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KilsdmfferTageblatt für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter W Nationale Tageszeitung für die iandwirtschast, NZNVL Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend ^ötlVlllf, 60. foufttger Rtirltksfförunlikü kefktkt 4ein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Rückporto beiliegt. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzeile 20 Rpfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichst Pfennige, die 3 gespaltene Neklamezeile im textlichen Teile 1 RM. Nachweisungsgebühr 20 Aerchspjcnnige. Dörgen schrieben- Erscheinungs- laxe rmb Pkrgvorlchrifiew werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 bf^.-KNch?.at. An-eigene annahme bisvorm.10Uhr. - -—---- >..> dnr durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Rabaltanspruch erlischt, wenn der Betrag durchs Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte BlatS Nr. 232 - 92. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Mittwoch, den 4. Oktober 1933 Auf dem Karsch aus der Krise. Vor kurzem sah sich die Reichsrcgicrung genötigt, in scharfer Form allerhand Verdächtigungen entgegen- zutreten, die im Auslande über die Richtigkeit der deutschen Mitteilungen wirtschaftsstatistischer Art verbreitet wurden. Man bezweifelte dort die Angaben des Deutschen Stati stischen Reichsamtes sowohl über die Entwicklung unseres Außenhandels als auch über den Rückgang der Arbeitslosigkeit und ganz allgemein über den Erfolg der Regierungsmatznahmen im Kampf gegen die Krise. Auch wenn man solche Verdächtigungen des Aus landes sicherlich aus übelwollen und eine sehr bewutzte Herabsetzung dieses Erfolges zurückführen kann, so ist es trotzdem wertvoll, wenn nun dasselbe Ausland auch ein mal zugeben mutz, daß besonders der Kampf der deutschen Reichsrcgierung gegen die Arbeitslosigkeit zu beträcht lichen Erfolgen geführt hat. Das Genfer Inter nationale Arbeitsamt nämlich, das keineswegs von irgendwelcher Deutschfrcundlichkeit erfüllt ist — erst die letzte Internationale Arbeitskonferenz in Genf zeigte deutlich die antideutsche Einstellung —, veröffentlicht nun selbst eine Statistik über die Entwicklung der Weltarbeits- losigkcit in den drei letzten Monaten. Auch jetzt wieder muß das Internationale Arbeitsamt erklären, daß „be sonders in Deutschland" in der Zahl der stati stisch feststellbaren Arbeitslosen erhebliche Rückgänge zu verzeichnen seien. Zugegeben wird ferner, daß in Deutsch land gegenüber dem September vergangenen Jahres nun die Arbcitsloscnziffer für den September 1933 einen Rück gang von über einer Million aufweise. Gewiß ist auch in einer Reihe anderer Staaten die Arbeitslosenziffer mehr oder weniger stark gesunken, aber dem steht anderer seits auch ein Ansteigen dieser Ziffer im Vergleich zum Sommer vorigen Jahres gegenüber, zum Beispiel in Österreich, Bulgarien und der Tschechoslowakei. Dabei sei hier noch an die Feststellung desselben Internationalen Arbeitsamtes erinnert, daß bereits im Frühling dieses Jahres in Deutschland ein ausfallend starker Rückgang der Erwerbslosigkeit eingetreten sei, während in derselben Zeit die Weltarbeitslosigkeit noch im Steigen begriffen war. Aber nicht nur das Genfer Arbeitsamt darf die Behauptung wagen, daß „zum ersten Male seit Be ginn dieser Krise in der Weltwirtschaft eine leichte Besse rung festgestellt" sei, sondern auch der Wirtschafts ausschuß der Völkerbundversammlung — also auch eine gewissermaßen neutrale Organisation — steht auf dem Standpunkt, daß eine allmähliche Besserung der allgemeinen Wirtschaftslage nicht mehr bestritten wer den könne. Als Beweismaterial dafür wird die Zunahme der industriellen Erzeugung gegenüber dem Vorjahre her angezogen und dabei schießen natürlich die Vereinigten Staaten mit einem 70prozenügen Anwachsen ihrer Er zeugung den Vogel ab; andererseits war diese Erzeugung im vergangenen Jahre auf einen unglaublich niedrigen Stand gesunken, der verhältnismäßig