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Silvester 1933. Sei gesegnet, großes Jahr, Heut an Deinem letzten Tage, Das uns deutscher Aufbruch war Unter heiligem Hammerschlage! Sei gesegnet, großes Jahr, Heut' beim letzten Glockenklange, Das uns Auferstehen war Aus dem tiefsten Untergange! Jahr des Heils, dessk Größe recht Erft die Enkel einst ermessen — Von Geschlechte zu Geschlecht Wird man Deiner nicht vergessen! Quell bist Du, der ewig schafft Deutschem Söhnen neues Leben. Und Dein Glanz wird Siegfriedkraft Noch den spätren Enkeln geben! Jahr der Größe und der Ehr', Das des Wunders Kraft durchbebte, Nicht vergebens lebte, wer Deiner Tage Glanz erlebte! Dank ist unsre größte Pflicht, Wie Du still nun willst vergehen, Weil wir wißen, daß uns nicht Größeres jemals kann geschehen! Dank zu Gott und ein Gebet, Daß hinfort das ganze Leben Nur ein Streben noch durchweht, Wert zu sein, was Du gegeben, Daß uns nie Dein Mut erschlafft, Deines Kämpfertumes Treue Und an unserm Volk die Kraft Deines Geists sich stets erneue! Herr, wir heben unsre Hand Auf zu Dir mit heißem Bitten: Wahr im neuen Jahr dem Land, Was das alte uns erstritten! Herr, Du lenktest wunderbar In dem alten unsre Pfade — Herr, stell' auch im neuen Jahr Deutschland unter Deine Gnade! Felix Leo Göckeritz. Neujahr 1934. Wieder fällt mit dem Glockenschlag der Mitternacht ein Tropfen in das Meer der Vergangenheit, und wieder tut die Menschheit einen Schritt vorwärts, hinein in ein neues Jahr. Mag über den Jubel und Trubel mit dem dies geschieht, grämlich schelten, wer will, — es ist Menschenart und macht das Menschenlos ertragbarer, in fröhlicher Hoffnung der Zukunft in das noch ganz und tief verhüllte Antlitz zu fchauen. Denn es ist Menschenlos, aber ein nicht unerfreuliches, nicht hinter diese Hülle, die die Zukunft verbirgt, blicken zu können, — trotz eifrigsten Bleigießens und sonstiger Fragen an diese stummbleibende Zukunft! Aber wenn sich dann in dem Augenblick, da an der Jahreswende das neue Jahr, in froher Hoffnung begrüßt, zur Menschheit hineinschlüpft, dasalte Jahr hinweg wendet, um Vergangenheit zu werden, dann sollten wir doch — anders als in den vergangenen fast zwanzig Jahren — dem leise Abschiednehmenden ein Wort und Gruß des Dankes nachsenden. Es hat wirklich nicht ver dient, daß wir nur dem Neuling ein herzliches Willkommen bieten, wenn er jetzt zu uns hercinstürmt, nur diesem den Blick und die Freude gönnen. Denn nicht müde, wie ein gebrochener Greis, aufden alles nur mögliche Unheil aus gelastet wird, das er uns gebracht hat, schleicht sich wie sonst das alte Jahr hinweg, sondern aufrecht schreitet es heute hinaus im stolzen Bewußtsein, daß es anders war als seine Vorgänger, daß es uns endlich bringen konnte, was uns deutsche Menschen stolz machen durfte, — weil es das Jahr unserer äußeren und inneren Befreiung war, und darum jetzt nicht etwa nur „Vergangenheit" wird, son dern für Deutschland ein Jahr der Geschichte geworden ist. Ein Jahr derWende des deutschen Volkes und für das deutsche Volk. Darum grüßen wir es dankbar zum Abschied. Wahrhaft stolz trägt das alte Jahr die Fülle des Geschehens hinaus, das nicht mehr lächerlich eitler Parteienkram war oder boshaftes Intrigieren Deut scher gegen