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I? I Wilsdruffer Tageblatt 8 V 2. Blatt Nr. 12 — Sonnabend, den 14. Januar 1933 I Tagesspruch. Der große Wunjch dem größeren weiche nicht, Nie zieht ins Herz Genügen ein. Und wenn du je ein Glück erreichst, So hort es aus, ein Glück zu sein. I. Sturm kottmea Silbermann rur 250. Wiederkehr keines Von Lwald Phil Musik, o du göttlichste aller Gaben, welche Gott uns armen Sterblichen auf die mühevolle Erdenlaufbahn mitgegeben. Musik, welche uns entgegentönt im Morgengesang der jubilie renden Vöglein. Musik, welche das Ohr erfreut bei dem sanf ten Murmeln des Bächleins, welche die Seele erbeben macht bei dem Brausen des Sturmes. Welche Macht liegt in der Musik der Menschenstimmen, wenn sie -im Gesänge in edler Harmonie ertönen? Doch der allzeit rege, strebende Menschengeist, den die Kultur auf immer höhere Bildungsstufen führt, läßt sich nicht begnügen mit jener Musik, welche Gott in die Natur gelegt hat, nein, er schaffte sich Instrumente aller Art, einfach und fchwierig zu handhaben, um durch die Gewalt der Töne aus die Seele zu wirken. Die Musik ist eine Kunst, welche alle Schichten der Menschheit durchdringt: im Gotteshause, im Fürstenschlosse, bis in die kleinste Hütte sich erstreckend. Eines der erhabensten Instrumente ist und bleibt die Orgel. Sie ist ein Blasinstrument von gewaltigen Dimensionen, sowohl in der räumlichen Ausdehnung als auch im Tonumfang. Man kann die Orgel mit gleichem Recht als zusammengesetzt aus sehr vielen Blasinstrumenten definieren und sie mit dem Orchester vergleichen, von dem sie sich aber dadurch unter scheidet, daß zwei Menschen genügen, sie zum Tönen zu brin gen, einer zum greifen und einer zum blasen. Trotz der manch mal ungeheuren, jedenfalls immer sehr großen Dimensionen des Instrumentes ist es durch eine komplizierte Mechanik er möglicht, daß ein Mensch , die nach Hunderten oder Tausenden zählenden Klappen (Ventile), welche die Tonhöhe regulieren, beliebig öffnen oder schließen kann; dagegen ist es freilich un möglich, daß ein Mensch mittels seiner Lunge soviel Luft kom primiert, wie erforderlich ist, um das Rieseninstrument anzu blasen. Vielmehr sind Luftpumpen angebracht und Mechanis men, mittels deren die eingepumpte Luft beliebig komprimiert und auf die Pfeifen geleitet wird, welche ertönen sollen. Die drei Hauptteile der Orgel sind: das Pfeifwerk, der Anblase mechanismus (Bälge, Kanäle, Windkasten, Windladen) und das Regierwerk. Nebenbei möchte ich noch erwähnen, daß die erste Orgel in Deutschland Kaiser Karl der Große im 8. Jahrhundert, im Tom zu Aachen aufstellen ließ. Die Orgeln waren selbstver ständlich noch primitiv und erstanden nur in Mönchsklöstern. Der Orgelbau ging erst als Handwerk im 15. Jahrhundert aus den Klöstern an das Handwerk hinaus. Majestätisch blickt die Orgel auf die andächtige Menge herab. Bereits das äußere Aussehen erhebt sie über alle In strumente. Sanft und leise hebt sie an und verkündet: Gott ist die Liebe. Aber auch gewaltig anschwellen können die Töne, brausen gleich dem brandenden Meere, gleich dem Tosen des Sturmes und dem Grollen des Donners, hinausdringend bis vor das Gotteshaus. Etwas Erhabenes muß es sein, sagen zu können: „Dieses Werk hast du geschaffen. Der Orgelbauer ver sieht ein priesterliches Amt", denn sein. Werk bereitet die gläu bigen Menschen erst würdig vor, Gottes Wort zu hören. Der würdige Schöpfer einer solchen Orgel muß in der Tat sein Werk mit wahrhaft gläubigem Sinn schaffen. Heute will ich versuchen, ein kurzes Bild von dem König aller Orgelbauer, unserem Gottfried Silbermann zu geben. In Kleinbobritzsch, welches sich am Fuße der kleinen Stadt Frauenstein hinzieht, als ob es ein Teil derselben wäre, stand vor nahezu 250 Jahren das saubere Häuschen des Zimmer mannes Silbermann. Er war das Oberhaupt der Orgetbauer- familie Silbermann. Zu ihr gehörten 1. Andreas, der älte ste Sohn, geb. am 16. Mai 1678 in Kleinbobritzsch, gest. am 16. März 1734 in Straßburg. Er baute 30 Orgeln für Straß burg, Kolmar, Basel und Offenburg. 