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Nr. 24 PAPIER-ZEITUNG. Buchmalerei. Vortrag des Herrn Dr. J. Springer in Berlin, gehalten für Mitglieder des Deutschen Kunstvereins im Königl. Kupferstich-Kabinet am 16. März 1896. Die Werke der Buchmalerei gehören nicht zu den gefeierten Stücken des alten Kunstbesitzes, sie bewegen sich auf den Neben wegen der grossen Kunst, da sie aber aus einer Zeit stammen, aus der sonstige Reste zeichnender Kunst nicht vorhanden sind, so haben sie für den Beginn des Mittelalters grossen geschicht lichen Werth. Das Wort Miniatur kommt her von Minium, einer rothen Farbe, die von den älteren Buchmalern viel benutzt wurde und der ganzen Kunst den Namen gab. Im 17. Jahrhundert begann man unter Miniaturmalerei einen anderen Kunstzweig zu verstehen, nämlich die Herstellung kleiner Bilder, zumeist Porträts auf Holz und Elfenbein. Die Buchmalerei entstand in der Schreibstube aus der Kalli- graphen-Kunst. In den Schreibstuben der Klöster, den Scriptorien, die still und abgelegen sein mussten, und in die nur der Abt Zu tritt hatte, wurde das Buch geschrieben, gemalt und gebunden. Fast ohne Ausnahme wurden schon vorhandene Bücher abgeschrieben. Studien nach der Natur wurden nie ausgeführt, und so blieb diese Kunst anfangs äusser allem Zusammenhang mit der Wirklichkeit. Das Buch wurde so geschrieben, dass der Raum für die Miniaturen offen blieb, das Bemalen war das Spätere. Obwohl wir aus dieser Zeit auch Handschriften auf Papier besitzen, so wurden doch Miniaturen nur auf Pergament gemalt. Das Pergament wurde zunächst geglättet; auf die glatte Fläche wurde dann mit einem Metallstift aus Silber oder Bleilegirung, zuweilen auch mit der Kielfeder, die Zeichnung vorgerissen. Dann wurde zunächst der Goldgrund aufgetragen, indem Blattgold auf die mit Harz bestrichene Fläche aufgeklebt wurde. Die vergoldete Fläche wurde durch Glätten mit Edelsteinen, zumeist Achat, glänzend gemacht. Je edler der Stein, umso schöner der Goldgrund, lautete eine alte Kunstregel. Die Farben wurden mit Pinsel aufgetragen, besonders ge schätzt wurden die Pinsel aus Eichhörnchenhaar; die Farben waren nicht durchsichtige Deckfarben, meist mineralischen Ursprungs; sie wurden mit Feigenmilch gemengt und in zäh flüssigem Zustand streichend oder tupfend aufs Pergament aufgetragen. Diese Technik blieb bis zuin Eindringen der Buch druckkunst unverändert, nur am Ende des 1.). Jahrhunderts griff eine leichter kolorirende Art um sich, die Farbstoffe wurden stark mit Wasser gemischt und dadurch etwas durchscheinender. Die ersten Anfänge der Buchmalerei reichen tief in das Alterthum hinein, schon die Aegypter illustrirten ihre Bücher. Auch die Römer wendeten Abbildungen an, besonders, wo es zur Erklärung technischer Abhandlungen nöthig war; auch Porträts finden wir bei ihnen in Werken, die Lebensbeschreibungen berühmter Männer enthalten. Einige Beispiele sind uns aus den ersten Jahrhunderten christlicher Zeitrechnung erhalten, die wir als unmittelbare Fortsetzung der Antike betrachten können. Die Originale der in photographischer Nachbildung im König lichen Kupferstich-Kabinet befindlichen zwei Vergil-Handschriften, einer Homer-Handschrift und einer Handschrift der Genesis stammen aus dem 3. bis 5. Jahrhundert. Alle enthalten im Text kleine Gemälde, die zum Theil eingerahmt sind; wir sehen Dido und Aeneas zur Sibylle wallfahrten, Agamemnon mit seinen Heer führern Kriegsrath halten usw. Die Wiener Genesis stammt aus dem 6. Jahrhundert; diese Handschrift wird auch Purpurkodex genannt, weil das Pergament beiderseits mit Purpur gefärbt ist. Die Schrift ist mit Silber aufgetragen, am unteren Rand sind kleine farbige Bilder zur Erklärung des Textes angebracht. In der Berliner Sammlung sehen wir u. a. die photographische Nach bildung jener Szenen, wo die Potiphar den Joseph verklagt, auf einem andern Bilde erscheint sie mit dem Gewand des Joseph. Initialen und Randleisten finden wir in den angelsächsischen und irischen Handschriften vollständig ausgebildet. Die Kunst der irischen Mönche verbreitete sich im ganzen abendländischen Europa und ist nur durch die wunderbar fein ausgeführte Linien ornamentik werthvoll. Bei figürlichen Darstellungen versagt ihre Kunst vollständig und artet in Schreibschnörkel aus; so finden wir bei ihnen Heilige mit gelbem Haar, einen Christus mit grünem Gesicht, den Körper des Königs David in Schnörkel auf gelöst. Die Kunst der Iren blühte vom 6. bis zum 8. Jahrhundert. Die Buchmalerei in Deutschland im frühen Mittelalter brachte keine Kunstgedanken hervor; es scheint, dass solche damals nur in den Kirchenbauten zu Tage traten. Es ist strittig, ob die byzantinische Kunst auf die Buchmaler des Abendlandes einen grossen Einfluss ausgeübt hat, manche führen die ganze mittel alterliche