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10 PAPIER-ZEITUNG. No1 Baumwollene Treibriemen. Aus der Versammlung der Berliner Pobjt- Ge sellschaft vom 22. November 1883. Herr März legte eine Anzahl Proben von Treibriemen aus Baumwolle vor und brachte da bei Folgendes zum Vortrag: M. H. Hier ist in der letzten Zeit öfter durch Fragen auf baumwollene Treibriemen aufmerksam gemacht worden und ist von guten Erfahrungen, die mit diesen gemacht wurden, berichtet worden. Ich habe desshalb die Gelegenheit, die sich mir bot, benutzt, Ihnen hier Proben solcher Baum- wollenriemen vorzulegen. Diese Proben hat mir Herr L. Frobeen, der hier in der Köthenerstrasse 48 Baumwollenriemen vertreibt, hierzu gütigst zur Verfügung gestellt. Die ersten Treibriemen, die man aus Pflanzen fasern herstellte, machte man aus Segeltuch, in dem man einen breiten Streifen von solchem der I.änge nach zusammenfaltete, und die Stofflagen mittels eines Kittes gegen einander klebte. Zur weiteren Haltbarkeit solchen so hergestellten Gurtes wurden der Länge nach mit der Näh maschine parallele Nähte durch die Stofflagen geführt. So rationell dies nun aussieht, so fehlerhaft waren doch solche Treibriemen, denn der Kitt erhärtete mit der Zeit und machte die Riemen ungemein steif. Beim Biegen der Riemen über die Riemrollen wurden dann auch noch die Fäden in den Nähstichen von der erhärteten Kittmasse förmlich durchgescheert, wenn die einzelnen Stoff- lagen wegen ihrer verschiedenen Ausdehnung in der Krümmung sich gegen einander zu ver schieben suchten. Dann blätterte solch ein Riemen auf und wurde ganz unbrauchbar. Die hier nun vorliegenden und jetzt empfoh lenen Treibriemen aus Baumwolle sind gleich als Riemen auf besonderen Webstühlen gewebt. Als Webekette liegen Reihen von langen Baumwoll fäden übereinander, und als Einschlag zieht sich ein nur wenig schwächerer Baumwollenfaden, zwischen den Reihen der Kette hin- und hergebend, so hindurch, dass er aus dem Fach zwischen zwei Reihen umkehrend immer in das benach barte Fach sich einlegt. Beim Aufreifeln des Ge webes kann man dessen Gefüge genau erkennen. Das sehr feste Gewebe ist nun mit einer fet tigen Substanz imprägnirt, die eine gewisse Be weglichkeit der Fasern gegen einander wieder erleichtert, und so sind denn diese Riemen un- gemein biegsam. Man sieht sofort, welche Funktionen die ver schiedenen Fäden haben; die sämmtlichcn Kett fäden haben der Zugkraft zu widerstehen, auf die der Riemen beansprucht wird, während der eine durch den ganzen Riemen durchgehende Ein schlagfaden nur zum Zusammenhalten der Kette dient. Die Festigkeitsverhältnisse gegen Beanspruchung als Riemen kennzeichnen Versuche, die von der Königlichen Mechanisch-technischen Versuchsan stalt zu Berlin mit diesen Simon's »Qualitas«- Treibriemen, wie sie genannt werden, angestellt worden sind. Ich gebe hier nur die Durchschnitts resultate aus den verschiedenen Reihen der ge machten Versuche an. Ein baumwollener Kettfaden aus einem mit »extrastark« bezeichneten Treibriemen, der nicht imprägnirt war und aus acht einzelnen Garnen in zwei Litzen zusammen gedreht war, zeigte bei Belastung mit 200 gr 0,33 pCt. und bei Belastung mit 4 kg 8,25 pCt. Dehnung und riss bei 4,3 kg Belastung durch. Ein einzelner Kettfaden aus einem als »mittel stark« bezeichneten Riemen, aus vier Garnen in einer Litze zusammengedreht, trug 1,991 kg kurz vor dem Zerreissen, und ein ähnlicher Faden aus einem als »einfach« bezeichneten Riemen trug so 2,069 kg. Wichtiger als die Bruchbelastung einzelner Fäden ist für uns natürlich die der fertigen Riemen. Ein aus dreifachen Fäden gewebter Riemen von 11 mm Dicke und 157 mm Breite, der aus 2857 nebeneinander wirkenden Garnen bestand und per laufenden Meter 1,34 kg wog, dehnte sich bei Belastung in kg 50 200 600 1000 3000 7000 um Längenprozente 0,2 1,4 2,8 3,6 8,5 10,3 und riss bei einer Belastung mit 8725 kg durch. Ein aus