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11156 Sörleublau f. o. Vtschn. vuqhanvel- Nichtamtlichcr Teil. 222, 23. September 1912. daß die Wahl des Verbandsvorstandes auf Bayreuth gefallen sei, dann feierte Arthur Meiner Bayreuth als Kunststadt und gab seiner Begeisterung für das Werl Richard Wagners leb haften Ausdruck. Heinrich Schöningh trank aus die Vorsitzen den des Börsenvereins, des Verbandes und des Verlegerver eins, Otto Meißner zollte dem Schriftführer und Schatzmeister des Verbandes Anerkennung und Dank. Nach aufgehobener Tafel ging es ins Freie. Bereitstehende Gesellschastswagen brachten uns hinaus ins bergige Land, an Jean Pauls Tuskulum, der Rollwenzelei, vorüber nach der Eremitage. Köstlich ist's dort draußen! Den uralten Park mit dem ko ketten Schlößchen, den lauschigen Laubengängen, dem feinen Reiz der springenden Wasser, diesen märchenhaften Grotten und Höhlen und endlich den zauberischen Durchblicken auf die blauen Fichtelberge wird man so leicht nicht wieder fin den. Die alten genußfrohen Markgrafen haben sich auf die Amouren trefflich verstanden, und die graziöse Hinterlassen schaft dieser feinen Bauwerke mit ihren spielerigen Linien spricht deutlicher zu uns als alle Memoirenwerke jener farben frohen Zeit. Der Abend sah uns wieder im »Grand-Hotel« an kleinen Tischen beim Glase Bier. Manch einer erfreute uns durch seine Vortragskünste: Emil Opitz gab sein köstliches Platt deutsch zum besten, und Arthur Meiner, der während der Ver handlungen Stilblüten und Wortentgleisungen aufgegriffen hatte, erweckte mit der Wiedergabe dieser »Orgien der hopsen den Zunge« große Heiterkeit. Später verblüffte er dann im engen Kreise durch seine Kenntnis schöner deutscher Volks- Poesie, soweit ihre Drucklegung Schwierigkeiten begegnet. Am Montag waren noch etwa 30 mutige Männer bereit, der empfindlichen Kälte und dem treibenden Regen auf offenen Wagen zu trotzen. Es ging nach Berneck, dem Juwel des Fichtelgebirges. Trotz aller Unbilden der Witterung war die frische Fahrt herrlich, denn dieses fruchtbare Land mit seinen blauen Bergen und grünen Waldflecken ist von ganz einzig artiger Schönheit. In Berneck hat uns hin und wieder sogar die Sonne gelacht. Wir kletterten auf den Höhen herum mit ihren grün behangenen Blauerresten und Kapellentrllmmern, blickten hinunter in das Meer feiner, spitzer Tannen wipfel und in die Dorfstratzen, aus denen die Mensch lein, darunter viele Kollegen, durcheinanderwimmelten. Dann ging's bei strahlendem Sonnenschein wieder zu Tal und ins »Hotel Bube« an den weitzgedeckten Tisch. Das Essen war unübertrefflich. Die am Hause vorbeischwatzcnde und -springende Slschnitz hatte sogar einen ganzen Reichtum der geschätzten grauen, rotgesprenkelten Fischlein hergegeben, die sonst die Tafel des Sortimenters nicht allzuoft zu zieren Pflegen. Nochmals, es war köstlich! Nach regenreicher Rückfahrt stob in den Abendstunden alles aus einander. Nach Nord und Süd, nach West und Ost trugen die Schnellzüge die Kollegen der Heimat zu. Fünf blieben beisam men, dann waren es noch drei, und als diese nach der aller letzten Flasche in später Nachtstunde sich trennten, da haben sie der fröhlichen Gewißheit Ausdruck gegeben, daß das deutsche Sortiment aus dem Marsche und wachäugig ge worden ist. Die Herbsttagung des Verbandes ist nunmehr ein neuer starker Faktor im deutschen Buchhandel geworden, der nicht mehr zu entbehren ist. Nun mögen aber auch alle kommen und Mitarbeiten, die etwas gelten und den Mut zu fröhlicher Helferschaft haben; sie sind willkommen und werden mit offenen Armen ausgenommen werden; die Schlafmlltzcn und Angst meier, sofern es solche unter uns noch geben sollte, mögen ruhig den Kopf unter der Bettdecke behalten. Die Aschendorffsche Buchhandlung in Münster von 1762—1912'). Am 13. September konnte die Aschendorffsche Buchhandlung in Münster in Westfalen das Jubiläum einhundertundfünfzigjährigen Bestehens festlich begehen. Aus kleinen Anfängen haben sie ihr Begründer, und