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I Wilsdruffer Tsgeblan I l 2. Blatt Nr. 266 — Dienstag, den 14. November 1933 I TageSspruch. Nicht Wurzeln auf der Lippe schlägt das Wort, Das unbdacht dem schnellen Zorn entflohen; Doch von dem Ohr des Argwohns aufgefangen, Kriecht es wie Schlingkraut endlos treibend fort Und hängt ans Herz fich an mit tausend Aesten: So trennen endlich in Verworrenheit Unheilbar sich die Guten und die Besten. Schiller. i .. - - Ser Sank des Reichsinnenminisiers. Für die großzügige Durchführung der Wahl. Der Reichsmini st erdesJnnern gibt folgen des bekannt: „Reichstagswahl und Volksabstimmung schaben über 43,5 Millionen deutscher Männer und 'Frauen stm die Wahlurne geführt. Vorbereitung und Durch führung sowie die Feststellung des Endergebnisses von Wahl und Abstimmung haben an das Organi sation s g e s ch iü und die Arbeitskraft der Be hörden in Stadt und Land sowie an die Arbeits- Freudigkeit der Wahlvorstände, denen die Entgegen nahme des geschichtlichen einzigartigen Volksbekenntnisses oblag, besondershoheAnforderungen gestellt. Den zahlreichen Männern und Frauen, die in den Wahlvorständen oder sonst bei Durchführung der Wahl »ehrenamtlich tätig gewesen sind, spreche ich Dank chnd Anerkennung aus. In diesen Dank schließe sich neben sämtlichen beteiligten Reichs-, Landes- und Kommunalbehörden die Deutsche Reichsbahngesellschaft, !die deutschen Schiffahrtsgesellschaften wie alle übrigen iVerlehrsunternehmungen ein, die zur Erleichterung wer Stimmabgabe wesentlich beigetragen haben.* Dr. Letz an die Amtswalter der PO. und an die Arbeitsfront. Der Stabsleitcr der PO. und Führer der Deutschen ^Arbeitsfront, Dr. Robert Ley, hat einen Aufruf an ;die Amtswalter der politischen Organi sation der NSDAP, erlassen, in dem es heißt: „Wie immer, habt ihr eure Pflicht getan. Der Sieg, größer als selbst von uns erwartet, ist errungen. Wie in allen den früheren Kämpfen, standet ihr auch diesmal wiederum in vorderster Linie der Partei. Aber was am meisten die Welt bewundert: Ihr seid ein so einheit liches Korps von gleichem Fühlen und Denken ge worden und so mit dem Führer, unserem Adolf -Hitler, verwachsen, daß ihr befähigt seid, die Gedanken des Führers in vollendeter Weise dem Volk zu ver mitteln. Führer und Volk sind eins geworden, und ihr seid die besten Prediger und Soldaten zugleich." Weiter hat Dr. Ley einen Aufruf an die Arbeitsfront »erlassen, in dem es heißt: „Kameraden der Arbeitsfront! Ihr habt das Ver trauen, das der Führer in den deutschen Arbeiter setzte, mehr als gerechtfertigt. Ihr habt ihm, Adolf Hitler, die Jahre eurer marxistischen Verirrung abbitten Wollen. Habt Dank für eure Treue! Die Arbeitsfront, noch vor Monaten ein Wagnis und Experiment, ist heute bereits neben der Partei das stärkste Fundament des neuen Staates." Zevorzugmg der WerlMmienten. Bei der Stellenbewerbung im öffentlichen Dienst. Reichsinnenminister Dr. Frick hat an die obersten Nüchsbehörden und Landesregierungen ein Schreiben ge richtet, in dem er ausführt, daß die Abiturienten, dir ihr Werkhalbjahr hinter sich haben, eine beson ders aufgeschlossene Haltung gegenüber den nationalen und sozialistischen.Aufgaben in Volk und Staat bekundet und sich in der Erziehung des Arbeitsdienstes für diese Aufgaben besonders geschult haben. Jnfolaedesien bat Ein Walzer aus Wien Roman von Paul Hain. Nachdruck verboten 1. Kapitel. „Eins — zwei, drei, eins — zwei, drei, eins —, Kinder, ihr spielt, daß einem grad das Herzl im Leib lachen tut vor Freud und Seligkeit! Recht so, die Flöterln müssen jubi lieren wie die Engerln im Himmel, daß es einem weh tut in der Brust vor sentimentalischer Lust, und das Herrgöttl im Wiener Himmel ein' Seufzer tut: Iessas, was sind meine Weaner