Deutsche, sondern ernsthafte, zielbewußte, Arbeit für und immer nur für das ganze Deutschland. Es trägt hinein in die Geschichte all die strotzende und wilde Energie, mit der diese Arbeit angepackt worden ist, die Arbeit am deutschen Volk und für das deutsche Volk. Und wenn dieses Jahr hindurchschreitet durch das große Tor, dann ist es, als klänae von seinen Lippen der Vers des Das heimatliche Gefühl seiner Leser zu wecken, zu erhalten und zu fördern, die Lebensintcresscn der engeren Hei mat zu vertreten und zu stützen und das nationale Denken zu schärfen, ist schon seit mehr denn neun Jahrzehn ten Zweck und Aufgabe des Wilsdruf fer Tageblattes gewesen. Freud und Leid hat dasselbe mit den Bewohnern des Wilsdruffer Bezirkes getreulich ge teilt und ein Stück dieser Heimat ist es geworden, das in jede Familie ge hört. Deshalb lest auch im neuen Jahr das Blakt der Heimat das Wilsdruffer Tageblatt alten Truhliedes: ssnüd wenn die Welt voll Teufel wär' . . .", das wieder auferstanden ist in Deutschland. Das wieder auferstehen konnte, weil in diesem Jahre, als es noch jung war, der disharmonische Chor über- alteter „Staatslenker" hinweggefegt wurde vom Ansturm eines neuen, eines jungen Deutschland unter seinem Führer. Und darum, weil dieses jetzt dahingegangene Jahr den Aufbruch der Nation erlebte und damit so ganz, so wesentlich anders war als all die anderen nach dem Zusammenbruch, wollen wir uns auch nicht mehr um diese anderen kümmern oder gar die Blicke zurückwenden zu der vorigen Jahreswende. Nur die Gegenwart und die Zukunft sollen jetzt noch Geltung haben, seit das hinscheidende Jahr wacker dabei mithalf, die Vergangen heit und ihre Rückbleibsel zu beseitigen. Aber dieses Jahr ist nicht „hingeschieden", ist nicht gestorben, un beachtet oder gar mit Verwünschungen beladen, sondern dieses Jahr lebt weiter in unserer Erinnerung, solange noch eine deutsche Zunge das Sturmlied der deutschen Revolution des Jahres 1933 singt: , „Die Fahne hoch! Die Reihen fest geschlossen!* „Die Reihen fest geschlossen!" — das isf das tiefste, in der Geschichte des deutschen Volkes unver gänglich fortdauernde Erlebnis des Jahres 1 9 3 3. Aber ehe es zu diesem Erlebnis kam, mußte mit einer Urgewalt, wie in einer Eruption der Quell unseres nationalen Bewußtseins sich selbst von den Steinen säubern, mit denen man ihn in jahrelanger^ schweißtriefender Arbeit zu verstopfen versuchte. GanK hat man es niemals vermocht, aber dünn und zögernd' klang das Rieseln. Am 30. Januar 1933 aber befreite er sich selbst zum entrüstenden Erstaunen der Welt. Und ehe es zu jenem Erlebnis kam, da mußten aber auch jene Mauern zerstört werden, die innerhalb des deutschen Volkes selbst Klassenkämpfer und Jnteressentengruppen errichtet hatten. Erst als sich im Jahre 1933 beides er-- füllt hatte und erkämpft worden war, konnte dieses Jahr sein Haupt stolz emporrecken weit über alle seine Vor gänger hinaus. Das Nationale — jetzt, wie Hegel sagt, „versteht es sich von selbst", auch für den Deut schen! Der deutsche Sozialismus — jetzt ist der hohe, der adlige Sinn der verantwortungsbewußten Arbeit wieder Allgemeingut des ganzen deutschen Volkes geworden, und dieses hat nun des deutschen Dichters Freiligrath Mahnung erfüllt: „Jedem