auf falsche Wege resp. Gründe! »Aufgeleimt oder vertieft« ist nicht ein oberflächlicher Unterschied, sondern der Unterschied ist sehr wesentlich. Beim Vertiefen bleibt der Titel mehrere Jahre gut und leserlich, erfüllt also seinen Zweck, während das ungeschützte Rückenschild, auch wenn es noch so gut auf geleimt ist, sehr schnell an den Kanten sich abzulösen beginnt. Dieser Fehler wird dann von den Konsumenten mit Recht sehr getadelt. Will man ihm nun durch Auflegen von Bünden vorbeugen, so macht dies nicht allein recht unnütze Arbeit, sondern gefährdet auch die Haltbarkeit des Rückens, der durch das beim Arbeiten bedingte Bewegen auf dem Pulte gerade an den hervortretenden Stellen der Bünde starke Angriffspunkte für das Durchreiben des Moleskin bietet. Die Bünde am Rücken können nur den Laien gefallen, weshalb der besseren Haltbarkeit wegen jetzt auch die meisten Bücher mit glattem Rücken und vertieftem Titel gemacht werden! F r. Kleinverlage. Die verehrliche Redaktion der »Papier-Zeitung« muss ihrem lang jährigen O-Mitarbeiter schon gestatten, auf die in Nr. 47 abgedruckte Beleuchtung der »Kleinverlags-Frage« nochmals zurückzukommen. Ich nenne die Abhandlung des Herrn e. keine Erwiderung, keine »Heimleuchtung«, sondern, wie gesagt, eine »Beleuchtung« und zwar durch andere Farben. Herr e. hat die »alte Leipziger Brille« auf gesetzt, und ich hatte durch eine neue Brille gesehen, ich möchte sie fast die »neue Berliner Brille« nennen. Der Herr e, vertritt. noch den alten guten Standpunkt, dass der Buchhandel ein besonderer »Handel im Handel« sei. Das ist ja durchaus richtig. Nur hätte er nicht vergessen dürfen, dass der Buchhandel in erster Linie ein »Handel« bleibt, und dass es eine neue Strömung in demselben giebt, welche aus den alten Bahnen hinausdrängt und das Buch mehr als eine Waare ansieht, für die man sich die Käufer überall, nicht bloss unter den sogenannten »Sortimentshandlungen«, sondern vor wiegend unter dem nach beinahe 80 Millionen zählenden »deutschen Volk« im Reich, in Oesterreich, der Schweiz, Nordamerika, Russland usw. selbst sucht. Wer sich den Buchverlag durch diese »neue Brille« beguckt, der findet noch gar manches, was sich ohne Geld verlust, sogar mit recht hübschem Gewinn drucken lässt. Denn das Feld ist noch bei weitem nicht »abgegrast«! Die geschäftlichen Be dingungen für Umsatz und Verkauf sind jetzt weit besser, als in früheren Jahrzehnten. Welche Betriebs - Erleichterung haben nicht allein schon die Verkehrs-Erleichterungen der Neuzeit, z. B. die Ver billigung des Briefportos, die Einrichtung der Kreuzband-Sendungen, dem jetzigen Buchverlag im Vergleich zu jenem der vierziger und sechziger Jahre geschaffen! Die Unternehmungen sind also jetzt leichter durchzuführen als dies früher möglich war. Herr e. wiederholt manches, was ich in meinem Aufsatz eben falls gesagt hatte, z. B. gleich in seinem zweiten Absatz: »Zum Ver legen gehört mehr als das Drucken der Werke auf eigene Rechnung«. Ich meine, was nun folgt: »gangbare und gute Werke zu wählen, und zweitens diese Werke auch zu verkaufen«, hätte ich auch empfohlen. Dagegen hat Herr e. augenscheinlich unterlassen, meine früheren Abhandlungen über die verschiedenen Wissensgebiete des Buchhandels, worauf ich ausdrücklich hingewiesen hatte, zu lesen. Hätte er das gethan, so würde er mich nicht so sehr als »Schönseher« aufgefasst haben, wie er es gethan hat. Ich will mich im Folgenden lediglich auf die Klarstellung der von Herrn e. in seine Schilderung einbezogenen Punkte beschränken. Es hat mir fern gelegen, durch die