Musikanten für kreuzbrave Hallodris! oha — eins — zwei, drei, eins — zwei, drei, eins — und jetzt ein Schwänzer! hing'schmiert, daß den Mäderln das Herzl Hin term Busentücherl hupfen tät, daß man sein Freud' daran hat. Eins — zwei, drei, eins — zwei, drei —" Die Kapelle von zwanzig Mann ausgemachten Musikan ten auf der Estrade des großen Saales der „Harmonie", der dem Aloisl Gugelhupfer gehörte, spielte mit einer wahren, infernalischen Inbrunst, daß einem wirklich das Herz im Leibe zerspringen könnte, ob solcher musizierenden Seligkeit, und der schlanke, elegante Konzertmeister im adretten, ta dellos gebügelten Bratenrock über das ganze gebräunte Ge sicht schmunzelte und es in den dunklen, ein bißchen zigeu nerhaften Augen glühte. Dabei spielte er die Geige mit einer heißen, leidenschaft lichen Hingabe, den Saiten einen betörenden Wohlklang entlockend, der ins Blut ging. Sein hübsches, männlich-edles Gesicht war voll fanati scher Begeisterung, da er über die bunte, durcheinanderwir- belnde Menge blickte, die im Walzertakt über das blanke Parkett tanzte, Wiener Mädels, Wiener Burschen, Wiener Glückskinder, jung und alt, alle zusammen. Oha — so ein Dreivierteltakt machte das Blut heiß, machte die Augen blank und die Herzen voll maßloser Seligkeit. So ein Wiener Walzer — das ging noch über den Heu rigen, ging über die blaue, liebe Donau, über den Wiener Waltz, war alles Mammen, Donau und Leuriaer und Wie der Minister im Einvernehmen mit dem NeiMärbeiss- minister und der Reichsleitung des Arbeitsdienstes die beteiligten Stellen ersucht, die Werkabiturienten bei der Bewerbung um Stellen im öffentlichen Dienst bevorzugt zu berücksichtigen. Aas vorläufige amtlicheLndergebnis Volksabstimmung Stimmberechtigte ..... 45146277 Abgegebene Stimmen. . . . 43 460 529 (96,3 Ja 40 609 243 (93,5 Nein 2 101 004 ( 4,9 H) Ungültig . 750282 Reichsiagswahl Stimmberechtigte ..... 45146277 Abgegebene Stimmen. . . . 42 995 718 (95,2 A) NSDAP. ........ 39646273 (92,1 H) Ungültig 3349445 Die entsprechenden Ziffern der Rcichstagswahl vom 5. März dieses Jahres lauten: Stimmberechtigte 44 685 764, ab gegebene Stimmen 39 655 029, Wahlbeteiligung 88,7 Pro zent, NSDAP. -Stimmen 17 277 180 oder 43,9 Pro zent, übrige Parteien 22 066 151 oder 56,1 Prozent. Von den letzteren entfielen auf die SPD. 7181 929, auf die KPD. 4 848 058, auf das Zentrum 424 905, auf die Deutschnationalen 3136 760, die Bayerische Volks partei 1073 552, die Deutsche Volkspartei 432 312, den Christlichsozialen Volksdienst 383 999, die Deutsche Staats partei 434 242, die Deutsche Bauernpartei 114 048, den Bauern- und Weingärtnerbund 83 839, die Deutsch-Hanno veraner 47 743 und auf die sonstigen Parteien 5064 Stimmen. Die Zahl der Mandate im neuen Reichstag wird 661 betragen. Sin Spiegelbild der Volksgemeinschaft. Die Berufe der neuen Reichstags abgeordneten. Wenn auch die Zuteilung der Mandate des neuen Reichstags noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, so steht doch schon jetzt fest, daß fast sämtliche Kandidaten des Einheitswahlvorschlagcs der NSDAP, in den Reichstag cinziehen werden. Damit wird die deutsche Volksvertretung zum erstenmal ein wahres Spiegelbild der Volksgemein schaft sein. Da sind zunächst neben dem Führerund Volks kanzler selbst etwa 50 Reichs- und Staatsminister, Reichsstatthalter und andere hohe Beamte. Als Vor- und Mitkämpfer für die deutsche Revolution schließen sich an etwa 100 Vertreter der Parteiorganisation der NSDAP, mit den Gauleitern an der Spitze, der SA., der SS. und des Stahlhelm sowie der wirtschaftlichen Organisationen der NSDAP. Die Beamtenschaft wird, abgesehen von den höchsten und hohen Beamten, weiter durch rund 40. höhere, mittlere und untere Beamte vertreten sein. Entsprechend der Bedeutung