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MMufferÄgeblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das „Wilsdruffer Tageblatt' erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. srei Haus, bei Postbestellung 1,80 AW. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Npfg. Alle Postanstalteu und Post boten, unsere Austräger u. „ Geschäftsstelle, nehmen zu I-derZ-i,Bestellungen end- Wochenblatt für Wllsdruff u. Umgegend gegen. Im Fall- höherer Gewalt.Krieg od. sonstiger Betriebsstörungen besteht bein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Rückporto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis- die 8 gespaltene R-umzeilc 20 Rpsg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs. Pfennige, die i! gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile I RM. Nachweisungsgebiihr 20 R-ichspfennige. Dorge. ^rden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 d°e?ü<Lsich«g^°An^chen" annahmebisvorm.IVUHr. ! Für di- Richtigkeit der Lurch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Rabaltanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadlrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nr. 11 — 92. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Freitag, den 13. Januar 1933 Zm russischen Kaum. Im größten zusammenhängenden Reich der Erde ist seit einem Dutzend Jahren eine riesenhafte Wirtschaftichk Umstellung im Gange. Rußland hat den Versuch ge macht — und will ihn fortsetzen —, die übrige indu strialisierte Welt wirtschaftlich einzuholen, mit einer Methode allerdings, die sich wesentlich von der in der übrigen Welt geltenden unterscheidet. Wie weit man dabei gekommen ist, kann infolge des Riesenumfanges der Sowjetunion und aus anderen Gründen der Außen stehende nicht sagen, und ob die Führer dieses wirtschaft lichen Umstellungsprozesses den anderen und — sich selbst volle Klarheit über das Erreichte, das Nichterreichte und das Erreichbare bringen wollen, darf man einigen nicht unbegründeten Zweifeln unterziehen. Der erste „Fünf-Jah res-Plan" ist jetzt abgelaufen, und man ist in einen neuen, für die gleiche Zeit vor gesehenen Wirtschaftsplan hineingesteuert, der aber nur zahlenmäßige Produktionsausdehnungen des ersten auf weist, allerdings auch wieder wesentliche „Umstellungen" durchaus nicht ausschließt. Dcnn wenn die Praris der russischen Erde und des russischen Menschen allzu hart mit den Absichten der Sowjettheoretiker zusammenstieß, dann hat man bisweilen diese Theorie wieder in den Schreib tischkasten zurückgelegt. Man hat in Moskau natürlich recht ausgiebige Reden über die — wirklichen und angeblichen — Erfolge des ersten Fünfjahresplans gesprochen, hat dabei aber — trotz aller Hymnen auf das Erreichte — durchaus nicht ver- schtviegen, daß auch große Mißerfolge zu ver zeichnen sind. Dabei ist nicht uninteressant, zu er fahren, welchen eigentlichen Sinn, welche Hauptabsicht der erste Fünfjahresplan gehabt hat oder — nach heutigen Erklärungen Stalins — zum mindesten gehabt haben soll. Dieser Sinn ist ein rein — Militär-, oder wenn manwillrnationalpolitischer, weit über den Rahmen eines riesigen wirtschaftlichen Experiments hinaus. „Wir würden sonst der mit neuer Technik aus gerüsteten kapitalistischen Einkreisung waffenlos gegen- uberstehen; wir hätten sonst nicht alle modernen Verteidi gungsmittel, ohne die unser Land sich in ein Objekt mili tärischer Operationen seiner äußeren Feinde verwandeln würde. Unsere Lage gliche dann mehr oder weniger der des jetzigen China . . ., mit einem Wort, wir hätten in einem solchen Falle keine Nichtangriffspakte, sondern Kriege; wir stünden den Feinden wehrlos gegenüber." Mit diesen Ausführungen will Stalin erklären, warum der wirtschaftliche