nach ihm besonders dessen Sohn und sein Enkel Hüffer mit seltener Tatkraft zu achtunggebietender Höhe empor gehoben, so daß heute die Jubelfirma in Verlag wie in Druckerei zu den führenden Firmen des Westfalenlandes zählt und ein gutes Stück der Geschichte der Stadt Münster in diesem Zeitraum sich in ihr verkörpert. Der Direktor des Königlichen Paulinischen Gymnasiums in Münster vr. Simon Widmann hat mit geschickter Benutzung reichen archivalischen Materials sowie der Verlagsakten und des Familien archivs eine flottgeschriebene, tief schürfende Geschichte der Aschen- dorffschen Presse verfaßt, die den größeren Teil der trefflich aus gestatteten, in eigener Druckerei hergestellten Festschrift einnimmt; er gibt zugleich einen Längsschnitt durch das bürgerliche, kauf männische und kulturelle Leben der westfälischen Hauptstadt. Die Anfänge der Familie Aschendorff gehen bis um 1600 zurück. Um 1700 ist Wilm Aschen dorff geboren, der 1726 ein Privileg für die Ausgabe der Erbauungsbücher »Der große Baumgarten« und die »Handpoftille« erhält, 1739 Vorsteher des Münsterischen Buchbinderamts ist und neben der Buchbinderei einen Papierladen, ein Sortiment, ein Antiquariat, eine Leih bibliothek und einen Verlag betreibt. Als er am 9. November 1768 starb, konnte er seinem Sohne Anton Wilhelm Aschendorff ein stattliches Erbe hinterlassen. Dieser hatte im väterlichen Geschäft vier Jahre gelernt und von 1753 bis 1757 auf der Wanderschaft ein gutes Stück Deutschlands gesehen. Zurückgekehrt erlebte er all die Nöte und Drangsale des siebenjährigen Krieges in seiner Vaterstadt; unter dem Kanonendonner der stürmenden französischen Truppen schloß er 1759 seinen Ehebund. Nach dem Frieden blühte das Geschäft bald neu empor. 1762 kaufte der junge Chef die Nagelsche Druckerei — das interessante Privileg ist im Faksimile der Festschrift beigegeben — und schon 1763 erwarb er das Recht, ein Jntelligenzblatt zu drucken, das neben den obrigkeitlichen Verordnungen »einen kurzen Auszug der merkwürdigsten Neuigkeiten« mitteilte. Das »Gelehrte Wochenblatt«, das der Schriftsteller Christoph Bernhard Joseph Schücking, der Großvater des bekannten Freundes der Annette von Droste-Hülshoff Levin Schücking, als Beilage dazu heransgab, hatte leider nur kurzen Bestand. Dafür fügte der Verleger dem Jntelligenzblatt noch 1785 das »Münsterische Gemeinnützige Wochen blatt« bei, das bis 1803 erschien. Der Buchhandel hatte A. W. Aschendorff mit den bedeutendsteil deutschen und ausländischen Buchhändlern in Verbindung gebracht, die ständige Vergrößerung des Geschäfts machte bald eine Ver legung der Geschäftsräume nötig. 1773 erhielt der weitschauende Buchhändler auch die Bestallung als Universitätsbuchdrucker. So kam er in engere Fühlung mit den wissenschaftlichen Kreisen Münsters, und angesehene Autoren gaben ihm ihre Schriften znm Verlage. Es war der Grund gelegt zu der einen Seite des Ver lages, die er jetzt noch besonders pflegt: Werke kirchengeschichtlichen und theologischen Charakters. Die bekanntesten und bedeutsamsten Bücher des Verlags wurden seit 1793 die Schriften Overbergs biblische Geschichten für katholische Schulen, die länger als ein Jahrhundert in den Schulen Westfalens und des übrigen katho lischen Deutschland in Gebrauch blieben. Der rührige Verleger fand trotz des weitverzweigten Geschäfts noch Zeit, für das Gemeinwohl wie für das Wohl des Einzelnen zu sorgen; er war Mitglied des Magistrats und betätigte sich in öffentlichen Verwaltungs- und Aufsichtsämtern. 1797 gründete er eine Krankenkasse für die Angestellten seiner Offizin; die Kaffe wirkte segensreich bis 1904, wo ihre Funktionen durch die 1894 nengegründete Betriebskrankenkasse und die 1891 ins Leben ge- *) Die Aschendorffsche Presse 1762—1912. Ein Bei trag zur Buchdruckergeschichte Münsters, herausgegeben von I)r. Simon Peter Widmann. VIII u. 176 S. und Verlagsverzeichnis der Aschendorffschen Presse 1762—1912. 151 S. Kl. 4°. Münster in Westfalen im Jahre 1912. Paul Nitschmann.