der Landwirt- sch ast werden dem neuen Reichstag auch zahlreiche Bauern und andere in der und für die Landwirtschaft tätigen Personen, so auch Landarbeiter, angehören, nämlich mehr als 80. Selbstverständlich sind auch die Arbeiter überhaupt in starkem Umfange berücksichtigt. Rund 40 Kandidaten sind als Arbeiter im Wahlvorschlag gekennzeichnet. In dieser Zahl kommt aber die wahre Vertretung der Arbeiterschaft im neuen Reichstag bei weitem noch nicht zum Ausdruck, da ja zahlreiche Vertreter der politischen und wirtschaftlichen Organisationen der NSDAP., der SA. usw. gleichfalls dem Arbeiterstande angehören. Neben der Landwirtschaft stellt die gewerbliche Wirtschaft in allen ihren Gliederungen einschließlich Handel und Industrie im neuen Reichstag eine große Zahl von Abgeordneten, die etwa auf 200 geschätzt werden kann. Unter ihnen werden etwa 4 0 Handwerker vertreten sein. Der Nest der Abgeordneten verteilt sich auf die übrigen Stände und Berufe. Oer erste reindeuische Reichstag. Der neugcwählte R e i ch s t a g ist ein Parlament von besonderer Bedeutung. Während in den bisherigen Reichstagen zahlreiche Juden und Jüdinnen vertreten waren, gehören dem neuen Reichsparlament nur Männer arischer Abstammung an. Auch Frauen sind in dem neuen Reichstag nicht mehr zu finden. Der Reichstag vom 12. November 1933 macht einen sehr jugendlichen Eindruck. Das Durchschnitts alter liegt erheblich niedriger als in den vorhergehenden Reichstagen. Schätzungsweise kann man annehmen, daß die meisten Reichstagsabgeordneten sich in den Alters gruppen von 30 bis 45 Jahren befinden. Der älteste Neichstagsabgeordnete ist anscheinend General Litz- mann, der 83 Jahre alt ist. Dieses Alter legt ihm keine besondere Bürde mehr auf, denn das Amt des Alters präsidenten ist bekanntlich abgeschafft worden. Die Konstituierung des neuen Reichstages erfolgt unter der Leitung des bisherigen Reichstagspräsidenten Göring. Zu den jüngsten Parlamentariern gehören «. a. die Abgeordneten Baldur von Schirach, der 26 Jahre alt ist, und der Abgeordnete Ludin, der 28 Jahre zählt. Die Fristen für die amtlichen Wahlfeststellungen. Endgültige Zusammensetzung des Reichstags in zwölf Tagen. Der Reichswahlleiter hat die Kreiswahlletter angewiesen, die endgültigen Gesamtergeb nisse aus den 36 Wahlkreisen spätestens in acht Tagen beim Reichswahlbüro einzureichen. Die Feststellung des endgültigen Gesamtergebnisses der Rcichstagswahl für das gesamte Reichsgebiet durch den Reichswahlleiter wird dann innerhalb von drei Tagen erfolgen. An sich müßte erst von den mehrfach gewähl- t e n Kandidaten die Auskunft eingeholt werden, m wel chem Wahlkreis sie die Wahl annehmen wollen. Dies würde ein sehr langwieriges Verfahren sein, wenn man bedenkt, daß angesichts des Einheitsvorfchlages diesmal zahlreiche Kandidaten mehrfach gewählt worden sindi Um nun das zeitraubende Verfahren der A«s- kunftseinholung überflüssig zu machen, stellt die Reichswahlleitung der NSDAP, von sich aus einen Plan darüber auf, in welchem Wahlkreis die einzelnen Kandidaten ihre Mandate annehmen, so daß dem Reichswahlleiter diese Arbeit erspart bleibt. Da die endgültige Feststellung des Wahlergebnisses spätestens in. elf Tagen erfolgt, so kann man damit rechnen, daß dis endgültige Zusammensetzung des Reichstages in zwAll Tagen fest steht. Nach dem Wahlsieg. Reichskanzler Adolf Hitler nimmt von einem Fenster seiner Wohnung in der Reichskanzlei nach dem großen Treuebekenntnis des deutschen Volkes die Huldi gungen der Menge entgegen. ner Wald, war etwas von der österreichischen Seele und ein Stückchen von der blauen Adria mochte auch mit da bei sein! Ein Wiener Walzer — Herrgott im Himmel, was könnt' es noch Schöneres geben, als ein Mädel im Arm zu halten und mit ihm