Neubau in Rußland vielfach — mili tärische Züge trägt. Natürlich kann man diese Ausführungen des „roten Zaren" auch als Entschuldigung für die ganz außer ordentlich großen wirtschaftlichen Fehler auffassen, die im Laufe des Fünfjahresplans in Rußland begangen wurden. Das Militär läßt sich kommandieren, die Wirtschaft aber nicht. Modernste Riesenfabriken er richten mit den modernsten Niesenmaschinen darin heißt nun noch lange nicht, den vom Lande zugewanderten russischen Arbeiter in diesem und in jenem sofort auch zur Produktion zu befähigen. Ebenso ist es noch lange nicht gesagt, daß der russische Bauer, dem man einen Traktor hinstellt und eine Mähmaschine dranhängt» diese Maschinen mm auch wirtschaftlich verwerten kann. Molotow, der Vorsitzende des Rates der Volks kommissare, beklagt laut den auch heute noch bestehen den großen Mangel anQualitätsarbeitern in Rußland; desto mehr verspricht er sich und den andern von der und für die Zukunft, wenn sich die Zahl der qualifizierten Arbeiter erst entsprechend ge steigert hätte, Wenn also die Industrialisierung zunächst vor allem rein militärische Zwecke verfolgte und dann allmählich auf das Ziel der Selbstversorgung des russischen Volkes mit Jndustrieerzeugnissen hinstreben will, so ist die Selbstver sorgung und die Bereitstellung der Agrarproduktton heute von viel größerer Wichtigkeit und — Gefahr für die Sowjets als früher. Ihre Agrarpolitik hat hin und her geschwankt. Mittels einer möglichst großen Agrarausfuhr wollte man die für die Einfuhr von industriellen Produk tionsmitteln nötigen Devisen herbeischaffen. Daß hierfür die „Bolschewisierung" der Agrarwirtschaft eine höchst un geeignete Methode war, hat man in Moskau längst er fahren und jetzt auch zugegeben. Der unerhört weit gehende Ablieferungszwang für Agrarprodukte führte zu einem fortdauernden Sinken der Lebenshaltung in diesem Riesenland, das heute selbst auf die Befriedigung natür lichsten Lebensbedarfs verzichten muß. Und das zwingt oft genug zu „Durchbrechungen" der bolsche- wistischenTheorien, die überhaupt zu einem immer größeren Trümmerhaufen werden. Jederzeit kann mit dem Bezug aus das „Wilsdruffer Tageblatt" begonnen werden. Bestellungen nehmen fortlaufend unsere Zeitungsboten in Stadt und Land, sowie die Geschäft stelle entgegen. ReilhskMiW und MMM. Aeue Erklärungen des Mchslandbundes. Darstellungen über den Hindenburg- empfang. Die schweren Meinungsverschiedenheiten, die plötzlich öffentlich zwischen Reichsregicrung und Neichslandbund ausgebrochcn sind, haben in politischen und wirtschaftlichen Kreisen das grösste Aufsehen erregt. Die Ursache zu diesem Konflikt liegt in der Veröffentlichung einer vom Reichs landbund in sehr scharfem Ton gehaltenen Entschließung. Regierungsseitig wird behauptet, daß weder der Reichs präsident noch die Reichsminister, die an dem Empfang der Vertreter des Reichslandbundes tcilgenommen haben, von der Veröffentlichung dieser Entschließung in Kenntnis gesetzt worden seien, sondern daß die Reichsregicrung erst nach Abschluß der Aussprache bei Hindenburg von dem Vorgehen des Reichslandsbundcs Kenntnis erhalten habe. Auch der Reichspräsident selbst sei vollkommen überrascht gewesen, als er nach Beendigung der Sitzung von dem Vorhandensein einer derartigen Entschließung erfuhr. Die Reichsregierung hat ja nach Veröffentlichung der Entschließung des Reichslandbundes sofort in einer Gegenerklärung geantwortet, in der sie den Bruch zwischen der Reichsregierung und dem Reichslandbnnd amtlich mit- teilte und in der sie weiter eine Darstellung über die Verhandlungen beim Reichspräsidenten gab. Zu dieser Verlautbarung der Reichsregicrung hat der Reichslandbund, dessen Präsidium am Donnerstag abermals zusammengetreten ist, eine