doppelten Fäden gewebter Riemen von 0,99 kg. Gewicht pro laufenden Meter, 7,4 mm dick und 150 mm breit, aus 2018 Garnen, zerriss unter einer Belastung mit 5205 kg. Ein anderer aus dreifachen Fäden, 5,8 mm dick, 151 mm breit, und 0,82 kg Gewicht pro Meter, aus 3231 Garnen, hielt 4592 kg Belastung nicht mehr aus. Und die letzte Versuchsreihe wurde mit einem 4,5 mm dicken und 150 nrm breiten Riemen gemacht, der pro Meter 0,69 kg wog und aus 2066 Garnen bestand. Dieser Riemen riss bei 4213 kg Belastung. Nach diesen Resultaten hat der beim ersten Versuch benutzte Riemen 5 kg pro Quadratmilli meter nicht mehr getragen. Die anderen, der Reihe nach: 4,7 5,2 und 4,8 kg. Die Bruchbe lastung auf Zug für gebrauchte Lederriemen wird pro Quadratmillimeter mit 2,9 kg angegeben. Hier sind nun freilich neue Riemen probirt worden, deren Festigkeit durch den Gebrauch auch etwas herabgestimmt werden dürfte, doch sieht man, dass in Hinsicht auf absolute Festigkeit diese Riemen sich den Lederriemen mindestens an die Seite stellen können. Die Ausdehnungsverhältnisse an diesen Riemen bei verschiedenen Belastungen waren der eben angegebenen, aus der ersten Versuchsreihe ge wonnenen, Zahlenreihe sehr ähnlich. Bei den Be lastungen, wie sie die Riemen bei dem Gebrauch in der Praxis erfahren, kann man also auf ine Dehnung von zwei bis drei Prozent etwa gefasst sein. Nothwendig zu beachten ist bei diesen Riemen die Art, in der ihre Enden miteinander verbun den werden. Alle Riemen erleiden in der Ver bindungsstelle eine Schwächung, und eine solche würde in sehr hohem Grade bei diesen Simon’s »Qualitas« - Treibriemen eintreten, wollte man zu ihrer Verbindung Löcher für Riemschrauben in sie hinein machen. Mit den Löchern würden die von ihnen geschnittenen Kettfäden für die ganze Länge des Riemens unnütz werden, und vor allen Dingen würde der bindende Einschlagfaden seine Funktion nicht mehr erfüllen können. Desshalb werden zur Verbindung der Riemenden Binde riemen aus Schweinsleder benutzt, mit welchen zwei weiche Lederlaschen zusammengeschnürt werden. Zwischen die Laschen werden die Riem- enden stumpf gestossen, und mit einer stumpfen Ahle werden die Nählöcher, die in die Laschen schon vorgestochen sind, durch das Riemenge webe für das Durchziehen der Bindungen nicht gestochen, sondern zwischen den Webemaschen aufgeräumt. Es wird dabei also keiner der Fäden zerstört; die Fäden werden nur seitlich gedrängt und behalten so die Fähigkeit, ihre Aufgabe zu erfüllen. Eine so hergestellte Bindung der Riemen enden ist biegsam genug, um selbst beim Lauf über kleine Riemscheiben noch brauchbar zu sein. Im Handel werden diese Simon’s »Qualitas«- Riemen je nach ihrer Dicke als einfach, mittel stark und doppelt geführt, und zwar kann man diese Riemen bis zu der grossen Breite von un gefähr einem Meter (40 Zoll engl.) bekommen. Gegenüber den Lederriemen liegt gerade hier ein bedeutender Vortheil, denn Letztere werden bei zu nehmender Breite nicht im einfachen Verhältniss theurer, sondern in einem potenzirten Verhältniss. Dies ist nicht der Fall bei diesen Baumwoll riemen, denn das Rohmaterial für sie wird mit zunehmender Breite nicht in Rücksicht auf Qua lität theurer, wie das doch beim Leder der Fall ist. Diesem Umstand gegenüber werden Leder riemen um so unzuverlässiger in Bezug auf gleich mässige Widerstandsfähigkeit in allen Stellen, je breiter sie sind. Die Gleichmässigkeit der Wi derstandsfähigkeit dieser als Riemen gewebten Fabrikate ist aber in allen ihren Stellen, der Breite wie der Länge nach, immer dieselbe. Herr Veitmeyer'. Mir fällt an einigen der vor gelegten Riemen deren gewaltige Dicke auf, und dicke Riemen sind doch offenbar nicht vortheil- baft. Warum macht man sie nicht gleichmässig dick und entsprechend der Anforderung der Kraft übertragungen breiter? Herr März' Die grösste Dicke für diese Treib riemen beträgt 9 — 10 mm, also nicht mehr als sonst bei