2. Gottfried Sil bermann, geb. am 14. Januar 1683 in Kleinbobritzsch, gest. üeburiLiagrr sm I4 Januar ipp, Wilsdruff. " Nachdruck verboten. am 4. August 1753 in Dresden. Derjenige, über welchen ich spreche. 3. Johann Andreas Silbermann, geb. am 26. Juni 1712 in Straßburg, gest. am 11. Februar 1782 da selbst, baute 44 Orgeln für das Elsaß. Er war sehr geschätzt, und schrieb eine Geschichte der Stadt Straßburg. Sein Sohn Johann Josias war ihm ein würdiger Nachfolger. 4. Der 2. Sohn des Straßburger Silbermann, Johann Daniel, geb. am 30. März 1717 in Straßburg, gest. am 9. Mai 1766, be gab sich 1748 zu seinem Onkel Gottfried nach Freiberg. Er halte die von seinem Onkel nach Dresden gelieferten Orgeln zu beaufsichtigen und zu pflegen. 5. Der jüngste Sohn des Straßburger Andreas, geb. am 24. September 1727, gest. am 15. Ian. 1799 in Straßburg, namens Johann Hein rich, baute vor allen Dingen Klaviere nach dem System sei nes Onkels Gottfried in Freiberg, hauptsächlich verbreitete er das Klavier in Frankreich. Im Hofe des Silbermannschen Hauses in Kleinbobritzsch befand sich ein langer Schuppen, worin Silbermann seine Vor räte an Brettern, Latten und alles, was zu seinem Handwerk gehört, aufbewahrte. Hinter diesem Schuppen befand sich noch ein kleiner, wo fertige Gegenstände untergestellt wurden. Für gewöhnlich war der kleine Raum leer, und hatte sich in diesem ein kleiner, wunderlicher Gewerbetreibender eingerichtet. Es war unser Gottfried Silbermann. Er wurde am 14. Januar 1683 zu Kleinbobritzsch geboren. Seiner schönen reinen Stimme wegen nahm ihn der Kantor zu Frauenstein frühzeitig in seine Kur rende auf. Hier war ihm Gelegenheit geboten, die Orgel und ihr Inneres kennen zu lernen. Eifrig beschäftigte er sich in freien Stunden gegen den Willen seines Vaters mit der Anfertigung von Orgelpfeifen, welche ihm auch gelangen. Die Mutter Gottfried Silbermanns hingegen sah es gern, wenn sich der Junge ernstlich beschäftig te. War doch der älteste Sohn, Andreas, bereits Orgelbauer in Straßburg. Der Vater hatte mit dem jungen Gottfried an dere Pläne. Er hatte mit seinem Schwager, Buchbindermeister Naumann in Frauenstein, vereinbart, daß Gottfried das Buch binderhandwerk erlernen solle. Selbst Versuche des Pfarrers und Kantors, Meister Silbermann umzustimmen, hatten keinen Erfolg. So kam es, daß Gottfried Silbermann nach seiner Konfirmation in das Haus seines Onkels kam. Seinem Ver sprechen der Mutter gegenüber, sich viel Mühe zu geben, kam er nach, doch blieben seine Gedanken immer bei der Orgel, zu mal er ja weiter im Kirchenchor des Kantors verblieb. Die Tochter Meister Naumanns, Evchen, seine Cousine, ein zar tes, schwächliches Mädchen, war ihm Freundin und bestärkte Gottfried in seinen heimlichen Arbeiten. Eines Tages, der Meister hatte sich einen Schaden getan, brach das Unglück aus. Gottfried hatte die Akten der Stadt zu heften und zu beschnei den. Da der Meister das Beschneiden nicht selbst ausführen konnte, so mußte er es besorgen und infolge der Ungeschicklich keit Gottfrieds wurden die Akten