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Nr. 4 PAPIER-ZEITUNG. 95 Werkführer in Spanien. Ein Werkführer eines Zweiges der Papierverarbeitung theilt zur Warnung seiner Fachgenossen folgende in Spanien gemachte Erfahrung mit: Er wies einem Fabriksdirektor, der den Ruf grosser Ehrlichkeit besitzt, in Gegenwart eines Zeugen nach, dass ihm von anderer Seite 250 Pesetas Monatsgehalt, freie Wohnung und Reisekosten bewilligt wurden. Der Direktor versprach, ihm dasselbe und noch einige Prozente des Nutzens zu geben, wenn er bei ihm bleiben wollte. Er that es, erhielt aber während eines Jahres nur Abschlagszahlung, und als er dann Abrechnung ver langte, wurden ihm nur 200 Pesetas und keine Wohnungsent schädigung bewilligt, sodass er sich um 750 Pesetas geschädigt hält. Der Zeuge, welcher die Vereinbarung gehört hatte, wusste sich nicht mehr zu erinnern. Mit 200 Pesetas monatlich, schreibt der Werkführer, könne man in der spanischen Stadt mit Familie nicht auskommen, geschweige denn etwas anschaffen. Wir können von hier aus nicht prüfen, ob sich die Sache genau so verhält, haben jedoch häufig darauf hingewiesen, dass es im Auslande stets rathsam ist, auf schriftlicher Vereinbarung, womöglich vom deutschen Konsul bescheinigt, zu bestehen. Schwingender Knotenfang. Nachstehende Abbildung veranschaulicht den von uns schon S. 754, Jahrg. 1893, beschriebenen Knotenfang von John White in Leith Walk Foundry, Edinburgh. Dem gusseisernen Trog, welcher die Siebplatten enthält, wird durch einen Kurbelzapfen eine langsam schwingende Bewegung gegeben. Bei jeder Schwingung wäscht der Stoff über die Platten und befördert die nicht durch die Schlitze gegangenen Knoten usw. in die zu beiden Seiten angebrachten Rinnen, aus welchen sie mit dem überschüssigen Wasser durch eine selbstthätige Klappe nach dem Hilfsknotenfang abgelassen werden. Infolge der' fortwährenden Abspülung kann sich kein Stoff auf den Siebplatten lagern, und man kann daher die üblichen Schaber und Bürsten, welche leicht Knoten usw. in die Schlitze drücken und sie verstopfen, ganz weglassen. Londoner Bonbonschachteln. Nachdruck verboten Festtage gelten als die Zeit der Süssigkeiten; aber mehr als irgendwo ist dies in England der Fall, wo das schöne Geschlecht in der Vorliebe für das »Knabbern« mit den Babies wetteifert. Die Süssigkeiten, ob sie gleich in hunderterlei verschiedenen Formen, Arten und Aromas erscheinen, bleiben jedes Jahr so ziemlich dieselben. Dagegen ist das Gewand, in das sie gesteckt werden müssen, wenn sie würdig auf dem Gabentische erscheinen sollen, allen Veränderungen der Mode unterworfen. Früher wur den feine Bonbonniren in der Regel kreisrund, oval oder vier eckig gehalten und nur die Art der Ausstattung verändert. Dies ist jetzt anders geworden. Da sieht man drei-, sechs- und acht eckige Schachteln, solche in Gestalt von Körbchen, Hufeisen, Hut schachteln, Pyramiden, in langgestreckter cylindrischer Form, und als scherzhafte Sachen grosse Stücke von Steinkohle aus gepresstem Karton mit schwarzem Seidenüberzug, Bienenkörbe, Fässchen, wohlgenährte Spanferkel und andere niedliche Vierfüssler. Bei den Phantasieartikeln handelt es sich natürlich hauptsächlich darum, sie so naturgetreu wie möglich zu machen, weil darin gerade der Scherz liegt. In denjenigen Sorten dagegen, die von Anfang an als nichts anderes erscheinen sollen, als was sie sind, nämlich die schönen Hüllen eines süssen Inhalts, kommt alles auf das Geschick an, mit möglichst einfachen Mitteln etwas Vornehmes zu Wege zu bringen. In einfacheren Sachen, die einen grösseren Absatz versprechen, wurde viel Eigenartiges gebracht. Eine dieser Schachteln hat die länglich viereckige Form eines Handschuhbehälters, und ist nur in gepresstes Silberpapier mit Bronzeverzierungen geschlagen und mit einer hellblauen, weissen oder rosafarbigen Seidenschnur kreuz weise gebunden. Andere Schachteln ähnlicher Form werden an den Seitentheilen mit chokoladefarbigem oder, was noch besser aussieht, mit in stilisirten Blumenmustern