Ehre, jedem Preis, Ehre jeder Hand voll Schwielen! Ehre jedem Tropfen Schweiß, Der in Hütten fällt und Mühlen! Ehre jeder nassen Stirn Hinter'm Pfluge! — Doch auch dessen, Der mit Schädel und mit Hirn Hungernd pflügt, sei nicht vergessen!" Und wenn wir so des jetzt scheidenden, doch nicht und niemals verscheidenden Jahr in Dankbarkeit gedächten, dann blicken wir dem neuenJahr entgegen, das ernst haft zu uns herantritt. Was es auf seinen Schultern trägt, ist eine schwere Last gewaltiger Ausgaben. Was es als erstes davon uns hinstellt, ist dieselbe Aufforderung zum Opfern für die Volksgenossen, denen das neue dahingehende Jahr noch nicht den Sinn des menschlichen Daseins zu erfüllen vermochte: Arbeiten, tätig sein zu können. Ein glücklicher Gedanke ist es gewesen, die Jahreswende zu umrahmen mit dieser Auf forderung, zu spenden im Sinne einer wirklichen Volks- gemeinschaft. Aber was auch sonst noch das neue Jahr an Aufgaben und Arbeiten in seiner heute noch verhüllten Last heranträgt, — wir wollen sie auf uns nehmen und sie zu erfüllen versuchen in festgeschlossenen Reihen und doch die Fahnen mit dem stummen, vom alten ins neue Jabr hinübergenommenen Gelöbnis auf den Lippen: „Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt!" Dr. Pr. Ir. Goebbels spricht am Silvesterabend, über alle deutschen Sender. Reichsminister Dr. Goebbels spricht am Sonntag, dem 31. Dezember 1933 (Silvester) abends von 18.30 bis 18.45 Uhr ber alle deutschen Sender. Wenn es Ihnen recht ist, Vetter, dann lasse ich mir M^ seAem.sanr.en,Weken. Niemand mehr sah ihm den^letzt uon Frau Berger mein Zimmer zeigem JH-binMr^^ EorMuMcholat.)^ übermütigen, fast ein wenig leichtsinnigen Leutnant an, als den sie ihn aus ihrer frühesten Jugend in Erinnerung hatte. Eigentlich war er ihr sympathisch, trotz seiner Un- Mdlichkeit von vorhin, trotz seiner derben „Wahrheiten". Und es gefiel ihr besonders, daß er nicht mehr scheinen wollte, als er war. Daß er nicht wieder geheiratet hatte? Ein Mann wie er, der Besitzer des schönen Koltau — gewiß hätte er genug Frauen finden können. Aber — sie wußte ja, wie - er dachte. Er mußte eine Frau sehr gern haben, wenn er sie heiratete. Und wahrscheinlich hatte er nach seiner Aenne keine Frau mehr geliebt. Es klopfte an der Tür; Fran Berger erschien. „Es ist alles in Ordnung, Herr Baron..." „Kusine, das hier ist unsere alte Frau Berger, der gute Geist des Hauses — meine Kusine, Gräfin Regina Koltau. Sie wird einige Zeit hierbleiben, Frau Berger, und' ich hoffe, Sie werden alles tun, ihr den Aufenthalt so an genehm wie möglich zu machen." „Ja — ja, gewiß — ich werde mir alle Mühe geben." Aengstlich blickte Frau Berger auf die vornehme Dame. So etwas war man hier nicht gewohnt. Mein Gott, was sollte dieser Besuch bedeuten? Wollte der Baron etwa wieder heiraten? Nach seiner sechs jährigen Witwerschaft und seiner Einsamkeit konnte man es ihm eigentlich nicht übelnehmen. Aber das da war doch eigentlich nicht die richtige Frau für den Baron und für Koltau. So eine Feine, Städtische — gar keine, die aufs Land paßte. „Sie werden schon alles recht machen, Frau Berger", sagte Regina, der ängstlichen Frau die Hand gebend. „Sie brauchen keine Sorge zu haben, ich bin nicht so anspruchs voll. Und