Volltext Seite (XML)
700 PAPIER-ZEITUNG. Nr. 22 Die Meister der Lithographie. Aus dem im Deutschen Kunstverein am 9. d. M. von Dr. Richard Graul gehaltenen Vortrage, der durch eine sehr sehenswerthe Ausstellung lithographischer Kunstwerke früherer Zeiten erläutert wurde, geben wir folgenden Auszug. Man spricht jetzt von einer Renaissance der lithographischen Kunst. Es scheint, als ob diese nahezu vergessene Kunst wieder aufleben sollte. In dem Maasse, wie die moderne Lithographie künstlerische Anhänger findet, wendet sich auch die Kunstgeschichte dem Studium der Werke früherer Lithographen zu, und die vor 50 und 80 Jahren in Deutschland, Frankreich und England geschaffenen lithographischen Kunstwerke halten den Ver- gleich mit den besten Erzeugnissen der Jetztzeit aus. Hundert Jahre sind verflossen, seit Senefelder, der erfinderische Mann, mit überaus regem Sinne, sich bemühte, ein einfacheres, schnelleres und billigeres Verfahren zur Vervielfältigung der Musik werke zu schaffen, als damals den Druckern und Notenstechern zu Gebote stand. Dabei erfand er die chemische Druckerei, ein Ver fahren, wie es ähnlich im 13. und 16. Jahrhundert bekannt war. Senefelder verfolgte bei seinen Versuchen keine künstlerischen, sondern rein praktische Ziele. Deutschland war damals künstlerisch tief gesunken; man erfasste nicht, was durch die neue Erfindung geleistet werden konnte, und erst nach vielen Jahren versuchten sich Kupferstecher, Radirer und Holzschneider in der neuen Kunst. Die ersten lithgraphischen Kunstleistungen von Belang waren Strixners Wiedergaben von Werken aus den Münchner Galerien, die inbezug auf treue Nachbildung noch heute mustergiltig sind. In Frankreich und England verbreitete sich Senefelders Kunst rasch, ohne künstlerische Früchte zu zeitigen. Erst 1817 beginnt für die Lithographie eine Zeit der Blüthe. 1830 war durch die poli tischen Zustände in Frankreich eine Zeit gekommen, in der sich für die neue vervielfältigende Kunst ein weites Feld eröffnete. Zwei Richtungen suchten sich geltend zu machen. Die eine bekämpfte das Spiessbürgerthum, das sich unter Louis Philipps Regierung breit machte, die zweite verherrlichte die napoleonische Legende. Charlet und Raffet trugen durch ihre Kriegsbilder aus der Kaiserzeit fast ebensoviel zum Sturze des Julikönigthums und zur Vorbereitung des zweiten Kaiserreiches bei, wie Beranger durch seine Lieder. Gavami schilderte die Verkehrtheiten und kleinen Schwächen seiner Zeit. Delacroix brach mit den alten Ueber- lieferungen und schloss sich der romantischen Schule an; er ver öffentlichte in den zwanziger Jahren einen Faust-Cyclus, von dem Göthe sagte, dass diese Illustrationen den Gestalten, wie er sie sich gedacht, am nächsten kämen. Hand in Hand mit diesen originalen Künstlern gehen die reproduzirenden. Wenn wir noch Mouilleron und Nanteuil erwähnen, so haben wir die hervor ragendsten französischen Lithographen verzeichnet, in denen sich der Höhepunkt dieser Kunst verkörpert. In dieser Blüthezeit der Lithographie waren auch die Steindrucker nachempfindende Künstler; solche Leute fehlen heute, darin liegt eine grosse Schwierigkeit für einen neuen Aufschwung der Lithographie. Gehen wir nun zu Deutschland über, so tritt uns Menzel als erster berufener Vertreter der Lithographie entgegen, der auch der einzige hervorragende deutsche Künstler in diesem Fache ist. Menzel ging aus dem lithographischen Berufe hervor; sein Vater hatte in Breslau und dann in Berlin eine Lithographie, in der der junge Menzel arbeitete. Seine Menukarten und Geschäfts anzeigen aus dem Anfang der dreissiger Jahren sind Kinder der Noth und interessiren uns, weil sie zeigen, mit welchem Eifer der damals noch unfertige Künstler gearbeitet hat. Er hatte keinen Lehrer und musste die Kunst selbst erobern. Eine Folge von Szenen aus Luthers Leben und die später herausgegebenen Denk würdigkeiten aus der Brandenburgisch-Preussischen Geschichte zeugen von seinem wissenschaftlichen Trieb und historischen Verständniss. Menzel war einer der Ersten, der die Nothwendigkeit betonte, bei der Schilderung historischer Vorgänge auch die Einzelheiten genau nach der Wirklichkeit wiederzugeben. Er war einer der ersten Realisten. Seine Diplome für Festlichkeiten, Arbeiten in Federmanier, leicht hingeworfene Entwürfe, in denen die dekorative Phantasie und der Geschmack des feinsinnigen Illustrators zum Ausdruck kommen, sind wahre Meisterstücke, deren Vollendung von keinem modernen deutschen Künstler erreicht wurde, und die man höchstens mit Dürers Werken vergleichen kann. Um sich in die Zeit Friedrichs des Grossen hineinzuleben, vergegenwärtigt er sich das ganze militärische Leben dieser Zeit, studirt die Breite der Knöpfe und Knopflöcher, und indem er den gesammelten Stoff' künstlerisch verwerthet, wird er für die Zeit Friedrichs des Grossen das, was Charlet und Raffet für Napoleon I. waren. Erst in den vierziger Jahren wurde Menzel auch Maler, von da an bekommt seine Kunst mit Feder und Kreide auch einen anderen Charakter. 