einem Doppelriemen, aber bei den schmäleren und starken Riemen, die hier vor liegen , hat die grössere Dicke von 15 mm wohl namentlich darin ihre Begründung, dass diese Riemen auch mit Vortheil als flache Seile für Auf züge zur Anwendung kommen. Herr Sauter: Auf der Müllereiausstellung, die vor einigen Jahren hier stattfand, lernte ich die aus Segeltuch zusammen gekitteten und genähten Baum- wollen-Riemen kennen und versuchte sie. Ich be nutzte sie zum Theil bei schnell umlaufenden Fräsespindeln und sonst zum Betriebe der Maschinen in meiner Schneidemühle. Die Riemen gefielen mir anfangs sehr gut, weil sie so schon gerade liefen und nicht viel schleuderten, aber sehr bald wurden sie sehr hart und unbiegsam, und namentlich wurden mit den Verbindungsstellen üble Erfahrungen gemacht. Die Riemenden wurden, wie hier, zwischen Ledcrlaschen aber mit Riemenschrauben an ein ander befestigt. Die Letzteren zogen sich sehr leicht durch, und an den Löchern für sie reifelten sich die Gewebelagen auf. Ich bin bald von der Benutzung dieser Riemen wieder abgekommen und bleibe jetzt bei den bewährten Lederriemen, die für schnelles Umlaufen um Scheiben von ge ringem Durchmesser noch immer das Beste sind. Man darf übrigens die gewebten Riemen auch nicht zwischen Riemgabeln zum Aus- und Ein rücken laufen lassen. Sie stossen sich sonst an den Rändern durch, und das Gewebe der ein zelnen Schichten geht dann auf. Herr März: Der Herr Vorredner hat aus drücklich gesagt, nur mit den auch von mir als nicht empfehlenswerth hingestellten, aus Zeuggewebe zusammengenähten Riemen schlechte Erfahrung gemacht zu haben, und ich bitte Sic, diese Riemen nicht mit den Ihnen hier gezeigten Fabrikaten verwechseln zu wollen. Für schmale Riemen kann sehr wohl in vielen Fällen der Lederriemen vorzuziehen sein; bei grösseren Breiten wird wohl der Baumwollen riemen immer weitere Verbreitung gewinnen. Selbst verständlich muss bei Beurtheilung, wie weit ein Riemen sich bewährt, der Zustand der Trans mission, und die Angemessenheit der Riemscheiben in Durchmesser und Breite zu der geforderten Leistung des Riemens mit in Betracht gezogen werden. Wo an der Transmission von vorn herein Etwas unzulänglich ist, kann man nicht alle Uebel stände dem Riemen allein aufbürden wollen. Es kann auch so manche Fälle geben, bei denen aus lokalen Ursachen besser ein Kautschukriemen oder ein sonst aus einem anderen Material ge fertigter angebracht ist. Man wird für die Baumwollenriemen die Riem- scheiben wohl immer vortheilhaft in grösseren Abmessungen wählen, denn hier fällt der Um stand fort, nach dem beim Lederriemen der Luft druck eine gewisse Rolle bei der Uebertragung der Arbeit spielen soll. Die Amerikaner erklärten, es wird, wenn die glatte Haarseite des Riemens auf glatter Scheibe läuft, durch geringes Rutschen des Riemens die Luft zwischen diesem und dem Scheibenumfang verdrängt, und dadurch wird der Riemen durch den Druck der Atmosphäre gegen den Scheibenumfang gedrückt und kann diesen um so besser mitnehmen. Dies Moment lallt für die Baumwollenriemen fort; bei ihnen kann nur von der Reibung auf der Scheibe die Rede sein. Ich zeige dies neue Riemenfabrikat hier um-o lieber vor, als ich dasselbe für sehr beachtens- werth dem Umstand gegenüber ansehe, dass bei der grossen Nachfrage nach Riemen das dazu geeignete Leder immer theurer wird, und gute Riemen bald kaum mehr aus Leder beschafft werden können. Dass Lederriemen, damit sie billig nach Gewicht verkauft werden können, aufge schwellt und beschwert werden, Ist ja genügend bekannt, und dass so behandelte Riemen nichts leisten können, ist ganz selbstverständlich. Da rum ist es recht erfreulich, dass ein so guter Er satz für Lederriemen gefunden ist. Herr Wilhelmy: Ich kann, was ich kürzlich hier schon gesagt habe, nur wiederholen: dass ich mit solchem Baumwollenriemen seit einem Jahr recht zufriedenstellende Erfolge gehabt habe.