durch die blaue Seligkeit solcher Walzertakte zu tanzen! Nein, im Wien dieses Jahres 1848 gab es nichts Besseres — bei Gott! Zumal, da der Winter dem Frühling schon mählich zu weichen begann und die Lüfte voll Sehn sucht und süßer Ahnung waren. Und in der „Harmonie", diesem illustren Bergnügungs- lokal, ging's allweil lustig zu, wenn die Wiener ihren Sonn tag feierten. Abgesehen von den heißen Würsteln und den goldbraun gebackenen Brezeln, die jedes Wiener Mäderl un bedingt von ihrem Liebsten wünschte und bekam — in der „Harmonie" bekam man auch immer den neuesten, feschen Walzer von Johann Strauß zu hören, und schon das allein lohnte, dorthin zu gehen. Wien ohne die Harmonie? Ohne den Johann Strauß? Mann hätt's sich nicht ausdenken können! Johann Strauß — der ungekrönte König von Wien! Ein wahrer König des Volkes! „Und jetzt — Kinder — hinein in die Geschichten aus dem Weaner Wald, daß es eine Art hat und den Mäderln das Herz schier zerreißt — o lala — o lala." Johann Strauß ließ einen Augenblick die Geige vom Kinn und hob den Bogen, ermunternd nickte er der Ka pelle zu, in deren erster Reihe sein jüngerer Bruder, „das Iosefl", ebenfalls die Violine spielte — die Musik glitt in einen gedämpften, verheißungsvollen Uebergang —. Dann setzte Strauß mit einem Ruck die Geige wieder an, drehte sich dem Saal zu mit seinem Lichterglanz und seiner Fröhlichkeit, und mit einemmal strömte wieder im vollen, breiten Dreivierteltakt die Melodie dahin — jene Melodie, die ganz Wien kannte und die der Schöpfer dieser unsterb lichen Musik „Geschichten aus dem Wiener Wald" genannt hatte. Der Kaiser selbst hatte ihn dafür vor Jahr und Tag — und das wußte jedes Kind — einen huldvollen Brief ge ¬ schickt: „Johann Strauß, dem Meister der Töne", so hatte darin gestanden, „meine Hochachtung vor seiner Kunst. Seine Wiener Geschichten sind so österreichisch, daß ich nur wünsch', man tät sie in hundert Jahren nicht vergessen haben." — Da stand nun der Johann Strauß, dem das Geld noch keineswegs scheffelweis' ins Haus gerollt war, und fiedelte seinen Wienern das Lied ihrer Heimat vor. Dem Walzer konnte kein Fußspitzerl entgehen, mochte es selbst der dicken,. zweieinhalb Zentner schweren Aloisia Hubermaier, die am Ring ihre vortrefflichen Wiener Wür- steln zu verkaufen pflegte, und dem Wenzel Miesn'ck, dem immer weinseligen und singfrohen Nachtwächter gehören, der auf einen „Sprung" in die Harmonie hereingekommen war und Spieß und Lampe draußen vor die Tür gelehnt hatte. Oder dem drei Ellen langen Schreiner Veit Gstettenbauer, der größte Raufbold Wiens, oder dem kleinen, allzu kugel rund gebauten Stasi Lümmlein, ehrbarem Weißwarenhänd ler am Kärntnerving. Und selbst der Aloisl Guglhupfer, der Wirt, band hinter der Theke nebenan die adrette weiße Schankschürze ab, nahm seine beleibte Eheliebste, die gerade einen neuen, goldgelben Schmarren für den Herrn Notarius Gustl Wieselchen auf dem Feuer buk, unter den Arm und stürmte schnaufend in den Saal. Johann Strauß fiedelte, als läg sein Leben, seine Seele in den Saiten. Oh, du verliebtes, oh, du gesegnetes, kindliches Wien! Johann Strauß tat einige Schritte die Stufen des Po diums hinab. Ein lachender Hexenmeister auf der Geige, der sein« Töne jedem vorbeitanzenden Paar dicht in die Ohren, in die berauschten Sinne warf. „Oh, ihr süßen Mäderln alle, ihr jungen, hitzköpfige« Burschen, ihr lieben, fröhlichen Wiener Leut' — wie lieb ich euch alle!" so sang sein Herz innig mit. Musik machen für euch, daß ihr die Sorgen vergeßt, immer neue Walzer euch ins Blut gießen — was könnt' es Schöneres geben? Ich dank' dir, Herrgott, daß du mir die Kraft gegeben hast, dies Können, diese innerliche Sehnsucht und Fröhlich keit. Ich dank' dir aus Herzensgrund!" (Fortsetzung folgt.)