1851 entstanden seine berühmten »Versuche auf Stein mit Pinsel und Schabeisen«, Werke vollkommener Meisterschaft, in denen der koloristische Sinn seine besten Triumphe feiert. Auch in Frankreich ist nie so Treffliches geschaffen worden. Menzel hat keine Nachfolger gehabt, er hat Schüler, wirkliche und die sich so nennen, die ihn aber nur sklavisch nachahmen und sein Werk nicht fortbilden. In den sechziger Jahren ver kümmert die Lithographie und wird nur zu Porträts benutzt. Lithographirte Porträts haben für die fünfziger und sechziger Jahre grosse Bedeutung, aber nur bei einzelnen Meistern, wie Kriehuber, Krüger. Feckert, Hanfstaengel. Diese Blüthe dauerte kurze Zeit und ging zu Grunde, weil zu viel schlechte Porträts geschaffen wurden. In den siebenziger Jahren wurden Versuche gemacht, die Kunst wieder aufleben zu lassen, aber ohne Erfolg; höchstens einige Blätter von Lindenschmitt haben Anspruch auf künstlerischen Werth. In Frankreich fand ein ähnlicher Niedergang in der litho graphischen Kunst statt. Unter dem Einflüsse der Fontainebleauer Schule wurden die Landschaftier Beherrscher der Mode. Die Radirung verdrängte die Lithographie, und die berühmten Meister der Lithographie wurden Radirer. Industrielle Sachen und Plakate bildeten seit 1870 die letzte Zuflucht für die künst lerische Lithographie. In England und Frankreich stellt man an das Plakat schon lange künstlerische Anforderungen. Bei uns ist diese Be wegung noch neu; die jetzige Blüthe der Plakatkunst in Frankreich hat aber auch schon einen unheilvollen Einfluss auf die Kunst im allgemeinen ausgeübt. In dem Maasse, wie die Plakate zu Bildern wurden, sanken viele Bilder zu Plakaten herab. Der grösste Meister der französischen Plakatkunst war Cheret, der in den siebziger Jahren zuerst in Paris grosses Aufsehen erregte; erschloss sich der neueren koloristischen Schule des plein-air an: er hatte ausserordentlichen Erfolg seiner lebendigen Zeichnung, seines Chic und der pikanten Auffassung der Weiblichkeit wegen, er fand sehr viele Nachahmer, darunter auch echte Künstler. Die jüngere Schule steht noch unter seinem Einfluss, und wieviel Schönes sie leistet, konnte man in Berlin in der vorjährigen Ausstellung französischer Plakate sehen. In Deutschland war die Verbindung mit der künstlerischen Vergangenheit der Lithographie schon lange unterbrochen, bis vor zwölf Jahren Steinhausen lithographische Zeichnungen entwarf, die den Zweck hatten, religiöse Vorstellungen unter dem Volk zu verbreiten. Der Versuch misslang, wurde aber zehn Jahre später von Thoma wiederholt, dem jedoch die lithographische Erfahrung fehlte. Er schaffte eigentlich Auto- graphien, die nachträglich kolorirt worden sind. Durch die Kolorirung wurden aber die Blätter zu theuer; Freunde Thomascher Kunst erfreuten sich an ihnen, aber in das Volk drangen sie nicht. Später versuchte er mit zwei, drei Steinen zu lithographiren, und seine neuesten Versuche sind eher Lithographien zu nennen, stehen aber, vom Standpunkt der Technik betrachtet, unter den Leistungen der Künstler der zwanziger Jahre. Der lithographische Buntdruck ist heute auf hoher Stufe, aber er hat mit künstlerischen Aufgaben nichts zu thun, da er nur die Nachahmung fertiger Gemälde anstrebt. Eine Gruppe von Künstlern in Frankreich bestrebt sich, die lithographische Kunst wieder für Originalstudien zu verwenden, und so scheint es, dass die Lithographie, obgleich man ihr infolge der Vervollkommnung der photographischen Vervielfältigungs- Verfahren den Untergang prophezeit hatte, als selbständige Kunst sich weiter entwickeln wird. Pariser Osterkarten. Nachdruck verboten. Zum diesjährigen Osterfest wird man sieh in Paris unter andern hübschen Neuheiten auch kleine Glückwunschfächer, crans, zu senden, die aus steifem, mit einem hübschen Blumenstrauss bemalten Papier in Rosettenform gefaltet und dann unter einem Doppel-Goldstern, dessen Spitzen sämmtlich die »heissesten Wünsche für Dein Wohlergehen« tragen, an den langen Stiel aus Papier masse, Rohr oder lackirtem Holz befestigt sind. Eine Bandschleife oder eine lange Schnur mit Troddeln ist als Schmuck um den Schaft gewickelt. Der Doppel-Stern ist so aufgesetzt, dass er bei dem leisesten Anstoss sich wie ein Kreisel dreht, sodass alle herzlichen Glückwünsche einen wahren Wirbeltanz vollführen. Der versteckte Neben-, richtiger Hauptzweck dieser neuen Glückwunschkarte ist, einen hübschen Wandschmuck abzugeben, weshalb die Verzierung auch ungemein reich, meist sehr geschmack voll ist. Eigenthümlich sind ganz kleine, nicht gefaltete, sondern meist glattgespannte Fächer in Blattform, unter denen eine Art,