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S8llMer Fortgang der Winterhilfe. über 1 2 000 Waggons beförderte Liebesgaben. Nach Mitteilung der Deutschen Liga der freien Wohl fahrtspflege, Reichszentrale der Winterhilfe, nimmt die Sammlung für die diesjährige Winterhilfe einen bei der ellgemeinen Not über Erwarten günstigen Verlauf. Auf Grund der Frachtbriefe sind in der Zeit von Mitte Sep tember bis Ende Dezember 1932 über 2,5 Millionen Zentner oder fast 12600 Waggons Liebesgaben, d. h. weit mehr als doppelt so viel der gleichen Zeit des Vorjahres <5060 Waggons) von der Reichsbahn frachtfrei befördert worden. Im einzelnen sind in der angegebenen Sammel- Zeit 812 000 Zentner (512 000 Zentner im Vorjahr) Kar toffeln, 107 000 (65 000) Zentner andere Lebensmittel und 1,5 Millionen (316 000) Zentner Kohlen und Briketts in dir einzelnen Gebiete zur Verteilung an die Hilfsbedürf tigen befördert worden. Durch die frachtfreie Beförderung der Liebesgaben ist als Beitrag der Reichsbahn von Mitte September bis Ende Dezember 1032 die Summe von 887 000 Mark zu gunsten der Winterhilfe dankbar zu buchen. Der Jahres zeit gemäß sind im Dezember die Spenden an Kartoffeln, Obst und Gemüse hinter dem Oktober und November zu rückgeblieben, dagegen die Kohlen-, Brikett- und Brenn holzspenden um das Mehrfache gestiegen. Ebenso ist das mit den Spenden von Kleidung der Fall, die, ein Beweis besonderen Opferwillens bei immer schwerer füllbaren Schränken, allein im Dezember rund 1200 Zentner er reichten gegen knapp 900 Zentner von September bis Dezember 1931. Bei allen hier aufgeführten Liebesgaben handelt es sich lediglich um die mengenweise in einzelne Gebiete beförderten. Was von Mensch zu Mensch gegeben oder am Ort selbst gesammelt und verteilt worden ist, das ist unübersehbar und steht auf einem anderen, und zwar nicht minder erfreulichen Blatt. Die Beisetzung -es Prinzen Alfons von Bayern. Große Teilnahme der Bevölkerung Münchens. In München fand mit militärischen Ehren die feier liche Beisetzung desPrinzenAlfons, eines Vetters des letzten Bayernkönigs Ludwig III., statt. Im Trauer- Haufe waren in den letzten Tagen an die 200 000 Menschen vor der Bahre defiliert. An der Beisetzung beteiligten sich mehr als 500 Vereine mit ihren Fahnen, Militär-, Veteranen-, Schützen- und Sportverbände. Zahlreiche Studentenverbindungen waren durch Abordnungen ver treten. An der Spitze der Leidtragenden schritt der Chef des Hauses Wittelsbach, derehemaligeKronprinz Rupprecht. An der Michaelskirche empfing Kar dinal Faulhaber mit großem geistlichen Gefolge den Sarg. In der Kirche hielt der Kardinal das Requiem. I.nter den Klängen einer von einer Reichswehrkapelle ge spielten Trauermusik wurde der Sarg dann in die Fürsten- tzruft getragen. Der verstorbene Prinz war bei der Bevölkerung Mün chens besonders beliebt. Sie vernichtende Wirkung der Zwangsversteigerungen. Vollstreckungsschutz auch für den Hausbcsitz verlangt. Der Zentralverband Deutscher Haus- und Grundbesitzervereine hat an den Reichs präsidenten und die Reichsregierung nachstehendes Tele gramm gerichtet: „Der deutsche Haus- und Grund besitz leidet gleichermaßen wie die Landwirtschaft unter den vernichtenden Wirkungen der sich trotz bestehen der Schutzvorschriften ständig mehrenden Zwangsver- ft eigerungen. Auch der städtische Hausbesitz bittet daher auf das dringlichste, die bestehenden Vollstrek- kungsschutzmaßnahmen zu erweitern und ins besondere diesen Schutz auf Pfändungen in das bewegliche Vermögen