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Was ist eine „Erfindung“? Diese Frage spielt nicht nur in Deutschland in den Entscheidungen des Patentamts eine grosse Rolle, sondern auch, wie nachstehendes Er- kenntniss eines amerikanischen Gerichtshofes (United States Circuit Court Southern District of New-York. Richter Coxe, 16. November 1886) zeigt, in den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika. Es handelte sich um Verletzung eines Patents auf Einladungskarten zu Hochzeiten u. dergl. Früher wurde bei diesen Einladungskarten, welche aus einem ein oder mehrere Mal gefalteten Papierbogen bestehen, auf die erste der beiden innneren Seiten die eigentliche Einladung gedruckt, oder eine mit solcher Die wegen Patentverletzung Beklagten erhoben Einladung bedruckte Karte a geklebt und auf die zweite innere Seite die Visitenkar ten b und c der beiden Parteien—Braut und Bräutigam—geklebt. Nach der vorliegen den patentirten Er findung sind diese Karten a, b, c nicht aufgeklebt, son dern aus dem Bogen erhaben geprägt und dann zugleich in einer Form bedruckt, unter Anderem den Einwand, es liege überhaupt keine „Erfindung“ vor, und das Patent bestehe daher nicht zu Recht. In den Entscheidungsgründen des Erkenntnisses, nach welchem die Beklagten der Patentverletzung schuldig befunden wurden, heisst es hierüber: Die Frage, was eine „Erfindung“ sei, ist nicht leicht voll kommen befriedigend zu beantworten. Dieselbe muss je nach den be sonderen Umständen des Falls entschieden werden. Wenngleich der vorliegende Fall nahe der Grenzlinie zwischen Erfindung und hand werksmässiger Geschicklichkeit liegt, muss hier doch zu Gunsten der Patentinhaber entschieden werden. Die Patentinhaber waren die ersten, welche Einladungskarten herstellten, auf denen die früher aufgeklebten Karten ausgeprägt und erst nachher bedruckt wurden. Diese Ein ladungskarten waren zweckmässig und billig und wurden desshalb bald beliebt; sie entsprachen einem Bedürfniss. Zeit und Ueberlegung waren zu ihrer Entstehung erforderlich, und es war dazu nicht bloss mechanische Arbeit nothwendig, sondern noch ein „Etwas“, welches wir als „Erfindung“ bezeichnen. Der Gedanke, die bisher aufgeklebten Karten durch erhabene Prägung des Papiers nachzubilden, war neu, und gerade solche Gedanken erheben den gewöhnlichen Handwerker zum Erfinder. Erfindung erfordert Nachdenken, handwerksmässige Ge schicklichkeit nicht. Die eine ist durch das Resultat geistiger, die andere durch körperliche Thätigkeit entstanden. Es mag zugegeben werden, dass die Erfindung naheliegend war, dass es von unserem jetzigen Standpunkt aus schwer zu verstehen ist, warum dieser Ge danke nicht schon lange vorher Jemandem gekommen ist, und doch bleibt die Thatsache bestehen, dass es nicht geschah, obgleich längst das Bedürfniss vorlag. In diesem Lichte betrachtet, erscheint der Gedanke, Hartgummi an Stelle anderer Materialien bei der Herstellung künstlicher Gebisse zu verwenden, auch einfach genug, und doch hat der Mann, der diesen Gedanken fasste und verwirklichte, der Menschheit eine dauernde Wohl- that erwiesen und den Lohn des Erfinders geerntet. Diese Entscheidung zeigt zunächst, dass jedes amerikanische Patent nachträglich von den Gerichten ungültig erklärt werden kann, wenn ent schieden wird, dass keine Erfindung vorliegt. Anderseits giebt sie auch einen Fingerzeig dafür, dass die Amerikaner Gegenstände und Verfahren als Erfindungen ansehen, die bei uns als handwerksmässige Ausführungen gelten. Es lässt sich wohl darüber streiten, welche Anschauung richtiger ist, die Amerikaner können aber für die ihrige grosse Erfolge geltend machen. Das dortige Patentgesetz und dessen Handhabung hat den amerikanischen Erfindungsgeist ungeheuer geweckt. Jeder Arbeiter weiss, dass er in einem guten Gedanken, wenn er auch unscheinbar ist, ein grosses Loos gezogen hat, er sucht desshalb danach und „denkt“. Dieser dem Arbeiter gegebene Sporn wird als eine der Ursachen dafür angesehen, dass in Amerika weit aus die meisten Arbeitsmaschinen erfunden werden. Auch die niedlichen, täglich in den Ver. Staaten auftauchenden nützlichen oder unterhaltenden, stets aber