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8 PAPIER-ZEITUNG. N1 Druck-Industrie. Unter dieser Ueberschrift bringen wir Artikel und Mit- theilungen, welche sich auf die vervielfältigenden Künste: Buch-, Stein-, Kupfer-, Licht- etc. -Druck beziehen. Sachliche Mittheilungen finden stets kostenfreie Aufnahme, Mitarbeiter angemessene Bezahlung. Kurvensatz. Als vor etwa sechs Jahren die erste ausführ liche Anweisung über den Kurven- oder Bo gensatz und seine Abarten erschien, dachte ihr Verfasser gewiss nicht an die mechanisch technischen Neuerungen, welche kurze Zeit darauf zuerst in Leipzig, in der dortigen Typo graphischen Gesellschaft, der Oeffentlichkeit übergeben wurden, und welche so manchen Kunstgriff der alten Praxis überflüssig machen. Jeder Setzer kann sich auf den kleinen Linien spannern seinen Bedarf an gleichmässig gerun deten Linien zum Bogensatz selbst biegen, und die Schriftgiessereien liefern heute sämmtliche Kreisfiguren, von den kleinsten bis zu den umfangreichsten, fett und fein, ganz nach Wunsch, so dass der Verbrauch an zerschnit tenen Linien und Regletten auf das geringste Maass zurückgeführt werden kann. Durch diese erstaunliche Vermehrung der mecha nischen Hilfsmittel in der Setzerei verliert in der Hand des gewandten Setzers manches An dere an Bedeutung, was oft als unentbehrlich angesehen wurde: z. B. das Gipsen der Bogensatzformen und das Ausstopfen derselben mit genässtem Druckpapier, sowie das soge nannte „Kleistern“ des Ausschlusses und der Regletten. Einer grossen Zahl von Gehilfen fehlt die Kenntniss der Grundsätze des Bogensatzes vollständig. Ich habe während meiner zehn jährigen Thätigkeit als Accidenzsetzer und Faktor sehr oft die Wahrnehmung machen müssen, dass die jungen Leute, sobald sie eine kleine Accidenz mit Bogensatz in Arbeit be kamen, in erster Linie zum Kleistertopf und Feuchtpapier griffen. Von ordentlichem Aus schluss, der allein, und in halber Zeit, dem Bogen den nöthigen Halt giebt und ihn in die richtige Stellung bringt, hatten sic keinen Begriff’. Hier sei zunächst darauf hingewiesen, wie der Bogensatz in einer Druckerei behandelt werden sollte, welche über ein Sortiment von Messingbogen in verschiedenen Grössen, ein fach und gewunden, mit schliessenden Seiten klammern [], verfügt. Da hier jeder aus Messing gezogene Bogen auf eine bestimmte Rundgrösse bearbeitet, das Federn der selben also auf ein kaum merkbares Maass beschränkt ist, so ist auf diese, bei selbst geschnittenen Zinnbogen so lästige, Eigenschaft keine weitere Rücksicht zu nehmen. Bei Be ginn des Satzes wird auf die gewünschte Breite ein Rahmen von Hohlstegen gezogen und solcher auf dem Schiff (mit Regletten oder sonstigem Ausschluss) festgespannt. Die Zeile, welche den Bogen einnehmen soll, ist vorher im Winkelhaken gesetzt, auf die Bogenbreite aus geschlossen und am Anfang und Ende mit einem Ausscblussstück, möglichst Halbgeviert, versehen. Der obere, also der längste, Bogen span wird vorsichtig hinter die Zeile gestellt und Acht darauf gegeben, dass die Buch staben nach links und rechts sich gleichmässig neigen. Findet man beim Ansetzen des Bo gen-Gegenstückes und beim Befestigen der Seitenklammern, dass die Zeile nicht tadellos fest im Bogen sitzt, so hilft man sich am ein fachsten mit einem gefeuchteten Papierspan, den man nach erfolgter Entfernung der Klam