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^ 180, 12. Juli 1912. Nichtamtlicher Teil. «iri-ndi-t,». r,,4n. 8349 Die Arheberrechtsreform in Holland. Bon Prof. vr. Ernst Röthlisberger-Bem. Durch Gesetzbom 26. Juni 1911 wurde die nieder ländische Regierung ermächtigt, für das Mutterland und die Kolonien der revidierten Berner Übereinkunft vom 13. Novem ber 1908 unter drei Vorbehalten betreffend limitiertes über- setzungsrecht sowie Aufführungsrecht von Übersetzungen und beschränkten Schutz des Zeitungs- und Zeitschriftentnhalts bei zutreten. Nach dem im Laufe der Beratungen über dieses Ge setz aufgestellten offiziellen Programm sollte allerdings noch die Durchsicht des niederländischen Urheberrechtsgesetzes vom 28. Juni 1881, das bedeutend rückständig ist, dem Beitritt vor- angchen. Damit letzterer aber nicht allzulange auf sich warten lasse, wurde vom Minister des Auswärtigen in der Sitzung der zweiten Kammer dom 10. Marz 1911 und in derjenigen der ersten Kammer vom 22. Juni 1911 in Aussicht gestellt, die Beitrittserklärung spätestens 6 Monate nach Einreichung des diese Revision enthaltenden Gesetzesentwurses an den schwei zerischen Bundesrat abgehen zu lassen. Der Entwurf zu einem neuen vollständigen Gesetze wurde nun wirklich am 9. Februar 1912 bei den Gcneralstaatcn ein gebracht, so daß die Niederlande eigentlich vom 9. August dieses Jahres an ein Glied der Berner Union bilden sollten. Die parlamentarischen Beratungen scheinen allerdings noch nicht so weit gediehen zu sein, um eine Erledigung der seit Jahren hängigen Angelegenheit auf den genannten Zeit punkt als wahrscheinlich annchmen zu lassen. Immerhin ist diese Erledigung Wohl nur noch eine Frage von Monaten. In zwischen ist es von Wert, die Grundzüge »der Neuregelung des Autorrrechts« in Holland kennen zu lernen und sich ein Bild von dieser Urheberrcchtsreform zu machen. Dazu bietet sich um so mehr Gelegenheit, als die Regierung kürzlich ihren Entwurf vom 9. Februar 1912 einer Umarbeitung unter zogen und in verschiedenen Punkten unter Berücksichtigung von Eingaben, Kritiken und Anregungen verbessert hat. Der Abstand, der das Gesetz von 1881 und den Entwurf von 1912 trennt, ist ein ganz gewaltiger. Es ist auch hier wieder einmal der wohltätige Einfluß der Berner Konven tion, die als Muster für die Ausarbeitung des Entwurfs ge dient hat, auf die Vereinheitlichung der Landesgesetze unver kennbar zutage getreten. Während das Gesetz von 1881 die Werke der Kunst mit Ausnahme von Stichen und Karten gar nicht schützt, will das neue Gesetz alle Werke der Literatur und Kunst i» seinen Schutzbereich ziehen. Das alte Gesetz steckt dem Urheberrecht sehr enge Grenzen und anerkennt es nur als Recht auf Verbreitung durch den Druck; es schützt auch die abgeleite ten Rechte, wie das übersetzungsrecht oder das Aufführungs recht an dramatischen und dramatisch-musikalischen Werken, entweder höchst ungenügend oder, wie das Aufführungsrecht an musikalischen Werken, ganz und gar nicht, ganz abgesehen von dem unberücksichtigt gelassenen Bearbeitungs- und Vor führungsrecht. Ferner ist das geltende Gesetz von 1881 neben dem amerikanischen Cophright-Gesetz das einzige, das eine Art Herstellungsklausel samt der Forderung der genauen Bescheini gung des inländischen Druckes enthält. Obendrein macht es die Anerkennung des Schutzes — unter Androhung des Verlustes des Urheberrechts — von der Förmlichkeit der Hinterlegung von zwei Pflichtexemplaren abhängig. Der Gesetzes- entwurf verwirklicht dagegen die moderne Forderung der Be- freiuung von allen Förmlichkeiten. Er sieht auch die Aus dehnung der Schutzfristen im Sinne der Berner Konvention vor und schafft die früheren Verschiedenheiten in der Bemessung der Fristen ab. Man hat deshalb sagen können, er verhalte sich zum alten Gesetz wie elektrisches Licht zum Lampenlicht, wie ein Automobil zu einem Karren. Wir gehen nunmehr den aus 44 