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944 Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Mitarbeiterund Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung. Eingesandte Werke finden Besprechung. Rohhaut-Sprungrücken. Beilin, 30. April 1891. Ich möchte die Aufmerksamkeit der Fachwelt auf die vielbesprochenen Patent-Rohhaut-Sprungrücken für Geschäftsbücher lenken. Von verschiedenen Seiten wird jetzt in Berliner und sonstigen Tages zeitungen auf diese Art neuer Einbände in so überschwänglicher Weise hin gewiesen, als ob hiermit das Ideal eines unvergänglichen Einbandes ge schaffen wäre. Demgegenüber ist man bei hiernach sieh zeigenden Wünschen der Kaufleute als Kontobücher-Fabrikant in einer prekären Lage, ob man diese Einbände einführen, . resp. empfehlen soll, gegenüber seiner alt be währten früheren Methode. So viel mir bekannt, binden selbst hiesige grössere Kontobücherfabriken, die im Berl. Börsen-Courier als Lieferanten für Bücher mit Rohhaut-Rücken genannt werden, noch alle oder fast alle ihre Bücher auf alte Weise ein. Mir scheint, dass die Festigkeit des Einbandes hauptsächlich an einer anderen Stelle, als an dem von Rohhaut gebildeten Rücken liegt! Wenn auch der Rücken gut und fest sein muss, so liegt die Haltbarkeit des Buches wohl hauptsächlich 1' in gutem Papier, 2) in festem Bande, auf dem geheftet wird, 3) in gleichmässiger, guter Heftung, 4) in guten Zuthaten, wie Leim, Zwirn oder Draht, der nicht rostet, sowie in dem persönlichen, sorgfältigen Arbeiten des betreffenden Buchbinders! Ich will dem Erfinder der Rohhaut-Rücken durchaus nicht schaden; im Interesse des Faches aber halte ich es für nöthig, dass dem konsumirenden Publikum nicht unbegründete Illusionen über diese Art Einbände eingeredet und andere bewährte Einband-Arten als unhaltbare Fabrikate zweiten Ranges mit Unrecht geschildert werden. Vielleicht äussern sich die Herren Fach genossen, die schon Erfahrungen mit Rohhaut-Rücken gesammelt haben, aus führlicher hierüber! F r. Wir bitten um solche Aeusserungen. D. Red. Wappen der Buchgewerbe Unter diesem Titel erschien im Verlage von Anton Schroll & Co. in Wien eine interessante Arbeit von Hugo Gerard Ströhl. Der als buch- gewerblicher Zeichner in weiten Kreisen bekannte Verfasser stellte sich darin die Aufgabe, die Sinnbilder und Wappen der an der Bücherherstellung betheiligten Gewerbe sorgfältig durchzugehen und theils nach vorhandenen Vorbildern in heraldisch berichtigter Aus führung wiederzugeben, theils ganz neu zu formen. Es sind im Ganzen 9 Wappen, die in solcher Weise auf steifen Tafeln in Farben druck ausgeführt wurden. Sie vertreten folgende Gewerbszweige: 1) Papiermacher, 2) Maler, 3) Formschneider, 4) Schriftgiesser, 5) Litho graphen und Steindrucker, 6) Photochemigraphen, 7) Buchdrucker, 8) Buchbinder, 9) Buchhändler. Bei jedem Wappen ist die oft sehr interessante Entstehungs geschichte erzählt, reich illustrirt durch ältere oder irgendwie mit Bezug auf Ausbildung des gegenwärtig üblichen Wappens bedeut same Wappenformen, Siegel und sonstige Sinnbilder. Das Papiermacherwappen, bekanntlich eine eigne Arbeit des Ver fassers, ist vorangestellt. Seine Ausführung entspricht dem zweiten, im Jahrgang 1889, Seite 339 veröffentlichten Ströhl’schen Entwurf mit symmetrischer Anordnung, ist aber noch schöner gezeichnet, reicher ausgebildet und in den richtigen Farben ausgeführt. Die häufigen Anfragen bezüglich der Farbenstellung dieses Wappens können wir daher künftig am besten durch Hinweis auf das vorliegende Werk beantworten. Das Malerwappen schliesst sich an die gebräuchliche Form an. Es zeigt im rothen Felde zwei silberne Schildchen, 2:1 gestellt, und als Helmzier eine wachsende weibliche Figur mit Damhirschschaufeln. Das Wappen der Formschneider, worunter wohl hauptsächlich die fürs Buchgewerbe arbeitenden Holzstecher zu verstehen sind, ist unter Benutzung eines alten Siegelbildes von Ströhl frei entworfen. Es besteht aus einem Schild, von Silber über Schwarz getheilt, darauf zwei gekreuzte Stichel und darüber ein Druckballen. Als Helmkleinod dient ein in Schwarz und Silber gekleideter wachsender Mann, der in der rechten Hand einen sogenannten Geisfuss, in der linken einen Druckballen hält. Die Wahl der Farben bezieht sich auf die Technik, durch welche Gravirungen in Holz und Metall haupt sächlich zur Wirkung gebracht werden: schwarzer Druck auf weissem Papier. DasWappen der Schriftgiesser, ebenfalls eine Ströhl’sche Schöpfung, haben wir im Jahrgang 1887, Seite 1808 besprochen. Der Verfasser vertheidigt seinen Entwurf gegen die dort erhobenen Einwürfe und macht u. a. mit Bezug auf die zur Helmzier gewählte flügelschlagende Gans (Anspielung auf Gutenbergs Beinamen »Gensfleisch«) geltend, dass die alte Heroldskunst niemals auf wirkliche oder vermeintliche Geistesmängel