mern zwischen Zeile und Bogen legt. Durch die grösser oder geringer erforderliche Stärke dieses Papierstreifens kann dem Bogen sicherer Halt und Festigkeit gegeben werden. Hat man sämmtliche Bogen, welche auf die vorlie gende Form vertheilt werden sollen, abgesetzt, die Zeilen achtsam durchgelesen und auch die schlechten Buchstaben durch gute ergänzt, so dass, wenn die Form geschlossen ist, Satz änderungen oder Korrekturen nicht mehr, oder nur äusserst wenig vorgenommen werden. — alsdann beginnt mau mit dem Aufbau. Bei einigerUebung nimmt er wenig Zeit in Anspruch, besonders wenn genau nach der Vorschrift ver fahren wird, dass zur Stützung der schwe benden Bogentheile nur feste Ausschlussstücke zurVerwendung kommen dürfen. Man geht dabei ganz systematisch vor, wie folgendes Bild zeigt: Ia —gI Die schwarzen Theile stellen den angewandten Ausschluss dar: der Bogen wird links und rechts von je einer Cicero 1/2-Konkordanz, einer Nonpareil “/«-Konkordanz, und einem Cicero- Geviert , gestützt. Die innere Füllung ist mindestens ebenso einfach, da sie nur mit aufsteigenden Graden von Regletten, Schrift zeilen oder Stegen vorgenommen zu werden braucht. Wie an diesem einfachen Muster er sichtlich, kann mit systematischem Ausschluss (unter etwaiger Nacbhülfe mittels dünner Kartenspatien' D- Red.) jede Bogen-, Kreis oder Ellipseform fest ausgeschlossen werden. Eine gewisse Vorsicht, die sich eigentlich von selbst gebietet,ist noch beim Schliessen derForm zu beobachten; dieselbe muss sehr behutsam be handelt und gleichmässig schwach angeschlossen werden, denn ein ungeschicktes Schliessen kann jederzeit die beste und aufmerksamste Satz arbeit verderben. In einer Form mit verschie denen Bogen wird der Setzer die weitere Vor sicht beachten, jeden abgeschlossenen Bogen von dem folgenden durch eine durchgehende Reglette, oder einen ebensolchen Hohlsteg zu trennen; der so gebildete Etagensatz bietet wenigstens einige Sicherheit gegen Unvorsich tigkeiten im Maschinensaal. Der Rund- und Bogensatz mit selbstgefer- tigtem Material, vor Allem der Satz mittels Zinnstreifen, ebenso der Satz von Landkarten und von Arbeiten, zu welchen das gewöhnliche Hilfsmaterial der Schriftgiessereien nicht ver wendet werden kann, wird von Louis Ferber, (Offenbach am Main, Kieselstein und Gerstung: Leipzig, Alexander Waldow) eingehend be schrieben. (Gummersbach. Carl Kempe. Vermischtes. Den Schriftgiessereien ist durch die Berliner Typ. Ges., nach bezüglicher Kommis- sions-Berathung und Beschlussfassung, der ein heitliche Neigungswinkel von 70« für Kursiv- und von 53» für Schreibschriften emp fohlen. Die in den weitesten Kreisen bekannte „Re- naissance"-Buchdruckerei von Knorr & Hirth in München hat in dem von der Firma an gekauften ehemaligen „Münchener Aquarium“ eine Weihnachtsausstellung lediglich eigener Druckerzeugnisse veranstaltet, welche bei entsprechender Theilnahme des Publikums als permanente Kunstausstellung fortbestehen soll. Der „Figaro“ in Paris bat seine grosse illustrirte Nummer in London drucken lassen und gab dazu die Erklärung, dass er zu gleichem Preise die Arbeit in Frankreich nicht ebenso gut beschaffen könne. Die Kammer der Buch drucker in Paris hat hiergegen durch ihren Präsidenten G. Jousset eine sachgemässe Er klärung an den „Figaro“ gerichtet, worin be hauptet wird, dass es in Frankreich viele