neue scharfe Gegenerklärung erlassen, in der u. a. gesagt wird: Die Mitteilung der Reichsregicrung enthält wesent liche Lücken und Unrichtigkeiten, die geeignet sind, den wahren Tatbestand zu verdunkeln. Gerade die Tatsache, daß die bisherigen Verhandlungen mit der Reichs regierung zu keinen praktischen Folgerungen durch Er greifen der notwendigen und möglichen agrarpolitischcn Sofortmaßnahmen geführt hatten, war ausschlaggebend für Ton und Inhalt der Entschließung des Bundesvorstandes des Rcichslandbundes, die der Widerhall der Verzweiflung und Verbitterung des deut schen Landvolkes ist, das sich infolge des Ausbleibens der immer wieder versprochenen durchgreifenden Agrarmaß- nahmcn von der Reichsregicrung im Stiche gelassen fühlt. Dieser Stimmung öffentlich Ausdruck zu geben, war selbst verständliche Pflicht des Bundesvorstandes. Die Ent schließung wurde sofort der Presse übergeben. Es ist kennzeichnend, daß die amtliche Mitteilung über den Besuch beim Reichspräsidenten stillschweigend hinweg geht; denn die bei diesem Empfang gemachten Aus führungen, die der Entschließung des Bundesvorstandes in jede» Beziehung entsprachen und sie durch Einzelheiten, insbesondere der bäuerlichen Vertreter erweiterten, machten so tiefen Eindruck auf den Reichspräsidenten, daß er sich entschloß, die Vertreter des Bundesvorstandes zu einer neuen Besprechung mit dem Reichskanzler, Reichs wirtschaftsminister und Reichsernährungsminister noch am selben Tage aufzufordern. Diese Besprechung fand unter Vorsitz des Reichspräsidenten wenige Stunden darauf statt. Die Reichsregierung ist leinen Augenblick im Zweifel darüber gelassen worden, daß die bisherigen agrarpoli tischen Maßnahmen in keiner Beziehung genügten. In bezug aus die beabsichtigten agrarpolitischen Maßnahmen war lediglich in zweierlei Beziehung eine Feststellung zu erreichen. Der Reichspräsident sagte einen umfassenden Vollstreckungsschutz zu und gab dem Reichskanzler ent sprechende Weisung. Der Reichskanzler seinerseits stellte eine künftige Handhabung der landwirtschaftlichen Zölle in Aussicht, die der Lage der Landwirtschaft teilweise mehr gerecht werden sollte. Die Reichsregicrung kündigt in ihrer amtlichen Mitteilung lediglich an, daß Falles sachlich Mögliche" für die Landwirtschaft geschehen werde. Es ist nicht die erste Zusicherung dieser Art. Die Stellung des Rcichslandbundes zu der Reichsregicrung wird nach wie vor nicht von den Versprechungen der Reichsregicrung, sondern von ihren Taten bestimmt werden. Der Abbruch der Beziehungen zum Reichslandbund ist ein Beweis dafür, daß die Reichsregierung den Notruf des Landvolkes nicht hören will oder völlig die wahre Sachlage verkennt. Der Reichslandbund wird sich dadurch nicht beirren lassen, seinen Kampf für die Gesundung der Landwirtschaft mit allen gebotenen Mitteln fortzu setzen. Auch der Neichsverband der Deutschen Industrie, der in der ersten Entschließung des Rcichslandbundes scharf angeariffen worden ist. antwortet auf diese Ent schließung in einer Kundgebung, in der er die Ausführun gen des Reichslandbundes aufs schärfste zurückweist. Das Vorgehen des Vorstandes des Reichslandbundes sei um so unverständlicher, als ihm bekannt sei, daß sich die Industrie in den letzten Monaten in Erkenntnis der Schicksalsver- bundcnheit der beiden Berufsstände erneut zu erfolgver sprechender Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft bereit erklärt und gerade in den letzten Wochen und Tagen in ge meinschaftlicher persönlicher Fühlungnahme um praktische, auf das Gemeinwohl abgestellte Lösungen bemüht habe. über den Empfang der Vertreter des Neichsland- bundes beim Reichspräsidenten wird noch sachlich bekannt, vatz auf feiten des Ländbundes die Präsidenten Graf