derjenigen Thiere Rücksicht nahm, die sie zu Wappen bildern verwendete. Hochangesehene Geschlechter hätten Affen, Esel und Ochsen im Wappenschilde, und auch der Ochsenkopf der Papier- macher werde nicht als Anzüglichkeit empfunden. Die Berechtigung zur Anbringung der Marke Schöffers im oberen Theile des Schildes vertheidigt Ströhl mit der alten, nach seiner Ansicht auch von v. d. Linde nicht hinreichend widerlegten Auffassung, dass Schöffer der Erfinder der Stahlstempel und Kupfermatrizen sei. In einem andern Punkte ist Ströhl dagegen unserer Anschauung entgegengekommen, indem er aus den drei Ausschlussstücken in der unteren Schildhälfte drei Buchstaben (Typen) machte. Das Wappen der Lithographen und Steindrucker hat durch Ströhl ziemlich einschneidende Veränderung erfahren. Seine Ausführung als Doppelwappen, sowie die Theilung und Füllung der Schilder wurde beibehalten, aber der schildhaltende jugendliche Herold ist auf einen neu hinzugekommenen Stechhelm als Kleinod versetzt worden. Das mag im heraldischen Sinne eine Verbesserung sein, wird aber ver- muthlich bei den Lithographen, die sich an die Wüst’sche Original form gewöhnt haben, einigen Widerspruch erfahren, weil es dein Wappen eine andre Allgemeinform giebt. Die Aenderung ist übrigens geschickt gemacht; alles Wesentliche ist erhalten, und in der vor liegenden flotten Ausführung kann man sie sich schon gefallen lassen. Nur das Spruchband (Saxa loquuntur) hätte eine etwas bessere Form verdient. Das Wappen der Photochemigraphen ist nach einem Entwurf von Franz Stuck gezeichnet. Der Schild ist quer getheilt und in seiner unteren Hälfte senkrecht gespalten. Die obere Hälfte zeigt auf schwarzem Grunde eine aufgehende Sonne; die untere links eine Walze, rechts ein umflochtenes Säuregefäss. Der Spangenhehn mit schwarz-goldenen Decken trägt drei aus schwarz-goldenem Wulst emporwachsende Sonnenblumen. Das Buchdruckerwappen zeigt die bekannte herkömmliche Form; der Adler im Schilde ist zweiköpfig. Das Buchbinderwappen ist wieder eine freie Erfindung Ströhls: In rothem Felde eine goldene Stockpresse, darüber ein geschlossenes goldenes Buch. Als Kleinod dient ein rot li bekleideter Arm, der einen schwarzen, goldgestielten Schlaghammer schwingt. Dem Wappen der Buchhändler ist der schöne Döpler’sche Ent wurf zu Gründe' gelegt, der s. Z. dem Banner des Buchhändler-Börsen vereins als Vorbild diente: Im blauen Felde ein aufgeschlagenes Buch, über welchem ein goldener Merkurstab und eine goldene Fackel gekreuzt liegen. Aus der Krone des Spangenhelms wächst ein silberner Pegasus als Kleinod empor. Die Helmdecken sind in Blau und Silber tingirt, und unten flattert ein Spruchband mit der Inschrift: Habent sua fata libelli. Eine Zugabe bilden auf dem schwungvoll in Kanzleischrift aus geführten Titel die beiden Wappen der Dürer und Gensfleisch. Heraldischen Zeichnern, Dekorations- und Glasmalern, nicht zum wenigsten auch den Angehörigen des Buchgewerbes selbst wird das Buch, liessen Ladenpreis 10 Mark beträgt, oft gute Dienste leisten können. Imprimerie Dubuisson. Ein altes, für die Pariser Zeitungsgeschichte bedeutsames Druck haus wird gegenwärtig abgerissen: das Geschäftshaus der Druckerei Dubuisson in der Rue Coq Hron. Seit 1844 beherbergte es die ge nannte Druckerei, aus der hauptsächlich radikale Zeitschriften hervor gingen. Im Jahre 1848 galt dieselbe als Herd der demokratischen Bewegung; sie druckte zahlreiche aufrührerische Flugschriften und wurde daher von den Truppen verwüstet. Beim Staatsstreich, 1851, schickte Louis Bonaparte wiederum Soldaten, welche sogar die Pressen zerschlugen. Aber dies verhinderte nicht, dass die Druckerei unter dem Kaiserreich lustiger als jemals blühte, immer durch unabhängige, freilich meist nicht politische Zeitschriften. Sie druckte u. A. alle von Villemessant gegründeten Blätter, darunter den »Figaro«, welcher sich inzwischen einen eigenen Palast angeschafft hat. Bei Dubuisson liess Rochefort (1868) seine wöchentlich erscheinende »Lanterne« drucken, nachdem die Regierung Villemessant unter Drohung der Unterdrückung gezwungen hatte, ihn vom Figaro« auszuschliessen. Die »Lanterne« hatte sofort eine Auflage von 80- bis 110 000, dank dem Aufsehen, welches durch die Verfolgung Rochefort’s hervorge rufen worden war. Wegen der elften Lanterne« wurde Rochefort zu einem Jahr und 10 000 Franken verurtheilt und flüchtete nach Brüssel. Die 11 Nummern brachten 120 000 Franken Reingewinn, wovon die Hälfte Rochefort zufiel. Unter der Commune wurde die Druckerei von der Nationalgarde besetzt, welche Dubuisson verhaften wollte. Treu seinen Ueberlieferungen, hatte Dubuisson auch der da maligen Regierung unangenehme Blätter gedruckt. Von den seither dort geborenen Blättern sind die »Lanterne«, der »Gil Blas und die Pariser Ausgabe des »New York Heralde zu nennen.