verdorben. Auf die Anzeige hin erhielt unser Gottfried 3 Wochen Haft im Ratsturm. Hier war es nun die kleine, schwächliche Eva, welche ihrem Freun de half. Sie hatte Gottfried mit Bindfaden versehen und am späten Abend schlich sie zum Turm. Mit Hilfe des Bindfadens zog Gottfried die' Waschleine mit Körbchen, welches Nahrung enthielt, sowie die 6 ersparten Taler Evchens, dabei der Kon firmationstaler, mit dem Wunsch, ihn nur in der allergrößten Not auszugeben, zum Turme hoch. Die Flucht gelang, und trotz Verfolgung war Gottfried verschwunden. Die Stadt befand sich in Aufregung, die Eltern waren schmerzerfüllt über ihren Jungen, doch was halfs? Nicht eine Spur war von Gottfried zu finden. Er hatte sich auf die Wanderschaft nach Straßburg gemacht. Nach vielen harten lleberwindungen und der Mithilfe eines wandernden Tischler- gesellcn kam er unversehrt an Leib und Seele in Straßburg an. Lin nicht geringes Erstaunen im Hause Andreas Silber manns, als Gottfried in seinem Wanderschaftsanzuge vor- !prach. Man wollte ihn nicht vorlassen. Toch' der Bruder nahm ihn herzlich auf und nun kamen die harten Jahre des Lernens. Gottfried Silbermann zeigte bald, daß er außergewöhnlich be gabt war, und lieferte die vorzüglichste Arbeit. Der Bruder Andreas freute sich herzlich darüber und förderte Gottfried m jeder Weise. Inzwischen sorgten sich die Eltern zu Hause um den Jungen und die Mutter wurde weiß ob des Kummers. Doch eines Tages, es war der 1. Osterfeiertag, kam der Kan tor von Frauenstein nach Bobrihjch zu Besuch. Hier erschien ein Bote aus Straßburg. Er war ein wandernder Tischlergc- >elle Andreas Silbermanns, welcher dort gearbeitet hatte und die Verpflichtung, in der Heimat zu grüßen, übernommen hatte. Welche Freude der Mutter, daß der Junge lebte und zu einem großen Orgelbaukünstler heranreifte. Es war eine hohe ^Genugtuung für den ehrenwerten Silbermann, daß er sich fer ner seines Sohnes nicht zu schämen brauchte; denn es war ihn immer wie ein Stich durchs Herz gegangen, wenn von sei nem Sohne als eines nichtsnutzigen Menschen gesprochen wurde. Ja, Gott Lob und Dank, sagt die Mutter, nun werde ich wieder ruhig schlafen können. Eva, welche immer blaß und still zugehört hatte, erwiderte leise: „Was wundert Ihr Euch? Das mußte alles so kommen. Ihr werdet noch Großes an Gottfried erleben, wenn er wieder heimkehren wird." In Straßburg aber schaffte und lernte der eifrige Jüng ling mit rastlosem Fleiße weiter. Mehrere Jahre waren ver gangen und Gottfried war ein Orgelbauer geworden, der sei nen Bruder an Geschick überflügelt hatte. Neidlos ließ der Bruder Andreas seinen Gottfried die Orgel der Nicolaikirchs in Straßburg als Meisterstück ausführen, Ls wurde wahr, was Andreas gesagt hatte. Das erste Werk Gottfried Silbermanns machte derartiges Aufsehen, daß sein Ruhm weit bekannt wur- de, denn das Werk übertraf alle Orgeln an Tonfülle und Zart heit der Stimmen, und überglücklich war Gottfried über sei nen Erfolg. Ja, wenn, nur die Eltern seine erste große Orgel hören könnten, war sein Gedanke. Könnte er doch sagen: „Seht und hört, dieses Werk hat euer Gottfried geschaffen. Nun zweifelt ihr sicher nicht mehr, daß Gott mich zum Orgelbauer bestimmt hat " Was würde wohl Evchen sagen? Wie oft hat er an sie gedacht? Wie oft den Patentaler, den er als Heilig tum verwahrte, hervorgeholt und als Heiligtum betrachtet? Gottfried war aber nicht nur ein echter Künstler, sondern auch ein verständiger Mann geworden, welcher wußte, daß nur mit kluger Sparsamkeit und gutem Haushalten etwas zu erreichen war. Er