noch tiefer lag als dies bei uns der Fall war. Für die industrielle Erzeugung inDeutschland selbst nun nimmt das Internationale Arbeitsamt ein Anwachsen von 18 Pro zent an. Das deckt sich auch wieder mit Feststellungen, die von der deutschen Reichsregierung wiederholt gemacht worden sind, — und so liegt denn auch darin wieder der Beweis dafür, daß die'Anzweiflung der entsprechenden amtlichen Mitteilungen unserer Regierung so unberechtigt wie nur möglich gewesen ist. Und schließlich hat der Wirtschaftsausschuß des Völkerbundes noch darauf hingewiesen, daß zum ersten mal seit Beginn der Krise eine Zunahme auch des zwischenstaatlichen Güteraustausches, des Welthan dels, eingetreten sei; er habe sich gegenüber dem Vor jahre um etwa zehn Prozent ausgedehnt. Leider besagt das aber noch nicht, daß die Entwicklung in dieser Weise auch weitergehen wird! Die Irrungen und Wirrungen, die namentlich durch die Währungsentwertungen hervor gerufen wurden, und in letzter Zeit nur noch schlimmer geworden sind, müssen sich ja einer wirklich günstigen Entwicklung des Güteraustausches zwischen den Völkern entgegenstellen. Vor allem sind diese Währungs- erperimente, von denen sich Deutschland so fern wie nur möglich hält, immer „Kampferspritzen" gewesen, die nur eine kurze sehr unnatürliche Beschleunigung des wirt schaftlichen Pulsschlages hervorriefen. Aber selbst wenn man mit Recht jetzt annehmen kann, daß in der Welt wirtschaft und bei den einzelnen Völkern die Wirtschafts lage besser geworden ist und die Arbeitslosigkeit daher mehr oder minder zurückging, so darf dabei nicht vergessen werden, daß der jahrelange Marsch in die Krise hinein leider viel zu lange gedauert hat, als daß nun eine kurz fristige Wicdererholung möglich sein könnte. Lies Vein« Heimatzeitnng, dar Wilsdruffer Tageblatt MM AM siir hie Minderheiten Rede des deutschen Vertreters vor dem Völkerbund. Der deutsche Vertreter in Genf, Gesandter von Keller, hielt im Politischen Ausschuß der Völkerbundversamm lung bei der Aussprache über die Minderheiten frage eine in allen internationalen Kreisen mit Spannung erwartete große Rede, die den grundsätzlichen Standpunkt des neuen Deutschland zum Minderheiten problem in aller Breite aufrollt. Die Aussprache erfolgte auf Grund eines besonderen Antrages der deutschen Ab ordnung, im Rahmen der Völkerbundversammlung das Minderhcitenproblem und besonders den völlig un genügenden Minderheitenschutz des Völ kerbundes zur Behandlung zu stellen. In letzter Zeit, so führte Gesandter von Keller u. a. aus, hätten die Minderheiten empfindliche Schädigungen, besonders auf wirtschaftlichem und kulturellem Gebiete in einem Maße erlitten, wie es in den Jahrzehnten der Vorkriegszeit trotz aller nationalen Spannungen nicht bekannt war. Von besonderer Bedeutung sei die immer noch bestehende Tendenz zu einer mehr oder weniger erzwungenen Angleichung fremder Minder heiten durch das Mehrheitsvolk. Gesandter von Keller zitierte in diesem Zusammenhang die bekannten Er klärungen des deutschen Reichskanzlers, daß das deutsche Volk in Treue an seinem eigenen Volkstum hänge und sich mit den in aller Welt lebenden Deutschen unlöslich innerlich verbunden fühle. „Wir kennen nicht den Begriff des Germanisierens, wir wehren uns aber auch gegen jeden Versuch, Deutschland zu entnatio- nalisieren." Gesandter von Keller ging in diesem Zusammenhang auch auf die Iu d e n f r a g e ein. Es handle sich hierbei in Deutschland in erster Linie um ein bevölkerungs politisches und soziales Problem, das auch eine besondere Lösung werde erfahren müssen. Nach der Rede des deutschen Vertreters kam es zu einer großen politischen Aussprache über die Minder heitenfrage, die von der Gegenseite zu kaum verschleierten' Angriffen gegen Deutschland in der Judenfrage benutzt wurde. Hier tat sich besonders der Franzose Berenger hervor. Der schwedische Außen minister Sandler betonte, im Hinblick auf die Er eignisse in gewissen europäischen Ländern sei jetzt