auszudehnen. Zur Vermeidung eines Ruins zahlreicher Mittclstandsexistenzen ist weiterhin dringend erforderlich, für fällige Aufwertungslwvothcken Schutz- besklmmungen entsprechend unseren'Anträgen schnellstens zu erlassen." Der Preußische Landesverband der Haus- und Grundbesitzervereine hat sich gleichfalls an den Reichspräsidenten gewendet und um einen Vollstreckungsschutz für den mittelständischen Haus besitz gebeten. Frankreich soll die Fahne des Hindenburg-Regiments wieder zurückgeben. Am 26. September 1914 stand das 2. Bataillon des 3. Garde regiments zu Fuß in schNxirem Gefecht bei Saint-LSonard in der Nähe von Reims. Um die Fahne nicht in Feindeshand fallen zu lassen, hat sich damals der Fahnenträger das Fahnentuch um den Leib gewickelt; er ist im weiteren Verlaus des Gefechtes gefallen, jedoch wurde seine Leiche erst im Jahre 1920 auf dem Schlachtfeld von den Fran zosen gesunden. Diese Fahne soll nun Reichspräsident von Hindenburg, der in Friedenszeiten Kommandeur des 2. Bataillons gewesen ist, zurückgegeben werden. Amer Letter der vrmßiMn Polizei. Wichtige Personakveröndernngen im preußischen Innen ministerium. Ministerialdirektor Dr. Klausener, der Leiter der Polizeiabteilung des preußischen Innenministeriums, wird demnächst von seinem Posten scheiden und zum Ministerial direktor im Reichsverkehrsministerium ernannt werden. Die Polizciabteilung wird Ministerialdirektor Tr. Loehrs aus dem preußischen Innenministerium über nehmen, der bisher zugleich auch die Geschäfte des Staats sekretärs in diesem Ministerium gcsühri hat. Der seit dem Ausscheiden des Staatssekretärs Abegg unbesetzte Staatssekretärposten wird mit dem deutschnationalen Reichstagsabgeordneten Herbert von Bismarck neu besetzt werden. Bismarck war früher Landrat des Kreises Labes in Pommern und wurde im Zusammenhang mit dem Volksbegehren über den Noung-Plan vom Innenminister Severing zur Dispo sition gestellt. 4W0 Zshre alier Weizen. Die Ausgrabungen bei Flatow. Im vergangenen Sommer erregten die Ausgrabungen in Schmiertenau im Kreise Flatow großes Aufsehen. Museumsdirektor Dr Holter konnte hier im ganzen 88 prähistorische Gräber freilegen und 129 Keramiken, l3 Bronzen, neun Steinwerkzeuge und sechs Bernsteinsachen bergen. Die Gräber sind etwa 4000 Jabre alt und stammen aus dem Übergang von der Stein- zur Bronzezeit. Der Berliner Professor Grüß hat die Inhalte der in den Gräbern gefundenen Gefäße jetzt näher untersucht. Er hat u. a. Getreideüberreste festgestellt, die einer Weizrn- art angehören, so daß man es hier mit einem 4000 Jahre alten Weizen zu tun hat. Außerdem wurden Stärkemehl reste gesunden. Ferner konnte eine Beigabe von Brot aus Emmerweizen gefunden werden, daneben Früchte, u. a. Haselnüsse. Weiter wurden noch wilde Hefe und Spuren von Weizenbrand gefunden. Dies bestätigt, daß den Verstorbenen Brot mik ins Grab gegeben wurde. In einem Gefäß wurden Röhrenknochensplitter und verbrannte Haarteile, die noch näher untersucht werden müssen, festgestellt. Weiter waren Nestteile von Kiefernholz sicher nachzuweisen. Fn einem Grab wurde eine sehr gut erhaltene Kriegeraxt gefunden. Es konnte nachgewiesen werden, daß der Schaft aus Eichenholz besteht. Im Schneidemühler Landesmusemn werden wichtige Teile der Funde ausgestellt werden. Es ist beabsichtigt, ein altes Bronzezeitgrab, in dem später ein frühsteinzeit- liches Grab angelegt wurde, und ein Kindergrab aus zustellen. 