rüstete zur Heimreise. Obwohl es Andreas wehe tat, den Bruder scheiden zu sehen, der ihm mehr geworden war als Bruder, so mußte er doch seinem Wunsche nachgeben, ihn Heim reisen zu lassen, obwohl die Trennung schmerzlich war. Was Gottfried Silbermann zur Heimat hinzog, war auch der Brief seines alten Kantors, welcher lautete: „Lieber Gottfried!. Es wird Allen, besonders seinen Eltern eine Freude sein, wenn er zurückkehrt. Das Frühere ist längst vergessen und er wird mit offenen Armen empfangen werden." — Seine Eltern hat ten nun lange Jahre nichts von ihm gehört. Die Mutter aber hoffte auf ihren Sohn. Wenn er was Rechtes geworden ist, kommt er ganz gewiß heim, und wartete von einem Tage zum andern. Als nun der Ruf Gottfrieds bis ins Sachsenland hin ein drang, war sie glückselig und erwartete ihren Gottfried. Nach einem herzlichen Abschied von seinem Bruder Andreas begab sich Gottfried Silbermann auf die Heimreise. Zu dieser Zeit hatten unsere Landstraßen noch keine Aehnlichkeit mit un seren wohlgepflegten Chausseen, sondern waren holprig, zer fahren und bei schlechtem Wetter kaum zu passieren, ja oft mit Lebensgefahr verbunden. Man kann sich daher denken, daß lo eine Reise oft viel länger dauerte, als man an Zeit für die;e berechnet hatte. Die Mutter hatte bereits schon wochenlang alles vorbereitet und erwartete ihren Sohn mit Sehnsucht. An einem Sonnabend endlich traf er ein. Kein Jungr entstieg'dem Wagen, sondern ein feingekleideter Herr. Mochten ihn die Jahre gänzlich verändert haben, das Mutterauge sieht scharf. Mutter Silbermann hielt schluchzend ihren Sohn um fangen. Doch auch der Vater reichte dem Sohn die Rechte; dann zog auch er ihn an seine Brust und sagte mit bebende» Stimme: „Gott segne deinen Einzug, sei willkommen im Valeo Hause, mein Sohn!" (Schluß folgt.) ät.ökk7- dv Martin ^eucZilivanxer. ttaNe lLaale) f21 Am nächsten Morgen ging Thessa Boreatti selbst zum Lehrer in die Gemeindekanzlei und beantragte das Auf gebot. Als sie durch das Dorf ging, getraute sich niemand, eine Bemerkung zu machen. Von ihrer Gestalt und ihrem Schritt ging ein merkwürdiger Bann aus. Man bäumte sich im Innern gegen den Hochmut, gegen die Kälte auf... und doch gebot die Furcht, still zu sein. Die Bauern blickten aus den offenen Scheunen, die Fäuste hielten sie in der Tasche versteckt. Eine einzige überlegte. Sie stand zitternd hinter der offenen Tür. Durch den Angelspalt sah sie die Rivalin die Straße herunterkommen. Es mußte eine Lust sein, der Ahnungslosen das Messer in den Rücken zu stoßen. Als Thessa an dem Bürgermeisterhaus vorüber ging, warf sie in keckem Hochmut den Kopf herüber — ein Lächeln lag um die frischen, roten Lippen. „Siegerin bin ich — ich, Thessa Boreatti I" Als hätte es das Weib gewußt, daß hinter dieser Tür ein armes Mädel mit herabhängenden Zöpfen, heißen Wangen und einem „Küchenmesser« stand, glühten die Augen der Siegerin durch die Türspalte. Nanni glaubte auch noch gesehen zu haben, daß die freche Frauensperson stehengeblieben war... Es wurde ihr blau und grün vor den Augen. Bunte Kugeln tanzten vor ihr... Mit einem Schrei stürzte sie zu Boden. Die Dirn mußte so schnell als nur möglich mit dem Rad zur Hebamme fahren. Als diese am späten Abend von Neutte zurückkam, lag Nanni wie eine Leblose im Bett. Es war gerade höchste Zeit. Nach einer Stunde wäre jede Hilfe vergeblich gewesen. Der Bürgermeister felbst legte die kalten Umschläge auf. k/-ük kck k / /uXi 7 K 4 D, K VL' die Stirn der Fiebernden. Er biß die Zähne zusammen und strich mit ven Händen beruhigend über die bleichen Wangen seiner einzigen Tochter, als diese im Delirium lachte und weinte: „Hans, gib aufs Marerl Obacht — daß net fällt! Schau, Wie's dich anlacht! Wo ist der Vater? Um Gottes willen — Hans! 