Kalck- reuth und Millikens, außerdem die Herren von Sybel, von Rohr und andere teilgenommcn haben. Diese Herren sind vom Reichspräsidenten zunächst nur in Gegenwart eines Staatssekretärs empfangen worden, wobei sie die Wünsche und Nöte der Landwirtschaft vorgetragen haben. Erst nach Entgegennahme dieser Wünsche hat der Reichs präsident noch die in Frage konimenden Minister zu dem Empfang hinzugezogcn, damit, wi- Hindenburg sich aus drückte, die Aussprache auch el-- fruchtbares Ergebnis haben sollte. * Nie Agrarpläne der Neichsregierung. Von zuständiger Stelle wird noch einmal ein all gemeiner überblick über die Haltung und die Absichten der Reichsregicrung gegenüber den dringendsten Forde rungen der Landwirtschaft gegeben. Von be sonderem Interesse ist die Mitteilung, daß die Reichsrcgie- rung von der Ermächtigung zur Festsetzung autonomer Zölle unter allen Umständen Gebrauch machen will in dem Matze, in dem cs den Notwendigkeiten der Landwirtschaft entspricht. Welche Festsetzungen vorgenommen werden sollen, läßt sich zur Stunde noch nicht sagen. Die Reichs regierung geht von dem Standpunkt aus, daß die Inter essen innerhalb der Landwirtschaft keineswegs überall die gleichen sind, daß vielmehr — genau wie in der In dustrie — sich ganz ausgesprochene Gegensätze finden. Von der Margarincvcrordnung erwartet die Regierung keineswegs eine vollkommeneHilfe. Wenn man der Margarine zuviel Butter beimischt würde man Gefahr laufen, daß die Verbraucher aus der Butter in die Margarine übergehen und daß infolge dessen noch weniger Butter verbraucht wird. Die Reichs regierung denkt nicht daran, die bisher etwa 450 000 bis 480 000 Tonnen jährlich betragende Margarineerzeugung auf 240 000 Tonnen herabznsetzen. Wünschenswert er scheint allerdings die Verhinderung einer wei teren Erhöhung der Margarineprodüktion, weil sonst auch andere inländische Fette wie Schmalz und Speck nicht mehr von dem Konsum ausgenommen werden könn ten und dadurch die Lage der deutschen Landwirtschaft weiter verschlechtert würde. Was die Zölle anbetrifft, so wird daran erinnert, daß der Reichskanzler sich darüber bereits mit voller Klarheit ausgesprochen hat. Die vor England verfügte Einfuhrsperre war für zahl reiche europäische Länder von verhängnisvoller Wirkung Auf diesen Umstand ist auch zum Teil der Vuttersturz unmittelbar nach Weihnachten zurückzusühren. Hinzr kommt, daß Deutschland selbst eine erhebliche Mehrproduk tion an Butter durch Umwandlung der Käse reien in Buttereien und durch Vermehrung dei Milchproduktion hat. Markenmilch findet fast überhaupt keinen Absatz mehr. Die gesamte Milch wandert ins Butterfaß. Die Schlachtpreise sind auf den Stand von 1869 zurückgegangen, diePreis« für Häute und Felle sogar aus den Stand des Jahres 1800. Die Viehwirtschaft ist dadurch gezwungen worden, sich in großem Maße auf Marschen und Weiden umzustellen. Diese Zusammenhänge zwischen Viehwirt schaft und Getreidewirtschaft sind für das ganze Zollsystem von größter Bedeutung. Wenn es nicht gelingt, die Vieh preise zu schützen, so ist nicht abzusehen, was mit de, bäuerlichen Veredelungswirtschast werden wird, die keines. Wegs ein großagrarisches Interesse darstellt, sondern in de, Hauptsache bei den Siedlern und Kleinbauern liegt Der VollftrcckungSschutz ist bereits seit längerer Zeit Gegenstand eingehender Er wägungen der Reichsregierung, die dabei aber nicht nu, die Interessen des Schuldners, sondern auch die des Gläubigers zu berücksichtigen hat Zugegeben wird, daß insbesondere die Viehwirtein Schleswig- Ho l st e i n ganz unverschuldet in ungeheure Not geraten sind, und daß. man versuchen wird, sie zu schützen. Ein gewisser Vollstreckungsschutz soll auch ftir Mobilien einaeführt bzw. verlängert werden.