Anführung einiger erfolg reichen Drucker-Verleger irgendwelche »Urtheile zu beeinflussen«. Mir kam es nur darauf an, zu zeigen, dass an tüchtigen und intelli genten Buchdruckern, welche mit Erfolg die Bahnen unserer Alt vordern auch heute noch wandeln, kein Mangel ist. Ich hätte die Namen ohne Mühe vermehren können, und zwar durch noch weit schwerer wiegende! Carl Flemming in Glogau, die »Herder’sche« in Freiburg, die »Macklot'sche« in Karlsruhe, Mahlau & Waldschmidt in Frankfurt a. M. lassen sich den von mir in Nr. 34 genannten Drucker- Verlegern an die Seite stellen. Und die grossen Leipziger Verlags häuser : Teubner, Tauchnitz, Brockhaus, Breitkopf & Härtel, die Stutt garter Gebr. Kröner, die »Deutsche Verlagsanstalt«, Carl Grüninger u. a. — sind sie nicht alle aus Druckereien herausgewachsen'? Auch die Verleger der beiden von mir des öfteren in der »Papier-Zeitung« genannten und in ihrer Tragweite geschilderten Sammel-Unternehmungen, gegen welche Herr e. jeglichen Wettbewerb für ausgeschlossen hält, die Herren Philipp Reclam in Leipzig und Otto Hendel in Halle, sind aus Buchdruckern zu Verlegern geworden. Es wird an dieser Stelle gut sein, einiger thatsächlicher »Klein- Drucker-Verleger« zu gedenken. Zu ihnen gehören: G. C. Hoffmann in Hainichen mit seinem Verlag von Volksliteratur (Lieder-, Traum- u. dgl. Bücher), der vor kurzem seine Druckerei verkauft hat und nur seinen Verlag noch unter der Firma »Sächsisches Verlagshaus« be treibt, ferner: Baumert & Ronge in Grossenhain, die einen Verlag führen, wie ich ihn für »Kleinverleger« in meinem Aufsatz im Auge hatte, C. Bange in Halberstadt mit seiner »Kleinen Bibliothek für Schüler«, den früher bekanntlich ausserordentlich regen Gottfried Basse in Quedlinburg, u. a. Was nun Herr e. über die deutsche Schriftstellerei sagt, liest sich wunderbar für Jemand, der mitten drin steht in dem Kämpfen und Ringen nach Brot, das alljährlich schwerer und unerquicklicher zu werden droht. Glauben Sie mir, verehrter Herr e.! ein »Kleinverleger«, der sich zu 200 M. den Band Bücher schreiben lassen will, findet Kräfte genug! Was Sie erzählen von Paul Heyse’schen u. dgl. Honoraren, gehört nicht in das Kapitel »Kleinverläge«. Oder meinen Sie aus meinem Aufsatz herausgelesen zu haben, dass ich — ein sehr nüchtern denkender, im Druck- und Verlagsgebiet gründlich erfahrener und als Schriftsteller nicht eben unbekannter Mann — einen kleinen Verleger zu dergleichen wahnsinnigen Bemühungen und Versuchen habe verleiten wollen? Ich dächte, es hätte ziemlich deutlich in meinem Aufsatz zu lesen gestanden, dass ein kleiner Geschäftsmann nicht hoch hinaus dürfe, sondern in den durch seine Verhältnisse ge zogenen Grenzen sich bewegen müsse! Ich muss Ihnen schon, so gern ich es vermiede, mit Thatsachen vor die Augen rücken, gegen die sich nicht ein Titelchen einwenden lässt — die auf die »Schriftstellerei«, wie sie zur Zeit im lieben Deutschland liegt, seltsame Schlaglichter zu werfen geeignet sind. Im November vorigen Jahres stand in der »Vossischen Zeitung« eine Anzeige ungefähr folgenden Inhalts: Uebersetzer gesucht für 4 M. pro Bogen von 16 Seiten zu 40 Zeilen — wöchentliche Leistung etwa 10—12 Bogen. Meldungen bei Alfred H. Fried & Co., Berlin, Zimmerstr. Diese »Uebersetzer« wurden für die von dieser Handlung heraus gegebene »Collection Figaro« gesucht. Das Honorar stellte sich dem nach für das Bändchen von 10—12 Bogen Umfang auf 40—48 M.! Und glauben Sie vielleicht, die genannte Handlung habe auf diese Meldung hin keine Angebote erhalten? Reichlich genug im Gegen-