's Marerl is an Bach einigfalln, an Bach — Hilfe!!« Einem markerschütternden Schrei folgte Ruhe und ein tiefer, tiefer Schlaf. Die Hebamme fühlte den Puls: „Bürgermeister, 's fehlt nix mehr... Da glang her, der Puls schlagt regelmäßig...« * » * Just um dieselbe Stunde, als die Heiglhof-Nanni nach vierzehn Tagen zum ersten Male wieder das Bett verließ, und die Novembersonne des Leonharditages nach voraus gegangenen Herbststürmen mit freundlichem Gruß auf den Tisch der Stube schien, saß eine fröhliche Hochzeits gesellschaft in einem kleinen Weinrestaurant zu Neutte. Der Besitzer machte gerade seine Aufwartung und gratulierte dem jungen Paare. „Na, recht lang werdet ihr auf eurem Hof net Hausen. Es soll ja mit 'm Bauen des Wasserkraftwerkes schon bald losgehen.« Der Stangassinger leerte sein Glas und erwiderte: „Ich denk halt, a guats Jahrl noch, dann ist Heiter- wang die längste Zeit gstanden.« Die Braut mischte sich temperamentvoll ins Gespräch: „Vis dorthin denke ich, Hansl, ist Gott sei Dank alles vorüber; wenn einmal die Gschicht mit der Ablösung vor bei ist, dann geht es so schnell wie nur möglich nach Inns bruck.« * * * Ein Heer von Acb.uern wurde im Frühjahr von der Firma, die den Bau ver Wasserkraftanlage übernommen hatte, eingestellt. Unter ihnen befanden sich viele aus Heiterwanü selbst, Gütler und Bauernsöhne, die die Ge legenheit nicht vorübergehen lassen wollten, noch dazu sehr hohe Löhne ausgezahlt wurden. Zudem hatte eS auch nicht mehr viel Zweck, sich mit Neckern, Feldern und Wiesen besonders abzumühen. Der Ernteertrag des kommenden Jahres war schon in die Ablösesumme ein gerechnet worden. Von den Abhängen der Bergwälder, die schon im aus gehenden Winter mit der Axt gelichtet wurden, leuchteten die Hellen Bretterwände der Baracken. Eine neue Zeit kam in das Tal gezogen. Die vielen Arbeiter brauchten Wohnungen, Speise und Trank. In Erkenntnis der Lage baute der Hirschenwirt mit Erlaub nis und Unterstützung der Gesellschaft in die Nähe der Hauptarbeitsstätte eine Kantine. Seit Bestehen des „Hirschen« wurden nie so viele Bierfässer angefahren wie seit jenem Tage, wo die Arbeiter in das Tal gezogen kamen. In der Metzgerei wurden zwei Gehilfen ein gestellt. Denselben lebhaften Geschäftsgang hatte auch der Wirt zum Taneller zu verzeichnen. Der Bäcker konnte das notwendige Brot nicht mehr liefern. Er schloß mit den Kollegen von Reutte und Bichlbach einen Vertrag. Tag täglich kamen die Brotwagen nach Heiterwang gefahren. Auch der Kramer hatte einen Umsatz in seinem Geschäft, daß er zeitweilig den Plan trug, auszubauen. Der ur sprüngliche Plan, daß die Hauptarbeiten in einem Jahre erledigt werden konnten, wurde schon im Frühjahr auf gegeben. Der Kramer schickte seinen ältesten Sohn mit der Kraxe an die Arbeitsstellen; alle Tage waren die Zigarren kisten, die Schnupftabakbüchsen und auch die Zigaretten schachteln leer. Die Wohnbaracken reichten nicht aus, die Arbeiter unterzubringen. Viele logierten sich in den Nach barorten Lahn, Bichlbach und Reutte ein. Auch die Heiterwanger selbst ließen sich die Einnahme quellen nicht entgehen. Wenn es auch nicht allzuviel war, was die Arbeiter bezahlten. Man hatte am Samstag sein sicheres Geld, ein Geld, mit dem man rechnen konnte. Güt ler und Bauern hatten ihre Quartierleute. Im Pfarrhof hatte ein Oberinaenieur Wohnung genommen.