interessanten Kleinigkeiten, welche dort als „Yanke notions“, d. h. „Yankee-Gedanken“ bezeichnet werden, verdanken ihr Dasein und ihren Erfolg grossentheils der Leichtigkeit, mit welcher Patentschutz dafür erworben werden kann. Je weiter man den Begriff der Erfindung fasst, desto grössere Kreise des Volkes zieht man in den Kreis der Erfinder, desto weniger Bildung wird zum Erfinden erforderlich Anderseits ist nicht zu verkennen, dass bei solcher Ausdehnung des Erfindungsschutzes Vieles patentirt wird, was dem bei uns noch mit „Patent“ verbundenen Begriff! nicht entspricht. Bei den Berathungen über das deutsche Patentgesetz wäre desshalb zu erwägen, ob die Vortheile der erziehenden, anspornenden Wirkung solcher Ausdehnung, nach den in den Ver. Staaten sichtbaren Erfahrungen, die damit ver bundenen Nachtheile nicht überwiegen. Papierverarbeitungs-Berufsgenossenschaft. Sektion VI. Sektionsversammlung vom 1. December zu Elberfeld. Die Wahlergebnisse der Versammlung sind bereits in Nr. 50 mitgetheilt. Wir lassen nachstehend Bericht über weitere Punkte der Tagesordnung folgen. Anwesend waren 19 Personen mit 106 Stimmen. Herr Reinh. Schmidt führte den Vorsitz. Der Geschäftsführer erstattete Bericht über das 4. Quartal 1885 und die ersten 3 Quartale 1886, woraus wir die wesentlichen Punkte entnehmen. Sektion VI umfasst gegenwärtig 161 Betriebe mit 5055 Arbeitern. In der Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1885 kamen 12 Unfälle zur An zeige. Darunter waren 7 Quetschungen an Händen oder Fingern, 1 Quet schung des Beines, 1 Fussverrenkung, 1 Quetschung des Unterarms, 1 Ver letzung der Nase, 1 Verletzung am Auge. Den Folgen nach gruppiren sich die Unfälle, wie folgt: Erwerbsunfähigkeit Oktbr. Novbr. Dezbr. Summa 1—4 Wochen 2 2 3 7 5 13 „ — ' 4 1 5 über 13 ' „ — — — — In zwei Fällen, in welchen nachträgliche Entschädigung beantragt wurde, ist dieselbe seitens des Vorstandes abgelehnt worden. In der Zeit vom 1. Januar bis 1. Oktober 1886 wurden 53 Unfälle gemeldet- Davon- waren 7 Bein- und Fassverletzungen, 39 Hand- und Finger-Quetschungen, 2 Armbrüche, 1 Zerstörung der Unterarmweichtheile. 2 Abschürfungen der Handhaut, eine Verletzung an Kopf und Schulter und eine unbestimmte Verletzung. Die Unfälle sind dem Ausgange nach folgendermaassen zu ordnen: Erwerbsunfähikeit a 5 ° © März - April Mai Juni Juli Aug. Sept. Summa 1—4 Wochen 4 2 4 1 7 5. 6 3 2 34 5-13 „ 1 1 3 1 1 1 P 2 1 12 über 13 „ 2 2 1 — — — 1 1 — 7 In den vorverzeichneten 7 Fällen über 13 Wochen hinausgehender Er werbs-Unfähigkeit ist in 2 Fällen eine Rente von 15 bezw. 20 Mk. auf 3 bezw. 1 Monat gezahlt worden. In einem Falle hat der Verletzte schieds gerichtliche Entscheidung beantragt. Diese Sache schwebt noch in der Rekurs-Instanz. Zwei Verunglückte sind der Krankenkasse überwiesen worden, und drei Fälle sind noch unentschieden. Bis zum Tage der Verhandlung sind insgesammt 79 Unfälle angemel det worden. Die Ausgaben im IV. Quartal 1885 betrugen Mk. 435,99, der Bestand am 1. Januar 1886 war 564,01. Der Etat für 1887 ist auf Mk. 2400 fest gesetzt worden. — Sektion VII. Strassburg. Bekanntmachung. Die ordentliche Sektionsversammlung der Sektion VII. (Strassburg) wird hiermit auf Sonntag, den 16. Januar 1887, nachmittags 3 Uhr nach Strassburg i. E. Gasthaus zur „Stadt Basel“ einberufen. Die Herren Sektionsmitglieder erhalten zu dieser Versammlung noch eine besondere Einladung, die gleichzeitig als Legitimation dient. Die Verhandlungsgegenstände sind folgende: 1. Geschäftsbericht. 2. Wahl der Rechnungsrevisoren für das IV. Quartal 1885 und für das Jahr 1886. 3. Wahl der Rechnungsrevisoren für das Jahr 1887. 4. Feststellung des Etats pro 1887. 5. Ausloosung der aus dem Sektions-Vorstand ausscheidenden Mit glieder und Stellvertreter. 6. Neuwahl an Stelle der aus dem Sektions-Vorstand ausscheidenden Mitglieder und Stellvertreter. 7. Wahl der Delegirten und Stellvertreter für die Genossenschafts versammlung am 26. Januar 1887. 8. Rechnungslegung pro IV. Quartal 1885 und pro Rechnungs jahr 1886. Ensheim (Pfalz), den 24. Dezember 1886. Der Vorstand der Sektion VII. der Papier-Verarb.-Berufs-Genossenschaft. Eduard - Adt.