Volltext Seite (XML)
850 Nichtamtlicher Theil. JL 54, 6. März. angefertigt und die hierdurch erlangten Exemplare in den Handel gebracht. Als Gärtner hiervon Kenntniß erlangte, beantragte er die strafrechtliche Verfolgung Döring's, welcher auch in erster Instanz wegen unbefugter Nachbildung eines Kunstwerks auf Grund des 8- 29. Gesetz vom 11. Juni 48A7 zu 50 Thlr. Geldbuße verurtheilt wurde. Letzterer verbietet nämlich die mechanische Vervielfältigung der Abbildung eines Kunstwerks, welche durch ein anderes als bei dem Original angewendetes Kunstverfahren rechtmäßig angefertigt worden, ohne Genehmigung des Abbildncrs oder seiner Rechtsnach folger, so lange die Modelle, mittelst welcher die Abbildung dar- gcstcllt worden, noch nutzbar sind. Nachdem diese Entscheidung in zweiter Instanz ihre Bestätigung erfahren, erkannte das Obertri- bunal am 13. October 1870 auf Vernichtung, indem es aussührte, daß nicht nachgewiefen sei, weshalb dasselbe Verfahren, dessen sich auch der Abbildner bediente, in Beziehung auf letzteren ein Kunst verfahren fei. Das Appellationsgericht, welches demzufolge zum zweiten Male mit der Aburtheilung der Sache betraut Wurde, erwog zuvörderst, ob Gärtner den Schutz der §§. 21—27. des allegirten Gesetzes in Anspruch nehmen könne, und entschied sich, da derselbe dem Berliner Cultus-Ministerium nicht Anzeige davon gemacht, daß er die Vervielfältigung durch Andere, denen er keine besondere Erlaubmß ertheilt, nicht zulassen wolle, in negativer Weise. Da gegen gelangte es zu der Feststellung, daß der §. 29. I. e. ihm zur Seite stehe, denn das Photographiren einer Photographie sei ein zum Behufe der Vervielfältigung stattfindendes mechanisches Ver fahren, und unrichtig sei es, wenn ausgeführt werde, daß die photographischen Abnahmen der Photographie um deshalb nicht strafbar seien, weil sie sich als Copien eines Productcs charakteri- firten, welches seitens Jemandes hergestellt worden, der bei der eigentlichen Anfertigung des Bildes nicht mitgewirkt habe. Das Unheil hielt demzufolge die Geldbuße von 50 Thlr. gegen den Angeklagten aufrecht, und wurde nunmehr von letzterem nochmals mit der Nichtigkeitsbeschwerde angefochten, die indessen diesmal ihre Zurückweisung seitens des Obcrtribunals erfuhr." Sind Landkarten und Pläne den Druckschriften gleichzustellen, welche nach §. 5. des preuß. Pretzgesetzes vom 12. Mai 1851 24 Stunden vor ihrer Ausgabe der Ortspolizeibehörde einzureichen sind ? Als Beitrag zur Kritik des noch immer bestehenden Preßgesetzes und als Mahnung zur Vorsicht für die preußischen Herren Collegen glaubt Einsender nachfolgende Entscheidung des Appellations-Gerichts zu Magdeburg ihrer Kenntnißnahme und Prüfung nicht vorenthalten zu sollen. Es handelt sich um die Auslegung des nachfolgenden §. 55. des Preßgesetzes, von welchem der Abgeordnete Gerlach in der damaligen Ersten Kammer bei dessen Vorberathung zwar erklärt hat, daß mit demselben nicht viel anzufangen sei, dessen Anwendung aber, wie der folgende Rechtsfall lehrt, fast unberechenbar ist. Dieser §. 55. lautet: Den Erzeugnissen der Presse im Sinne dieses Gesetzes stehen gleich alle auf ähnlichem mechanischem Wege bewirkte und zur Ver breitung bestimmte Vervielfältigungen von Schriften, bildlichen Darstellungen mit und ohne Schrift, Musikalien mit Text und sonstigen Erläuterungen. Auf diesen Paragraphen stützte sich die Anklage gegen den Ver leger einer im October 1871 erschienenen Uebersichtskarte derStadt Magdeburg mit dem Straßenplan des Erweiterungsterrains, weil derselbe nicht vor der Veröffentlichung (§. 5. des Preßgesetzes) der Ortspolizeibehörde eingcreicht worden war, was, soviel bekannt, von Kunstdrucken, Kartenwerken w. noch niemals zuvor geschehen ist, es sei denn daß dieselben von Text begleitet waren. Der Polizeirichter hat auf Nichtschuldig erkannt, „weil Straf bestimmungen stricte intcrpretirt werden müßten, der H. 5. aber nur von Druckschriften rede, zu denen ein Stadtplan nicht gerechnet werden könne, weshalb auch die allgemeine Bestimmung des §. 