eine grundsätzliche Regelung des Minderheitenschutzes notwendig geworden. Der Redner kündigte praktische Vorschläge an. Der Vertreter Polens brachte eine Entschließung ein, die die Ausdehnung des Minderheiten schutzes aus sämtliche Minderheiten und Übernahme der gleichen Minderheitenschutzverpflichtungen durch sämtliche Staaten sordert. Der polnische Vertreter erklärte, er müsse die Notwendigkeit der Kritik und der Vorbehalte gegenüber den deutschen Ausführungen bs-- tonen. -n Es ist grotesk, wenn ausgerechnet der in de« Minderheitenfrage am meisten belastete Staat Polen einen derartigen Antrag stellt. Polen spielt hier das Spiel Frankreichs, von dem es wahrschein lich vorgeschickt ist. Zweck dieser abgekarteten Sache ist, die Genfer Debatten von den großen entscheidenden Fragen der Abrüstung und der Gleichberechtigung ab- zulenken und Deutschland durch tendenziöse Ausein andersetzungen in der Judenfraae Schwierigkeiten zu machen. Es kann nur lächerlich wirken, wenn der Völker bund, der seit vierzehn Jahren u. a. den polnischen und den litauischen Terror gegen die deutsche Minderheit tatenlos mitsieht, ja sogar entgegen seinen ausdrücklichen Vertragsverpflichtungen stillschweigend billigt, sich plötz lich zum Schützer der Juden aufwerfen wollte, nur weil Deutschland Herr im eigenen Hause sein will. MWM MsW Ns A. AW M österreichische Bundeskanzler angeschoffen. Von einem entlassenen Gefreiten. Aus den österreichischen Bundeskanzler Dr. Doll fuß wurde am Dienstag ein Anschlag verübt, bei dem er durch einen Brust- und einen Armschutz leicht verletzt wurde. Das Attentat geschah beim Parlament, als sich der Bundeskanzler zu den Beratungen des Christlich sozialen Klubs begeben wollte. Der Täter wurde verhaktet. Bundeskanzler Dr. Dollfuß. Der Mann, Ser den Anschlag verübte, ist ein ent lassener Gefreiter des österreichischen B u n d e s h e e r e s. Er stand, als der Bundeskanzler eintraf, neben mehreren Bittstellern auf dem Korridor des Parlaments. Als Dr. Dollfuß an ihm vorüberging, ver suchte er, ihm eine Bittschrift zu überreichen, die ihm der L». Dollfub begleitende Kriminalbeamte abnahm. Der Mann trat hierauf einige Schritte zurück und gab auf den Bundeskanzler zwei Schüsse ab. Mp eine ungefährliche Fleischwunde. Der Bundeskanzler, der sich in die Klinik begeben hatte, wurde dort genau untersucht. Die ärztlichen Fest stellungen ergaben einen Durchschuß des Oberarms. Der Knochen ist nicht berührt. Die zweite Kugel hatte nur die Kleidungsstücke durchschlagen. Nachdem die Wunde verbunden worden war, begab sich Dollfuß in seine Wohnung. Er führt die Regierungsgeschäfte weiter. Der 22jährige Attentäter wurde auf der Wachstube einem ersten Verhör unterzogen. Die Antworen, die er gibt, sind vollkommen wirr. Die benutzte Waffe ist ein 6,5-Millimeter-Revolver, der angeblich nur zwei Patronen enthalten hat. Unmittelbar nach dem Anschlag hatten sich mehrere Abgeordnete und die übrigen Anwesenden aus den Atten täter gestürzt und ihn verprügelt. Erst mit Mühe gelang es zwei Wachleuten, ihn in Sicherheit zu bringen. Aus den ersten Angaben des Täters Dertil geht das eine deutlich hervor, daß er kein Nationalsozialist ist. Er erklärte: „Ich bin kein Nationalsozialist; im Gegenteil, ich bin politisch indifferent." Er habe das Attentat gemacht, um die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich und seine „politischen Fähigkeiten" zu lenken. Er bestreitet die Mordabsicht. Wie es ein Augenzeuge sah. Ein Augenzeuge schildert den Anschlag auf Bundes kanzler Dr. Dollfuß folgendermaßen: Der Bundeskanzler war schon die Stufen zum Vestibül des Parlaments herab gestiegen, als der entlassene Gefreite des Bundesheeres ein Gesuch überreichte. Gleich darauf knallten die beiden Schüsse. Der Bundeskanzler öffnete den Rock mit den Worten: „Ich bin durchschossen!" Am Oberarm sah man einen blutigen Fleck. Die zweite Kugel, die gegen die Brust abgefeuert worden war, ist ab geprallt. Sie wurde im Vestibül aufgefunden.