Druckereien gebe, welche die Arbeit zu gleichem Preis und ebenso gut wie die Londoner geliefert hätten. Das fünfzigjährige Jubiläum als Schrift setzer feierte am IG. Dez. v. J. Herr Alois Frauenknecht (E. Mühlthaler’sche Hofbuch druckerei) in München. Da sagt man noch der Bleistaub gestatte kein langes Leben!? Der Hofbuchdruckereibesitzer Adolf Holz hausen in Wien erhielt (wohl anlässlich der Ausstellung Graphischer Künste?) von der Franz. Akademie der Wissenschaften das Kreuz eines „Offiziers der Akademie.“ „Typographischer Ulk zum vierten Stijtungsfente der Berliner Typo- graphischen Gesellschaft“ (vergl. Nr. 52 v. Jgs., Seite 179G, III. Sp.) ist eine der vielseitigsten Fachzeitungen, die uns noch zu Gesicht gekommen. Sonst pflegen typographische „Fächer“ nur 4 Seiten zu haben (die der typograph. Damen sogar nur 2); die Fächer aber, mit denen der „Typ. Ulk“ siel: beschäftigt, „setzen“ sich aus dem ganzen A-B-C der Kultur zusammen. Auf den poetisch- anti-weltschmerzlichen Leitartikel „Ulks Weck ruf“ folgt ein „Typ.-Geogr.-Linguistischer“Kon- versationszirkel in den 3 Dialekten der 3 grössten Buchdruckstädte, dann ein „Architektur-Di thyrambus“ im Stile Dagobert Wahnf ied's, ein „Logotypenkasten - Vorschlag“ in noch ver mehrter und verböserter Auflage, eine kultur historische Studie über Nordpolar-Typographie, 4 sehr treffende, satirische Zink-Illustrationen zu den gegenwärtig vorherrschenden Satzstilrich tungen, und nach hier unaufzählbarem Mehrerem, zum Schluss ein prickelnder „Briefkasten“ und eine gesalzene Speck-? — nein: „Inseraten"- Seite. Der Haupt Verfasser und Chefredakteur dieses losen Festblattes, Hr. Albert Hoffmann (in noch weiteren typogr. Kreisen bekannt als „A. II.“), Berlin W., Köthenerstr. 29, versendet dasselbe in einem halben Bogen sehr grossen Oktavs an sämmtliche ulkfreundliche Typo graphen, welche sich durch Einsendung von drei Zehnpfennigmarken als solche legiti- miren, gratis. Folgende zwei Ulk - Pröbchen erlauben wir; uns, zur besseren Kennzeichnung der Sinnes art des Ganzen, dem Blatte zu entlehnen: Das Schuiarzkunst- Wappen. Zu Yocohama war es, im Reiche des Mikado, Für alle Japanesen der Schwarz.kunst Eldorado, Allwo vor langen Monden ein heftiger Streit ent brannt, Weil das verlieh’ne Wappen kein Einziger richtig fand! Dies hatte Klimbimbu, der Mikado, in grauer Zeit Den Schwarzkunst-Japanern gestiftet fiir alle Ewigkeit. Doch sagt der eine Jünger, der grosse Drache sei schlecht, Es sagt der Andre, die Zunge, sie sei nicht heral disch gerecht; Und dieser meinte, die Decken des Helmes seien zu klein — Ein Vierter wieder, die Fänge, die seien doch gar zu fein. Auch hatte man auszusetzen, dass er der Köpfe zwei — Der Schwänze wieder zu wenig, was doch nicht richtig sei. Nun kamen sie Alle zusammen und hielten weisen Rath, Wie man wohl alle die Mängel heraldisch zu bessern hat. Nun spuckte nicht mehr wie früher die Zunge nach oben und rechts, Zweischwänzig wurde der Drache und deutlichen Geschlechts. Es wurde das Schild gebessert, die Helmdeck’ wurde gedehnt, Vom Haupt-Heraldiker wurde der übrige Krempel entlehnt. Drauf war im Reich des Mikado die Freude fast übergross, Es hatte ein Mäuschen geboren der Berg aus seinem Schooss! Nur wollt’ kein Japaner beschaffen das neue Wappen für sich, Gar schön sei noch immer sein altes — und hielt ausserordentlich.