gepresstem Bronzepapier bezogen, während der hellfarbige Deckel einen Blumenstrauss, ein hübsches Landschaftsbild oder Aehnliches in feiner Ausführung aufweist. Die Kanten des Deckels sind in der Regel vergoldet, und ein hellfarbiges Seidenband ist derart um die Schachtel ge schlungen, dass es, von einer Seitenmitte zur andern laufend, die Ecken abschneidet und das Mittelfeld frei lässt. Atlas ist wieder sehr beliebt und findet namentlich an mittelgrossen Sorten theils zum glatten Bezüge des Kartons an stelle von Papier, theils auch in feiner Fältelung Anwendung. Zu den wirkungsvollsten Neuheiten in dieser Art gehört eine ganze Reihe von Rokoko-Schachteln, die den eigentlichen Zugartikel bilden dürften. Dieselben werden in gewöhnlicher, mittelgrosser Schatullenform aus starkem Karton gefertigt, an den Seiten, die häufig etwas ausgewölbt gehalten sind, entweder glatt mit hell blauem, rosafarbigem, oder was für das Modernste gilt, hellgrünem Seidenatlas, oder auch in zarter Fältelung mit diesem Stoff bekleidet. Der Deckel ist gewölbt und mit weissem Atlas bezogen, auf dem sich ein Bild im Rokokostil als Hauptzierde des Ganzen be findet, das mit bewundernswerther Feinheit in Farbendruck aus geführt ist; der glänzende Atlasgrund trägt viel zu der vor nehmen Wirkung bei. In den Seidenbändern, die nur selten fehlen, zeigt sich eine ausserordentliche Mannigfaltigkeit in Farben und Musterung. Glatte Atlasbänder finden meist nur für billigere Sachen Ver wendung. Breite Bänder weisen entweder stark ausgesprochene Querrippen oder irgend ein Damast- und Blumenrankenmuster auf, das häufig durch Gold-, Silber- oder Farbenzusammenstellung hervor gehoben wird. Weiden- oder olivgrüner, wohl auch mittelblauer Plüsch gehört zu den modernsten Bezugsstoffen, namentlich für umfangreiche und hochfeine Sorten. Die Formen sind meist viereckig, aber die Seiten werden gern nach französischem Stil in der Mitte rund ausgebogen und dann wieder eingeschweift, was der Schachtel ein leichtes, elegantes Aussehen giebt. Der Deckel wird selten flach, meist dachartig steil ansteigend gehalten, wäh rend die kleine obere Fläche eine Bildverzierung auf Elfenbein masse trägt. Der Rokokostil eignet sich für diese Elfenbeinnach ahmungen ganz, besonders gut. Ein feines, zartfarbiges Schäfer-, Blumen- oder Landschaftsbildchen nimmt die Mitte ein, und darum ziehen sich graziöse Rahmenornamente ä la Louis XIII, denen auch der Umriss der ganzen Karte, die mit kleinen Stiftchen auf dem Plüsch befestigt wird, entspricht. Die Randverzierungen, die wie wirkliche Schnitzereien erscheinen und hier und da auch durch brochen sind, wirken sehr reich. Aber auch glatte Platten, von viereckiger oder ovaler Form, mit täuschend nachgeahmter Elfenbeinmaserung und scheinbar scharf abgeschnittenem, in Wirk lichkeit aber durch Pressung hergestelltem Goldrande, ein zart farbiges Landschaftsbildchen in der Mitte, heben sich von dem weichen Plüschgrunde sehr schön ab. Für Blumenverzierungen dagegen eignet sich Elfenbeinmasse weniger, da sie sich plump darauf ausnehmen; man bevorzugt hierzu Glanzpapier und verdeckt den Rand des Papiers durch ein hellfarbiges, in der Regel grünes Seidenband, das rahmenartig darum gespannt ist und an den Ecken in kleinen Schleifen herabfällt. Beliebt anstelle des Deckelbildes ist die Anbringung einer von beiden Seiten zusammenlegbaren Karte, die aussen hübsche Blumenverzierungen, nach Art der Neujahrskarten, und innen den üblichen Christmas-Glückwunsch aufweist. Eine sehr feine Schachtel hat länglich-achteckige Form und ist mit unregelmässig gefalteten rosa Atlas-Seitentheilen und olivfarbigem Plüschdeckel, der ein ovales Medaillon mit dunkel- rothen und gelben Rosen in Farbendruck aufweist, bekleidet, wäh rend sich ein breites, hellgrünes Damastband mit grosser Schleife um das Ganze schlingt. Eine andere feine Bonbonschachtel in vier eckiger Form ist mit grünlich-braunem Plüsch bezogen und auf dem gewölbten Deckel reich mit bronzenen Eichelverzierungen beschlagen.