36 vvv Mark tägliche Gieuetzzahlung. Die Steuerbelastung einer Brauerei. In der Generalversammlung einer großen' Münchener Bierbrauerei wurde berichtet, daß die Steuer belastung der Brauerei fast 9,5 Millionen Mark be trage, das bedeute pro Arbeitstag etwa 36 000 Mark Steuern. Die gesamte deutsche Bier^erzeu - gung hätte 1913 70 Millionen Hektoliter betragen, 1932 nur noch 29 Millionen Hektoliter. Die Produktions kapazität einzelner deutscher Brauereien sei kaum zu 50 Prozent ausgenutzt. 15 000 Betriebe des Gast stättengewerbes hätten in Deutschland seit 1. Januar 1932 fchließen müssen. Die Bedeutung der deutschen Brauindustrie für die Landwirtschaft ergäbe sich daraus, daß das Brau gewerbe für 500 Millionen Mark jährlich Gerste, Hopfen, Pferde und Futtermittel kaufe. Die Bier st euer liege um 238 Prozent über der Friedensbelastung; ein 40prozen- tiger Bierabsatzrückgang bedeute für die Landwirtschafi einen Minderabsatz von 11 Millionen Zentner Braugerste und 110 000 Zentner Hopfen, d. h. er mache, rein statistisch betrachtet, die letzte deutsche Hopfenernte überhaupt überflüssig. Foch mehr Arbeit. Forderungen der Landgemeinden. Der Gesamtvorstand des Verbandes der Preußischen Landgemeinden, der unter Vorsitz von Bürgermeister Lange-Wrißwasser tagte, fordert in einer Entschließung, daß das Sofortprogramm baldigst in ein umfang reicheres, für einen längeren Zeitraum reichendes Arbeits« beschaffungsprogramm ausgebaut und die hierzu erforder lichen Mittel bereitgestellt werden. Des weiteren verlan gen die Landgemeinden, daß angesichts der in der Öffent lichkeit genügend bekannten Finanznot der Gemeinden die Anleihen nicht nur wie bei dem Sofortprogramm zins los gewährt werden, sondern daß darüber hinaus der Verwaltungskostenzuschuß auf einen zeitgemäßen Satz gesenkt wird. Zur Behebung dieser Finanznot ist nach Ansicht der Landgemeinden ferner erforderlich, daß gemäß den längst gestellten Anträgen des Deutschen Landgemeindetages und des Verbandes der Preußischen Landgemeinden die Erwerbslosenfürsorge umgestaltet und die Kosten auf die breiteren Schultern des Reiches übernommen werden. k >4 '5 x /V4 zr D K /V - / dv Martin ?'eucktiv»n8ssr, HaNv (Laalv) s22 Es war selbstverständlich, daß in tausend Meter Höhe das Wachstum kein besonderes hatte sein können. Un begreiflich erschien es deshalb, daß gerade in jenem Jahre, wo die ersten Arbeiten vor dem Untergange des Dorfes begonnen hatten, ein Frühling und ein Sommer ins Tal kamen, wie seit Menschengedenken nicht mehr. Es war an einem Sonntag, Ende Mai. Der Ober ingenieur hatte einen Freund ein Stück Weges begleitet. In Gedanken versunken ging er am Rande des Waldes entlang, warf hie und da einen Blick hinaus in das schöne Land, das da unten so hell und freundlich im Maienlichte lag. Eben wollte er einen schmalen Seitenweg abbiegen. Er überlegte und blickte suchend in die Weite. Eine Helle Stimme klang hinter ihm: „Den Weg würde ich Ihnen weniger raten; weiter unten wird er ziemlich feucht.* Jetzt erst sah der Overingenieur in einer Waldnische eine Bank und eine junge hübsche Frau, die mit einem Manne auf dem Moosboden lag. Der Oberingenieur zog den Hut, dankte verlegen und erkundigte sich über die Güte des anderen Weges. Langsam stieg er den Hügel hinauf. Die Frau war unterdessen aufgesprungen und ging dem Manne entgegen. In gewinnender Weise lächelte sie jetzt: „Ich wollte Sie natürlich keineswegs von diesem Wege abbringen; er ist landschaftlich sehr schön — der andere dagegen — sehen Sie —, der führt zuerst etwa hundert Meter in die Höhe, dann talabwärts nach Heiterwang, ist trocken und sehr schattig.