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Nr. 18 PAPIER-ZEITUNG. 569 Auch die graphische Kunstanstalt von Äug. Osterrieth in Frank- turt a. M. wendet stets grosse Sorgfalt aut die Herstellung ihrer Kalender, von denen sie einen einfachen für Kontorbedarf, einen feineren mit farbiger Umrahmung — beide in Folio — und einen kleinen für das Boudoir herausgiebt. Letzteren ziert diesmal ein eleganter Rokokorahmen in Rosa und Gold, der leicht hochgeprägt ist und das sehr zart gehaltene Kalendarium in ge fälliger Form umschliesst, das ganze Blatt zu einem graphischen Zierstückchen gestaltend. Besonders schön und reich sind stets die von der Joh. Conr. Herbertschen Hofbuchdruckerei (Fr. Herbert) in Darmstadt heraus gegebenen Kalender; sie hat diesmal von ihrem unbequemen Royalfolio abgesehen, doch misst das Format ihres zweiseitigen Kalenders noch immer 32:40 cm. Die Zeichnung desselben ist in reichem Renaissanceschmuck ausgeführt; auf jeder Seite sind elf Tafeln und Medaillons freigelassen und von Kartuschen um rahmt, von denen je neun kleinere die Namen der Mitglieder des Darmstädter Fürstenhauses tragen, während je zwei grosse Tafeln die Kalendarien in Schwabacherschrift und Blaudruck enthalten. Der Zeichnung des ganzen Kalenderrahmens ist, mit Ausnahme der Tafeln und Medaillons, ein gelber Ton untergelegt: der Druck des Kalenders erfolgte in Schwarz, Jahr und Firma aber wurden roth gedruckt, wie denn auch eine fettfeine, rothe Nonpareillinie das ganze Kalenderbild umschliesst. Die klassisch schöne Zeichnung stammt von Aug. Glaser in München, in Zink geätzt wurde sie von Körner & Dietrich in Leipzig. Stilvoll ist auch der Kalender der Offizin W. Drugutin (Johs. Baensch) in Leipzig. Der Vorderseite mit gefälliger Kopf- und Seitenleiste in deutscher Renaissance und Farbendruck ist das Kalendarium in Zweimonatsblättern aufgelegt, die auch die auf solchen Widmungskalendern ziemlich ungewohnten Witterungs- Angaben nach dem »Hundertjährigen« enthalten, wahrscheinlich um zu zeigen, dass die »alten« Propheten nicht zuverlässiger sind als die »neuen«, — die Rückseite aber bringt zwölf Proben aus dem reichen orientalischen Schriftenschatze der Druckerei und Giesserei, und zwei Schmetterlinge in typographischem Farbendruck schmücken diese Seite, zwischen deren Schriften und den leicht beschwingten Boten der Lüfte sich indess doch nur schwer eine geistige Gedankenverbindung herstellen lassen dürfte. Einen höchst inhaltsreichen Abreisskalender hat die Langen- scheidtsche Verlagsbuchhandlung in Berlin versandt. Neben den sechs Cicero grossen fetten Datumziffern befinden sich zu beiden Seiten Tafeln mit den auf den betreffenden Tag fallenden Geburts oder Sterbetagen von Männern und Frauen aus allen Gebieten der Wissenschaft und Kunst; darunter, quer durchgehend, die Firma, von kleinen Epheublättern eingerahmt; dann folgt Raum für Notizen, links mit einer Arbeitsanweisung, rechts mit einem kurzen Sinnspruch; sodann wieder eine Datum-, Wochen- und Tages-Notiz mit Angabe von Sonnen-Aufgang und -Untergang. Die Seite schliesst gewöhnlich ein Sinnspruch in Poesie oder Prosa, der meist auf die folgende Seite übergreift; auch werden geist volle Stellen aus irgend einem Schriftsteller gegeben. Der Inhalt der Rückseite des Datumblattes ist gar mannigfaltig; dass er sich vorzugsweise auf Werke des Langenscheidtschen Verlags bezieht, gelegentlich deren Anzeigen oder Auszüge aus den selben , Referate usw. bringt, ist begreiflich und entspricht dem Zwecke dieses Kalenders. Die Rückseite des 12. Juni enthält Porträt und Nachruf von Csaire Villatte, den Mitarbeiter Langenscheidts an dem grossen, wahrhaft klassischen Dictionnaire der französischen Sprache, — leider, leider hat auch der Chef des Hauses ihm so bald folgen müssen ins unbekannte Jenseits! — Ferner enthalten die Rückseiten auf das Buch gewerbe bezügliche technische Notizen; humoristische und ernste Gedichte bringen Abwechslung in den Inhalt, — kurz, der Langenscheidtsche Abreisskalender gehört zu den interessantesten Erscheinungen dieser alljährlich wechselnden Literatur. Eine niedliche Erscheinung darf man den von der Firma J. P. Bachem in Köln a. Rh. herausgegebenen Taschenkalender nennen, der seinen Zweck, diese bedeutende Werk- und Accidenz- druckerei zu empfehlen, aufs beste erfüllen wird. Sein Umschlags titel und das Glückwunschblatt wurden in typographischem Farben- und Golddruck hergestellt; der Inhalt ist in zartem Blau und Braun gedruckt, das Ganze gehört zu den typographischen Feinschmeckereien, für deren Anfertigung dieses Kölner Haus besonderes Geschick und einen glücklichen Geschmack besitzt. Unter den Kalendern, bei deren Herstellung Lithographie und Buchdruck gemeinsam mitgewirkt, nimmt der der Buch- und Kunstdruckerei »Steyrermühl« in Wien, wenigstens was das Format anbelangt, den ersten Rang ein, denn derselbe misst in der Höhe 60, in der Breite 