Kunst auf Byzanz zurück, andere meinen die gleich artige Entwicklung in Ost und West aus der gemeinsamen alt christlichen Wurzel herleiten zu können. Die byzantinische Buch malerei, die vom 8. bis 11. Jahrhundert fast unverändert bleibt, lässt sich kurz folgendermaassen kennzeichnen: kleine dünn angelegte Figuren umziehen den Rand, das erste Wort des Buches ist besonders verziert, den Text umgiebt ein farbiges Blattornament in goldener Umrahmung. Diese Manier wurde im Abendlande nicht nachgeahmt. Exultet-Rollen nennt man Pergamentrollen, die den Hymnus aus der Oster-Liturgie enthalten, der mit dem Worte Ex ulte (Frohlocke, Schaar der Engel) beginnt. Der Priester liess die Rolle über das Pult herunterfallen und sang den Text. Die Abbildungen sind auf den Kopf gestellt, weil das Publikum den überfallenden Theil der Rolle betrachtete und ihm die Bilder in richtiger Stellung erscheinen sollten. Auch solche Rollen sind im Besitz des königl. Kabinets. Zur Zeit, als in Frankreich die Gothik entsteht und eine freiere Kunst sich Bahn bricht, tritt dort die Buchmalerei allmälig aus der Hand der Mönche in die von Laien über. Die frühgothische Buch malerei zeichnet sich durch folgende Merkmale aus: ein grosser Buchstabe enthält die figürliche Darstellung, wächst nach oben und unten zu Ranken aus, die zwei oder vier Seiten des Blattes umziehen. Waagerechte Linien bieten Raum für kleine Figuren, Drachen und andere Phantasie-Gestalten, Drölerien genannt. Der reli giöse Inhalt der Bücher hindert den gothischen Künstler nicht, derbe Szenen zur Darstellung zu bringen, ähnlich wie an gothischen Domen plastische Szenen vorhanden sind, die man am Gotteshause nicht erwarten würde. Ein Manuskript aus dem Anfänge des 14. Jahrhunderts »Les Tresors d’Aubigny«, die Lebensgeschichte der heiligen Benedikta enthaltend, ist eine der besten Beispiele dieser Art. Weitere Fortschritte knüpfen an diese französischeBlüthezeit in Burgund und den südlichen Nieder landen an, wofür die Lebensbeschreibung des Königs Alexander, ein Manuskript aus dieser Zeit, ein Beispiel geben kann. Techniker würde es interessiren, dass in dieser Handschrift zuerst die Taucherglocke beschrieben und auch bildlich dargestellt ist. Diese Handschrift ist zur Freude der Forscher sehr gut erhalten, im Gegensatz zu vielen andern, die durch fleissige Benutzung nahezu unleserlich geworden sind. Am besten erhalten sind im allgemeinen die Gebetbücher, woraus geschlossen werden kann, dass sie auch im frommen Mittel- alter nicht oft in die Hand genommen wurden. Die schönsten Miniaturen finden sich in den Horarien (Livres d’heures), worin die zu verschiedenen Tageszeiten vorgeschriebenen Gebete enthalten sind; die Herstellung dieser Horarien wurde besonders in Frank reich im Grossen betrieben und bildete das eigentliche Gewerbe des Miniaturmalers. Das berühmteste Beispiel dieser Art ist der Kodex Grimani, der in den Niederlanden im Anfang des 16. Jahr hunderts entstand. Gewisse Anzeichen sprechen dafür, dass Jan Gossart, genannt Mabuse, dieses Meisterwerk geschaffen habe, da gegen spricht aber der Umstand, dass die grossen Maler der Eyckschen Schule sich an der Buchmalerei nicht betheiligten, woran sie vielleicht schon durch den Zunftzwang gehindert sein mochten. Die Buchmalerei wird eben auch in ihrer Blüthezeit keine selb ständige Kunst, sondern beschränkt sich auf Nachahmungen. Eine Ausnahme hiervon machen die italienischen Meister, so hat der bekannte Maler Girolamo dai Libri seinen Beinamen der Beschäftigung mit der Buchmalerei zu danken. In Italien ent standen mehrere Schulen, deren Werke von einander zu trennen sehr schwierig ist, da bei den meisten Name und Wohnort des Künstlers nicht angegeben sind. Hervorragend ist die Mai ländische Schule, von der die Berliner Sammlung zwei grosse Blätter aus einem Canzionale besitzt, die in reich geschmückter Form Text und Noten von Kirchengesängen enthalten. Einer der besten Mailänder Miniaturmaler war Antonio da Monza. Von den in der Berliner Sammlung enthaltenen Werken der italienischen Schule seien noch erwähnt: die grosse lateinische Bibel, die in Siena entstand, ein Messbuch, hergestellt für den späteren Papst Clemens VII. aus dem Hause Medici, der in Venedig entstandene Brief des heiligenHieronymus mit dem Wappen der Familie Mocenigo und ein Roman in Stanzen des Lorenzo da Preda. Nach Verbreitung der Buchdruckerei ging diese kurze Zeit mit der Buchmalerei vereint; der Text wurde so gedruckt, dass für Um rahmung und Initial Raum blieb, die dann vom Miniaturmaler ausgeführt wurden. Als man jedoch den Holzschnitt ausbildete, wurde die Miniaturmalerei entthront und verfiel allmälig. Für einige Aufgaben blieben noch die Miniaturmaler lange Zeit beschäftigt. Bis ins vorige Jahrhundert wurden von ihnen in