* Der Obcringenieur war höchst angenehm überrascht, von einer mehr als hübschen Frau diese freundliche Aus kunft bekommen zu haben. Unter den Blicken dieser Frau, die so vornehm und doch so unkonventionell, so hoheits voll und doch so gewinnend vor ihm stand, wurde er un ruhig. Er kannte sich aus in der Welt der Frauen. War doch gerade er, der schöne „Fritz*, schon auf der Hochschule ein ebenso bekannter wie gefürchteter „Don Juan". Aber diesen Blicken, die gleichzeitig befehlen und betteln, fragen und antworten, strafen Md verzeihen konnten, war er für den Augenblick nicht gewachsen. Unter dem Strahl dieser kalten und heißen Sterne errötete er wie ein Primaner. Et ärgerte sich über dieses Mißgeschick. Zum ersten Male in seinem burschikosen Leben war es ihm passiert, daß ihn die Augen einer schönen Frau auf den ersten Blick als Gefangenen, wie der Schlangenblick einen Frosch, festhielten. In der grenzenlosen Unbeholfenheit kam er auf einen Gedanken. Er verbeugte sich: „Gnädige Frau, darf ich mich vorstellen? — Ober ingenieur Heinze." „Ach, Sie sind der Herr Betriebsleiter der hiesigen Baustelle?" „Jawohl, Gnädigste, seit vier Wochen habe ich das Glück, in dieser einzigartig schönen Gegend zu weilen, und heute erst habe ich das Glück, zum ersten Male in diesem Tale einer schönen Frau zu begegnen." „Lieber Herr Oberingenieur, Sie können sehr galant sprechen." „Gnädige Frau sind zum Sommeraufenthalt in dieser Gegend?" „Na, wie man's nimmt. Gar zu lange, denke ich, wird es hier nicht mehr dauern." „Ein Jahr immerhin noch." „So lange noch? Dann bleibe ich noch ein Jahr hier.* „Gnädige Frau scherzen.* „Ich — scherzen... Die gnädige Frau wohnt da oben. Sehen Sie dort den Hof auf dem ansteigenden Hügel am Ende des Waldes?" „Natürlich! Ich kenne doch auf Grund meines Werk planes jedes Haus in dieser Gegend. Das ist der Stan- gassingerhof." „Sehr richtig! Und hier — darf ich mich vorstellen — ist... die Bäuerin dieses Hofes." Der liebe gute Oberingenieur hatte heute einen recht schlimmen Tag. Diesmal stieg ihm die Röte, wie man so sagt, über die Ohren hinaus. „Darf ich Ihnen meinen Mann vorstellen? — Hans, komm — der Herr Oberingenieur Heinze." In herzlicher Natürlichkeit streckte der junge Bauer die Hand zum Gruß aus. Der Herr Betriebsleiter hätte zur Ueberbrückung der Situation wohl noch viele schöne Worte gebraucht, hätte Frau Thessa es nicht verstanden, eine gemütliche Unter haltung anzuknüpfen. Man saß gemütlich bei Mutter Grün und sprach vom Wetter, vom Kraftwerkprojekt, von der Ablösung, von hundert alltäglichen Dingen. Der Oberingenieur gewann seine alte Sicherheit wieder. Er müßte nicht ein Frauen kenner gewesen fein, um mit seinen Nüstern in der Frau, die ihm so kokett und so scheinreserviert gegenübersaß, das „Weib" schlechthin erkannt zu haben. Immerhin aber bedeutete die gemütliche und schar mante Unterhaltung mit der „Madame-Bäuerin* für ihn ein Erlebnis. Dieses Rätsel, ewig alt und ewig jung, diese Frau, intelligent, schön, klug, im Dirndlkleid einer Bäuerin barg für ihn etwas Apartes. „Es würde Mich freuen, Herr Oberingenieur, wenn Sie einmal Zeit fänden, an der Tür des Stangassinger- hofes anzuklöppeln.* „Die Freude ganz meinerseits. Darf ich mich emp^ fehlen? — Auf Wiedersehen!* Eine samtweiche Frauenhand zog sich langsam aus der; seinen. Mehr als es Lippen — ohne sich zu vergeben zusammengebracht hätten, bettelten die dunklen, abgrund tiefen Augen: „Komm — ich warte deiner!* * § * (Fortsetzung folgt.) .