87 cm; seine typo-lithographische Ausführung ist übrigens auch vorzüglich, wenngleich diePetit des Kalendariums, dessen zwölf Monatstafeln quer über die ganze Breite des Blattes nebeneinander gestellt sind, es nicht auf weite Entfernung leserlich erscheinen lässt. Der obere malerische Theil des Kalenders nimmt fast Dreiviertel der ganzen Höhe ein und enthält in künst lerischer Zusammenstellung, getrennt durch Gruppen und Sträuss chen von Alpenblumen, die chromolithographischen Ansichten von 13 Schutzhütten und ihren Umgebungen in den Alpen, die sämmt- lieh Namen der Mitglieder des österreichischen Kaiserhauses tragen; Kalender früherer Jahre brachten in gleichem Format und ähnlicher Eintheilung Ansichten österreichischer Kaiserschlösser, öster reichischer Seen, Städteansichten oder sonstige Ansichten aus den Alpen usw., sodass dieser Kalender nicht nur eine hervorragende graphische Leistung ist, sondern auch als ein Werk voll rühmenswerther, echter Vaterlandsliebe angesehen werden darf, — ein schönes, freilich etwas viel Raum beanspruchendes Schmuck stück für Geschäft und Haus — das durch zwei zierliche, hochpolirte Messingstäbe flach erhalten wird. Die lithographische Anstalt für Reklame und Kunstdruck in Kaufbeuren (Bayern) versandte einen Wochen - Block - Kalender, dessen Buchdruck augenscheinlich von Ueberdruck auf Stein her gestellt ist und manchmal etwas verschwommen aussieht. Recht hübsch ist indess das Schutzblatt des Blocks, über dessen grauen Grund zarte weisse Blüthen verstreut sind, während .Silber glöckchen das neue Jahr, veranschaulicht durch eine goldene, mit den Glöckchen durch ein blaues Band verbundene Jahreszahl, ein zuläuten scheinen. Zahl, Glöckchen und Blumen sind leicht ge prägt und geben ein hübsches Gesammtbild. üeber dem Abreiss block, auf dem Rückenkarton mit Chamois-Ton und zierlicher Rokoko-Umrahmung, ist die chromolithographische Darstellung des Hauptgebäudes der Anstalt gegeben, ein vornehmer Bau, dessen Räumen es nicht an Licht und Luft mangeln dürfte. In Nr. 11 ist bereits des Abreiss-Kalenders gedacht worden, den die Firma Ch. Lorilleux & Co. in Paris veröffentlicht. Ausserdem hat sie auch einen chromolithographischen Kalender, bestehend aus vier Blättern von 70 cm Höhe bei nur 27 cm Breite, her ausgegeben, ihn aber, wie es scheint, nicht nach Deutschland versandt. Jedes dieser Blätter enthält äusser dem Kalendarium von drei Monaten in einer gothischen Nische eine betend oder segnend die Hände faltende oder erhebende Engelsfigur, Weih rauchwolken steigen empor, Blumen der Jahreszeit schmücken den untern Theil der Bilder, und unter diesen läuft eine farbige Leiste hin mit je drei Zeichen des Thierkreises, während eine gemusterte, auf jedem Blatte in anderen Farben gedruckte Ein fassung die Bilder umschliesst und in einer reichen, die Firma tragenden Kopfleiste ausläuft. Man kann diesen Kalender als eine grossartige Farbenprobe bezeichnen, doch hat er auch, in verkleinertem Formate und auf einem Bogen vereinigt, schon als Kunstbeilage zur Weihnachtsnummer des »Gaulois« Verwendung gefunden. Er ist in der berühmten Anstalt von Lemercier in Paris gedruckt, in der wahrscheinlich auch die hier in Frage kommenden vier Blätter entstanden sind. Als eine prächtige Farbenprobe könnte man auch den von der kaiserl. russischen Expedition zur Herstellung der Staatspapie^-e in St. Petersburg herausgegebenen Tafel-Kalender im Formate von 35:50 cm bezeichnen, der wieder wie seine Vorgänger in Dreifarbenlichtdruck ausgeführt ist, wäre diese Bezeichnung nicht allzu bescheiden, da es sich hier nicht sowohl um eine glanzvolle Vorführung der Farben, als vielmehr um deren künst lerische, durch ihren Uebereinanderdruck erzielte Wirkung handelt. Wollte man auf diesem Kalender die Einzeltöne der Farben herauszählen, so müsste man eine Skala anwenden von so grossem Umfang und zarten Abstufungen, wie sie so leicht nicht herzustellen sein dürfte, zumal der Gegenstand äusserst vielfältig und reich gegliedert ist. Die Darstellung zeigt einen Altar in japanischem Stile, auf dessen beiden Seitenflügeln je sechs Monate des Kalendariums nebst Notizen über russische Feier tage in Tafelform angebracht sind; das Mittelfeld nimmt eine goldene Statue des Buddha ein, und darüber ist ein gewaltiger Aufbau von Waffen, Rüstungsstücken, Fächern, Ornamenten usw., unter denen namentlich grüne greuliche Drachen eine hervor ragende Rolle spielen, dargestellt. Der Altar erhebt sich auf mehreren Stufen, an deren Grundfläche Weihrauchdämpfe aus einer Vase aufsteigen, andere Vasen zieren die Treppenwangen, Eidechsen umschlingen die Seitensäulen, Bambusgestrüpp schliesst das Bild seitlich ab, und nach oben entschweben einige Kraniche, — das Ganze ist ein Bild orientalischer Pracht und priesterlichen Reichthums, das sowohl in dieser Hinsicht, als auch in seiner graphisch - künstlerischen Durchführung wenige seinesgleichen