Artikeln bestehenden, in Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 79. Jahrgang. sieben Kapiteln geordneten Entwurf im einzelnen durch, indem wir aber nur das Wesentliche betonen und zugleich die kriti schen Ausstellungen, die von verschiedenen Seiten am Entwurf gemacht wurden, streifen.') Was das Geltungsgebiet des neuen Gesetzes anbelangt, so ist darin nur vom europäischen Holland und von Holländisch-Jndien die Rede, nicht aber von Surinam und Curaxao, die doch auch mit dem Mutterland in die Berner Union ausgenommen werden sollen. Geschützte Werke. Hier ist zu erwähnen, daß das neue Urheberrecht sich aus alle Werke der Literatur, Kunst und Wissenschaft erstrecken soll, und zwar ist im Art. 9 eine genaue Aufzählung dieser Werke enthalten, die derjenigen in den Art. 2 und 3 der revidierten Konvention nachgebildet ist. Sie schreibt also auch den Schutz der Werke der Architektur, der Pantomimen und Choreographien, sowie der angewandten Kunst (Werken van op nijcrheid toegepaste Kunst) und endlich den Schutz der verschiedenen Wiedergaben aus zweiter Hand vor. Da der Entwurf Bücher, Broschüren, Zeitungen, Zeitschrif ten und alle anderen Schriften (alle andere geschriften) schützt, so ist hierzu von H. de Beaufort bemerkt worden, man sollte dem früheren Irrtum, wonach auch Predigtordnungen, Fest programme und Theaterzettel als »geschriften« geschützt wur den, ein Ende bereiten und konsequent solchen Veröffent lichungen, die ihrer Natur nach kein Urheberrecht begründen, ebensosehr den Urheberrechtsschutz versagen wie den Tages neuigkeiten und vermischten Nachrichten; der Schutz aller die ser Veröffentlichungen, die keine eigentlichen Geisteserzeugnissc darstellen, sei in das Gebiet des unlautern Wettbewerbs zu verweisen. Wir glauben aber, daß dem kritisierten Ausdruck nach dem Willen der Gesetzgeber der gleiche Sinn untergelegt werden soll, wie dem Ausdruck »äerils« in der Berner Konven tion Art. 2 (Bücher, Broschüren und andere Schriftwerke, »sb Ullirss äeril««); somit mutz vor allem die Voraussetzung des .Hauptbegriffs, daß cs sich um literarische Werke handle, er füllt sein. Im weiteren verlangt der Verband der niederländischen Kllnstlcrgesellschaften die besondere Erwähnung der Werke der graphischen Kunst und der Medaillierkunst. Der Entwurf stellt ferner die Werke der Photographie und der Kinematographie in eine Reihe, d. h. er zählt sie in einem Atemzuge nebeneinander auf. Wie der gleiche Kritiker hcrvor- hebt, hat man dabei übersehen, daß es neben den Kincmato- graphcnfilms, die auf photographischem Verfahren beruhen und Reproduktionen von verschiedenen Wecken find, noch eigentliche kincmatographische Schöpfungen gibt, die im Hin blick auf eine erste Fixierung durch Kinematographie erzeugt werden. Da die Berner Konvention in Art. 14 diese Original- Werke (pi-nllnotions einäniatoxiraplliqne«) besonders schützt, sollte dieser Schutz auch im holländischen Gesetz vorgesehen sein; vielleicht ist er dies aber schon dank des allgemein gewähl ten Sammelwortes »kincmatographische Werke«. Vom Schutze sind Gesetze, Verordnungen, amtliche Er lasse und Entscheidungen ausgenommen, dagegen kann Ur heberrecht an amtlichen Veröffentlichungen durch Gesetz oder Beschluß oder durch einen besonderen Vermerk auf dem Werke selbst Vorbehalten werden. GeschlltzteAutoren. Statt des Ausdrucks »Auteur« U S. die Einzelkritiken von H. L. de Beaufort in Gids <1912, n" 4, Separatabdrnck v. 29 Seiten), von Prof. Drucker <s. Nieuwsblad voor Boekhandel, n° 48, 14. Juni) u. Van Doorn (Nieuwe Rotterdamsche Courant, 19. Juni), sowie die Eingaben der Vereeniging van Letterkundigen (Nieuwsblad, n" 48 u. 49), Verband van Nederlandsche Kunstenaarsvereenigingen (Nieuws- blad n" 28), der Vereeniging der bevordering van de belangen des boekhandels (ib. n° 41) u. des Nederlandsche Journalisten- kring (Nieuwe Rotterdamsche Courant, Avonblad, 29. Juni 1912). >088