55. nicht ohne Weiteres auf die durch §. 5. auferlegte Verpflichtung übertragen werde dürfe". Der Recurs-Senat des Magdeburger Apchellations- Gerichts dagegen hat auf eine Geldbuße von 1 Thlr. erkannt, indem er erwogen hat, daß der in Rede stehende Plan sich als eine bildliche Darstellung kennzeichnet, welche nach §. 55. einer Druckschrift gleich steht, und „daß diese Auffassung, selbst wenn die königlichen Polizei präsidien zu Berlin und Magdeburg die Behauptung des Angeklagten bestätigen sollten, daß in Berlin, bez. in Magdeburg Landkarten niemals zu denjenigen Preßerzeugnissen gerechnet worden wären, von denen ein Eremplar der Orts-Polizeibehörde vor der Ausgabe einzureichen sei, nicht alterirt werden würde, da die Gerichte Rechts fragen dieser Art selbständig zu entscheiden haben, überdies es sich im vorliegenden Falle nicht um eine Landkarte, sondern um den Plan einer Stadt handelt". (!!) Ob nach dieser Entscheidung Landkarten von der Verpflichtung frei sind, bei der Polizeibehörde hinterlegt zu werden- oder nur Stadtpläne den Preßerzeugnissen gleichstehen sollen, darüber gewährt die Entscheidung nicht den geringsten Aufschluß, wie denn überhaupt ein positives Prinzip aus derselben nicht entnommen werden kann. Nur das Verdienst wird der Entscheidung zuzusprechen sein, daß sie ein treffendes Beispiel für die Rechtsunsicherheit liefert, in welcher sich der Verleger dem preuß. Preßgesetz gegenüber befindet. L. Aus der Erfahrung. I. Nothbuchhändler. Darunter verstehe ich diejenigen Buchhändler, welche auf Grund des neuen Gcwerbegesetzcs, welches bekanntlich aus dem sogenannten Nothgewerbegesetz hervorging, sich jetzt aller Orten, kleinen und gro ßen, ctabliren. In den kleinen Orten sind es meist Buchbinder, Com- merzianten u. s. w. Von regelrechter Lehre, Kenntniß der Bücher und des Buchhandels ist keine Rede, von genügender Schulbildung meist noch weniger; den Lurus eines Etablissements-Circulars er sparen sie sich meist, vielfach auch den eines Leipziger Kommissionärs- Wozu auch? Ihr Absatz beschränkt sich auf Schul- und Erbauungs bücher, Briefsteller, Kochbücher, Kalender, illustrirte Zeitschriften und dergl., und die bestellen sie direct von dem Verleger. Einen Verlang- zcttel haben sie drucken lassen, und man weiß ja, wenn ein Verleger einen Verlangzettel vor sich sieht, so widersteht er dessen Zauber- selten, und steht nun gar „gegen baar" oder „gegen Nachnahme" darauf, so bewilligt er flott den höchsten Baar-Rabatt, ja, wenn der Besteller dreist ist und Ertra - Vortheile verlangt, nicht selten auch den; was er dem regelrechten Collegen versagt, es wird dem Noth buchhändler, dessen „baar" ihm entgcgenlacht, bewilligt. Ist ja nur einmal, denkt er,'so eine Ausnahme kann man schon machen. Nicht alle Buchhändler thun so, wir wissen das wohl, aber viele, fürchten wir, thun es. Die Entstehung dieser kleinen Sortiments-, dieser Nothbuch- Handlungen liegt, wir dürfen uns das nicht verhehlen, in der Ge- sammtentwicklung des deutschen Buchhandels, wie sie durch das neue Gewcrbegesetz cingeseitet ist und durch die neuesten Erleichterungen der Kaiser!. Post (Kreuzband, gedruckte Postverlangzettel u. s. w.) mächtig gefördert wird. Keine Macht kann sie hemmen, sie wird sich weiter vollziehen, und cs liegt uns fern, mit unfruchtbaren Klagen dagegen anzugehen. Sie muß eben auch überwunden, d. h. in den Organismus des Buchhandels eingesügt werden nach Billigkeit und Recht, also auch nach dem Recht, was der bisherige reguläre Buch handel hat und behalten soll. Aber wie ist das zu machen? Einsender möchte wohl wissen, wie die Collegen Verleger sich zu solchen Nothbuchhändlern und