dann, Koltau ist mir ja nicht fremd. Ich bin hier geboren, es ist mein Vaterhaus, da muß es einem ja gefallen." Dann wandte sie sich zu Viktor Koltau. l43 „Ein ungewöhnlich intelligentes Gesicht, fast zu ernst «nd zu reif für seine sechzehn Jahre." „Nun, Sie werden die Jungens ja am Sonnabend kennenlernen. Da rückt die Bande an und wird wieder das ganze Haus auf den Kopf stellen." „Ich freue mich schon darauf, Ihre Söhne krnnen- zulernen, Vetter, die Träger unseres alten Geschlechts..." Wieder folgte eine Stille. Um nicht wieder eine zu große Panse eintreten zu lassen, fragte Regina: „Wie sind Sie mit den Ernteerträgnisseu zufrieden, Vetter?" „Tja — man muß zufrieden sein. Von Unwetter «nd Mißernten sind wir ja gottlob bisher verschont geblieben. Und dann, mein Haushalt wird sehr einfach geführt. Wir sparen an allen Ecken und Enden. Vom Anfang meiner Ehe an habe ich nie über die Stränge schlagen dürfen, dafür sorgte schon meine Frau. Und mir selbst lag auch nichts daran, viel Geld aus zu geben. In den ersten Ehejahren ging es schon recht knapp zu. Mit dem schmalen Leutnantsgehalt und den paar Zinsen konnte man keine großen Sprünge machen. Deshalb sahen wir den Himmel offen, als wir das Majorat bekamen. Und deshalb haben wir auch hier von Anfang an gespart. Meine Söhne sollen es einmal besser bekommen, sollen sich nicht so abquälen müssen. Solange ich kräftig und gesund bleibe, will ich dafür sorgen..." Regina sah den Mann vor sich an. Wie sehr er sich verändert hatte! Eine reife und feste Männlichkeit lag müde. Wenn es Zeit ist, zu Tisch zu gehen, kommt Frau Berger vielleicht mich holen." „Aber Kusine, das werde ich mir doch nicht nehmen lassen, Sie selbst abzuholen. Sie müssen mir das erlauben als Zeichen dafür, daß Sie mir nicht mehr grollen " „Ich — ich hab' Ihnen ja nicht gegrollt" „Nicht?" Hastig hatte er ihre Hand ergriffen. „Ach, lassen wir doch das Vergangene. Daß ich hier geblieben bin, beweist Ihnen doch, daß Sie sich irrten." „Ich danke Ihnen, Regina." Erbebend entzog ihm Regina ihre Hand, die er an seine Lippen gebracht hatte. Dann wandte sie sich zum Gehen. Frau Berger aber schritt gedankenschwer hinter dem Gast her. Das war also doch richtig. Baron Koltau ging auf Freiersfüßen. Das konnte man auf den ersten Blick sehen. Nie hatte er die selige Baronin so mit den Augen angeblitzt, nie ihr auf diese Weise die Hand geküßt. Einundzwanzig Jahre diente sie nun den Koltaus, aber von dieser Kusine hatte sie noch nie etwas gesehen. Auf einmal tauchte sie auf. Gott mochte wissen, wo die auf einmal herkam. Na ja, im Notfall mußte sie halt ihr Bündel schnüren, denn von so einer Neumodischen ließ sie sich nicht kujonieren... * « Leonore war entzückt von ihrer Reise. Zuerst war Altenberg ja sehr zugeknöpft gewesen; aber allmählich war er aufgetaut. In Ilmenau hatten sie das erste Mal HM gemacht, m» zu frühstücken. Dann ging es weiter nach Meiningen. „Die Stadt ist sehr hübsch, Fräulein Lore", sagte Graß Altenberg, als sie über einen großen Platz fuhren. „Hier wollen wir parken, ich möchte Sie ein wenig herum^ führen." Mehr als eine Stunde waren sie dann in der Stadt herumspaziert. Altenberg war sehr aufgeräumt gewesen^ hatte ihr aus seiner Studentenzeit erzählt, von allerlei'